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Lunamonique

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.06.2020

Schicksalhaft und verhängnisvoll

Die verlorene Frau
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Mit ihrem Debüt-Roman „Das Haus der Verlassenen“ gelang Schriftstellerin und Drehbuchautorin Emily Gunnis der Durchbruch. In „Die verlorene Frau“ hat ein Verbrechen Auswirkungen auf die nachfolgenden Generationen.

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Mit ihrem Debüt-Roman „Das Haus der Verlassenen“ gelang Schriftstellerin und Drehbuchautorin Emily Gunnis der Durchbruch. In „Die verlorene Frau“ hat ein Verbrechen Auswirkungen auf die nachfolgenden Generationen.

Während Ehemann und Reisefotograf Adam in Nigeria seinem Job nachgeht, kommt Jessis Baby zur Welt. Vater Harvey tut alles, um Jessi die aufsteigende Panik und Verlustangst um ihr Kind zu nehmen. Als er das Krankenhaus verlassen muss, gelingt Jessi mit ihrem kranken Baby die Flucht.

Das erste Buchdrittel verwirrt mit einem Erzählstil, der ständig in Zeit und Perspektiven springt. Welches Geheimnis umrangt ein altes Verbrechen, und warum hat es Auswirkungen auf die Geschehnisse 2014? Es fällt anfangs schwer, mit den Charakteren mitzufühlen. Die ständigen Handlungswechsel machen es unmöglich, Nähe zu den Hauptfiguren aufzubauen. Auffällig sind bald die vielen unterschiedlichen Traumata und Psychosen. Die Geschichte wirkt davon zu überlastet. Eine plötzliche Ich-Perspektive sorgt für zusätzliche Verwirrung. Der Erzählstil lässt auch hier erst nur Vermutungen zu. Immer mehr Wahrheiten kommen zu tage. Spannung mag sich nicht aufbauen. Ein weiterer Handlungsort entführt in eine andere Zeit und entwickelt etwas mehr Intensität. Die Emotionen werden greifbarer. Warum ist Jessi mit ihrem Baby aus dem Krankenhaus geflohen? Hat sie etwas entdeckt? Ihr Verhalten bleibt rätselhaft, gerade auch weil sie ihr Kind in Gefahr bringt. Sämtliche Charaktere, ob Haupt- oder Nebenfiguren, bleiben zu blass. Die Stimmung des Romans ist durch die Traumata und familiären Verstrickungen drückend. Es gibt keine Identifikationsfigur und Persönlichkeit, die einem ans Herz wächst. Für Harriet kommt immer mehr Verständnis auf. Ihr Schicksal schockiert. Im letzten Buchdrittel entfaltet ein geschickter Winkelzug des Plots seine Wirkung. Die einzelnen Fäden lassen sich mehr nachvollziehen. Es kommt mehr Atmosphäre auf. Warmherziges fließt mit ein. Die Charaktere bekommen mehr Konturen. Auflösung und Ende sind schlüssig. Interessant ist die Anmerkung der Autorin im Anschluss.

Die Coverszene stimmt auf eine schicksalhafte und verhängnisvolle Geschichte ein. Der Titel wirkt nicht sehr kreativ. Details unterstreichen die Düsternis der Geschichte. „Die verlorene Frau“ hinterlässt einen zwiegespaltenen Eindruck. Um den Roman wirklich beim Lesen zu entschlüsseln, sollte man sich Zeit nehmen. Am Ende hinterlässt er Eindruck mit dem Hinweis auf eine besondere Kulisse und die daraus verwobene Geschichte.

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Veröffentlicht am 30.05.2020

Packender Überlebenskampf

Die Tribute von Panem X. Das Lied von Vogel und Schlange
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Mit Band 4 „Die Tribute von Panem - Das Lied von Vogel und Schlange“ ergänzt Autorin Suzanne Collins ihre „Tribute von Panem-Reihe“-Trilogie. Die Handlung spielt 64 Jahre vor Band 1.

Der 18jährige Coriolanus ...

Mit Band 4 „Die Tribute von Panem - Das Lied von Vogel und Schlange“ ergänzt Autorin Suzanne Collins ihre „Tribute von Panem-Reihe“-Trilogie. Die Handlung spielt 64 Jahre vor Band 1.

Der 18jährige Coriolanus Snow, bester Schüler der Akademie, sieht im Mentorenprogramm und einem vielversprechenden Tribute die einzige Chance, seine Familie aus der Armut herauszuholen. Das Einzige, was sie noch besitzen ist das Penthouse im Kapitol. Die Demütigung, dass ihm ausgerechnet das Mädchen aus Distrikt 12 zugewiesen wird, ist schwer zu ertragen.

Der Einstieg mit dem jungen, verzweifelten Coriolanus, der mühsam den Schein zu wahren versucht, ist sehr gelungen. Nur die Wenigsten wissen, wie es tatsächlich mit dem Reichtum der Snows aussieht. Der Fokus der Geschichte liegt auf zwei Hauptfiguren. Mit dem Auftauchen von Coriolanus' eigenwilligem Tribute Lucy Gray Baird nimmt die Intensität zu. Das Mädchen fasziniert mit Mut, Klugheit und Einfallsreichtum und stiehlt Snow bald die Show. Das Kennenlernen der beiden, die wachsende Verbindung ist sehr gut in Szene gesetzt. Fast vergisst man als Leser die Brutalität, die hinter allem steckt, bis sie auf überraschende Weise Grauen verursacht. Nicht nur Lucy Gray hat Persönlichkeit, sondern auch alle weitere Akteure der Hungerspiele. Mentor Sejanus wird für Coriolanus zur ungewohnten Herausforderung. Zweifel an den Spielen fließt ein. Die an den Fäden ziehen lassen keine Auswege zu und verteilen Lektionen. Mentoren wie Tribute werden zu Schachfiguren in einem abgekarteten, grausamen Spiel. Zahlreiche Überraschungseffekte lassen den Atem stocken. Einiges ist nicht nur für die Charaktere schwer zu ertragen. Der Plot ist sehr gut gedacht und legt den Fokus auf Entwicklungen und Veränderungen. Verrat, Heimtücke, Manipulation, der Überlebenskampf hat längst begonnen. Es gibt keine Sicherheit mehr. Gut dargestellt sind Mitgefühl und Gewissensbisse. Keiner der Mentoren und Tribute ist eiskalt, sondern muss seine Emotionen in den Griff kriegen. Kaum etwas lässt sich vorhersehen. Geschickt eingefädelte Wendungen sorgen für Spannung. Im letzten Buchdrittel zieht sich die Geschichte mal etwas etwas hin, mal überschlagen sich die Ereignisse. Nicht immer lassen sich Misstrauen und Sinneswandel so richtig nachvollziehen. Manches bleibt im Dunkeln. Im Ende steckt Ironie.

Goldene Details und der Titel ziehen alle Blicke aufs Buch. Das Düstere wird mit dem schwarzen Hintergrund perfekt untermalt. „Die Tribute von Panem – Das Lied von Vogel und Schlange“ fesselt mit einem jungen, noch fast unverdorbenen Coriolanus und einer schicksalhaften Geschichte, die ihm den Stempel aufdrückt. Welche Grenzen überschreiten Menschen in Ausnahmesituationen? Steckt in jedem ein Monster? Die Fragen werden in eine originelle, packende und filmreife Story verpackt.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Packender Pageturner

American Dirt
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„American Dirt“ ist nach „Rip in Heaven“, „The Outside Boy“ und „The Crooked Branch“ der vierte Roman von Autorin Jeanine Cummins und der erste in deutscher Übersetzung.

Buchhändlerin Lydia und ihr Ehemann ...

„American Dirt“ ist nach „Rip in Heaven“, „The Outside Boy“ und „The Crooked Branch“ der vierte Roman von Autorin Jeanine Cummins und der erste in deutscher Übersetzung.

Buchhändlerin Lydia und ihr Ehemann Journalist Sebastián wissen, dass sie auf einem Pulverfass sitzen. Wie sehr, wird ihnen erst klar, als Lydia eine erschreckende Wahrheit bewusst wird. Da ist es schon zu spät, und das Ausmaß der Bedrohung ist nicht mehr aufzuhalten.

Der packende Einstieg katapultiert den Leser in die Geschichte. Der neunjährige Luca wird mit seinen Erlebnissen, Eindrücken, seinem Verhalten und seiner Veränderung zum roten Faden des Romans, der wie ein Thriller anmutet. Tempo und Spannung sind von Anfang an hoch. Es gibt kaum Atempausen. Eine gefährliche Flucht beginnt. Nirgends sind Lydia und ihr Sohn sicher. An jeder Ecke können Spitzel und Verräter lauern. Wer steht auf der Gehaltsliste des Kartells? Diese Frage sorgt für eine anhaltende unterschwellige, drohende Gefahr. „Acapulco ist eine gefährliche Stadt und wird jeden Tag gefährlicher. Die Leute treffen Vorsichtsmaßnahmen, selbst in guten Gegenden wie dieser hier – ganz besonders in guten Gegenden wie dieser hier. Doch was nützen diese Vorsichtsmaßnahmen, wenn die Männer kommen?“ Das Thema „Ausufernde Kriminalität, Gewaltverbrechen in Mexiko“ wird in eine rasante, realitätsnahe Story mit greifbaren Charakteren verpackt. Es fällt leicht mit Lydia, Luca und bald auch ihren Wegbegleitern mitzufiebern. Die halsbrecherische Flucht nimmt immer mehr filmreife, aber auch lebensechte Züge an. So oder so ähnlich hätte sie tatsächlich passieren können. Die Herausforderungen und Widrigkeiten sind groß. Es geht ums nackte Überleben. Die Grausamkeiten, denen Lydia und Luca begegnen oder in Geschichten/Erinnerungen aufleben, sind schwer zu ertragen. Gut, dass viele Einzelheiten im Dunkeln bleiben. Der Roman setzt auf Emotionen, und die gibt es reichlich. Es gilt, die Hoffnung hochzuhalten, sich durchzukämpfen und Hilfe anzunehmen, wenn sie sich bietet, immer mit Misstrauen im Kopf. Wer weiß, was derjenige gerade im Schilde führt. Die Spannung steigt in brenzligen, undurchsichtigen Szenen. Nichts lässt sich vorausahnen. „Das ist ein Kreislauf, denkt sie. Jeden Tag kommt ein neuer Schrecken, und wenn er vorbei ist, kommt dieses surreale Gefühl der Losgelöstheit. Sie können schier nicht glauben, was sie gerade durchgemacht haben. Der Verstand ist magisch. Menschen sind magisch.“ Das Ende rührt zu Tränen. Bis zur letzten Minute atemberaubende Spannung.

Der Titel wird kreativ in Szene gesetzt. Die blutrote Schrift und ungewöhnliche Perspektive zieht alle Blicke aufs Buch. „American Dirt“ übertrifft die Erwartungen einer fesselnden Geschichte und lässt den Leser nicht mehr los. Sehr empfehlenswert! Ein wichtiges Buch, das den Opfer der Drogenkartelle und Milizen eine Stimme gibt.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Eine bewundernswerte Frau

Die drei Leben der Hannah Arendt
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„Die drei Leben von Hannah Arendt“ von Autor, Dozent und Cartoonist Ken Krimstein in der Übersetzung von Hanns Zischler gewährt auf ungewöhnliche Art und Weise Einblicke in Hannah Arendts Leben und Denken. ...

„Die drei Leben von Hannah Arendt“ von Autor, Dozent und Cartoonist Ken Krimstein in der Übersetzung von Hanns Zischler gewährt auf ungewöhnliche Art und Weise Einblicke in Hannah Arendts Leben und Denken.

„Es gibt eine Wahrheit. Es gibt einen Schlüssel zur Welt. Eine allgemeingültige Antwort des Verstehens. Es muss sie geben.“

Die Graphic Novel beginnt mit den Sorgen der kleinen Hannah. Mit viel Wissbegierde und Neugierde startet das Kind ins Leben. „Mama, was ist das, Jude?“ Hannah ist ihr ganzes Leben auf der Suche nach Antworten. Ihr rebellischer Charakter, Wissensdurst und Suche nach dem Schlüssel der Wahrheit stehen im Zentrum der Graphic Novel. Hannah Arendts Geschichte wird im klassischen Comic-Format erzählt. Auf 244 Seiten ist es nur möglich, kleine Einblicke in das Wirken und Schaffen der politischen Theoretikerin und Publizistin zu geben. Ihre grüne Kleidung lässt Hannah aus der Männer-Domäne ihrer Zeit herausstechen. Die skizzenhaften Schwarz-Weiß-Gesichter erschweren manchmal die Zuordnung der Personen. Hannah hat in ihrem Leben viele Intellektuelle und Berühmtheiten getroffen. Die Graphic Novel reißt Lebensstationen, Hannahs Entwicklung zum aufsteigenden Stern und ihren Überlebenskampf in Kriegszeiten nur an. Es entstehen viele Lücken, die nur mit eigenem Wissen oder eigener Recherche ausgefüllt werden können. Das hohe Tempo lässt viele Fragen zurück. Hannahs großes Herz und Zivilcourage wird im Kampf um die Rettung Anderer deutlich. „Was immer ich auch tue, ich bin einfach unfähig, meine Augen von dem abzuwenden, was in der Welt rings um mich herum geschieht.“ Erfindungsreichtum zeigt sie auf ihrer Flucht. Mit Krimis versucht sie die französische Polizei zu verstehen und schafft es, sie auszutricksen. Schicksale machen betroffen. Mit einer Idee stößt Hannah auf Begeisterung. Das Blatt wendet sich bald. „Blücher, vielleicht bin ich zu weit gegangen. Ich dachte, die einzige Art, den Horror zu benennen, sei die Ironie.“ „Warum eine Graphic Novel über das Leben von Hannah Arendt?“ Das Nachwort mit Überlegungen des Autors gibt darüber Aufschluss.

Der großformatige Titel zieht die Aufmerksamkeit aufs Buch. Die zurückhaltenden Farben setzen den weiteren Fokus auf das skizzierte Porträt der Hauptfigur. „Die drei Leben der Hannah Arendt“ bietet eine kleine Geschichtslehrstunde über eine beeindruckende Frau. Der Gestaltungs- und Erzählstil lässt keine anhaltende und intensive Atmosphäre aufkommen, bietet aber Abwechslung und verleiht Hannah Arendts Lieben, Denken und Handeln eine eigenwillige Stimme.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Fesselnd und erschütternd

Das wirkliche Leben
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Das Roman-Debüt „Das wirkliche Leben“ von Autorin und Schauspielerin Adeline Dieudonné wurde mehrfach ausgezeichnet und in 20 Sprachen übersetzt.

Die 10jährige Schwester liebt ihren 6jährigen Bruder ...

Das Roman-Debüt „Das wirkliche Leben“ von Autorin und Schauspielerin Adeline Dieudonné wurde mehrfach ausgezeichnet und in 20 Sprachen übersetzt.

Die 10jährige Schwester liebt ihren 6jährigen Bruder Gilles über alles. Zusammen lauschen sie der Geschichtenerzählerin oder spielen heimlich auf einem Schrottplatz. Ein Unglück verändert von einem auf den anderen Tag alles.

Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht der großen Schwester erzählt. Die besondere Phantasie des Mädchens, detaillierte Beschreibungen, originelle Bezeichnungen und Vergleiche erwecken Umgebung und Zuhause zum Leben. Der ganz eigene Erzählstil sorgt von Anfang an für eine hohe Intensität. Alles wirkt sehr real und greifbar. Die Geschichte entwickelt einen besonderen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Eine abrupte und sehr überraschende Wende lässt beide Kinder auf den Abgrund zu steuern. Die namenlose Ich-Figur sucht verzweifelt nach einem Ausweg und klammert sich an einen magischen Strohhalm. Bald löst der Roman ein Wechselbad der Gefühle aus. Mal ist man gerührt, dann wieder erschüttert oder schockiert. Der Drahtseilakt der Hauptfigur ist schwer auszuhalten. Eskalationen sind vorprogrammiert. Kurze Kapitel sorgen für Tempo und steigern die Spannung. „Denn das Leben war nun mal eine Ladung Fruchtpüree in einem Mixer und man musste aufpassen, in dem Strudel nicht von den Klingen nach unten gezogen und zerkleinert zu werden.“ Die Ich-Figur verpackt Veränderungen, die vor sich gehen, in phantasievolle und sehr treffende Bilder. In ihren Gedanken und Lösungen steckt lange Zeit das Kind. Die Geschichte umfasst mehrere Jahre. Die Schwester gibt nicht auf, ihren Bruder aus dem erlittenen Trauma zu retten. Dieser Kampf berührt. Trotz aller Grausamkeiten hat der Roman viel Herzenswärme. Das Glück liegt in greifbarer Nähe und ist doch so weit weg. Die Achterbahnfahrt nimmt an Tempo zu. Kann es noch eine Steigerung geben? Mehrmals stockt einem der Atem. Längst hat der Plot Thriller-Niveau. Bis zum Schluss immer härterer Tobak!

Das Cover kreative, moderne Cover lässt den Inhalt nicht annähernd erahnen. Nichts kann auf diese Geschichte vorbereiten. „Das wirkliche Leben“ macht sprachlos und ist für alle empfehlenswert die packende Pageturner lieben. Man sollte dieses Buch lieber bei Tageslicht lesen und sich auf Einiges gefasst machen.

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