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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.11.2023

Eine berührende Graphic Novel

Der Magische Fisch
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Schon das Cover deutet die unglaubliche Liebe zum Detail und zu Geschichten an, die uns dann auch im Inneren der Graphic Novel weiter begleiten.
Zum Inhalt: Tién ist in den USA geboren und aufgewachsen, ...

Schon das Cover deutet die unglaubliche Liebe zum Detail und zu Geschichten an, die uns dann auch im Inneren der Graphic Novel weiter begleiten.
Zum Inhalt: Tién ist in den USA geboren und aufgewachsen, seine Mutter hingegen aus Vietnam geflohen. Im Versuch eine gemeinsame Sprache zu finden und ihren aktuellen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, lesen sie sich regelmäßig Märchenbücher aus der Bibliothek vor. Tién hofft außerdem, dass es ihm mithilfe dieser Geschichten gelingen wird, seine Homosexualität vor seinen Eltern anzusprechen.
Wie die Inhaltsangabe schon andeutet, bewegt sich die Graphic Novel auf verschiedenen Zeitebenen: Gegenwart, Vergangenheit und Märchen. Diese Perspektiven sind durch Farbwechsel zur vereinfachten Orientierung kenntlich gemacht. Tiéns Familiengeschichte wird so direkt mit den Märchen verwoben. Nachdem ich anfangs etwas verwirrt war, worauf das ganze hinausmöchte, gelingt die Verblendung dieser Zeitebenen im Lauf der Handlung immer besser.
Der Zeichenstil ist genauso märchenhaft wie die vorgelesenen Bücher selbst. Ich könnte mich stundenlang in der Betrachtung der wunderschönen und detailreichen Zeichnungen verlieren. Die Graphic Novel beweist, dass Bilder mehr sagen können als Worte. In diesem Sinn bietet die Geschichte einen einfühlsamen Umgang mit vielen ernsten und brandaktuellen Themen, beispielsweise rund um kulturelle Identität, familiärem Zusammenhalt, Freundschaft oder Verlust. Aufgrund dieser Fülle ist diese Graphic Novel definitiv eine Kandidatin für einen reread. Die Emotionen werden perfekt eingefangen, weshalb ich spätestens am Ende Tränen in den Augen hatte. Ich habe beim Lesen eine wahre Achterbahnfahrt der positiven wie negativen Gefühle mitgemacht.
Insgesamt wurde ich hervorragend unterhalten. Auch wenn ich die Geschichte schnell verschlungen hatte, beschäftigt mich das Gelesene noch immer.
Wer an die Macht von Geschichten glaubt oder sich dafür interessiert, wie Märchen sie je nach kulturellem Kontext verändern, sollte hier unbedingt einen Blick reinwerfen.
Hierbei handelt es sich grundsätzlich auch um ein Jugendbuch, dass ich aufgrund mancher Zeichnungen und Schwere der behandelten Themen allerdings erst ab dem mittleren Teenageralter empfehlen würde.

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Veröffentlicht am 13.11.2023

Überzeugende Fortsetzung für Fans klassischer Krimis

Der Cocktailmörderclub
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Das Cover ist farblich ein echter Eyecatcher, passt super zum Vorgängerband der Reihe und verweist gelungen auf den Inhalt.
Worum geht’s? Bei einer Wohltätigkeitsorganisation treffen aufstrebende Hobbyautoren ...

Das Cover ist farblich ein echter Eyecatcher, passt super zum Vorgängerband der Reihe und verweist gelungen auf den Inhalt.
Worum geht’s? Bei einer Wohltätigkeitsorganisation treffen aufstrebende Hobbyautoren auf ihre berühmten Vorbilder. Mittendrin und Organisatorin des Ganzen ist Agatha Christies Haushälterin Phyllida Bright. Doch dann kommt es zu einem Todesfall während der Auftaktveranstaltung und Phyllida muss einmal mehr ermitteln…
Der Schreibstil überzeugt durch die gemütliche und zugleich klatschsüchtige Dorfatmosphäre, unterhaltsame Schlagabtausche und fein beobachtete, authentisch präsentierte zwischenmenschliche Beziehungen.
Der Aufbau ähnelt einem klassischen britischen Krimi, wodurch wir ziemlich früh in etwas ausufernder Weise mit einem großen Kreis Verdächtiger bekannt gemacht werden. Lange Zeit bleibt die Lage dank spannender Wendungen undurchsichtig und so gut wie jede Person wirkt einmal verdächtig. Auch wenn die ausgeklügelte Auflösung für mich als geübte Krimileserin nicht komplett unvorhersehbar war, so habe ich die Lektüre doch sehr genossen. Besonders im letzten Drittel konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen.
Der Krimi besticht neben einer fesselnden kriminellen Einlage vor allem durch seine eigenwilligen, teilweise herrlich kauzigen Charaktere, die wir in diesem zweiten Band näher kennenlernen dürfen. Phyllida Bright als starke Protagonistin stellt mit ihrer scharfen Zunge, ihrem Organisationstalent und ihrer Kombinationsgabe für mich nach wie vor ein Highlight dar. Besonders ihre Auseinandersetzungen mit dem Butler und Chauffeur des Hauses ergeben einen wahren Lesegenuss. Zudem sorgt die Einbindung des Dienernetzwerks für eine gehörige Prise Downtown-Abbey-Charme.
Man kann diesen Band sicher auch ohne Vorkenntnis des Reihenauftakts lesen. Wer jedoch die jeweiligen Beziehungsgeflechte näher erkunden und den Erfahrungswerten der Protagonisten nachspüren will, sollte lieber die Reihenfolge einhalten.
Insgesamt wurde ich trotz kleinerer Abzüge wirklich gut unterhalten und würde jederzeit mehr mit Phyllida Bright als Ermittlerin lesen wollen. Fans klassischer whodunnits im Stil von Agatha Christie sollten hier unbedingt einmal reinlesen.

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Veröffentlicht am 01.11.2023

Ein Künstler und seine Zeit

Um 1500
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Albrecht Dürer ist einer der wohl bekanntesten Künstler der Zeit um 1500. Anhand seiner Werke und Aufzeichnungen bekommen wir einen Einblick in die alltägliche Lebenswelt eines Menschen am Übergang zwischen ...

Albrecht Dürer ist einer der wohl bekanntesten Künstler der Zeit um 1500. Anhand seiner Werke und Aufzeichnungen bekommen wir einen Einblick in die alltägliche Lebenswelt eines Menschen am Übergang zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit.
Zuerst ein paar Worte zur äußeren Aufmachung des Buchs: Die Gestaltung von Vor- und Nachsatzpapier, Lesebändchen, Papierdicke und die enorme Abbildungsqualität der Werke Dürers - all das macht einen hochwertigen Eindruck und das Buch so schon oberflächlich betrachtet zu einem Gewinn für jedes Bücherregal.
Der Schreibstil ist für mich der größte Kritikpunkt an diesem Sachbuch. Am ehesten ähnelt der Aufbau einer gut aufbereiteten Überblicksvorlesung für Studierende. Für Leute vom Fach enthält es potenziell nur wenig Neues. In den kurzen und inhaltlich weit reichenden Kapiteln werden die Themen oft nur knapp angerissen, was schnelles Umdenken beim Lesen erfordert. Auch Fachbegriffe werden kaum erklärt; insgesamt wird bei den Ausführungen so einiges an Vorwissen vorausgesetzt.
Die Grundidee überzeugt. Anhand von Dürers Werken und unter Berücksichtigung verschiedener historischer Teildisziplinen werden die familiäre Situation des Künstlers, die ihn umgebenden Personennetzwerke aber auch die Nürnberger Stadtgeschichte als sein Lebensmittelpunkt rekonstruiert. Durch Vergleichsaspekte, deren Untersuchungspersonen allerdings quellenbedingt meist aus Adel und Bürgertum stammen, bekommen Lesende Einblick in verschiedene soziale Schichten. Gleiches gilt auch für betrachtete Regionen, die sich jedoch an Dürers Lebenshorizont und Reisen orientieren, also in der Regel eher nicht aus Europa hinausführen.
Die behandelten Themen reichen von Familie, Geschlechterrollen, Bildung, sozialen Aufstiegsmöglichkeiten, politischen Entwicklungen, Ernährung und Religion bis hin zu Altersvorsorge. Der Autor ist dabei stets um Anschaulichkeit bemüht und behandelt so beispielsweise auch die Frage, wie die Welt um 1500 roch. Besonders durch die alltagsgeschichtlichen Einblicke wird es möglich, sich Dürer und den Menschen der Zeit um 1500 trotz der zeitlichen Distanz näherzufühlen. Dürers Lebenszeit war geprägt von Umbrüchen und Unsicherheiten, dieses Spannungsfeld wird ebenso gelungen deutlich wie die gesellschaftlichen Rahmenbedingen, die die Entwicklung des oder der Einzelnen der Zeit prägten.
Daneben bietet das Buch kunsthistorisch Interessierten viel Input durch die dargebotenen Interpretationsansätze zu den Dürergemälden. Nicht zuletzt führt es das Talent des Künstlers, seine Beobachtungsgabe sowie die Vielseitigkeit seiner Werke vor Augen und lädt so zur tiefgreifenden Beschäftigung mit diesen ein.
Insgesamt stellt dieses Buch eine stimmige Einführung in die europäische Geschichte der Zeit um 1500 und damit dem Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit dar, weshalb ich es geschichtsinteressierten Personen nur empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 16.10.2023

Grundkurs in Archäologie

Staub, Steine, Scherben
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Das Cover wirkt ansprechend, passt hervorragend zum Genre eines Sachbuchs und schlägt dank der Illustrationen bereits einen gelungenen Bogen zum Inhalt des Buchs.
Wie sieht eigentlich der Arbeitsalltag ...

Das Cover wirkt ansprechend, passt hervorragend zum Genre eines Sachbuchs und schlägt dank der Illustrationen bereits einen gelungenen Bogen zum Inhalt des Buchs.
Wie sieht eigentlich der Arbeitsalltag von Archäologinnen und Archäologen aus? Wie läuft eine Ausgrabung ab? Durch welche Vor- und Nachbereitungen wird diese ergänzt? Welche technischen Hilfsmittel stehen heute zur Verfügung und wo ist noch Handarbeit gefragt? Wer schon immer mal eine Antwort auf eine oder mehrere dieser Fragen gesucht hat, sollte einen Blick in dieses Buch werfen.
Gleich vorab: Selten hat mich ein Sachbuch in einem solchen Maß zum Schmunzeln gebracht. Der Autor hat ein gut verständliches und dabei auch noch wahrlich unterhaltsames Buch geschrieben, bei dessen Lektüre man fast schon unbewusst Wissen anhäuft. Ich möchte ganz ehrlich sein: Gerade bei den Ausführungen zu technischen Hilfsmitteln oder naturwissenschaftlichen Fachtechniken war das Ganze dann doch schon mal etwas zäher, jedoch schafft Jens Notroff es mit gut gewählten Beispielen und dem ein oder anderen Augenzwinkern für Nahbarkeit und Nachvollziehbarkeit zu sorgen. Dazu haben nicht zuletzt die liebevollen Illustrationen beigetragen, die der Autor selbst beigesteuert hat.
Jens Notroff beschreibt nicht nur die Rahmenbedingungen des archäologischen Arbeitsalltags - verglichen mit so manch idealisiertem Filmhelden - und das Erkenntnispotenzial hinter interdisziplinärer Zusammenarbeit, sondern stellt auch einen Aktualitätsbezug her, durch den sich die zeitlich zum Teil weit entfernten Forschungsgegenstände der Archäologie plötzlich gar nicht mehr so fremd anfühlen. Besonders interessant fand ich die ausgewählten Beispiele aus dem Arbeitsalltag des Autors. Von solchen persönlichen Erfahrungsberichten hätte ich gerne noch etwas mehr gelesen.
Alles in allem eine lohnenswerte Lektüre. Ich wage zu behaupten, dass dieses Buch nicht zuletzt neben einem Überblickswerk für interessierte Laien auch eine gelungene Werbung für das Fach darstellt.
Wer das eigene Wissen rund um Archäologie auffrischen, in einem Pubquiz oder beim nächsten Kreuzworträtsel- oder Filmmarathon mit Expertise glänzen möchte, sollte hier unbedingt einmal reinlesen.

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Veröffentlicht am 15.10.2023

Tolle Ansätze, aber nur bedingt überzeugend

Ein Fluss so rot und schwarz
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Das Cover sieht großartig aus. Die Farbgebung passt super zu einem Thriller mit Horrorelementen und springt direkt ins Auge.
Zum Inhalt: Sechs Fremde erwachen ohne jede Erinnerung und lediglich mit auf ...

Das Cover sieht großartig aus. Die Farbgebung passt super zu einem Thriller mit Horrorelementen und springt direkt ins Auge.
Zum Inhalt: Sechs Fremde erwachen ohne jede Erinnerung und lediglich mit auf den Unterarmen tätowierten Namen auf einem ferngesteuerten Schiff. Wohin sind sie unterwegs? Welches Grauen erwartet sie dort? Und was verbirgt sich hinter den gespenstischen Geräuschen aus dem dichten Nebel?
Kurz nach Beginn des Buchs war ich das erste Mal kurz davor, es direkt wieder abzubrechen. Der Start ist ziemlich verstörend und bereits voller makabrer Beschreibungen. Ich bin dann aber doch drangeblieben, weil mir die düstere Atmosphäre, das dystopische Setting und der sarkastische Humor von Beginn an gefallen haben und ich wissen wollte, was der Autor aus der Story gemacht hat, nachdem ich bereits einige von dessen Fantasy-Büchern kannte.
Richtig mitgefiebert habe ich leider nie, auch wenn das Potenzial dafür durchaus da war und ich eigentlich ein Angsthase bei jeder Art von Gruselliteratur bin. Dazu trägt allerdings auch der Ansatz der Charaktere bei. Wie soll man sich ihnen nahefühlen, wenn sie doch selbst keine Ahnung haben, wer sie eigentlich sind? Außerdem hatte ich bei so manchem Handlungselement Probleme, mir das alles vorzustellen. Somit hat mich das Buch recht kaltgelassen, auch wenn es nie wirklich langweilig war.
Teilweise hatte das Buch etwas zu viel von einem Haudrauf-Actionknaller und hat mich in solchen Situationen immer stark an Filme wie The Expendables erinnert. Wer die mochte, ist mit diesem Buch wohl auch ganz gut bedient.
Insgesamt wurde ich nur solide unterhalten, würde das Buch Fans von brutalen und nicht unbedingt realitätsnahen Actionthrillern mit moralisch grauen Charakteren sowie dystopischer Stimmung allerdings durchaus empfehlen.

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