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Veröffentlicht am 30.03.2023

Die Frau, die ihr Spiegelbild verlor

Die nicht sterben
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Eine junge Frau kehrt nach ihrem Kunststudium aus Paris zurück nach Rumänien, in das Dorf B., das sie schon seit ihrer Kindheit kennt. Doch nicht nur der Ort ist in ›Die nicht sterben‹ mit Erinnerungen ...

Eine junge Frau kehrt nach ihrem Kunststudium aus Paris zurück nach Rumänien, in das Dorf B., das sie schon seit ihrer Kindheit kennt. Doch nicht nur der Ort ist in ›Die nicht sterben‹ mit Erinnerungen verknüpft. Auch die Villa Aurora, in der sie bei ihrer Großtante Margot lebt und die Menschen sind ihr vertraut. Aber das beschauliche Leben in B. endet jäh, als eine Frau bei einem Sturz in die Tiefe stirbt.
Als die Familiengruft der Icherzählerin für die Bestattung geöffnet wird, findet diese darin zweierlei.
Zum einen einen toten Mann. Gepfählt und die Augen bereits ausgehöhlt. Zum anderen, wie jedoch erst später bekannt werden soll, das Grab des berühmten Fürsten Vlad. Und mit diesem Fund nimmt die Veränderung in B. ihren zügigen Lauf.
Touristen strömen in den Ort. Angelockt von den Berichten über den mysteriösen Toten und das Grabmal eines Fürsten, dessen Ruf über die ganze Welt bekannt ist. Bald sind Gerüchte über den Bau eines Dracula-Parks im Umlauf.

»Ich kann nicht umhin, diese Geschichte zu erzählen, zumal ich sie aus nächster Nähe erlebt habe und alle Berichterstattung darüber als falsch erkenne.«

Doch während B., allen voran der Oberbürgermeister und dessen Sohn, vor allem wegen des Grabfundes des legendären Fürsten in Aufregung scheinen, ist die Icherzählerin an beiden Funden interessiert. Denn der Tote ist kein Unbekannter in B. und auch die Icherzählerin verbindet mit diesem eine Geschichte.
Vor dem Hintergrund des Mordes am Toten und dem Fund des Grabes verwebt Grigorcea eine Geschichte, die voller schauriger Märchenelemente ist. ›Die nicht sterben‹ wirkt wie aus der Zeit gefallen. Der Sprache der Icherzählerin und ihrer Art, die Geschichte zu erzählen, haftet etwas Altertümliches an. Zugleich erscheint der Roman seltsam in der Gegenwart verortet, auch wenn Internet nur auf einem bestimmten Hügel zu finden ist.

»Nach der Diktatur, bald nach 1989, wurde die Villa an uns zurückerstattet. Margot ließ das Schildchen mit der Gravur ›Villa Diana‹ auswechseln, neu stand da nun in geschwungener Schrift ›Villa Aurora‹.«

Elemente bekannter Vampirromane finden in ›Die nicht sterben‹ Einlass, allen voran Bram Stokers ›Dracula‹, doch auch Stephenie Meyers ›Twilight‹-Saga findet am Rande Erwähnung. Wir finden nicht die aus ›Dracula‹ vertraute Briefform und doch erscheint ›Die nicht sterben‹ im Gewand eines Berichtes. Bisweilen ist es schwierig zu sagen, wo das Geschehen in Träume und Erinnerungen gleitet, sodass die Icherzählerin unzuverlässig erscheint.
›Die nicht sterben‹ fragt nach dem Früher. Das Früher der Großtante Margot, die den Kommunismus und Enteignung kannte. Das Früher der Icherzählerin, in dem der Tote noch gelebt hat und B. für sie ein wunderbarer Ort gewesen war. Ein Zustand, dem sie zum Teil fremd zu werden und zu entwachsen scheint, und dem sie dennoch gerecht werden will. Und das Früher eines ganzen Landes, dessen Geschichte eng mit dem Schicksal des Fürsten Vlad verbunden ist, der im 15. Jahrhundert lebte.

»In mancher Nacht wähnte ich mich im B. von früher, als es hier ruhig war und beschaulich.
Als ich den Weg hinaufging, roch es wieder stark nach Gras und nach Erdigem, auch nach dieser harzigen Feuchte, die mich beim Atmen beben ließ, ich hörte manche Vogelart, den ich aus der Kindheit kannte.«

›Die nicht sterben‹ erzählt von Brüchen. Von früher und heute, von dem, was diese unterscheidet und dem, was sie eint. Korruption, Tradition und Schauer verbinden sich zu Themen einer besonderen Geschichte, die Grigorcea mit einem ganz eigenen Klang erzählt. Ein interessanter, verwobener und atmosphärischer Roman mit vielen literarischen Bezügen. 2021 ist ›Die nicht sterben‹ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.

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Veröffentlicht am 16.08.2021

Wenn Gut und Böse die Seiten tauschen

Die Chroniken von Peter Pan - Albtraum im Nimmerland
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Wenn Gut und Böse die Seiten tauschen. Lange bevor es einen Piraten namens Hook gab, der ein schwieriges Verhältnis zu Krokodilen hat, gab es einen Jungen namens Jamie. Er war der erste Junge, den Peter ...

Wenn Gut und Böse die Seiten tauschen. Lange bevor es einen Piraten namens Hook gab, der ein schwieriges Verhältnis zu Krokodilen hat, gab es einen Jungen namens Jamie. Er war der erste Junge, den Peter in ›Die Chroniken von Peter Pan‹ je zu sich ins Nimmerland geholt hat, sein ältester Freund. Die Piraten, deren Kapitäne noch anders hießen, fürchteten ihn, wie keinen anderen der verlorenen Jungen.

Diesen Jungen, der niemals einen Kampf verliert. Diesen Jungen, dessen Aufgabe es ist, sich um die anderen Jungen zu kümmern, die Peter als Spielgefährten zu ihnen bringt. Diesen Jungen, der trotz vergehender Jahrzehnte nicht erwachsen wird. Diesen Jungen, dessen Aufgabe es ist, die anderen verlorenen Jungen zu begraben, wenn sie einem von Peters Spielen zum Opfer gefallen sind.

Denn Peter liebt das Spielen, er liebt es, Aufmerksamkeit von den Jungen zu bekommen, die an seinen Lippen hängen. Doch Peter mag es nicht, wenn sie schwach sind, Sorgen machen oder nicht spielen und ihm zuhören wollen. Peter begräbt sie nicht, beschützt sie nicht und erinnert sich nicht an sie – wenn ein Junge stirbt, holt er einen neuen.

»Früher war ich jung, jung für immer und ewig. Bis ich es nicht mehr war. Früher liebte ich einen Jungen namens Peter Pan.
Peter wird euch erzählen, dass diese Geschichte nicht die Wahrheit ist, aber Peter lügt.«

Das Leben im Nimmerland folgt festen Regeln. Wer einmal das Nimmerland betreten hat, darf es nie wieder verlassen. Kein verlorener Junge darf außerhalb der Schlacht einen anderen Töten. Kein Mädchen darf nach Nimmerland. Regeln, deren Einhaltung Peter strengstens bewacht. Und wer die Regeln bricht, muss mit einer Strafe rechnen, die sein Leben kosten wird.

Doch was wäre, wenn Peter die Einhaltung dieser Regeln nicht nur bewacht, sondern bereit ist, sie im Geheimen nach seinen Interessen auszulegen und zu brechen? Was wenn die Regeln, die das Überleben der verlorenen Jungen im Nimmerland gewähren sollen, plötzlich zu einer Gefahr für sie werden?

»Manchmal träumte ich von Blut. Von Blut an meinen Händen und von leeren Augen in einem grauen, bleichen Gesicht. Es war nicht mein Blut oder welches, das ich vergossen hätte – auch wenn es davon in diesem Traum mehr als genug gab.«

Kinder können grausam sein. Kinder können Grausames tun. Kinder können Grausames ertragen müssen. Die Kinder des Nimmerlandes sind Personifizierungen dieser Gedanken. Obwohl auch Kameradschaft, Loyalität und Freundschaft das Leben der verlorenen Jungen, sind sie Teil einer Welt, vor der Erwachsene versuchen Kinder zu beschützen. Nur, dass es im Nimmerland keine Erwachsenen gibt, die die verlorenen Jungen beschützen wollen.

Christina Henry erzählt mit ›Die Chroniken von Peter Pan‹ eine Geschichte Peter Pans, die weit von der entfernt ist, die hinlänglich bekannt ist. Und dennoch erahnt die Leser und Leserinnen oftmals die Erkenntnis, dass sie ein Teil der Vorgeschichte sein könnte. Was ist, wenn Peter Pan nicht der Gute ist, als der er sich zeigt? Was ist, wenn Captain Cook nicht der Böse ist, der Kindern nach dem Leben trachtet? Was ist, wenn weit mehr hinter all dem steckt und im Herzen Nimmerlands verborgen ist?

»Peter suchte normalerweise Jungen aus, die ungefähr im selben Alter sind wie ich, als er mich erwählt hatte – etwa acht oder neun Jahre. Peter mochte dieses Alter am liebsten, weil die Jungs dann alt genug sind, um den Widerstandsgeist und den rebellischen Willens entwickeln, der sie dazu treibt, ihm zu folgen.«

Henry zeigt in ›Die Chroniken von Peter Pan‹ ein weit düstere Version des Nimmerlandes als jene, die den Lesern und Leserinnen bekannt sein könnte. Voller Abgründe und Geheimnisse, die bislang im Verborgenen geblieben sind. Zurück bleibt das beunruhigende Gefühl, dass etwas mit Peter nicht stimmt. Ein Gefühl, das von der Vorahnung begleitet wird, die entsteht, als Jamie schleichend beginnt, älter zu werden. Etwas, das im Nimmerland unmöglich sein sollte.

›Die Chroniken von Peter Pan‹ ist voller spannender Ideen und Wendungen, die in der düsteren Seite des Nimmerlandes im Verborgenen geblieben sind. Wer Lust auf einen Perspektivwechsel hat und mehr über den berüchtigten Piraten Captain Hook und seinen erbittertsten Widersacher Peter Pan zu erfahren, der wird ›Die Chroniken von Peter Pan‹ kaum aus den Händen legen können. Doch Henry hat diesen Perspektivwechsel nicht nur bei Peter Pan gewagt, auch andere bekannte Geschichten gibt es bei der Autorin von einer anderen Seite zu entdecken. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt auf ›Die Chroniken der Meerjungfrau – Der Fluch der Wellen‹.

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Veröffentlicht am 16.08.2021

Schatten, Lügen und ein dämonischer Großvater

Chain of Gold
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Dämonen greifen im Schutz der Nacht an. Dies ist ein eisernes Gesetz, das die Schattenjäger in ›Chain of Gold‹ am Tag in Sicherheit wiegt. Doch von einem Tag auf den anderen zerfällt dieses Gesetz zu Staub. ...

Dämonen greifen im Schutz der Nacht an. Dies ist ein eisernes Gesetz, das die Schattenjäger in ›Chain of Gold‹ am Tag in Sicherheit wiegt. Doch von einem Tag auf den anderen zerfällt dieses Gesetz zu Staub. Bei dem Angriff der Dämonen werden mehrere junge Schattenjäger schwer verletzt.

Doch ihre Verletzungen sind keine, die man mit den Heilrunen der Schattenjäger behandeln könnte. Noch nie wurden solche Verletzungen gesehen, selbst die Brüder der Stille wissen nicht, ob und wie sie geheilt werden können.

Die Dämonen sind jedoch nicht das Einzige, das den Schattenjägern Schwierigkeiten bereitet. Alte Feindschaften, Lügen und Intrigen sind ein fester Bestandteil ihrer Welt. Ein Umstand, der nur mit Freundschaft, Mut und Abenteuerlust ausgestanden werden kann.

»Lucie Herondale war zehn Jahre alt, als sie dem Jungen im Wald zum ersten Mal begegnete. Da sie in London aufgewachsen war, hatte sie sich einen Ort wie den Brocelind-Wald noch nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorstellen können.«

Die Geschwister James und Lucie Herondale sind Teil einer neuen Generation von Schattenjägern, die in die Fußstapfen ihrer Eltern treten will. Doch durch die Familie ihrer Mutter Tess besitzen sie Fähigkeiten, die weit über jene anderer Schattenjäger hinausgehen. James wird immer wieder in das Reich der Schatten gezogen und Lucie kann selbst jene Geister sehen, die den anderen Herondales verborgen bleiben.

Diese Fähigkeiten scheinen eng mit den Geschwistern Grace und Jesse Blackthorne verbunden. Grace Blackthorne, deren Schönheit fast unheimlich ist, wächst bei ihrer Adoptivmutter Tatiana Blackthorne auf, die seit Jahren von einem Hass gegen andere Schattenjäger zerfressen wird.

»James Herondale kämpfte gerade gegen einen Dämon, als er in die Hölle gezerrt wurde.
Es war nicht das erste Mal, das so etwas geschah – und es würde auch nicht das letzte Mal sein.«

Doch zum Glück sind die Herondale-Geschwister nicht allein bei dem Versuch, die unerklärliche Krankheit durch die Tageslicht-Dämonen aufzuklären. Sowohl James‘ Freunde als auch Lucies zukünftige Parabatai Cordelia versuchen alles, um die Kranken zu heilen.

Doch nicht nur Abenteuer und Geheimnisse sind ein fester Bestandteil von ›Chain of Gold‹, auch eine schöne Portion Liebe und Freundschaft sind ein fester Bestandteil von ›Die letzten Stunden‹. Auch einige bekannte Gesichter aus anderen Bänden der Shadowhunter-Welt warten auf die Leser und Leserinnen.

»Idris lag mitten in Europa – eine von Schutzwällen umgebende, unberührte Landschaft, verborgen vor irdischen Blicken und irdischen Erfindungen: ein Land ohne Eisenbahnen, Fabriken oder Kohlenruß.«

Es ist nicht unbedingt nötig, andere Bücher von Cassandra Clare vor diesem Band gelesen zu haben. Die Geschichte ist auch so gut zugestehen und so manche Ereignisse anderer Bände werden erklärt. Wer jedoch vorhat, die anderen Bände aus dem Shadowhunter-Universum zu lesen, sollte dies am besten vorher tun, da sonst viele Ereignisse und die Ausgänge der vorherigen Bände verraten werden könnten. Das maximale Lesevergnügen entsteht also, wenn man die Bände einfach der Reihe nach liest, obwohl ›Chain of Gold‹ auch für sich genommen verstanden und nachvollzogen werden kann.

›Chain of Gold‹ ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesiedelt – mit berauschenden Bällen, langen Abendkleidern und jeder Menge starrer Gesellschaftsnormen, innerhalb derer die junge Generation der Schattenjäger versucht, die ihnen bekannte Welt zu retten. Ohne den ein oder anderen Regelbruch wäre dieses Unterfangen vermutlich nur halb so spannend.

›Chain of Gold‹ kann sowohl dem eingefleischten Schattenjäger-Fan als auch Neulingen in Cassandra Clares Universum empfohlen werden. Durch die Vielzahl der Figuren, Familien, Regeln und auch Orte hat es bei mir etwas gedauert, um mit der Story warmzuwerden, aber als es dann soweit war, habe ich das Buch gerne gelesen. Es bleibt auf jeden Fall spannend, wie es in ›Chain of Iron‹ für James, Lucie, Cordelia und die anderen weitergehen wird.

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Veröffentlicht am 16.08.2021

Eine Reisende im Land des Schnees

Das Mädchen und der Winterkönig
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Eine Reisende im Land des Schnees.
Wasja sieht Wesen, die für andere in ›Das Mädchen und der Winterkönig‹ nur noch in alten Geschichten existieren. Märchen- und Sagengestalten, die ihr Leben zahlreicher ...

Eine Reisende im Land des Schnees.
Wasja sieht Wesen, die für andere in ›Das Mädchen und der Winterkönig‹ nur noch in alten Geschichten existieren. Märchen- und Sagengestalten, die ihr Leben zahlreicher bevölkern als Menschen. Nur wenige verirren sich in ihren Heimatort in Rus und nicht alle meinen es gut.

Die Ereignisse des ersten Bandes der Winternacht-Trilogie von Katherine Arden – ›Der Bär und die Nachtigall‹ – haben Wasja viel gekostet. Doch wem kann sie von einer Gefahr erzählen, die für die meisten nicht sichtbar ist? Und wenn sie nicht auf die Hilfe ihrer Liebsten hoffen kann, kann sie dann dem Winterkönig trauen?

Das Finale des ersten Bandes der Trilogie hat Wasjas Leben für immer verändert. Die Welt, die sie kannte, existiert nicht mehr. Doch ist sie mutig genug, in den Winter hinauszuziehen, um eine neue Welt kennenzulernen?

»›Sie sah Dinge, die nicht da waren‹, flüsterte er. ›Sie ging in den Wald und kannte keine Angst. Überall im Dorf sprachen die Leute davon. Die freundlichen sagten, sie sei verrückt. Aber die anderen sprachen von Hexerei.‹«

Wasjas Geschwister, die im ersten Band zum Teil in die Welt hinausgezogen sind, finden nun wieder Platz in ihrer Geschichte. Doch nicht nur freundliche Gesichter kreuzen Wasjas Weg wieder. Auch ein Mann, der ihr bereits im ersten Band Schwierigkeiten bereitete, ist in ›Das Mädchen und der Winterkönig‹ wieder mit von der Partie.

Zahlreicher als die Mythen- und Sagengestalten in der Winternacht-Trilogie sind nur die Gefahren. Der unnachgiebige, ewige Schnee. Der Groll vieler Menschen. Die Entführung vieler junger Mädchen. Und Wasjas will sich dieser Welt stellen, allein, und ohne je von zu Hause fort gewesen zu sein.

»›Meine Kleine ist keine Schönheit, aber sie zieht den Blick auf sich. Genau wie ihre Großmutter.‹ Die alte Frau bekreuzigte sich jedes Mal, wenn sie das sagte, denn Wasjas Großmutter war nicht glücklich gewesen, als sie starb.«

Mit Wasja ist Katherine Arden eine Protagonistin gelungen, die überzeugen kann. Wasja ist stark, entschlossen und warmherzig. Regeln und Enge bekommen ihr nicht. Auch in vielen Wünschen und Träumen ihrer Zeitgenossen kann sie sich nicht erkennen.

»Der Hausherr sah aus wie ein Mensch, doch seine Augen verrieten ihn. Als er erstmals in diesen Wäldern gesehen worden war, hatten die Mädchen noch in einer anderen Sprache zu ihm gesprochen.«

›Das Mädchen und der Winterkönig‹ kann mit dem ersten Band der Trilogie zwar nicht mithalten, doch bleibt die Geschichte um Wasja und den geheimnisvollen Winterkönig spannend. Und so, wie sie die Ereignisse im zweiten Band entwickelt haben, bleibt nur gespannt auf den dritten und letzten Band der Reihe zu warten.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Von Staus, fehlender Orientierung und anderen Chancen im Leben

Das Café am Rande der Welt
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John braucht eine Pause. Nach der ganzen Arbeit muss er einfach mal wieder Urlaub machen, rauskommen und abschalten.

Schade nur, dass sich sein Weg in den Urlaub als ebenso stressig entpuppt wie seine ...

John braucht eine Pause. Nach der ganzen Arbeit muss er einfach mal wieder Urlaub machen, rauskommen und abschalten.

Schade nur, dass sich sein Weg in den Urlaub als ebenso stressig entpuppt wie seine Arbeit selbst. Auf dem Highway bewegen sich die Autos keinen Meter mehr nach vorn, tanken könnte er auch mal wieder und was zu essen würde sicherlich auch nicht schaden.

Mehr vor Wut und Anpassung als nach reiflicher Überlegung verlässt John den Highway. Nur um sich zur Krönung seines Urlaubsbeginns hoffnungslos zu verfahren. Zumindest so lange, bis er im scheinbaren Nirgendwo ein Café findet. Ein Café, das ihn bald nicht nur froh darüber sein lässt, dass er sich verfahren hat, sondern auch viele andere Überraschungen für ihn bereithält.

»Dieser Tag übertraf langsam bei weitem alles, womit ich gerechnet hatte. Erst eine stundenlange Fahrt durch das Nichts, dann ein Café am Rande der Welt und jetzt eine Bedienung mit einem spitzbübischen Lächeln.«

Streleckys Erzählungen und Ratgeber über den Sinn des Lebens haben für mich stets zwei Seiten. Zum einen die Art und Weise, wie er seine Überlegungen verpackt und beschreibt. Seine Sprache ist klar. Komplexere Gedankengänge stellt er mithilfe möglichst einfacher und doch eingängiger Vergleiche und Geschichten dar. Doch obwohl ›Das Café am Rande der Welt‹ in Erzählform geschrieben ist, wirkt die Geschichte selbst konstruiert. Nicht alle seiner Figuren können Sympathiepunkte ergattern. Die Bedienung Casey scheint allzeit spitzbübisch und schelmisch zu lächeln und es auch immer noch mal besser zu wissen.

Anne und Mike hingegen fühlen sich runder und menschlicher an. Sie laden dazu ein, im Café zu verweilen und sich mit den Fragen der Erzählung auseinanderzusetzen.

Die zweite Seite hingegen ist das, worüber Strelecky schreibt. Die Fragen, mit denen sich der Protagonist John auseinandersetzen muss, sind existenziell. Sie führen ihn – und mit ihm die Lesenden – nah an das eigene Selbst heran. Diese Frage über den Sinn des Lebens haben Gewicht, sie verändern und sind zugleich so universell, dass sie wohl vielen Erwachsenen bereits begegnet sind.

»Sobald ein Mensch weiß, warum er hier ist, warm er existiert, welchen Grund es dafür gibt, dass er am Leben ist, wird er den Wunsch haben, dem Sinn und Zweck seiner Existenz gerecht zu werden. Es ist so, als erkenne man auf einer Karte, wo ein Schatz versteckt ist. Sobald man die Markierung entdeckt hat, fällt es schwer, sie zu ignorieren und nicht nach dem Schatz zu suchen.«

Wer bereit ist, sich auf die zu Anfang vielleicht etwas konstruiert wirkende Erzählung ›Das Café am Rande der Welt‹ einzulassen, kann sicherlich einige Überlegungen und Erkenntnisse aus diesem Buch mitnehmen. Vielleicht auch mit einem Stück saftigen Rhabarber-Kuchen.

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