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Veröffentlicht am 05.08.2022

witzig und spannend und very British!

Ein Date für vier (Neuausgabe)
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Eigentlich hat sich die vierzehnjährige Marleen schon auf die Sommerferien in Italien gefreut, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Leonie und Schwarm Franceso, den sie hofft, wiederzusehen.
Doch weil sie ...

Eigentlich hat sich die vierzehnjährige Marleen schon auf die Sommerferien in Italien gefreut, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Leonie und Schwarm Franceso, den sie hofft, wiederzusehen.
Doch weil sie und ihre ältere Schwester Ella ziemlich schlechte Englischnoten haben, beschließen Marleens Eltern, die beiden auf Sprachreise nach England zu schicken. So landet Marleen statt in bella Italia im verregneten Torquay.
Doch ganz so übel wie erwartet ist es dort dann gar nicht. Denn Marleen und Ella kommen bei Lady White unter, einer schrulligen Adeligen, die zwar nicht gut kochen kann, aber in einem überaus interessanten und riesigen (wenn auch ziemlich heruntergekommenen) Haus lebt und zwei äußerst attraktive Söhne hat. So wird der Sommer doch noch prickelnd – und auch mysteriös, denn am Schluss gibt es sogar noch einen Kriminalfall zu lösen.


Ulrike Rylance hat eine deutsch-englische Summerlove-Story für junge Teenager geschrieben, die sich flüssig liest, humorvoll geschrieben und auch wirklich spannend ist. Man folgt der Geschichte mühelos durch die Seiten – und selbst wenn jungen Leser:innen nicht jede englische Phrase verstehen, so tut dies der Geschichte keinen Abbruch, denn die wichtigen Informationen werden – eingebettet in einen Dialog zwischen Marleen und ihrer Schwester – in einer deutschen Zusammenfassung wiederholt. Wenn Leser:innen während der Lektüre also zum Wörterbuch greifen, dann tun sie es wahrscheinlich freiwillig.

Toll fand ich, dass tatsächlich jede der 208 Seiten illustriert wurde – und immer gibt es einen Bezug zum Text, sowie in den „Kritzeleien“ am Rand nochmals viel Englisch steckt. Dadurch wirkt das Buch gar nicht nach "Uff, Englischlernen", sondern macht sofort neugierig. Und genau darum geht es ja – um die Neugierde auf ein fremdes Land, eine fremde Sprache, eine fremde Kultur (und nicht darum, jedes einzelne Wort zu verstehen – immerhin können die Engländer ja auch kein Deutsch.)
Vor allem aber besticht die Geschichte durch die liebevoll gezeichneten Charaktere. So landet etwa eine Mitreisende – Cookie – bei einer indischen Familie, bei der man am liebsten selbst die Ferien verbringen möchte. Und auch Lady White und ihren riesigen Hund Rover mochte ich sofort.
An manchen Stellen wird's zwar ein bisschen gemein (armer Patrick, armer Konstantin), aber was wäre ein Mädchenroman, wenn es nichts zum Ätzen und Kichern gäbe? Und ja, ich muss zugeben, auch ich habe jedes Mal Tränen gelacht, wenn Klette Patrick (Ellas anhänglicher Freund mit den Segelohren) am Festnetztelefon der Lady White war.

Es wird noch ein bisschen dauern, bis meine Nichte alt genug für dieses Buch sein wird – aber ich bin mir ziemlich sicher, dass „Ein Date für vier“ bei Mädchen von ca. 12/13 Jahren sehr gut ankommt. Ich jedenfalls habe mich sofort ins Jahr 1992 zurückversetzt gefühlt, als ich selbst auf Sprachreise in Brighton war.

Was mir besonders gut gefiel: Die Autorin lässt die Engländer tatsächlich so reden, wie sie es in England tun – und nicht so, wie man es im Unterricht lernt. Genau das macht den Charme dieses Buches aus – sowie ja auch den Charme einer Englandreise.

Fazit:
„Ein Date für vier“ ist ein kleiner Sprachurlaub (inklusive Sommerromanze) für alle, die es dieses Jahr nicht nach Torquay, Eastbourne oder nach Brighton geschafft haben.
(Wer das Buch seiner Tochter schenkt, darf sich allerdings nicht wundern, falls diese anschließend den Wunsch äußert, nächsten Sommer auch nach England fahren zu wollen.)

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Veröffentlicht am 31.07.2022

Ein spannender und liebenswerter Kinderkrimi, der ein bisschen zuviel will

Wie wir die Welt retten wollten und dabei aus Versehen das Bernsteinzimmer fanden
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Man erkennt es bereits am Cover: Hier agiert eine Kinderbande. Eigentlich sind es die Geschwister Himmelweit, Emmi, die Ich-Erzählerin ist 12, ihre Schwester Sofi ist 16 und hat schon einen Freund, Sam ...

Man erkennt es bereits am Cover: Hier agiert eine Kinderbande. Eigentlich sind es die Geschwister Himmelweit, Emmi, die Ich-Erzählerin ist 12, ihre Schwester Sofi ist 16 und hat schon einen Freund, Sam ist 14, Jo ist 10, Hummel ist 7 und die kleine Lany ist 5. Und dann gibt es noch Familienhündin Bella. Und natürlich Mama, die halbtags arbeitet und sich um Haushalt, Hof und Kinder kümmert, und Papa, der als Medieninformatiker sogar Computerspiele programmieren kann.
Für ein modernes Kinderbuch eine etwas traditionelle Rollenverteilung, auch sind die Himmewelweits eine sehr gläubige christliche Familie (es wird ziemlich viel gebetet). Ansonsten sind die Eltern durchaus modern, die beiden lassen ihrem Nachwuchs viel Freiheit, setzen auf einen partnerschaftlichen Erziehungsstil mit viel Vertrauensvorschuss und mischen sich nicht in die Geheimnisse ihrer Sprösslinge ein. Und Geheimnisse gibt es zu Ferienbeginn genug.
Dabei fängt alles ganz harmlos an.

Eigentlich möchte Emmi nur eine Petition starten, um zu erwirken, dass die Lebensmittel nicht mehr in so viel Plastik verpackt werden. Doch das mit der Unterschriftenliste stellt sich als größere Herausforderung dar als gedacht. Der Erste, der Emmi die Tür öffnet, ist nämlich ausgerechnet ihr heimlicher Schwarm Luka. Währenddessen werden Emmis Brüder, die vor dem Supermarkt auf die Petition aufmerksam machen, gleich mal vom Marktleiter vertrieben. Doch die Geschwister geben nicht so schnell auf, und so führt bald eines zum anderen. Zum Beispiel dazu, dass Hündin Bella angefahren wird. Oder auch dazu, dass Jo in den Teich fällt und gegen eine seltsame Kiste stößt. Ob diese einen Schatz enthält? Und was hat der griesgrämige alte Müller mit der Kiste zu tun? Ganz schön unheimlich, vor allem, als die Kinder dann noch von Schüssen erfahren. Aber die Geschwister sind natürlich viel zu neugierig, um locker zu lassen, und so stecken sie schon bald in großer Gefahr …

Anni E. Lindner hat einen spannenden Kinderkrimi geschrieben, der vor allem durch seine liebenswerten Charaktere besticht. Als Leserin bin ich sofort in die Handlung gekippt, besonders gut gefiel mir, dass Emmi ihre Leser:innen immer wieder direkt anspricht und ins Vertrauen zieht (oder auch bittet, nichts weiterzuerzählen, schon gar nicht ihrem Schwarm Luka).
Die Illustrationen lockern den Text zusätzlich auf. Vor allem das Cover fängt die Stimmung gut ein, auch wenn ein Kind fehlt. Ein großes Lob an dieser Stelle an die Grafikerin, einen so langen Titel ansprechend zu gestalten, muss man mal schaffen.

So kurzweilig ich die Geschichte insgesamt fand – inhaltlich haben mich dann leider doch ein paar Dinge gestört. So heißt es zu Beginn, Sofis Freund sei für 3 Monate in Amerika, mittendrin wird aus diesen 3 Monaten plötzlich ein ganzes Jahr. Auch der Tipp, als Großfamilie das Geschirr lieber mit der Hand abzuwaschen, anstatt in den Geschirrspüler zu räumen, hat mich irritiert, da die Expert:innen seit Jahrzehnten genau das Gegenteil behaupten.
Vor allem aber habe ich mich gefragt, warum die Autorin nicht bei der Umweltthematik geblieben ist, anstatt – durch den Fund des Bernsteinzimmers – das sensible Thema Nationalsozialismus anzuschneiden. Wie nebenbei wird die Ermordung derjenigen, die das Bernsteinzimmer angeliefert haben, erwähnt, auch der Holocaust wird in einem Nebensatz abgehandelt. Und genau hier sehe ich die Problematik des Buches. Zumal der Krimi genauso spannend gewesen wäre, wenn die Kinder sich ausschließlich um die geheime Mülldeponie gekümmert hätten. Weniger wäre hier eindeutig mehr gewesen, so bleiben beide Themen leider an der Oberfläche.

Fazit: Das Buch ist sehr charmant und auch spannend geschrieben, sodass ich es trotz meiner Einwände durchaus empfehlen möchte. Allerdings rate ich Eltern, mit ihren Kindern mitzulesen, um die aufgeworfenen Themen im Anschluss besprechen zu können.

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Veröffentlicht am 27.06.2022

Für alle, die in der Quarterlife-Crisis feststecken (und jene, die sich dran erinnern können)

Von hier betrachtet sieht das scheiße aus
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Inhalt:

Ben ist 29, er hat einen ziemlich öden, wenngleich gut bezahlten Job, und sein Chef ist überzeugt davon, dass er für Großes bestimmt ist. Doch Ben fühlt sich innerlich leer und ausgebrannt. "Aufstehen, ...

Inhalt:

Ben ist 29, er hat einen ziemlich öden, wenngleich gut bezahlten Job, und sein Chef ist überzeugt davon, dass er für Großes bestimmt ist. Doch Ben fühlt sich innerlich leer und ausgebrannt. "Aufstehen, arbeiten, Sorgen machen, sterben". Kann das wirklich alles gewesen sein? 
Um sich selbst zu spüren, um nicht das Gefühl zu haben, in einer absurden Matrix festzustecken, verletzt sich Ben regelmäßig selbst – mithilfe eines Feuerzeugs. Bens Haut weint, Ben selbst nicht. 
Bens Jugendfreund hat sich bereits aus dem Leben verabschiedet, mit einem – wie Ben findet – völlig unspektakulären Sturz aus dem Fenster. Nun möchte Ben ihm nachfolgen. Aber bei seinem Abgang soll es so richtig knallen, und das nicht nur auf dem Asphalt. Vor allem aber will Ben nicht selbst Hand an sich legen. Am schönsten wäre es, völlig unerwartet, quasi aus dem Nichts heraus. Ohne Schmerzen. Ohne dass was schiefgeht. Und das bitte bald. Also lässt Ben jenen Dealer, von dem er normalerweise sein Gras bezieht, einen Profikiller im Darknet anheuern. Ben verkauft seine Aktien und gibt sich selbst und dem Killer eine Frist von 50 Tagen.
Was macht man, wenn man weiß, dass man nur mehr anderthalb Monate zu leben hat? Nun, Ben ist nun mal Ben. Und was er wirklich gut kann, ist To-do-Listen schreiben.


Meine Meinung:

Man merkt, dass der Autor als Comedian auf der Bühne steht, denn das Buch ist trotz des ernsten Themas ungemein witzig. Mir persönlich war es an manchen Stellen sogar ein bisschen ZU witzig, manche Metaphern brüllen dann doch etwas zu laut.
Was ich mochte: Ben ist ein Misanthrop par excellence, einer, der immer alles und jeden scheiße findet. Außerdem hat er mich in eine Zeit zurückgeführt, als ich selbst noch in einem 40-Stunden-Job festhing. Dieses Soll-das-schon-alles-gewesen-sein, dieses Feststecken in einem System, in einer Institution –  diese Gefühle kennen wir wohl alle.
Mit  46 war mir die Handlung stellenweise aber zu schwarz-weiß bzw. schwarz-rosarot, zu Boah! und Geil! und Krass! und BACKPFLAUMEN UND MANDELN. Ein bisschen mehr Angst vor dem Auftragskiller und depressiver Durchhänger hätte in all dem Friedefreudeeierkuchen im Mittelteil also durchaus sein dürfen, denn da hängt das Buch ein klein wenig durch.
Doch Osswald weiß, wann Schluss sein muss mit Rosarot – der dritte Teil überrascht dann durchaus und war für mich der intensivste.
Im Leben gibt es kein Für-immer-und-ewig – in Max Osswalds Debütroman auch nicht, und das ist gut so.
Zwischen all den lauten, lustigen Stellen, zwischen all dem Beat und dem Pop und den schrägen Metaphern, gibt es übrigens auch ein paar wunderbar zarte, melancholische Stellen. Und gerade in diesen leisen Stellen beweist der Autor, dass er nicht nur Comedian ist, sondern auch Atmosphäre heraufbeschwören kann.


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