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Veröffentlicht am 18.02.2024

Verlogene Erwachsenenwelt

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht
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Rezension
Verlogene Erwachsenenwelt

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht -
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Rezension
Verlogene Erwachsenenwelt

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht -
Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht
von Julia Jost

Bewertet mit 4 Sternen

"Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht" von Julia Jost zieht von der ersten Seite an in den Bann mit seiner ehrlichen und entlarvenden Erzählweise aus Sicht der elfjährigen Erzählerin J., die mit scharfem Blick und entwaffnender Ehrlichkeit ihr Umfeld und deren Probleme betrachtet. J.s Familie wird umziehen, weshalb sie Beobachtungen und Erinnerungen aus ihrer dörflichen Umgebung schildert, in der sie bis dahin aufgewachsen ist.

Auf diese Weise wirft die Erzählerin einen schonungslosen Blick auf die dunklen Seiten der Erwachsenenwelt, in der Affären, grausame Erziehungsmethoden und rechtes Gedankengut die Norm sind. Durch einen anekdotischen Erzählstil werden Leser:innen tief in die Abgründe der menschlichen Natur gezogen, während gleichzeitig, immer wieder auch mit Spott und Ironie, die Heuchelei hinter den konservativen und rechtsextremen Werten der Erwachsenen entlarvt wird.

Der Roman hat mich dennoch nicht hoffnungslos zurückgelassen - schließlich zeigt er auch Kinder, die keine Lust haben, beim Leben der Erwachsenen mitzumachen. Auch wenn sich die Ich-Erzählerin von ihrer Freundin und Verbündeten Luca wegen des Umzugs verabschieden muss, zeigt die Beziehung zu Luca die Möglichkeit, Freundschaft zu finden und sogar Verliebtheit zu empfinden. So zeigt J., dass es Raum für persönliches Wachstum und Empfindungen jenseits der engen Normen der Erwachsenen gibt, auch wenn sie dafür von der Welt der Erwachsenen immer wieder Bestrafungen ausgesetzt ist.

Der Roman ist eine definitive Empfehlung für Leser:innen von "Krummes Holz", "Kosakenberg" und allen, die gerne Romane zu Identitätsfindung und Sozialisationsprozessen in schwierigen Umgebungen lesen.

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Veröffentlicht am 17.02.2024

Überraschende Wendungen

Die Insel des Zorns
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Die ehemalige Hollywood-Schauspielerin Lana Farrar lädt ihren engsten Kreis auf ihre griechische Insel Aura ein. Doch zwischen Lana, ihrem Ehemann Jason, ihrem Sohn Leo, ihren besten Freunden, der Schauspielerin ...

Die ehemalige Hollywood-Schauspielerin Lana Farrar lädt ihren engsten Kreis auf ihre griechische Insel Aura ein. Doch zwischen Lana, ihrem Ehemann Jason, ihrem Sohn Leo, ihren besten Freunden, der Schauspielerin Kate und dem Dramatiker Elliot, sowie ihren griechischen Angestellten Aghati und Nikos gibt es Geheimnisse, ungeklärte Konflikte und Spannungen. Als der Sturm über der Insel aufzieht, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Tragödie, erzählt aus der Sicht von Elliot, entfaltet.

Die besondere Erzählweise in „Die Insel des Zorns“, die sich äußerlich an der Struktur griechischer Dramen orientiert, hat mir an diesem Thriller von Alex Michaelides besonders gut gefallen. Elliot deckt die Geheimnisse der Figuren erst nach und nach auf, was dazu führt, dass dieselben Szenen immer wieder aus einer neuen Perspektive heraus erzählt und beleuchtet werden. Das erlaubt dem Leser, in die Psyche der Charaktere einzutauchen und ihre Motive sowie inneren Konflikte immer besser zu verstehen. Diese mehrschichtige Erzählstruktur verleitet zum Weiterlesen und hält das Interesse konstant hoch.

Obwohl die Handlung an sich nicht atemlos spannend war, ziehen einen die Enthüllungen nach und nach immer mehr in den Bann. Jede Figur entwickelt im Laufe des Romans eine eigene Tiefe, und die subtilen Hinweise und Andeutungen lassen den Leser miträtseln und mitfiebern. Besonders faszinierend ist die Art und Weise, wie die Geheimnisse nach und nach ans Licht kommen und die Beziehungen zwischen den Charakteren auf die Probe gestellt werden.

Einzig Jason und die unglückliche Beziehung zu Lana blieben für mich etwas blass, aber ansonsten sind die Figuren gut ausgearbeitet und glaubhaft dargestellt. Die psychologische Tiefe und die Agatha-Christie-Vibes machen "Die Insel des Zorns" zu einem fesselnden Thriller, der Fans von raffinierten Plots und überraschenden Wendungen begeistern wird. Die Atmosphäre erinnert dabei an Filme wie "The Glass Onion“, was dem Roman eine zusätzliche fesselnde Note verleiht.

Insgesamt kann ich "Die Insel des Zorns“ für Leser empfehlen, die auf der Suche nach einem Thriller ohne viel Blut und Grausamkeit, dafür mit psychologischer Tiefe und cleveren Wendungen sind.

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Veröffentlicht am 15.02.2024

Deutsche Provinz

Kosakenberg
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"Kosakenberg" von Sabine Rennefanz ist eine Erzählung über Heimat, Identität und die Versuche, der deutschen Provinz zu entfliehen. Die Hauptfigur Kathleen wird als Grafikerin in London vorgestellt, die ...

"Kosakenberg" von Sabine Rennefanz ist eine Erzählung über Heimat, Identität und die Versuche, der deutschen Provinz zu entfliehen. Die Hauptfigur Kathleen wird als Grafikerin in London vorgestellt, die scheinbar erfolgreich ihre Herkunft im brandenburgischen Kosakenberg hinter sich gelassen hat. Doch ihre Besuche bei ihrer Mutter in dem kleinen Dorf konfrontieren sie einerseits mit Vertrautheit und führen ihr andererseits ihre zunehmende Entfremdung vor Augen.

Die Darstellung von Kathleens Erfolg als bedeutungslos in Kosakenberg spiegelt eine zentrale Thematik des Romans wider: die Diskrepanz zwischen städtischem Erfolg und der Wertschätzung in ländlichen, traditionellen Gemeinschaften. Obwohl Kathleen in London als erfolgreich und redegewandt gilt, wird ihr Erfolg in Kosakenberg nicht anerkannt oder geschätzt. Dies verdeutlicht die Kluft zwischen urbanem und ländlichem Leben, sowie die unterschiedlichen Wertesysteme und Lebensperspektiven, die in verschiedenen Gemeinschaften existieren. Auch Kathleens Mutter kann wenig mit Kathleens neuem Leben anfangen, so entsteht eine Kluft zwischen beiden, Kathleen verliert nach und nach ihre Familie. Dass der Ort Kosakenberg im Osten Deutschlands liegt, war für mich insgesamt weniger entscheidend als der Unterschied zwischen Land und Großstadt sowie neuer und alter Generation. Hier konnte auch ich mich in den teils melancholischen, teils ironischen Beschreibungen der Autorin leicht wiederfinden. Das Ende des Romans kam für mich dann allerdings etwas abrupt.

"Kosakenberg" ist ein Roman, der Fragen nach Heimat, Zugehörigkeit und Familie aufwirft. Rennefanz gelingt es, die Komplexität dieser Themen mit einer feinen Balance aus Ironie und Melancholie zu beleuchten, und regt damit immer wieder zu Reflexionen über die eigene Identität und die Bedeutung von Familie an.

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Veröffentlicht am 12.02.2024

Spezieller Erzählton

Eine Fingerkuppe Freiheit
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"Eine Fingerkuppe Freiheit" verspricht, faszinierende Einblicke in das Leben von Louis Braille zu bieten, dem Erfinder der Blindenschrift Braille. Leider war der historische Roman von Thomas Zwerina für ...

"Eine Fingerkuppe Freiheit" verspricht, faszinierende Einblicke in das Leben von Louis Braille zu bieten, dem Erfinder der Blindenschrift Braille. Leider war der historische Roman von Thomas Zwerina für mich aber eine enttäuschende Lektüre, die die Versprechen aus der Inhaltsbeschreibung nicht erfüllen konnte.

Der größte Makel dieses Romans liegt im Schreibstil, den ich oft als altmodisch, kitschig und aufgesetzt empfunden habe. Anstatt den Leser in die Welt des 19. Jahrhunderts zu versetzen, ertränkt der Autor die Geschichte in ausschmückenden Metaphern und unpassenden Vergleichen. Ein Beispiel dafür ist die Passage: "Pigniers Herz vollführte einen Wettstreit an langen Seilen. Am Ende riss das Seil, und er holte den hohlen Kürbis der Verwunderung wieder vom Kompost zurück und füllte ihn mit Sanftmut und Neugier." Und auch wenn der Autor diesen Ton im Nachwort als groteske Überzeichnung kennzeichnet: Solche überladenen und künstlichen Beschreibungen kommen auf jeder Seite mehrmals vor und lassen den Roman für mich wie eine Karikatur historischer Literatur wirken. Auch im Nachwort ist der Ton immer noch geschwollen und jeder Satz wird durch gleich mehrere Adjektive und Nomen ausgeschmückt. Durch diesen Ton blieben auch die Charaktere für mich blass, da ich mich nicht gut einfühlen konnte.

Ein kleines, weiteres Problem liegt in der Inkonsistenz der historischen Genauigkeit. Während einige Aspekte von Louis Brailles Leben akkurat wiedergegeben werden, werden andere Ereignisse und Details weggelassen. Dies fällt zwar unter künstlerische Freiheit, allerdings hat mir ja gerade die künstlerische Umsetzung nicht gefallen.

Dennoch kann man dem Roman sein historisch adäquates Fundament zu Gute halten. Die Darstellung von Louis Brailles Kampf gegen seine Blindheit und sein unermüdliches Streben nach Bildung und Unabhängigkeit sind für mich gut deutlich geworden. Insgesamt hinterlässt "Eine Fingerkuppe Freiheit" jedoch einen zwiespältigen Eindruck. Während die Grundidee des Romans viel Potenzial hat, wird dieses durch einen mangelhaften Schreibstil und eine inkonsistente historische Darstellung zunichte gemacht. Leser, die nach einer präzisen und fesselnden Darstellung von Louis Brailles Leben suchen, werden hier leider enttäuscht sein.

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Veröffentlicht am 12.02.2024

Spannende Geschichte einer selbstbewussten Frau

Lil
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Markus Gassers „Lil“ ist ein Roman über Intrigen, Machtspiele und das New Yorker Leben um 1880. Sarah, eine New Yorkerin der Jetzt-Zeit, erzählt die Geschichte ihrer Urahnin Lil. Die Hauptfigur, Lillian ...

Markus Gassers „Lil“ ist ein Roman über Intrigen, Machtspiele und das New Yorker Leben um 1880. Sarah, eine New Yorkerin der Jetzt-Zeit, erzählt die Geschichte ihrer Urahnin Lil. Die Hauptfigur, Lillian Cutting, eine exzentrische Eisenbahn-Millionärin, wird nach dem Tod ihres Mannes durch einen Trick ihres Sohnes Robert gegen ihren Willen in einer Nervenklinik aufgenommen. Doch anstatt sich ihrem Schicksal zu ergeben, kommt sie durch ihre Intelligenz und Freunde, die ihre Hinweise richtig zu deuten wissen, frei und beschließt Rache an ihren mächtigen Feinden zu nehmen. Gasser erzählt die Geschichte mit erstaunlich großer Spannung, unerwarteten Wendungen und cleverer Komik. Einzelheiten um das New York der 1880er sowie die Darstellung der Diagnostik- und Behandlungsmethoden psychischer Krankheiten, insbesondere bei Frauen, sind genau recherchiert und zeichnen ein authentisches Bild der Zeit. Dazu gehört auch immer wieder Gewalt gegen Frauen, sowohl psychisch als auch physisch, hier wird nichts beschönigt oder ausgelassen. Die schonungslose Darstellung hatte ich so aus der Ankündigung allerdings nicht erwartet.

Schon im ersten Kapitel wird deutlich, wie packend der Roman erzählt wird. Obwohl der Plot der ersten beiden Kapitel aus der Ankündigung des Romans bekannt ist, gelingt es Gasser, durch spannende Wendungen die Spannung hochzuhalten. Fast alle Kapitel enden mit Cliffhangern.
Eine weitere positive Überraschung ist die faszinierende Darstellung der New Yorker Upperclass. Gasser zeichnet ein lebendiges Bild dieser Gesellschaftsschicht, das sowohl unterhaltsam als auch zugespitzt ist. Die Darstellung erinnert an andere literarische Werke, die sich mit der New Yorker Upperclass beschäftigen, und zeigt Gassers Talent, sich nahtlos in das Genre einzufügen.

Obwohl im Roman eine Vielzahl an Figuren vorkommen, die entweder Antagonisten von Lil sind oder sie unterstützen, bieten sich oft kleine, genauere Einblicke in die Vorgeschichte der verschiedenen Figuren, die dadurch größtenteils authentisch wirken und nur manchmal klischeehaft erscheinen. Besonders auffällig ist dabei, dass es oft kontrastierende Figuren gibt, deren unterschiedliche Wertvorstellungen und Persönlichkeiten sich plakativ voneinander abheben. Dadurch wird es aber einfacher, die vielen Figuren einordnen zu können. Unklar blieb für mich die Figur der Erzählerin Sarah, deren Schicksal mit einem zunächst nicht behandelten Krebsleiden an die Haupthandlung anknüpft, aber deren Darstellung trotzdem nicht an die schillernden anderen Figuren heranreicht.

Insgesamt ist „Lil“ von Markus Gasser ein fesselnder Roman, der durch seine packende Erzählweise, überraschende Wendungen und facettenreiche Charaktere überzeugt. Ein absolutes Muss für Fans von spannender Literatur und intelligent erzählter Kulturgeschichte.

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