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Veröffentlicht am 27.12.2022

Tolles Debüt

Kohrynea: Der Bruch des Chaos
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Kohrynea von Marius Czernetzki

Wer von euch möchte eine neue Welt bereisen? Eine Welt voller tiefer, dunkler Wälder, voller stürmischer Ozeane und großer Metropolen? Voller blutrünstiger Daimonen und ...

Kohrynea von Marius Czernetzki

Wer von euch möchte eine neue Welt bereisen? Eine Welt voller tiefer, dunkler Wälder, voller stürmischer Ozeane und großer Metropolen? Voller blutrünstiger Daimonen und wahrer Kameraden? Dann solltet ihr „Kohrynea - Der Bruch des Chaos“ einen näheren Blick schenken.

Kohrynea ist das Erstlingswerk von Marius Czernetzki und der Eintritt in die Welt Ursa Marya Magna, aus der er uns auch nicht so schnell wieder entlassen will. Es werden weitere Bücher im selben Format wie das Klopperchen hier auf meinem Schoß folgen. Die Welt lädt zum Erforschen ein, egal, ob sich der Protagonist gerade durch dichte Wälder schlägt, im Untergrund herumtreibt oder mit Ogaya Wolkenformationen durchbricht. Hinter jeder Ecke erwartete mich etwas Neues - und das allein trug mich durch die Seiten.

Der liebevolle Ideenreichtum, mit dem Marius die Welt bevölkert und illuminiert hat, hat mich beeindruckt. Mystische Wesen, Daimonen und ganz nebenbei noch eine Reihe netter und weniger netter Menschen, die allesamt dem Protagonisten Gynh, einem überaus talentierten Former, einen Haufen Steine auf seiner Reise in den Weg legen wollen. Manchmal richtig große Brocken. Die genialste Idee hat Marius allerdings den Urkhmaahn gewidmet. Die übergroßen schlagkräftigen Waldbewohner sind wirklich cool. Dass die Menschen überhaupt keine Ahnung von ihrer Lebensweise haben und sie fürchten versteht sich von selbst ;)

Mit Gynh selbst bin ich nicht 100prozentig warm geworden. Dafür war er mir oft zu kalt und zu sehr auf seine selbstgestellte Aufgabe fokussiert. Trotzdem war er ein Charakter, dem man gerne gefolgt ist, besonders mit Freunden wie Thokan, Ayila und Ogaya an seiner Seite. Um Himmels Willen, ich habe die Szenen zwischen Gynh und Ogaya, dem Daimonenweibchen, so gern gelesen, da sich Gynh nur in dieser Beziehung wirklich geöffnet und Gefühle an sich herangelassen hat. Also ganz viel Liebe für Ogaya! Im Übrigen waren diese paar ruihigeren Szenen auch dringend nötig, da im Buch sehr viel Action geboten wird und der nächste Kampf garantiert nicht weit war.

Die Struktur des Buches war sehr angenehm. Zu Beginn blieb man eng an dem Protagonisten und konnte eine Bindung zu ihm aufbauen. Erst im Laufe des Buches kamen mehr und räumlich weiter entfernte POVs hinzu. Durch kurzgehaltene Rückblicke wurde man angefüttert mit ein bisschen Backroundwissen rund um Gynh und seine Geschichte. Das Highlight für mich waren jedoch die kurzen Zwischenkapitel, die Abrisse aus Chroniken, Liedern, Korrespondenzen, die die erschaffene Welt für mich mit Leben füllten und viel über die Lebensweise der Bewohner vermittelten.

Ist das Debüt gelungen? Macht es Hunger auf mehr? Ja definitiv. Man spürt die tollen Ideen, die Detailversessenheit die hinter dem Roman, die hinter der Welt stecken. Natürlich gibt es auch ein paar Kritikpunkte: Wenn er an ein paar Stellschrauben gedreht hätte und den Infomarmationsbienenschwarm rechtzeitig eingefangen hätte, wäre das ganze wohl noch runder geworden, noch flüssiger zu lesen. Manchmal hatte ich das Gefühl, Marius wollte uns so viel erzählen, dass man förmlich nach Luft schnappen musste, um die Information zu verarbeiten. Er hat das große Ziel so minutiös vorbereitet, dass er kaum Pausen gemacht hat, damit man an einem schönen Feuer oder am Tisch die Gedanken ordnen kann. Ich finde, solche Szenen hätten das Buch bereichert.

Ein tolles Debüt, das noch Luft nach oben lässt. So soll es ja auch sein. Immerhin braucht jeder etwas, nachdem er streben kann.

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Veröffentlicht am 03.12.2022

Spannung mit Power-Frauen

Der Hexenzirkel Ihrer Majestät. Das begabte Kind
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Wer sind wir und wo gehören wir hin? Wo fühlen wir uns zugehörig, wo daheim? Und passt das zu den sozialen Normen, die wir immer wieder erfüllen müssen? Ganz egal, ob im Beruf, in der Familie oder das ...

Wer sind wir und wo gehören wir hin? Wo fühlen wir uns zugehörig, wo daheim? Und passt das zu den sozialen Normen, die wir immer wieder erfüllen müssen? Ganz egal, ob im Beruf, in der Familie oder das Gender? Wie tolerant sie wir gegenüber etwas, das nicht in eine Schublade passt, die unser Denken und Handeln strukturiert und vereinfacht? Das sind die eigentlichen Themen, um die Juno Dawsons Roman „Das begabte Kind“ zirkelt.

Der Roman im Urban-Fantasy-Setting lebt von seinen Protagonistinnen! Ich habe gespürt, wie eng die Hexen Niamh, Leonie, Elle und Helene zusammengehören, schon seit ihrer Kindheit. Nein, sie sind keine naiven 17-jährigen mehr, die mit ihren gerade erst erwachten Hexenkräften durch die Gegend stolpern, sondern Frauen in ihren 30ern, die einen magischen Bürgerkrieg hinter sich haben und mit Kindern, verstorbenen und lebenden Geliebten, betrügenden Ehemännern und Zirkeln, die an den Nerven zehren, zu tun haben. Und gerade diese wunderbare Alltäglichkeit, die in den vier Sichtweisen so unterschiedlich sind, haben mir das Buch näher gebracht und mich an die Hand genommen. Setzt euch, trinkt einen Tee mit mir und lasst den Hund in den Garten, schien mir Niamh zu sagen, immer wenn ich das Buch aufschlug. Die Einladung würde ich natürlich sofort annehmen! Teilweise empfand ich das Buch als wirklich kuschlig, auf eine coole Art und Weise? Jedenfalls in Niamhs Perspektive, die einen gefühlt großen Raum in dem Buch einnimmt, fällt ihr doch eine wichtige Aufgabe zu. Helena zeigt Härte, die sie als Hohepriesterin des HIM - des großen Hexenzirkels - auch bitter nötig hat. Elle versucht, zu verdrängen und möglichst normal zu Leben und Leonie hat alle Hände voll zu tun, einen Zirkel aufzubauen, der jeden akzeptiert. Doch ein magisch begabtes Kind rüttelt ihre Welt kräftig durcheinander. Ich mochte Theo - und generell die Jugendlichen in diesem Buch sehr gerne - sie wurden von Juno und den Protagonisten auf ihre Art und Weise Ernst genommen und ergaben ein schlagkräftiges Team.

Die Spannung kam definitiv nicht zu kurz. Eine wutschnaubende Hexe, die Autos aufhält? Kein Problem in dieser Welt. Das wird hier auf dem Silbertablett serviert, und hat mich zum Grinsen gebracht. Ein bisschen Fantasy-Frauenpower jenseits von Katniss oder Clary steht der Phantastik gut zu Gesicht. Ich mochte trotzdem die ruhigen Momente einen Tick lieber, sie wirkten auf mich authentischer - aber das ist Gefühlssache. Im letzten Viertel dreht das Buch noch mal richtig auf, ich war richtig atemlos beim verfolgen der Protagonistinnen, deren Perspektiven im drei Seiten-Takt wechselten.

Die queeren Themen, die hier zur Sprache gebracht wurden, waren nicht in die Geschichte eingefügt, sie wurden gelebt. Im Hinblick auf den Plot eine richtig coole Wendung, der ich jetzt hier nicht vorgreifen will. Ich habe selten ein Fantasy-Buch erlebt, in dem so tiefgehend queere Themen gespielt wurden. Hut ab!

Gibt es auch Kritik? Ja, ich fand ein paar Entscheidungen der Hexenclique, deren Freundschaft auf eine harte Probe gestellt wird, nur eingeschränkt nachvollziehbar. Da hätte man vielleicht noch an den Stellschrauben drehen können, damit die Geschichte ein wenig runder wirkt.

Alles in allem ein Buch voller Frauenpower und Queernes, die nicht aufgesetzt wirkt. Ich fand „Das begabte Kind!“ ziemlich cool und warte auf den nächsten Teil.

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Veröffentlicht am 20.10.2022

Instant Love für Radar

Fairy Tale
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Fairy Tale von Stephan King

Es war einmal - so beginnen viele alte Märchen mit einem Happy End oder einem Ende, bei dem die Tränen in den Augenwinkeln kitzeln. Ich dachte, die Geschichte von King und ...

Fairy Tale von Stephan King

Es war einmal - so beginnen viele alte Märchen mit einem Happy End oder einem Ende, bei dem die Tränen in den Augenwinkeln kitzeln. Ich dachte, die Geschichte von King und mir wäre eine Geschichte mit einem abrupten, traurigen Ende. In meiner Jugendzeit konnten mich seine Romane nicht wirklich hinter dem Ofen vorlocken. (Ich war wirklich gehyped auf seinen Dunklen Turm - bis ich ihn gelesen und wieder zur Seite gelegt habe). Vor einiger Zeit habe ich wieder zu einem King Buch gegriffen, das von mir das Urteil „ganz nett“ bekommen hat.

Und jetzt? Ein Märchen, und das obwohl ich eigentlich keine Märchenerzählungen mag? Das Buch hat mich um ehrlich zu sein ein bisschen verfolgt und ich wollte ihm eine Chance geben, Charlie und Radar eine Chance geben mich zu begeistern - Spoiler: Das ist den beiden auf weite Strecken auch mehr als gut geglückt.
Der 17-jährige Charlie hat schon früh seine Mutter verloren und lebt mit seinem Vater (trockener Alkoholiker) zusammen, ein gruseliges altes Haus mit einem gruseligen alten Mann plus Hund in ihrer Nachbarschaft. Bis er eines Tages ein herzzerreißendes Bellen hört und den alten Herrn - Mr. Bowditch - findet, der von der Leiter gefallen ist. Durch diese Rettungsaktion freundet sich Charlie mit dem alten Herren an und verliebt sich in Radar, dessen Hündin. Und mit ihm verlieben sich wohl alle Leser von FairyTale in die alternde Hündin mit ihrem quietsche Spielzeug. Dass der alte Herr ein monumentales Geheimnis hat, ist klar. Aber das Geheimnis wird erst später wirklich wichtig.

Was den Leser - was mich - wirklich an die Seiten gefesselt hat, war die Beziehung der Charakter untereinander - das ist mir bei King und bei diesem Buch wirklich positiv aufgefallen. Er hat ein unglaublich gutes Gespür für die Feinheiten der Figuren. Für kleine Eckpunkte von Beziehungen. Für die Fernbedienung nahe der Couch. Für einen geteilten Keks mit Radar (natürlich ohne Schokolade!), bei dem der Leser nicht nur den Keks mit der Hündin teilt, sondern auch sein Herz. Man lernt sie lieben, Charlie, seinen Vater, Radar und Howard Bowditch - und obwohl in der gesamten ersten Hälfte nicht viel geschieht, außer ein paar Andeutungen auf eine gruselige Märchenwelt, geht man jeden Tag mit Charlie zu Mr. Bowditchs Haus und freut sich auf einen weiteren Tag bei ihm. Weil die Figuren real erscheinen, beinahe wie Freunde. Man versteht sie, man versteht ihre Beweggründe und ihre Handlungen. Sowohl in unserer Welt als auch in der Anderwelt, in die wir in der zweiten Hälfte gelangen. Und dieses Handlungsverständnis stellt einen weiteren Punkt dar, den ich über die 880 Seiten an Kings Schreibe sehr zu schätzen gelernt habe. Er lässt die Figuren den Grund erklären, warum sie so handeln, ohne sie zum berühmt berüchtigten Erklärbär werden zu lassen. Ein Verweis auf den „dunklen Brunnen“ in Charlies Kindheit genügt schon, um seine Gedanken und Gefühle greifbarer zu machen. Man hätte genauso gehandelt, wenn man mit dem Hintergrund in diese Situation gekommen wäre - oder?

Die zweite Hälfte (alle reden von der ersten und der zweiten Hälfte, wenn sie das Buch diskutieren, oder?), war faszinierend, aber vollkommen anders. Man spürt die Gefahr, die von der zerstörten, dunklen Anderwelt ausgeht, man spürt die kindliche Faszination von Charlie und man spürt die Veränderungen, die in ihm vorgehen. Natürlich muss man als Autor in dem Fall Handlungsbrücken schaffen, die das Einführen neuer Figuren erleichtern oder einige neue Schauplätze erklären. Ein paar Brücken fand ich zu roh gezimmert, Behelfsbrücken so zu sagen, über die man rasch drüber schreitet, um nicht in den dunklen Fluss der Fragen darunter zu stürzen - was mir die Reise mit Charlie über eine gewisse Seitenanzahl hinweg schwer gemacht hat.

Aber genau das war es, auf was mich King geschickt hat. Eine Reise, vor der ich mich um ehrlich zu sein ein wenig gefürchtet habe. Immerhin ging es direkt in ein „FairyTale“ - aber das Märchenreich war gänzlich anders als gedacht. Natürlich - hier hütete ein Mädchen Gänse, dort stand ein Topf voll Gold. Aber das alles erlebte ich aus Charlies Sicht, der nicht unreflektiert durch die Gegend stiefelte. King hat seine Welt konzipiert, indem er die Märchen auseinandernahm und nach ihrem Kern suchte, diesen kleinen wahren Kern dann nahm und etwas daraus schuf, das keiner stumpfen Nacherzählungen glich. Charlie kam aus einer von vielen anderen Welten - ich denke, wenn sich jemand anders aus einer anderen Welt in die Anderswelt aufmachen würde, würde der Reisende auch Gleichnisse aus seinem Märchen- und Sagenschatz aufspüren - denn letztendlich sind Märchen nichts anderes als überlieferte Geschichten, die den Menschen an dunklen Abenden Licht und Hoffnung geschenkt haben - diese Hoffnungsbringer existieren denke ich in allen Welten.

Letztendlich habe ich die Reise genossen (und Radar konnte ich nicht oft genug hinter den Ohren kraulen!). Abzüge gibt es in der B-Note für die erzählerischen Brücken, die mir zu roh wirkten. Aber King konnte mich über Weite Strecken abholen und mit Charlie und Radar auf eine fantastische (und realistische!) Reise schicken.

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Veröffentlicht am 10.10.2022

Heimat

Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
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Was soll ich schreiben, nachdem ich dem Leuchtfeuer im Turm den Rücken gekehrt habe. Die letzte Seite umgeblättert habe und mit seltsamen, widerstreitenden Gefühlen zurückgeblieben bin. Gleichzeitig leer ...

Was soll ich schreiben, nachdem ich dem Leuchtfeuer im Turm den Rücken gekehrt habe. Die letzte Seite umgeblättert habe und mit seltsamen, widerstreitenden Gefühlen zurückgeblieben bin. Gleichzeitig leer und ausgelaugt - aber auch eigentümlich zufrieden. Ich fühle mich geschockt und aufgefangen zugleich. Wie das Sonnenlicht, das nach langen zermürbenden Regen durch die dicke Wolkenschicht blinzelt. Versteht ihr das? Ich muss mich sammeln, um die Worte zu Papier zu bringen.

Von Natasha Pulley bin ich es gewohnt, dass sie schonungslos die Worte auf die Seiten setzt, die geschrieben werden müssen. Beinahe nüchtern geht sie zu Werke und trotzdem bin ich ihrer Art zu schreiben verfallen. Ich, der eine Szene nicht detailliert genug beschrieben sein kann. Hier ist es mir gleich. Hier sind mir ihre sparsamen Worte genug, um meine Fantasie blutige Blüten treiben zu lassen. Ein paar Eimer Sand hier, ein paarmal das Deck gefegt und mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter.

Ich muss das komplizierte Puzzle von allen Seiten betrachten, ehe alle Teile einen Sinn ergeben, so vielschichtig hat Pulley den Plot aufgebaut, der eigentlich auf den ersten Blick so simpel erscheint. Eine Postkarte aus der Vergangenheit lockt einen Mann ohne Erinnerungen zu einem einsamen Leuchtturm, unter dessen Schein sich das Tor zur Vergangenheit öffnet. So weit, so einfach. Ein bisschen erinnert der Klappentext an den Film „Das Haus am See“, oder? Ja, wer einen kuschligen Couchroman erwartet, der süße Szenen aneinanderreiht, der sucht hier vergeblich.

Joe, der erinnerungslose Protagonist, versucht sich anfangs mit seinem Leben zu arrangieren, soweit er es eben vermag. Er ist in meiner Gefühlswelt ein verlorener Charakter, der versucht sich seiner Umgebung anzupassen, um keinen zu verletzten. Um diejenigen nicht vor den Kopf zu stoßen, die es gut mit ihm meinen. Allein dass erfordert eine unglaubliche Stärke, weit mehr noch als einer Postkarte zu folgen, die ihn aus der Vergangenheit erreicht, so habe ich es empfunden. Und ich bin ihm wie ein junges Hündchen auf seinem Weg gefolgt - der ihn direkt in eine Version der blutigen napoleonischen Kriege hineingeführt hat. Auf See. Wie soll ich beschreiben, wie schwankend sich der Boden unter meinen Füßen angefühlt hat? Mir fehlen die Worte dazu, das kann Pulley mit ihren wenigen Worten viel besser.

Authentizität ist wohl das Wort, das meine Gefühlslage am ehesten widerspiegelt. Sie hat mit Joe und Kite und der Hand voll anderen Figuren solche glaubwürdigen Charaktere geschaffen, dass mir nicht nur einmal der Atem wegblieb. Sie sind unbequem, sie lieben, schockieren, überleben und begehen fragwürdige Taten, um das wichtige, das ihnen im Leben geblieben ist, zusammenzuhalten, zu retten. Erinnert ihr euch noch an den Welpen, der ich auf den ersten Seiten war? Der Welpe ist zum Wolf geworden, grollend, mit spitzen Klauen und Zähnen, zum Angriff bereit.

In „The kingdoms“ verarbeitet Pulley schwierige Themen, der Kriegsterror ist allgegenwärtig, die Figuren mehr oder weniger traumatisiert, ohne den Fluch beim Namen zu nennen. Wir sehen nur die zahllosen Auswüchse sprießen, lehnen uns schockiert zurück, lesen den Satz noch mal und sind uns dann sicher, dass sich die Figur wirklich so verhalten hat. Das ist Natashas Kunstgriff, den sie so meisterhaft beherrscht. Sie lässt mich immer glauben, dass die Figuren real sind, sein könnten, und das macht das Buch so fesselnd und grausam zugleich.

Das phantastische Element setzt sie wirklich nur sparsam ein, es gibt ein Tor durch die Zeit, paradox, aber im Buch wird es mehr als Mittel zum Zweck gesehen, als wirklich tiefgründig hinterfragt. Die Auswirkungen rütteln aber an den Fundamenten der Zeit. Die antreibende Frage in dem Buch ist aber, was würden verzweifelte Menschen alles tun, um ihre Gegenwart zu retten? Und diese Frage zieht sich durch die Seiten voller Grausamkeit und Krieg, durchsetzt mit ein paar zarten, seltenen Momenten, denen ich im Verlauf des Buches immer entgegengefiebert habe.

„Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit“ ist beileibe kein leichtes Buch, durch dessen Seiten man einfach hindurchschlüpft. Wer sich mit Pulleys Stil aber anfreunden kann, der wird mit einer Geschichte belohnt, die sich erst zum Ende wirklich erschließt, wie ein entstehendes Aquarell, dessen Farben erst am Schluss die vom Künstler gewünschte Wirkung erzielen. Wir schauen auf das Bild, auf die ineinander übergehenden Farben und plötzlich erschließt sich das gesamte Bild. Man weiß, was Heimat ist.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Der Rettich wars

Küsse unter Kirschblüten – Tokyo Ever After
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Welchen Spaß Zufallsfunde machen können! Und genau so einer war „Tokyo ever after“ - Ich mochte Izzy von der ersten Seite an. Izzy, und ihre verrückten Freundinnen, die zusammenhalten, wie Pech und Schwefel. ...

Welchen Spaß Zufallsfunde machen können! Und genau so einer war „Tokyo ever after“ - Ich mochte Izzy von der ersten Seite an. Izzy, und ihre verrückten Freundinnen, die zusammenhalten, wie Pech und Schwefel. Die Truppe ist nicht auf den Mund gefallen. Deswegen fiel es mir leicht, in das Buch zu schlüpfen. Izzy war mir, mir, der sonst eher jugendliche weibliche Protagonisten endlos auf die Nerven gehen, sehr sympathisch. Weil sie ehrlich war. Ehrlich mit sich selbst, mit den Dingen, vor denen sie sich fürchtet und mit den Sachen, die sie mit offenen Armen begrüßt. Diese Ehrlichkeit hat mir die Waffen geklaut (Izzy, ich erwarte, dass du sie mir wieder gibst, haben wir uns verstanden?). Sie ging mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus und Humor an die „Hilfe-mein-Vater-ist-der-japanische-Prinz-Sache“ ran. Und riss mich mit, reizte mich zum Lachen und Fluchen. Und nichts anderes hatte ich von einem leichten Sommerbuch erwartet.

Trotz der Leichtigkeit kamen in dem Buch auch Themen zur Sprache, die nicht so einfach sind. Einerseits ist Izzy in den USA aufgewachsen, in einer Kleinstadt, in der sie als Japanischstämmiges Mädchen in der Minderheit ist. Sie fühlt sich, als sei sie nicht angekommen. Nicht zuhause. Und als sie nach Japan kommt, muss sie feststellen, dass es ihr hier genauso geht. Es soll eine lange Reise werden.

Ich bin übrigens der totale Japan-Freak - folglich habe ich die kleinen Pünktchen und Anekdoten, die über die japanische Kultur und Geschichte eingestreut wurden, richtig genossen. Vor allen Dingen, da es kein Info-Dump war, sondern Anekdoten, die sich gut in die Geschichte integrierten.

Natürlich gab es einen Love-Interest. Aber ich mochte den Kerl und in ihrer Geschichte war wenig Geschmachte. Dafür hatten die zwei Gott sei Dank keine Zeit.
Ich hab mich köstlich amüsiert - und dafür gibts fünf Sterne!

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