Kanten und Kerben
Das Licht vergangener TageAls sich der junge Kunststudent István und die angehende Schauspielerin Rebeka kennenlernen, sind die beiden noch am Anfang ihrer Karriere. Obwohl István ein talentierter Künstler ist, bekommt er durch ...
Als sich der junge Kunststudent István und die angehende Schauspielerin Rebeka kennenlernen, sind die beiden noch am Anfang ihrer Karriere. Obwohl István ein talentierter Künstler ist, bekommt er durch seine Malerei bereits früh Probleme.
Rebeka hingegen, die aus gutem Hause kommt und alle Regeln der Etikette beherrscht, wird schon bald auf der Bühne bewundert. So ist es, während sie die Tage mit István verbringt und für ihre Vorsprechen übt, nur eine Frage der Zeit, bis ein gut situierter Professor um ihre Hand anhält.
Doch als die Geschehnisse der 1950er-Jahre über Ungarn hereinbrechen, ist es nicht István, der vor Problemen steht, sondern Rebekka: Mit ihrem Vater soll sie das Haus ihrer Kindheit verlassen und in ein kleines Dorf weiter weg ziehen.
Als Rebekas gewohntes Leben auseinanderbricht, bittet sie ihren Verlobten, Professor Breitner, und ihren Freund István um Hilfe. Doch nur einer der beiden Männer ist bereit, sein gewohntes Leben für sie aufzugeben.
Das Licht vergangener Tage gehört zu jenen Romanen, die dem Leser auch Tage, nachdem man das Buch gelesen hat, noch im Kopf rumgehen. Nach und nach will die Vielschichtigkeit des Romans betrachtet und durchdacht werden. Er zeigt uns das Leben zweier junger Menschen, mit ihren Wünschen und Vorstellungen für die Zukunft. Und gleichzeitig zeigt er, welche Opfer für diese gebracht werden müssen und welche unerreichbar bleiben.
Und es ist wohl jene Unerreichbarkeit, die den Figuren ihre Tiefe gibt. Denn während Das Licht vergangener Tage zwischen der Vergangenheit der 1940er- und 1950er-Jahre, in der István, Rebeka und Breitner noch jung waren, und der jungen Vergangenheit der 2010er-Jahre schwankt, in der zwei von ihnen zu alten Menschen geworden sind und einer verstorben ist, weiß der Leser, dass es keine einfache Geschichte werden kann.
Und so schwebt das Geschehen des Romans zwischen dem, was ist, dem, was hätte sein können, und dem, was nie werden wird. Die historischen Ereignisse, die über die Personen hereinbrechen, sind zu groß für sie und verschlucken sie, um sie an einem anderen Ort wieder auszuspucken.
Nikoletta Kiss gelingt mit ihrem Roman Das Licht vergangener Tage vieles zugleich: Er ist erfüllt von der Leichtigkeit der Figuren und der Schwere der Ereignisse. Von der Veränderung der Leben, die diese führen können, und der Beständigkeit mancher Wünsche und Ziele.
Dabei erschafft sie Figuren, die im Gedächtnis bleiben, fernab von Kitsch und Klischee. Das Licht vergangener Tage braucht ein wenig Zeit, um sich zu entfalten, und so kann es mitunter ein wenig dauern, bis man mit den kantigen Besonderheiten der Personen warm wird. Doch sind es eben jene kantigen Besonderheiten, die die Geschichte tragen, auch, lange nachdem man den Buchdeckel geschlossen hat.