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Lust_auf_literatur

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.03.2023

Informativ und lesenswert!

Geradegerückt
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🔅Viel zum Inhalt muss ich nach diesem Untertitel nicht mehr sagen. Es handelt sich bei diesem wundervoll gestalteten Buch um ein Kompendium verschiedenster Autorinnen zum Thema der medialen Rezeption berühmter ...

🔅Viel zum Inhalt muss ich nach diesem Untertitel nicht mehr sagen. Es handelt sich bei diesem wundervoll gestalteten Buch um ein Kompendium verschiedenster Autorinnen zum Thema der medialen Rezeption berühmter Frauen, herausgegeben von Beate Hausbichler und Noura Maan.

🔅Am Beispielen verschiedenster prominenter Frauen wie z.b. Yoko Ono, Marie Antoinette, Taylor Swift und vieler anderer, zeigen die Autorinnen, wie die Bewertung der Person und ihren Handlungen vom Geschlecht abhängig ist. Während gleiches Verhalten bei Männer oft durchgewunken wird oder sogar gefeiert wird, sorgen festverankerte misogyne Denkmuster und Strukturen bei Frauen für Verurteilung und medialen Spott.

🔅Ich finde dieses Thema grundsätzlich sehr interessant und habe mir nach der Beschreibung viel von dem Buch versprochen, was leider nicht ganz eingelöst wurde. Über die Biografien der meisten Frauen hatte ich schon entsprechende Einzeldokumentationen gesehen bzw. Material gelesen, so dass das Buch fast keine neuen Informationen für mich bereithielt. Es wird zwar auf die Misogynie der negativen Aufnahme der Frauen hingewiesen, aber ihr Ursprung nicht besonders tief analysiert. Es gibt immer Parteien und Interessen, die von solchen Strukturen profitieren und dafür sorgen, dass die entsprechenden Mechanismen aufrecht erhalten werden. Da wäre in meinen Augen noch Platz für ein paar (gesellschafts-) kritische Gedanken gewesen.
Der Stil ist schön fluffig leicht gehalten und macht viel Lesespaß, wirkt auf mich aber machmal eher wie für Jugendliche konzipiert.

🔅Beim Zusammenstellen haben die Autorinnen und Herausgeberinnen eine sehr schöne Auswahl von Prominenten aus verschiedenen Zeiten, Sparten und Nationalitäten gewählt. So wird die Omnipräsenz der misogynen Strukturen sehr deutlich, die uns auch heute und jetzt immer noch fast ungebrochen begegnen. Denn nicht nur prominente Frauen sind davon betroffen, sondern auch im normalen Alltag prägen stereotype Rollenbilder wie unser aller (!) Verhalten bewertet wird.

🔅Besonders erwähnen möchte ich hier die wundervolle Graphikgestaltung der vielen Beiträge von Ula Sveikauskaite. Erwähnenswert auch das Glossar der einzelnen Autorinnen, von denen ich die meisten noch nicht kannte.

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Veröffentlicht am 01.03.2023

Tiefer psychologischer Tauchgang

Im Vaterleib
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🔸Seit dem wunderbaren Roman „𝘋𝘦𝘳 𝘞𝘦𝘳𝘵 𝘥𝘦𝘳 𝘎𝘦𝘧ü𝘩𝘭𝘦“ bin ich großer Fan des Folio Verlags. Ein besonderes Anliegen des Verlages ist es, den kulturellen Austausch in Europa durch Bücher und Veröffentlichungen ...

🔸Seit dem wunderbaren Roman „𝘋𝘦𝘳 𝘞𝘦𝘳𝘵 𝘥𝘦𝘳 𝘎𝘦𝘧ü𝘩𝘭𝘦“ bin ich großer Fan des Folio Verlags. Ein besonderes Anliegen des Verlages ist es, den kulturellen Austausch in Europa durch Bücher und Veröffentlichungen zu fördern und zu pflegen mit dem Wunsch nach einer friedlichen und aufgeklärten Gesellschaft!

In dieses Portfolio passt auch die Veröffentlichung von „𝘐𝘮 𝘝𝘢𝘵𝘦𝘳𝘭𝘦𝘪𝘣“ von Chiara Gamberale.
Allerdings muss ich sagen, dass dieser fordernde Roman für mich mit einiger Anstrengung verbunden war...

🔸„𝘐𝘮 𝘝𝘢𝘵𝘦𝘳𝘭𝘦𝘪𝘣“ ist eine wahre Exegese der Gefühle von Adele, der Ich-Erzählerin von Gamberales Roman.
Ihr Roman enthält eine immense Vielfalt an Themen, im Herzstück steht jedoch die Beziehung Adeles zu Männern, angefangen bei ihrem Vater. Ihr Vater ist der erste Mann, der ihren Blick auf sich selbst und auf andere Frauen beeinflusst. Er vereinnahmt ihre Gedanke und wird ihre Beziehung zu sich selbst und zu anderen Männern noch sehr lange beeinflussen.
Adele beginnt eine Beziehung mit dem Kinderarzt ihre Tochter, die wie ein Katalysator und verkehrtes Spiegelbild der Ehe ihrer Eltern wirkt.

🔸Ich erfahre in den häufigen reflektierenden Rückblicken viel aus Adeles Jungendzeit, ihrer Adoleszenz. Sie erkrankt an Bulemie, ein Hilfeschrei nach Aufmerksamkeit? Ein sprachliches Sinnbild für die unterdrückten Gefühle und Gedanken, die an die Oberfläche wollen? Auch sonst durchlebt Adele während ihrer Jugend und späteren Erwachsenenlebens einige Entwicklungen, deren Ursprünge in den Beziehungsdynamiken ihrer Familie liegen.
Das Ende des Roman gefällt mir sehr gut, ich lese es als ein Erwachsenwerden, als ein nach Hause kommen.


🔸Gamberales Roman ist übervoll an Bildern, an parallelen Lebensgeschichten, an gesellschaftlichen Themen, an der Erforschung sich entwickelnden Beziehungsverhalten.
Mit den vielen Themen bin ich enorm überfordert. Die Sätze sind überladen mit wunderschönen und aussagekräftigen Bildern, die mich aber oft unangenehm zwingen, manche Passagen mehrmals zu lesen.
Für mich zu stark überladen, psychologisch zu anspruchsvoll, als dass ich den Roman wirklich mit Freude lesen konnte. Jedoch spüre ich die Leidenschaft Gamberales für menschliche Abgründe in jeder Zeilen.

🔸Gamberale sagt von sich selbst, sie mache vor nichts halt, um die Tiefe der menschlichen Reaktionen und Empfindungen zu ergründen.
Das tut sie, allerdings erreicht sie Tiefen, in die ich ihr nur bedingt folgen kann.

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Veröffentlicht am 14.02.2023

Wichtiges Thema, für mich zu eindimensional erzählt

Macht
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▪️Schwierig.
Objektiv hat der Roman alles, was mir sonst eigentlich gut gefällt. Intensive Introspektiv einer weiblichen Hauptfigur. Das Thema Macht und Machtverteilung.

▪️Trotzdem bin ich ...

▪️Schwierig.
Objektiv hat der Roman alles, was mir sonst eigentlich gut gefällt. Intensive Introspektiv einer weiblichen Hauptfigur. Das Thema Macht und Machtverteilung.

▪️Trotzdem bin ich nicht begeistert. Ich habe jetzt einige Zeit darüber nachgedacht, warum mich der Roman so kaltlässt und konnte den Grund nicht wirklich ausmachen. Vielleicht ist es die für mich fehlende Mehrdimensionalität? Die schriftstellerisch erzeugte Distanz? Emotional ist einfach nur wenig bei mir angekommen.

▪️Im Zentrum des Romans steht die Erzählperspektive der Ich-Erzählerin. Sie wurde vor einigen Jahre vergewaltigt und erfuhr durch diesen gewaltsamen Übergriff ein massives Gefühl von Machtlosigkeit. Mit der Geburt ihres ersten Kindes, ein Sohn, erfährt sie erneut ein Gefühl von Machtlosigkeit über ihren Körper und das eigentlich gut verdrängte Trauma wird erneut getriggert. Zudem trifft sie bei ihrer Arbeit als Pflegerin seit kurzem einen bekannten Filmstar, der der Vergewaltigung beschuldigt wurde, aber vor Gericht und zum Teil auch in der Gesellschaft freigesprochen wurde.
Sie selbst hatte damals nur wenigen von der Vergewaltigung erzählt und sie nicht zu Anzeige gebracht. Auch ihr Mann weiß davon nichts. Darüber zu sprechen oder nicht, ist in ihren Augen die wenige Macht, die ihr noch bleibt.

▪️Die Beschreibungen, mit welcher Zwanghaftigkeit die Erzählerin versucht die Kontrolle und Deutungshoheit über ihr Leben zu behalten, haben mir gut gefallen.
Interessant fand ich auch die letzte Diskussion mit ihrer Freundin Frances über die Konsequenzen eines Outings. Für die Künstlerin Niki de Saint Phalle, die erst 53 Jahre nach der Tat in ihrem Buch „Mon Secret“ die Worte „ich wurde vergewaltigt“ finden konnte, wird es wie zu einem zusätzlichen Attribut. Beeinflusst dieses Wissen unseren Blick auf ihre Werke? Und wenn ja, was wäre die Alternative?

▪️Darauf kann es nur eine Antwort geben: dass niemand vergewaltigt!
(Ich schreibe hier bewusst nicht,… „dass keine Vergewaltigungen passieren“, denn sie passieren nicht einfach so. Sie werden begangen).

Trotz des starken und wichtigen Themas kein Roman der mich emotional erreicht hat.

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Veröffentlicht am 31.08.2023

Zeitgeistig, aber inhaltlich unverbindlich

Tasmanien
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„Tasmanien“ konnte nicht an meine Begeisterung über Giordanos „Den Himmel stürmen“ (2018) anknüpfen. Dieser Roman und „Die Einsamkeit der Primzahlen“ waren für mich eindrückliche Lese- und Hörerlebnisse, ...

„Tasmanien“ konnte nicht an meine Begeisterung über Giordanos „Den Himmel stürmen“ (2018) anknüpfen. Dieser Roman und „Die Einsamkeit der Primzahlen“ waren für mich eindrückliche Lese- und Hörerlebnisse, was ich über „Tasmanien“ nicht sagen werde.

Ich kann nicht einmal sagen, ob ich „Tasmanien“ für ein gutes Buch halte, zu undifferenziert ist meine Meinung darüber. Es entzieht sich meinem Zugang auf mir ungewohnte und unübliche Weise.

Paolo Giordano schreibt über seine Figur Paolo, die genauso alt ist und einen ähnlichen Beruf hat, wie er selbst. Das lässt mich spekulieren, wie ähnlich Giordano seinem Ich-Erzähler wirklich ist.

Paolo steckt in einer tiefen individuellen und globalen Sinnkrise. Seine Ehe ist am Scheideweg, der gemeinsame Kinderwunsch bleibt unerfüllt.
Klimaveränderungen, Terroranschläge und der unbedingte Zerstörungswille der Menschheit, das sind die globalen Themen, die Paolo beschäfftigen.
Sein einziger Coping Mechanismus: Flucht und Verdrängung. Paolo vermeidet jegliche Stellungnahme und Verantwortung.
Paolos Verhalten scheint mir nicht das eines erwachsenen Mannes, es scheint mir das eines heranwachsenden Kindes.
Das mag alles sehr zeitgeistig sein, ich persönlich kann dieser Erzählart nicht viel abgewinnen. Wahrscheinlich liege ich mit meiner Interpretation daneben, aber mir deucht das schon sehr nach detaillierten Beschreibungen von Vermeidungsstrategien in Kombination mit fragiler Männlichkeit.
Ja, es ist unleugbar ein universales Problem, dass wir uns angesichts unserer privaten und globalen Krisen gerne abwenden und entziehen, doch in Giordanos Bearbeitung des Themas finde ich nichts neues. Zudem ist er mir seiner mutmaßlichen Aussage zu unverbindlich und deutungsoffen. Das sehen die vielen italienischen Leser*innen auf jeden Fall anders, denn „Tasmanien“ gilt als das meistgelesene Buch des vergangenen Jahres.

In den Passagen, in den denen Giordano über die historische Atombombe und seine Entwickler schreibt, spüre ich meine alte Faszination für den Autoren. Sie sind fesselnd und spannend geschrieben und bieten die Parallelen in unsere heutige Zeit deutlich an. Auch handwerklich beherrscht Giordano sein Werkzeug, das wiederkehrende Thema der Wolken (sowohl symbolisch als auch konkret) sowie das allegorische Tasmanien ziehen sich als roter Faden durch den Roman und schaffen so ein anspruchsvollen und literarischen Roman im typischen Giordano Stil.

Ich möchte keine Empfehlung für oder wieder den Roman aussprechen. Meine Enttäuschung ist tu einem gewissen Teil meiner hohen Erwartungshaltung geschuldet und die schwache Ausarbeitung der Themen hat vielleicht seinen eigenen Sinn und Reiz, der mir verschlossen blieb.

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Veröffentlicht am 10.02.2024

Mehr oberflächliche Unterhaltung als Gesellschaftskritik mit Tiefgang

Weiße Wolken
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Gleich vorweg, das Buch ist vielleicht für andere Leserinnen amüsant (wie mir zahlreiche positive Besprechungen mittlerweile bestätigen), für mich war das aber ein richtiger Flop.
Jetzt kannst du selbst ...

Gleich vorweg, das Buch ist vielleicht für andere Leserinnen amüsant (wie mir zahlreiche positive Besprechungen mittlerweile bestätigen), für mich war das aber ein richtiger Flop.
Jetzt kannst du selbst entscheiden, ob du weiterlesen möchtest oder nicht…

Eigentlich fängt es schon mit dem Klappentext an. Die Handlung und die vielversprechenden Konflikte, die dort beschrieben werden, finden nur am Rande und dann auch schon ziemlich am Ende des Romans statt.
Wie im Klappentext beschrieben, stehen die beiden Schwestern Dieo und Zazie im Mittelpunkt von Secks Geschichte. Ihre Lebensmodelle und der Umgang mit ihrer Identität könnte nicht größer sein. Zazie ist wütend auf alles, vor allem aber auf den Rassismus und Sexismus, der ihr als schwarze Frau entgegen schlägt.
Dieo ist verheiratet, Mutter von drei Söhnen und kämpft gegen die ungleiche Verteilung von mental load in ihrer Ehe.
Außerdem gibt es noch diverse Eltern und Großeltern, die meisten in Deutschland, aber auch im Senegal, dem Herkunftsland von Papis, dem Vater von Dieo und Zazie.

Was sich erstmal nach einer perfekten Ausgangssituation für die Erörterung von wesentlichen gesellschaftlichen und individuellen Fragen anhört, zeigt sich nach ein paar Seiten als humorvoller und unterhaltsamer gedachter Familienroman.
Könnte auch nett sein, funktioniert aber für mich nicht.

Mir kommen die wie am Reißbrett entworfenen Figuren zwar alle sehr sympathisch vor, aber doch auch sehr naiv und ohne Tiefgang. Selbst Simon, der mittelalte weiße Ehemann von Dieo, ist eigentlich ein netter Typ, dem Frau die Sache mit der mental load nur mal richtig erklären muss. Mit der richtige Aufklärung wird dann der karriereorientierte Yuppie Typ ganz schnell zum care-arbeitenden Familienmensch.
Fast alle Protagonist
innen handeln selbstverständlich nach einem hohen moralischen Standard wie aus dem Bilderbuch und sind immer nur dann genervt, traurig oder wütend, wenn es in die Situation notwendigerweise erfordert. So lässt sich natürlich jeder aufkommende Konflikt durch ein paar emotionale Dialoge in kürzester Zeit entschärfen.

Ich bin innerlich wahrscheinlich completely rotten, aber das finde ich unrealistisch, langweilig und patent wie in einer ARD Vorabendserie.

Am Ende kommt dann noch einer der reaktionären Tropes, die mich persönlich am meisten nerven und verärgern. Das war dann sozusagen das Tüpfelchen auf dem I.

Der Schreibstil ist an sich unterhaltsam, fresh und sehr dialoglastig. Auch hier hätte mir mehr show, don‘t tell wesentlich besser gefallen.

Unterhaltsam? Vielleicht, aber eigentlich ärgere ich mich gerade viel zu sehr über diesen nervigen Schluss, als dass jetzt noch viele positive Worte zu diesem Roman finden möchte.

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