Tragische Familiengeschichte
Manche Engel sterben früh
Auszug aus dem Klappentext:
Als Ruths Mutter ein zweites Mal heiratet, erfährt Ruth durch ihren Stiefvater Liebe und Zuneigung. Dann bekommt sie jedoch ein Schwesterchen und von einem Tag auf den anderen ...
Auszug aus dem Klappentext:
Als Ruths Mutter ein zweites Mal heiratet, erfährt Ruth durch ihren Stiefvater Liebe und Zuneigung. Dann bekommt sie jedoch ein Schwesterchen und von einem Tag auf den anderen verändert sich das Leben der sechsjährigen Ruth drastisch. Ihre Eltern haben nur noch Augen für „Engelchen Christin“, Ruth existiert lediglich am Rande. Ruths seelisches und körperliches Leiden nimmt gefährliche Ausmaße an, sie bekommt Ausschläge, fängt an sich zu ritzen, säuft sich ins Koma …
Fazit:
Auch wenn mich das Cover dieses Buches kaum ansprechen konnte, wollte ich es unbedingt lesen, weil mich der Klappentext sehr berührte.
Ich lernte zuerst Ruth kennen, die sich im Jahre 1950 auf einen schönen Nachmittag mit ihrem „Papa“ freut. An diesem Tag ist Ruth gerade 7 Jahre alt und ihre heile Welt zerbricht schlagartig, als ihr stattdessen ihre neugeborene Schwester präsentiert wird. Ab diesem Tag verändert sich Ruths Leben schlagartig. Weder ihr Geburtstag noch ihre Einschulung zählen noch für ihre Mutter, die nur noch Augen für das Engelchen Christin hat. Ruths Stiefvater legt Sonderschichten ein, um seiner Familie etwas bieten zu können und hat nun ebenfalls keine Zeit für Ruth. Ruth leidet immer mehr in dieser Atmosphäre der Lieblosigkeit, der Gefühllosigkeit und der Ungerechtigkeit und sie verzweifelt immer mehr. Ihr Leid nimmt im Laufe der Zeit gefährliche Ausmaße an.
Als Ruth endlich alt genug ist, flüchtet sie zu ihrer Tante nach Berlin, bei der sie endlich willkommen ist. Mit ihrer Hilfe fasst sie Fuß und es gelingt Ruth, sich ihr eigenes Leben aufzubauen und ein gewisses Maß an Zufriedenheit zu erlangen. Doch eines Tages gerät auch diese Welt wieder ins Wanken, da ihre verhasste Halbschwester vor der Tür steht.
Ich habe dieses Buch in einem Rutsch gelesen und war tief erschüttert über die Gefühlskälte der Mutter ihren Töchtern gegenüber. Während Ruth es gerade noch schafft aus diesem Teufelskreis der Erniedrigung, körperlichen Züchtigung, Verboten und Liebesentzug zu entkommen, schafft es ihre Schwester nicht, aus dem Teufelskreis zu entkommen. Denn als Ruth nach Berlin gezogen ist, wendet die Mutter auch die gleichen schlimmen Erziehungsmethoden bei ihrem „Engelchen“ an. Wie dieses Drama endet müsst ihr leider selbst lesen, da es sich lohnt und ich nicht zu viel verraten will.
Der Schreibstil ist relativ sachlich und kommt ohne Schnörkel und Gefühlsduselei daher, gerade dadurch wirkt die gesamte Handlung sehr realistisch und dramatisch. Durch die verschiedenen Perspektiven konnte ich die Mitglieder der Familie gut kennen lernen und ihre Handlungen besser verstehen.
Mich hat diese Geschichte tief getroffen und schockiert und ich musste sie erst eine Weile sacken lassen. Ich konnte hautnah miterleben, wie eine lieblose Erziehung Kinder formt und wie schwer es für diese ist, sich im Leben zurecht zu finden. Die Wunden sind tief und heilen nur sehr schwer manche nie, die Folgen bleiben lebenslang zu spüren. Es mag so manchem Betrachter leicht fallen, dies mit den Folgen des Krieges zu erklären, da Ruths Mutter in dieser Zeit wohl schlimme Erfahrungen machte, wie so viele dieser Generation. Kinder die im oder kurz nach dem Krieg geboren wurden hatten einfach zu funktionieren und die Erziehungsmethoden von Ruths Mutter waren zu dieser Zeit gesellschaftsfähig und anerkannt. Kinder durften keinen eigenen Willen haben und ihnen musste mit Härte gezeigt werden, wo sie hingehören. Die Folgen dieser Erziehung wurden von der Autorin aufgegriffen und in eine dramatische Geschichte verpackt, die mich tief bewegt und nachdenklich zurücklies. Ich litt mit Ruth und ihrer Schwester und konnte deren psychischen und physischen Schmerzen regelrecht selbst fühlen. Es gelang der Autorin, Themen wie Missbrauch, Liebesentzug, Süchte, Egoismus und Rachsucht nachvollziehbar auf den Punkt zu bringen. Ich danke der Autorin für ihren Mut, solch ein schweres Thema in dieser aufwühlenden Geschichte umzusetzen.
Ich vergebe eine absolute Leseempfehlung für alle Leser mit starken Nerven. Es handelt sich um schwere Kost und ist für Leser, die ein Happy End erwarten eher ungeeignet.