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Veröffentlicht am 12.04.2024

Scarlet

Scarlet
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Wenn man mich fragen würde, wie ich Genevieve Cogmans Roman „Scarlet“ beschreiben würde, wäre meine Antwort: Eine Prise Downtown Abbey, gewürzt mit einer vielversprechenden Prämisse und einer guten Portion ...

Wenn man mich fragen würde, wie ich Genevieve Cogmans Roman „Scarlet“ beschreiben würde, wäre meine Antwort: Eine Prise Downtown Abbey, gewürzt mit einer vielversprechenden Prämisse und einer guten Portion Fantasy.
In dem im Bastei Lübbe verlegten Buch wird das englische Dienstmädchen Eleanor Dalton zu Zeiten der Französischen Revolution in einen gefährlichen Plan verwickelt: Als Double von Marie Antoinette soll sie dabei helfen, die französische Königsfamilie vor dem endgültigen Tod durch die Guillotine zu bewahren. Zu diesem Zweck wird sie nach Frankreich geschleust und soll mit einer Geheimliga – der Liga des Scarlet Pimpernels – zusammenarbeiten. Doch schnell steht fest: Der Plan ist gefährlich als erwartet, denn Eleanor muss sich nicht nur vor den französischen Widerstandskämpfer in Acht nehmen, sondern auch vor den aristokratischen Vampiren, die das Land beherbergt.
Die Prämisse des Romanes macht bereits mehr als neugierig. Schafft Eleanor es, ihr Ziel zu erreichen? Welche Gefahren muss sie als Spionin in fremdem Gebiet gegenübertreten? Und: Wird sie überleben?
Ähnliches gilt für das Cover. Dunkle Farben, ein blutroter Schriftzug, der den Titel auf charmante Weise wiedergibt, ein Totenschädel mit Vampirzähnen – dieses Format fällt einem sofort ins Auge. Besonders, wenn man nach spannenden, gut recherchierten Fantasy-Büchern sucht. Man merkt schnell, wie viel Mühe und Arbeit sich Cogman im Vorfeld gemacht hat. Der historische Bezug ist während des Lesens durchgängig zu spüren; soweit sogar, dass man das Gefühl bekommt, ins Jahr 1793 hineingesogen zu werden.
Unterstützend wirkt hierbei vor allem der elegante, an die damalige Epoche angepasste und bildhafte Schreibstil. Die verwendeten Beschreibungen, Vergleiche und anderen rhetorischen Mittel passen nicht nur zum Klang und Kontext des Romanes – sie spiegeln die Welt, in der „Scarlet“ spiel, perfekt wider. Der Vibe, den Cogman versucht zu vermitteln, wird auf angenehme Art und Weise in Szene gesetzt.
Besonders gefällt mir, dass Cogman zu Beginn des Buches mit einer kleinen Zusammenfassung aller relevanten historischen Ereignisse bezüglich der Französischen Revolution aufwartet. So kann man die Zusammenhänge besser greifen und den unterschiedlichen Standpunkten, die die Figuren vertreten, sowie dem Handlungsverlauf des Romanes besser folgen. Auch schön: die kurze Darstellung der Figurenkartei, in der die prominentesten Charaktere aufgeführt werden.
Was in einer guten Geschichte nicht fehlen darf, sind: plastische Charaktere. Lebendigkeit zu schaffen ist etwas, das Cogman definitiv kann. Eleanors Reise fühlt sich greifbar an, ihre Ansichten und Handlungen nachvollziehbar. Man fiebert während des Lesens mit ihr mit, fühlt sich an ihrer Stelle angegriffen, wenn sie in Streitgespräche mit anderen Charakteren gerät, und hofft, dass sie aus den Problemen, die auf ihrem Weg nach und in Frankreich auftreten, schnellst möglichst herausgelangt. Mein Eindruck von Eleanor? Sie ist eine ehrgeizige, hartarbeitende junge Frau mit Köpfchen, die weiß, was sie will.
In dieser Hinsicht sei dazu gesagt, dass ein paar Aspekte aus dem Mittelteil der Handlung verwirrend wirken: Ohne Frage hat Eleanors Figur sehr viel Potential. Im Mittelteil jedoch – kurz nach ihrer Entscheidung, nach Frankreich zu gehen und vor der finalen Climax der Geschichte – passieren Dinge, die mir teilweise etwas seltsam vorgekommen sind (selbst, wenn sie den historischen Kontext mitsamt seiner Sicht auf weibliche Figuren gut reflektiert haben).
Obwohl vorher einem Test, in dem man ihre Vertrauenswürdigkeit auf die Probe gestellt hat, unterzogen, wird Eleanor nicht mit in die Pläne der Liga eingeweiht. Man sagt ihr zwar, wohin es geht, aber so wirklich Durchsicht auf genaue Standorte, involvierte Personen oder andere für den Plan relevante Daten erhält sie nicht. Zugegebenermaßen könnte man argumentieren, dass die Liga dies für ihren eigenen Schutz tut – je weniger sie weiß, desto weniger kann man aus ihr „herausfoltern“. Für mich stellt sich dann jedoch die Frage: Warum der Test? Welchen Zweck hatte es, ihre Vertrauenswürdigkeit zu testen, wenn die Liga ihr danach allem Anschein nach nicht genügend vertraut, um sie über alle Details zu informieren?
Zumal dadurch für Eleanor selbst Probleme entstehen: Während eines Überfalls flüchtet sie mit Charles, einem Mitglied der Liga, zu einem aristokratischen Vampir, dem Marquis de Stainville. Dort wird Eleanor aufgenommen, während Charles zur Liga zurückkehrt, um Hilfe zu holen. Auf dem Anwesen wird Eleanor späterhin von de Stainville angegriffen; dieser entpuppt sich als Feind. Zwar treibt dies die Handlung an, doch hätte ich mir gewünscht, dass man den Konflikt anders gehandhabt hätte. Zum Beispiel, indem Eleanor gemeinsam mit Charles zur Liga gegangen wäre.
Natürlich sind Vampire gefährliche Kreaturen, die den Menschen überlegen sind. Dies hat Cogman auf wunderbare Weise herausgearbeitet. Doch sie sind auch sterblich, wie der Tod eines Vampirs im Prolog ersichtlich macht. Persönlich hatte ich angenommen, dass Eleanor den Kampf mit de Stainville durch ihren scharfsinnigen Verstand möglicherweise verletzt, doch siegesreich besteht. Stattdessen hat sie durch Zufall die Seele einer alten Zauberin in sich aufgenommen und nur dadurch geschafft, dem Marquis zu entkommen. Das ist ein Beispiel aus dem Mittelteil, bei dem ich das Gefühl hatte, Eleanor eher reagieren, als agieren zu sehen. Für mich wurde dadurch etwas von der Spannung genommen.
Geändert wurde das allerdings im Zuge des Höhepunktes: Nachdem Eleanor wieder zur Liga findet, wird das weitere Vorgehen – dieses Mal im Detail und zusammen mit Eleanor – besprochen. Hier bringt Eleanor ihre Ideen ein – Ideen, die ernstgenommen werden und schließlich zum Erfolg ihres Vorhabens führen. Die Liga schafft es, die Kinder Marie Antoinettes zu retten. Marie Antoinette selbst, indessen in einen Vampir verwandelt, liefert sich mit Eleanor einen halsbrecherischen Kampf, den Eleanor mithilfe von Anima, der Zauberin, und ihrer schnellen Auffassungsgabe gewinnt. Es gibt also ein Happy End – eines, das für mich zufriedenstellend ist.
Denn: Eleanor wird im Zuge dessen zum vollwertigen Mitglied der Liga. Das hat sie sich im Verlauf des Romanes mehr als verdient. Als Leserin war ich aus diesem Grund ungemein stolz auf Eleanor.
Wer auf der Suche nach einem gut recherchiertem Fantasy-Roman mit historischem Bezug und bildhaftem Schreibstil ist, sollte definitiv auf Cogmans Roman „Scarlet“ zurückgreifen. Die Atmosphäre des Buches lässt Leser/innen vergessen, in welcher Wirklichkeit – oder Zeit – sie sich genau befinden. Mit jeder Seite mehr zieht der Roman Leser/innen in seinen Bann. Zurecht: Gefahren, Magie und Vampire – was will man mehr?

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