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Liselottchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.04.2020

»Warum könnt ihr beim Scheiße-Bauen nicht wenigstens was richtig machen?«

Köln 300 °C
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Judith Mertin hat es nicht leicht. Seit drei Monaten wird sie von ihrem cholerisch unberechenbaren Kollegen Markus Kaiser schikaniert. Ausgerechnet als sie zu einem Brandanschlag gerufen werden, greift ...

Judith Mertin hat es nicht leicht. Seit drei Monaten wird sie von ihrem cholerisch unberechenbaren Kollegen Markus Kaiser schikaniert. Ausgerechnet als sie zu einem Brandanschlag gerufen werden, greift er sie sogar körperlich an. Dennoch müssen sie zusammen ermitteln und ihrem Versetzungsgesuch wird nicht stattgegeben. Ein verbranntes Mobiltelefon bringt sie zur Telekommunikationsfirma eco-tec, deren Mitarbeiter sich auffallend bedeckt halten. Bei einem zweiten Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim wird der hochexplosive Stoff Tantal entdeckt. Zusätzlich muss sich Mertin mit rechtsextremen Jugendlichen herumschlagen, die sie sogar angreifen, während Kaiser mit Abwesenheit glänzt und sein Verhalten immer merkwürdiger wird. Daran ändert auch das gemeinsame Abendessen, von seiner Frau in die Wege geleitet, nichts. Dass zusätzlich offenbar intern gegen Kaiser ermittelt wird, macht ihn für Judith nicht vertrauenswürdiger und sie weiß bald gar nicht mehr, was sie von ihm halten soll. Doch der nächste Anschlag lässt nicht auf sich warten ...

Der Anfang dieses facettenreichen Krimis fesselte mich sofort, sowohl die Differenzen zwischen der dunkelhäutigen Judith und Kaiser, als auch der interessante Fall mit dem total verbrannten Toten. Der Krimi-Plot ist vielschichtig aufgebaut, mehrere Perspektiven und Handlungen. Viele Details waren im ersten Moment nicht zu erkennen, auch wirken mehrere Abteilungen und Personen mit, daher war es schwierig für mich, den roten Faden zu finden. Oft musste ich zurückblättern, bis ich das ›aha‹-Erlebnis hatte. Dass die Kapitel nach Tag und Uhrzeit betitelt sind, machte das Ganze übersichtlich.
Was am Anfang dem Roman Würze verlieh, verursachte bei mir von Kapitel zu Kapitel das Gefühl auf einem Vulkan zu sitzen. Das war jedoch nicht auf die laufenden Brandanschläge sowie zahlreichen Action- und Gewaltszenen zurückzuführen, vielmehr war es die katastrophal aggressive Stimmung unter den Ermittlern, die mich gravierend von der Haupthandlung ablenkte. Kaisers schräges pöbelhaftes Verhalten konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen und ich verstand nicht, warum es alle vom sonderbar hilflosen Chef (der Titel meiner Rezension ist ein Zitat von ihm) weg tolerierten. Kaiser war für mich von Anfang an ein unkalkulierbares Pulverfass, das dann letztendlich wirklich explodierte und er im Krankenhaus landete. Judith hat ebenfalls privat ein Päckchen (Deusch-Kongolesin, Mutter umgebracht, Beziehungsschwierigkeiten), das war mir stellenweise too much. Mir fehlte die positive Auflockerung, die den meisten Krimis den Charakter gibt.
Unrealistisch fand ich, dass die junge Mertin nach Kaisers Zusammenbruch als Leiterin eingesetzt wird, obwohl sie erst seit drei (!) Monaten in der Abteilung ist und zudem ein Manko hat: Sie kann schlecht schießen. Was auch in der Handlung vorkommt, als ein Attentäter direkt auf sie zuläuft und sie ›das ganze Magazin leer schießt‹ ohne ihm nennenswert zu schaden.
Bemerkenswert fand ich, dass das Thema des Coltan-Abbaus im Kongo aufgegriffen wird, die grauenvollen Bedingungen für die Minenarbeiter und wer sich schlussendlich daran bereichert.
Die Auflösung war dann zufriedenstellend und nachvollziehbar. Der Schreibstil ist flüssig lesbar, die Dialoge sind in Umgangssprache gehalten und wirken daher natürlich. Thrillerfreunden kann ich das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 13.04.2020

›Hinter’m Horizont geht’s weiter.‹

Das gibt es nur in Timmendorf
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Lianne ist fünfundvierzig, als ihr Mann ihr sie wegen seiner schwangeren Freundin verlässt. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte sie nur ihre Arbeit als Marketingleiterin. Nun fällt sie in ein tiefes Loch, packt ...

Lianne ist fünfundvierzig, als ihr Mann ihr sie wegen seiner schwangeren Freundin verlässt. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte sie nur ihre Arbeit als Marketingleiterin. Nun fällt sie in ein tiefes Loch, packt ihre Sachen und flüchtet nach Timmendorf. Nach einigen alkoholischen Abstürzen beschließt sie, ihr Leben neu zu orientieren. Sie nimmt einen Job als Strandkorb-Vermieterin an, gewinnt neue Freundinnen, betreibt Sport und steckt schließlich mitten in dubiosen Ereignissen. Ein Täter verübt Anschläge auf Veranstaltungen, mit dem Spruch ›die fetten Tage sind vorbei‹ scheint er es hauptsächlich auf die Reichen und Schönen abgesehen zu haben.

Nach dem Titel habe ich mir einen flotten humorvollen Küstenkrim erwartet. Die Geschichte braucht lang, um in Schwung zu kommen. Es dreht sich zuerst nur um Lianne, die in den ersten Kapiteln als sich selbst bemitleidende Jammertante auftritt. Obwohl sie sich nach und nach eingestehen muss, dass sie und ihr Mann eher nebeneinander denn miteinander gelebt haben, kann sie die Trennung nicht verkraften.
Ihr Umschwung kommt dann plötzlich, sie verändert ihr Leben, Sport, Abnehmen etc. Zahlreiche Nebenfiguren treten auf, ich hatte Probleme, mich zu orientieren. Die Autorin wechselt häufig die Perspektive, lange Beschreibungen von Timmendorf erinnerten mich eher an einen Reisebericht. Auch die (zu) vielen Informationen und Nebenstränge lassen die Krimi-Handlung in den Hintergrund treten. Die Polizei spielt leider überhaupt keine Rolle, ich fragte mich stellenweise, ob die gar nichts tun? Auch die eingeschobenen Passagen aus der Sicht des Täters in Ich-Form wirken langatmig und konnten bei mir keinen Grusel-Effekt hervorrufen. Der gefühlt alle zehn Seiten vorkommende Satz: ›Das gibt es nur in Timmendorf‹ – von verschiedenen Personen angewandt ist zwar als Titel wunderbar – funktionierte jedoch an den meisten Stellen nicht. Warum sollten die Leute das dauernd sagen?
Gut gefallen haben mir aber die skurrilen Charaktere, ich sah sie alle bildlich vor mir und einige amüsante Dialoge konnten mich erheitern. Die Story selbst – möglicherweise nicht ganz realitätsnah – war ebenfalls unterhaltsam. Dem Plot hätte jedoch ein wenig Straffung und Konzentration auf den Hauptstrang gutgetan. Fans von Cosy Crime kann ich sie durchaus empfehlen.

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Veröffentlicht am 13.04.2020

›Zeit für ein Kompliment blieb nicht.‹

Gift hat keine Kalorien
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Eine Kurzgeschichtensammlung mit perfiden verschiedenartigen Geschichten, kürzer oder länger, mit schwarzem Humor gewürzt.
Da ist beispielsweise die Deutschlehrerin, meine Favoritenstory, die ihrem schlechtesten ...

Eine Kurzgeschichtensammlung mit perfiden verschiedenartigen Geschichten, kürzer oder länger, mit schwarzem Humor gewürzt.
Da ist beispielsweise die Deutschlehrerin, meine Favoritenstory, die ihrem schlechtesten Schüler eine Lektion der besonderen Art zuteilwerden lässt. Oder einen Gewinnspiel-Fanatiker, dessen Preis ein Sarg de Luxe ist, worüber die Ehefrau alles andere als erfreut ist. Ebenso gibt es die (gar nicht so wenigen) Männer und Frauen, die ihre jeweiligen Partner auf kreative Weise loswerden wollen. Ein Kriminalbeamter, der sich über die unrealistischen Krimis im Fernsehen ärgert und einen Leitfaden für den perfekten Mord schreibt, ohne zu wissen, dass jemand genau seine Regeln befolgen wird. Und schließlich ein Auftragskiller, mit ›Ladehemmung‹, der einen Psychologen aufsucht.
Die Geschichten bestechen durch einen wunderbaren Schreibstil und amüsante Formulierungen. Durch ihre Kürze eignen sie sich hervorragen zum Überbrücken von Wartezeiten, weil man noch schnell eine Geschichte lesen kann. Die Inhalte sind Geschmackssache, nicht alle konnten mich komplett zufriedenstellen, dennoch hat mir diese Sammlung unter dem Strich gut gefallen. Liebhaber/innen von schwarzem Humor mit teilweisem Gruseleffekt kann ich sie wärmstens empfehlen.

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Veröffentlicht am 26.03.2020

Adel verpflichtet

Eine Lady für den brennenden Baron
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Mathilda ist eine junge Dame aus gutem Haus, die von ihrer Mutter gedrängt wurde, sich ihrem Cousin, dem Titelerben ihres verstorbenen Vaters, an den Hals zu werfen. Dermaßen kompromittiert musste dieser ...

Mathilda ist eine junge Dame aus gutem Haus, die von ihrer Mutter gedrängt wurde, sich ihrem Cousin, dem Titelerben ihres verstorbenen Vaters, an den Hals zu werfen. Dermaßen kompromittiert musste dieser ihr einen Antrag machen, doch er liebt eine andere. Mathilda bereut ihre Tat, trennt sich von ihrer Mutter und löst die Verlobung. Als ›gefallenes Mädchen‹ versucht sie, eine Anstellung als Gouvernante zu finden. Das entpuppt sich als ausgesprochen schwierig, keine Agentur möchte sie nehmen. So gerät sie von einer misslichen Lage in die andere, aus der sie mehrmals ein Gentleman rettet: Jasper. Der junge Lord, Wissenschaftler, sucht eine Gouvernante für seine Schwester und sie folgt ihm begeistert nach Wales – Hauptsache weit weg von London. Während sie eine Faszination für den vernarbten Adeligen entwickelt und sich mit einem bockigen Mädchen herumschlagen muss, ahnt sie nicht, dass sie bereits gesucht wird ...

Abwechselnd aus mehreren Perspektiven, hauptsächlich jedoch aus der Sicht von Mathilda und Jasper, erzählt die Autorin in der dritten Person. Ich konnte mich von Anfang an gut in die beiden Hauptpersonen einfühlen. Der angenehme Schreibstil, nicht zu antiquiert, aber doch ohne moderne Ausdrücke, ließ mich auf wohltuende Weise in die historische Zeit eintauchen. Eine Zeit, in der für Frauen der Oberschicht vor allem eines wichtig war: sich einen vermögenden Mann zu ergattern. Mathilda war wohl in den Vorgängerbänden eine Zicke, die sich berechnend einen Ehemann angeln wollte, offenbar getrieben von ihrer Mutter, erzwang sie eine Verlobung mit ihrem Cousin. Jetzt macht sie eine Wandlung durch, möchte, dass ihr Cousin glücklich wird. Sie löst die ungewollte Vereinbarung, ein Skandal, dadurch gilt sie als gefallenes Mädchen. Sie sieht als einzige Chance, dass sie von der Bildfläche verschwindet. Ihr Charakter ist glaubhaft und ehrlich gezeichnet. Jasper ist ebenfalls eine tolle Persönlichkeit, der sich durch seine Zuneigung zu Mathilda immer mehr öffnen kann. Speziell gefallen hat mir auch die alte Lady, Jaspers Mutter, die an Altersdemenz leidet, deren liebenswerte Eigenheiten eine besondere Note haben. Die Geschichte liest sich flockig-locker, wundervolle Unterhaltung, die ich sehr genossen habe.
Eine Empfehlung für alle Romantikfans!

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Veröffentlicht am 21.03.2020

Spannend, vielschichtig, atemberaubend

Die Maske der Schuld
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Richard Schwarz hat Besuch von seiner Ziehschwester Sarah und deren Kindern, die gerade mit dem Zirkus in Wien gastiert, als ihn der Anruf von Gerichtspsychiaterin Theres Lend erreicht. Auf Grund ihrer ...

Richard Schwarz hat Besuch von seiner Ziehschwester Sarah und deren Kindern, die gerade mit dem Zirkus in Wien gastiert, als ihn der Anruf von Gerichtspsychiaterin Theres Lend erreicht. Auf Grund ihrer unheilbaren Augenkrankheit, die letztendlich zum Erblinden führt, hat sie sich einer dubiosen Selbsthilfegruppe angeschlossen, wo nicht alles mit rechten Dinger zugeht. Ihre Beschwerden verschlechtern sich und jetzt ist auch noch ein Mitglied verschwunden, dem soll Richard nachgehen. Dieser ist nicht begeistert, trotzdem verspricht er zu helfen. Doch fast zeitgleich wird eine Wasserleiche gefunden, die ihm und seinem Kollegen Chefinspektor Paul Rätsel aufgibt. Gerichtsmedizinerin Emily, für die Richard ein Faible hat, findet heraus, dass an dem gelähmten Mann kurz zuvor operativ gepfuscht worden war. Zudem holt Richard seine Vergangenheit ein, denn der Mörder seiner Mutter läuft immer noch frei herum ...

Auch beim zweiten Band rund um den vernarbten Richard Schwarz war ich von Anfang an mitten im Geschehen. Sein Kollege Paul, der eigentlich der Chefinspektor und quasi Vorgesetzter ist, verblasst neben dem Charisma von Richard. Die Autorin erzählt aus verschiedenen Perspektiven und in mehreren Zeitebenen, was extrem spannend ist. Besonders gruslig sind die Passagen aus der Sicht des Täters, der es ja eigentlich ›gut meint‹ (Gänsehaut pur) und die Einschübe vom Reha-Aufenthalt eines Opfers. Mosaikartig werden die Puzzlesteine zusammengefügt, bis sich das gesamte Bild zeigt. Die Figuren sind – wie schon in Band 1 – dreidimensional und hautnah geschildert, jeder hat sein Päckchen zu tragen, hat gute und schlechte Eigenschaften. Die Geschichte ist tiefgründig und perfekt recherchiert. Trotz der zahlreichen Handlungsstränge und Personen konnte ich der Story gut folgen und gerade diese Vielschichtigkeit macht die Geschichte zu einem aus dem Rahmen fallenden Genuss. Der Spannungsbogen hält sich von Anfang bis zum Schluss – und was mir am allerbesten gefiel – es gab keine Ungereimtheiten und Logikfehler, die die Handlung trübten. Schwarz ist kein Superheld, menschlich dargestellt und ich mag ihn sehr. Der Fall rund um seine Mutter treibt ihn an seine Grenzen. Bringt ihm die Auflösung wirklich die erhoffte Ruhe? Der Showdown war der nackte Wahnsinn, wenn ich Nägel kauen würde, hätte ich sie mir abgekaut! Mehr verrate ich hier nicht.
Nur so viel: Ich habe diese Geschichte wieder in atemberaubendem Tempo verschlungen und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Es bleibt einiges offen – natürlich, es ist ein Mittelteil. Ob der vom Schicksal gebeutelte Richard das Glück finden wird, an das er selbst nicht glaubt? Die Zeit bis zu Teil 3 wird mir unendlich lang werden!
Ein spannender Thriller mit liebevoll ausgearbeiteten Figuren, an dem alle Fans des Genres ihre Freude haben werden. Unbedingte Empfehlung von mir.

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