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Veröffentlicht am 09.12.2021

Mühseliger Aufbruch in die Demokratie

Revolution der Träume
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​Wilhelm, der II. (Kaiser von Deutschland und König von Preußen) versteckt sich in Spa (einem belgischen Kurort), während das Volk die Revolution ausruft. Drei Freunde, zwei Jungmänner und eine junge Frau, ...

​Wilhelm, der II. (Kaiser von Deutschland und König von Preußen) versteckt sich in Spa (einem belgischen Kurort), während das Volk die Revolution ausruft. Drei Freunde, zwei Jungmänner und eine junge Frau, sind nach Berlin zugewandert. Alle Drei haben Träume, wie lassen die sich in einem revolutionären Berlin verwirklichen? Der Erste Weltkrieg war verloren, viele Männer traumatisiert. Hunger und Elend bestimmten den Alltag. Nur die Ruchlosen schlitterten luxuriös in die Goldenen Zwanziger.

Auf einmal bekommt der Begriff Weimar Republik eine Bedeutung. Diese Republik war immer nur die Zeit zwischen den Weltkriegen, in der viel passierte (der Kaiser wurde abgesetzt, die Revolutionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet, die Goldenen Zwanziger begannen). Historisch prägender war die ‚Braune Zeit’ danach, die Deutschland ins Unglück stürzte. Der Roman von Izquierdo mit seinen fiktiven Charakteren, aber auch historischen Menschen, bringt uns diese Zeit nahe.

Auf der ersten Innenseite des Umschlages der gedruckten Ausgabe werden die drei Hauptfiguren im Roman vorgestellt: Carl Friedländer (Filmer), Artur Burwitz (Unterweltskönig) und Luise Beese, Isi genannt, (Revolutionärin und Kleinkriminelle). Die Drei stammen aus Thorn in Westpreußen (was in einem Vorgängerband ab 1910 die Zeit des Ersten Weltkrieges beschreibt, ‚Schatten der Welt’, der aber nicht zum Verständnis von ‚Revolution der Träume’ notwendig ist).
Auf der Umschlagseite am Schluss befindet sich ein Stadtplan von Berlin mit wichtigen Punkten in der Weimarer Zeit. Dazwischen auf knapp über 500 Seiten der Roman, der bereits im Einstieg (Kapitel 1) richtig in die Vollen greift: Revolution!
„Der Kaiser weilt gerade in Spa, als sein Volk ihn stürzt. Es ist der Morgen des 9. November 1918, als die Untertanen seiner Majestät genug haben vom Krieg, Hunger und Schmerz, sie stürmen die Straßen.“ Das ist der prägnante Beginn des Romans, mit wenigen Worten skizziert (der Herrscher versteckt sich in einem Heilort, das Volk darbt und leidet, bis es die Revolution ausruft). Und damit entsteht sofort der Wunsch zu verstehen, durch wen, wie, wo und letztendlich warum ist diese Revolution zustande gekommen, die eigentlich bis heute Deutschland prägt, denn ohne diese Revolution wäre das Land wohl keine Demokratie. Die kurze Zeitspanne der zwar heftig bewegten Weimarer Republik hat gezeigt, dass es möglich ist und den Wunsch dazu auch in der Nazizeit wach gehalten.

Manchmal werden mit knackigen Worten stichworthaltig Ereignisse zusammengefasst, dann aber wieder in gutem Erzählton der Lauf der Geschichte wiedergegeben (der Historie wie auch der Romangeschichte).

Umschlagsbild: Ein Jüngling in der Bekleidung der Zwanziger Jahre läuft auf das Brandenburger Tor zu. Die rote, haptisch herausstehende, Schrift des Titels Revolution der Träume signalisiert das Besondere. Die Aufbruchsstimmung.

Wer an der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland interessiert ist (und das sollten viele sein) muss dieses Buch lesen! Spannender lässt sich die Weimarer Republik wohl nicht darstellen.

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Veröffentlicht am 09.12.2021

Ein Dorf im Aufstand

Wie schön wir waren
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Das Dorf heißt Kosawa. Viele jüngere Dorfbewohner sterben, nicht nur Ältere (altersbedingt), sondern auch Kinder. Das hat mit der Verseuchung des Bodens durch die Ölförderung zu tun. Boden und Wasser wird ...

Das Dorf heißt Kosawa. Viele jüngere Dorfbewohner sterben, nicht nur Ältere (altersbedingt), sondern auch Kinder. Das hat mit der Verseuchung des Bodens durch die Ölförderung zu tun. Boden und Wasser wird verseucht.
Zu Beginn des Buches treffen sich die Dörfler in einer Dorfversammlung (im Turnus einberufen) mit Würdenträgern aus der Stadt und Mitarbeitern des Erdölkonzerns. Die Angereisten versuchen die Bevölkerung zu beschwichtigen. Doch bei dieser Versammlung ist es anders, kurz vor dem Aufbruch kommt es zu Tumulten, ein Unberührbarer (weil er angeblich verrückt ist) übernimmt plötzlich die Führung. Die aus der Stadt (einschließlich die Konzernmitarbeiter) werden festgesetzt. Und damit beginnen die schlimmsten Probleme für das Dorf Kosawa. Am Ende ist nichts mehr wie es war...

Eine Kameruner Autorin schreibt einen Roman über ein Dorf, das sich gegen Neo-Kolonialismus wehrt. Es erinnert an den Kampf der Ogoni in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Ein großes Areal wurde im Nigerdelta von der Royal Dutch Shell verwüstet. Proteste der Ogoni wurden versucht zu ersticken. 1995 hängte die nigerianische Militärregierung den Führer der Ogoni, Ken Saro-wiwa und acht Mitkämpfer (trotz weltweiter Proteste).

IMBOLO MBUE stammt aus Limbe, an der Küste (Littoral) von Kamerun, in der Nähe des Kamerunbergs – eine wunderschöne Gegend. Das Gebiet der Ogoni liegt nur wenige hundert Kilometer weiter nördlich, ebenfalls im Littoral – Gebiet. Es ist durchaus ein wichtiger Stoff, den die Autorin hier angeht – Umweltzerstörungen im Auftrag großer multinationaler Konzerne, an denen machtgierige Einheimische auch groß verdienen.

Das Buch erzählt vom Leben im Dorf, vom Zusammenhalt, aber auch der Ängste und dass die Bewohner des Dorfes in Furcht vor dem Militär und den korrupten Politikern leben. Plötzlich gelten die alten Regeln nichts mehr, der Unberührbare wird berührt (weil die Eindringlinge die Regeln nicht kennen).
War es nicht immer so, dass welche von außerhalb der Perimeter des eigenen Kulturraumes die Regeln nicht kannten? Und dadurch einiges durcheinander kam...

In ihrem Buch beschreibt die Autorin am Ende, dass ‚die Kinder aus dem Dorf‘ alle Stipendien erhielten und in das Traumland jenseits des Großen Teiches verzogen sind, dann große Autos fuhren und ihr Herkunftsland mehr oder weniger vergaßen… Auch Frau Imbue ist US-Amerikanerin geworden. Verständlich, denn ihr Heimatland steckt in der politischen Zwangsjacke einer kleinen Clique um Paul Biya (Langzeitpräsident der Republik Kamerun). Der kleinen politischen Clique geht es gut, dem Rest des Landes weniger…

Aber vielleicht dient es als Anregung, denn Kamerun - oh Kamerun, ein wunderschönes Land mit viel Potential - wird seit Jahr und Tag von dieser despotischen Clique regiert.

Mit dem Schreibstil tue ich mir schwer – es zieht sich ... Es ist sehr gut, wie die Autorin, mit Beispielen, aus der lokalen Kultur berichtet. Man könnte dies jedoch auch mehr dramatisieren. Das Buch ist lesenswert, mit viel Geduld. Es ist keine Lektüre zur Unterhaltung, sondern zum Nachdenken.

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Veröffentlicht am 07.12.2021

Fanny & Ester & die Liebe

Fanny und die Liebe
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Fanny erzählt in der 'ich' - Form von ihrem Leben, mit ihrer ungewöhnlichen Oma, der Schule und vor allem dem Kunstunterricht, von ihrer Mutter und natürlich von ihrer besten Freundin Ester. Mit ihrer ...

Fanny erzählt in der 'ich' - Form von ihrem Leben, mit ihrer ungewöhnlichen Oma, der Schule und vor allem dem Kunstunterricht, von ihrer Mutter und natürlich von ihrer besten Freundin Ester. Mit ihrer Großmutter ist Fanny gerne zusammen, weil die so ganz anders ist (hat die doch tatsächlich, als Fanny und Oma Pfifferlinge fanden und keine Tasche dabei hatten, ihren Pulli ausgezogen und zu einer Tasche für die Pfifferlinge gebunden). Dazu gibt es eine schöne Zeichnung von der im BH und Dreiviertelhose, pfiffig aussehenden, Oma.

Doch dann kommen Misstöne zwischen Fanny und Ester auf, nur weil Fanny sagt, sie mag Ester, doch Ester sagt, sie möchte gerne, dass Fanny in sie verliebt ist. Das möchte Fanny nicht. Vielleicht später mal.
Geht jetzt die Freundschaft zwischen Fanny und Ester in die Brüche? Fanny denkt darüber nach und findet einen Weg, um wieder mit Ester gut zu sein.

In einfacher, aber liebenswürdigen, Art erklärt der Text um Fanny, dass es Menschen gibt, ob groß oder klein, jung oder älter, die unterschiedliche Menschen lieben (Mädchen – Mädchen, Frau – Frau, Mädchen – Junge und Oma ihren Klaus)

Die im Buch dezent verteilten Zeichnungen sind einfach, aber sehr witzig und genial mit Bleistift (oder Kohle) in schwarzweiß gezeichnet. Das Büchlein ist liebenswert und schön gestaltet (auch mit pinkfarbenen Zwischenblättern, die das Buch auflockern). Mit einem robusten Einband kann es durch viele Hände gehen, auch schmutzige. Das Büchlein ist für alle, die schon gerne selber lesen (spätestens ab 7 Jahren).

Gerne gebe ich das Büchlein in Kinderhände!

Zu Fanny gibt es bereits ein Vorgängerbuch ‚Fanny ist die Beste‘, wo wieder ihre liebenswerte Familie eine Rolle spielt. Im Moritz Verlag, Frankfurt, erscheinen sehr schöne Bücher für Kinder (ab ganz klein bis etwas größer)

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Veröffentlicht am 30.11.2021

eine jüdische Familie

Wellenflug
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Schon der Prolog ist interessant: Die Ich-Erzählerin berichtet von ihrem Großvater und der Familiengeschichte, die sie nicht kennt; von Verwandten, die ihre unbekannt sind, von den Kerrs (Judith und Alfred, ...

Schon der Prolog ist interessant: Die Ich-Erzählerin berichtet von ihrem Großvater und der Familiengeschichte, die sie nicht kennt; von Verwandten, die ihre unbekannt sind, von den Kerrs (Judith und Alfred, die bekannten Schriftsteller). Das alleine treibt meine Neugierde auf einen ersten Höhepunkt – denn auch ich habe erst vor kurzem von Verwandten erfahren, von denen ich nie etwas wusste.

Dann geht es zurück ins 19.Jahrhundert….Das Leben der Familie, vor allem der kleinen Anna, wird erzählt. Die große Schwester stirbt an Cholera. Der Stoffhandel, Messen und ein Brand. Doch Anna wird unversöhnlich. Denn als ihr Sohn Heinrich mit Marie ankommt, lehnt sie diese ab. Für immer (manche Schwiegermütter sind so).
Anna hat in die reiche Fabrikantenfamilie eingeheiratet. Als ihr Sohn, eine Spielernatur, mit der Garderobenfrau Marie ankommt, ist ihr diese nicht gut genug.

Sehr schöner Erzählstil

Das Titelbild ziert eine Fotografie einer sehr sensibel aussehenden jungen Frau, offensichtlich (Frisur, Patina der Fotografie) aus einer früheren Zeit (Anfang des 20. Jahrhundert?). Blickfang! Für mich schon, denn großflächige Gesichter auf dem Umschlagbild ziehen mich an.

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Veröffentlicht am 30.11.2021

wo ist Cecilia?

Gesammelte Werke
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Cecilia, eine bekannte Romanschriftstellerin, ist verschwunden. Mann, Sohn und vor allem Tochter vermissen sie. Wo ist sie? In Berlin vielleicht? Rakel, die Tochter, sieht ihr Gesicht überall in Paris. ...

Cecilia, eine bekannte Romanschriftstellerin, ist verschwunden. Mann, Sohn und vor allem Tochter vermissen sie. Wo ist sie? In Berlin vielleicht? Rakel, die Tochter, sieht ihr Gesicht überall in Paris. Es geht um Literatur, es geht um das Leben.

Martin schreibt auch, aber er ist nicht erfolgreich. Martin ist Verleger. Martin denkt an seine Frau (und ihre Turnschuhe, die sie nicht weggeworfen hat), er denkt an seine Kinder, die erwachsen werden.
Durch aktuelle Einsprengsel zu Kunst, Geschichte, Philosophie und natürlich Literatur hebt Lydia Sangren ihr Werk in das Tagesgeschehen, verbindet damit ihr Leben mit unserem; die Charaktere im Buch werden lebendiger, als ob sie zu uns direkt sprächen.

Leicht lesbarer Stil mit meditativen Pausen. Fast 900 Seiten, da wird dem Lesenden einiges zugemutet. Das ist kein Überfliegerbuch, sondern für Musestunden (in der Winterzeit) zum Lesen mit nachdenklichen Lesepausen. Die Autorin selbst hat rund zehn Jahre an ihrem Debütroman gearbeitet.

Das Umschlagsbild ist natürlich mega auffallend: Ganz in Gelb und diese Augen überall, die einem zu verfolgen scheinen

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