Verschenktes Potential
How to kill your familyWas wünscht sich Grace - jung, hübsch, klug - mehr als alles andere? Nein, es ist weder die Tasche von Prada im Schaufenster von Macys noch den sexy Typen in ihrem Bett auf der anderen Seite der Londoner ...
Was wünscht sich Grace - jung, hübsch, klug - mehr als alles andere? Nein, es ist weder die Tasche von Prada im Schaufenster von Macys noch den sexy Typen in ihrem Bett auf der anderen Seite der Londoner Straße. Grace wünscht sich nur eine Sache - und das ist die Rache an ihrem Vater, der ein höchst erfolgreiches Unternehmen leitet und in der High Society logiert - und der Grace’ Dasein immer ignoriert hat. Schließlich ist es ja das Problem ihrer Mutter, wenn sie nicht acht gibt bei der Affäre und schwanger wird. Damit haben weder Simon, noch seine Ehefrau oder ein anderes Familienmitglied etwas zu tun.
Grace erzählt den Roman aus der Ich-Perspektive auf zwei Zeitebenen in einer höchst amüsanten Sprache. Man könnte meinen, sie würde sarkastische Anekdoten zwischen einem schaumigen Latte mit Freundinnen tratschen. Doch weit gefehlt, Grace hockt in einem Gefängnis, für einen Mord, den sie nicht begangen hat - und erzählt dem werten Leser detailliert von Morden, die sie auf jeden Fall begangen hat - nämlich die an Simons Familie, den sie einem nach dem anderen um die Ecke gebracht hat.
Der Plot hat mich sehr gereizt. Das Motiv - Rache - findet man ja in vielen Romanen, aber selten aus der Perspektive der Täterin (ich habe es jedenfalls selten aus ihrer Perspektive gelesen). Also auf ins fröhliche Morden! Die ersten zwei, drei Morde habe ich mit Vergnügen gelesen (nicht so wie ihr denkt!), dann aber wurde mir die Aneinanderreihung zu viel. Die Varianten, wie das Mädchen jemanden um die Ecke bringt, waren zwar einfallsreich, aber mir hat die emotionale Tiefe gefehlt. Grace, obwohl ich die ganze Zeit in ihrem Kopf war, blieb mir unnahbar, beinahe nüchtern, wie sie über die Morde schrieb. Beinahe hatte ich das Gefühl, sie schreibt über einen Zahnarztbesuch. Mir fehlten die Abgründe, die sie mit Sicherheit durchlaufen haben muss, damit sie beschließt, eine ganze Blutlinie auszulöschen. Eine Begründung, warum sie die Rache will, wurde zwar gegeben. Aber ich habe es nie richtig gefühlt. Die Emotionen blieben immer wohl dosiert an der Oberfläche. Ich habe Grace selten als berührt empfunden. Oder als sympathisch. Schade! Ich hätte so gerne mit ihr gefühlt, mit ihr gezittert, oder hätte ihren Zorn gespürt. Irgendetwas empfunden. Aber diese Ebene übermittelte die Autorin mir leider nur unzureichend.
Lachen musste ich über die überaus sarkastisch gewählte Sprache. Der Wortwitz, der gern in besonders dunklen Ecken lauerte, traf mich oft überraschend unvorbereitet und entlockte mir ein Grinsen. An Mut und Witz mangelt es unserer Protagonistin nicht, das könnt ihr mir glauben! Sie manövriert im Laufe der Mordgeschichte durch so manche skurrile Situation.
Was soll ich sagen nach der Reihe von Morden, die mich nur mäßig schockiert haben? Der Plot war richtig gut, die Sprache triefte vor Sarkasmus und das Buch hatte die emotionale Tiefe einer flachen Pfütze. 3,5 Sterne gibt es von mir.