Profilbild von Maesli

Maesli

Lesejury Profi
offline

Maesli ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Maesli über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.03.2023

Auf der Suche nach dem eigenen "Ich" und dem Sinn des Lebens

Immer am Meer entlang
0

Für die Polizistin Josi erfüllt sich zu ihrem 30. Geburtstag ein lang ersehnter und geplanter Traum: sie nimmt sich ein Sabbatjahr und bereist mit ihrem Bulli ein Jahr lang Europas Küsten. Für Paul hingegen ...

Für die Polizistin Josi erfüllt sich zu ihrem 30. Geburtstag ein lang ersehnter und geplanter Traum: sie nimmt sich ein Sabbatjahr und bereist mit ihrem Bulli ein Jahr lang Europas Küsten. Für Paul hingegen kommt die Idee zu einem Roadtrip spontan, nachdem er mit der Partnerin seines besten Freundes einen Vortrag von 2 Aussteigern besucht und sich von ihrem Enthusiasmus anstecken lässt. Ihre Wege kreuzen sich, anfangs zufällig, dann absichtlich immer öfter.

Meine persönlichen Leseeindrücke

Franziska Jebens Roman „Immer am Meer entlang“ erzählt lebendig, spritzig und im jugendlichen Jargon eine wirklich tolle Geschichte. Ich möchte am liebsten gleich alles hinschmeißen und auch so ein Jahr verbringen. Josi und Paul sind zwei äußerst reizende Protagonisten, die sich während ihrer Europareise immer wieder begegnen. Dazu die schönen Landschaftsbilder aus den europäischen Ländern zu lesen macht großen Spaß und die Lesezeit fliegt nur so dahin.

Doch es geht nicht nur um den Roadtrip und die schönsten Küsten Europas sondern auch um die beiden Hauptfiguren. Beide sind auf der Suche nach dem eigenen Ich und dem Sinn ihres Lebens. Dass sie sich dabei verlieben, spielt im Roman eine zentrale Rolle und es ist schön zu lesen, wie tollpatschig sie doch in ihren Gefühlen miteinander umgehen. Diese Beschreibungen machen die ganze Handlung nur noch liebevoller. Und natürlich gibt es ein Happyend, etwas anderes könnte ich mir gar nicht vorstellen.

Fazit

Ein überaus liebenswürdiger Roman mit zwei tollen jungen Protagonisten, die sich auf ihrer Reise entlang Europas Küsten selber finden & zueinander finden.

P.S. „Immer am Meer entlang“ ist ein wirklich sehr gelungener Roman. 4 oder 5 Sterne vergebe ich allerdings für jene Bücher, die mich mehr als nur „berühren“. Sie müssen mich über ihre Zeit zum Nachdenken anregen, mir im Gedächtnis bleiben und in mir den Wunsch wecken, sie noch einmal lesen zu wollen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.03.2023

Ein ungewöhnliches Buch mit speziellem Sprachsound

Siegfried
0

Die Romanhauptfigur, eine junge Frau Anfang 30, fährt eines Morgens in die Psychiatrie weil sie Hilfe braucht und hofft, diese dort bei dem netten Oberarzt zu finden. Nach einem Streit mit ihrem Lebenspartner ...

Die Romanhauptfigur, eine junge Frau Anfang 30, fährt eines Morgens in die Psychiatrie weil sie Hilfe braucht und hofft, diese dort bei dem netten Oberarzt zu finden. Nach einem Streit mit ihrem Lebenspartner ist ihr gesamtes Lebenskonstrukt in sich zusammengefallen und die Angst, dass etwas unwiederbringlich zerbrochen sei, lässt sie schier verzweifeln.

Und während sie auf dem roten Metallstuhl in der Psychiatrie wartet, dass sie an die Reihe kommt, läuft vor ihrem inneren Auge ihr Leben wie ein selbstgedrehter Familienfilm ab.


Meine persönlichen Leseeindrücke

Dieses knapp 260 Seiten lange Büchlein hat es in sich und wer einen harmonischen Familienroman erwartet, möge gleich die Finger davon lassen. Die Ich-Erzählerin erzählt über ihr Leben, in dem Siegfried, ihr Stiefvater und Ex-Ehemann ihrer Mutter, überraschenderweise eine passive Rolle einnimmt. Es dauert schon eine ganze Weile bis ich verstehe, warum das Buch den Titel „Siegfried“ trägt.
Das Buch ist ein Versuch zu erklären inwiefern das Umfeld und äußere Einflüsse ein Leben beeinflussen und ein Dasein prägen können. Und es geht um Angst oder besser um die Frage, ob Hilde und Siegfried Schuld an ihrer Angst sind.
Hier ist ein Mädchen, das wie ein Schwamm Sinneseindrücke und Informationen ihres Umfeldes aufsaugt und Verhaltensmuster verinnerlicht. In einem entscheidenden Moment ihres Wachstums gerät die Mutter aus ihrem Blickfeld und Siegfried füllt diese emotionale Leere vollständig aus, obwohl er physisch kaum anwesend ist.
Die Kleine ist auf sich alleine gestellt und emotional nicht stabil genug, um mit dem Verlust der Mutter fertig zu werden. Vielleicht ist das die Schlüsselstelle des Romans, der Keim der Angst, der später die Panikattacke auslösen und gleichzeitig erklären wird.
Ob sich Siegfried bewusst ist, welche Rolle er im Leben seiner Stieftochter einnimmt, erfahre ich nicht. Über ihn weiß ich nur, was seine Stieftochter erzählt und ich verlasse mich auf kindliche Erinnerungen.

„Siegfried“ ist ein ungewöhnliches Buch. Was es ausmacht, ist neben einer psychologisch durchaus interessanten Geschichte ein melodisch monotoner Sprachsound, der mich wie ein gregorianischer Gesang einlullt und von dem ich nicht wegkomme. Ich möchte das Buch in einem fort lesen und doch gleichzeitig atmen können. Obwohl so viel Ungeheuerliches geschieht, wirkt alles beruhigend und unheimlich, und ich wundere mich nicht, als dieses Lebenskonstrukt einstürzt und die Protagonistin in die Psychiatrie flieht. Es ist ein letztes Aufbäumen gegen die Angst, ihrem ständigen Begleiter.

Fazit

„Siegfried“ von Antonia Baum beschäftigt sich mit dem Thema Angst und Erziehung und ob ein Zusammenhang zwischen beiden bestehen kann. Der Roman überzeugt mit einem tollen Plott, speziellem Sprachsound und guter psychologischer Recherche.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.02.2023

Ich bin mit dem Buch nicht zurecht gekommen

Malvenflug
0

Malvenflug ist die Geschichte der Familie Prochazka zwischen Alpen und Meer. Die Handlung des Romans erstreckt sich, aufteilt in zwei große Kapitel, von den Kriegsjahren bis hin zu irgendwann, nicht weit ...

Malvenflug ist die Geschichte der Familie Prochazka zwischen Alpen und Meer. Die Handlung des Romans erstreckt sich, aufteilt in zwei große Kapitel, von den Kriegsjahren bis hin zu irgendwann, nicht weit entfernt von der Gegenwart. Im ersten Teil wird kurz und bündig ein Auszug aus dem Leben der jeweiligen Romanfiguren in verschiedenen Kriegsjahren dargeboten, im zweiten Teil erzählt die älteste Schwester kreuz und quer über das Familienleben.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Und damit bin ich schon gleich beim Problem: Die Geschichte ist einfach zu unübersichtlich, zu abgehackt und zu konfus. Kaum findet man sich mit einer Romanfigur zurecht, kommt ein Orts-, Zeit und Personenwechsel und ich darf schauen, wo ich bleibt. Nicht nur das! Handlungen werden permanent abgebrochen, notwendige Vor –und/oder Nachinformationen bleiben vorenthalten und sinnvolle Verbindungen werden sofort gekappt. De facto muss ich schauen, wie ich zurechtkomme, vor lauter hin und her. So geht Literatur für mich einfach nicht!
Wenn zumindest der Schreibstil einladend gewesen wäre, dann hätte ich über einiges hinwegsehen können. Doch der hingeworfene Wörterhaufen, von dem mal hier, mal da etwas abgetragen und aufgestapelt wird, reicht bei weitem nicht aus, eine angenehme Lektüre zu bieten. Sehr schade, denn der Stoff hätte durchaus für einen ansprechenden Roman gereicht.

Fazit
„Malvenflug“ hätte ein ansprechender Roman werden können, aber er ist zu holprig in der Erzählung, zu sprunghaft zwischen den Zeiten, zu undurchsichtig in den Personenverflechtungen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.02.2023

Der König der Insel

Der Inselmann
0

Klappentext: Anfang der Sechziger in einem entlegenen Teil Deutschlands. Das Ehepaar Roleder zieht auf eine unbewohnte Insel inmitten eines großen Sees. Es ist eine Flucht nach innen, vor der Stadt und ...

Klappentext: Anfang der Sechziger in einem entlegenen Teil Deutschlands. Das Ehepaar Roleder zieht auf eine unbewohnte Insel inmitten eines großen Sees. Es ist eine Flucht nach innen, vor der Stadt und der Wirklichkeit. Mit dabei ist ihr Sohn Hans, der auf der Insel ein neues Zuhause findet. Und noch so viel mehr. Denn mit der Zeit scheint der schüchterne Junge geradezu mit der Insel, den Bäumen, dem Laub, dem Moos und dem Gestein zu verwachsen. Hans wird zum König der Insel. Bis, mit dem Bescheid der Schulbehörde, die Realität in seine kleine große Traumwelt einbricht und ihn von Insel und Eltern trennt. Es ist der Beginn einer Odyssee, gelenkt zunächst von gnadenlosen Institutionen des Staates und schließlich dem einen großen, pochenden Wunsch: zurückzukehren auf seine Insel, in die ersehnte Einsamkeit im Schatten der Welt. Doch: Wie wird die Insel, wie werden die Eltern ihn empfangen?

Meine persönlichen Leseeindrücke
„Der Inselmann“ ist wahrscheinlich mein erster Roman, den ich poetisch nennen möchte. Ich muss von meinem Tagesrhythmus runterkommen und ruhig werden, damit ich aufnehmen kann, was mir hier präsentiert wird. Auf knapp 170 Seiten erzählt Dirk Gieselmann von Hans und seinem schweren Schicksal, mit wenigen Worten, in immer wiederkehrendem Terzett auf ihn gerichtet.
Und gerade wie es nur die Poesie vermag, verbinden sich die Wörter in Sätze und werden Bilder in meinem Kopf. Es gelingt mir leicht Hans zu folgen, mit ihm glücklich zu sein und mit ihm zu leiden, seine Willenskraft zu bewundern und seine Sehnsucht zu spüren. Ich trage mit ihm die Freiheit, die seine Eltern ihm auf der Insel gaben und noch viel mehr die Last, die er ... Diese Schwermut erdrückt mich mehr als ihn selbst, erschüttert und verzweifelt möchte ich ihn in die Arme schließen und Zugneigung geben. Doch ich kann nur von außen zuschauen und dem bitteren Ende nichts entgegenstellen.

Fazit
Der Inselmann von Dirk Gieselmann ist hochpoetisch, sehr intensiv, beklemmend, ein Schrei nach menschenwürdigem Leben und Geborgenheit. Überzeugende Literatur!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.02.2023

zu viele bizarre und chaotische Episoden

Gleißendes Licht
0

Auszug Klappentext:
Als der Berliner Komponist Kaan für einen längeren Aufenthalt nach Istanbul reist, wird er mit Gewalt auf die verschüttete Geschichte seiner Familie gestoßen. Deutlich und unerwartet ...

Auszug Klappentext:
Als der Berliner Komponist Kaan für einen längeren Aufenthalt nach Istanbul reist, wird er mit Gewalt auf die verschüttete Geschichte seiner Familie gestoßen. Deutlich und unerwartet überkommt ihn das Trauma seiner Großmutter, die durch den Völkermord an den Armeniern zur Waise wurde.
Kaan beginnt sich zu erinnern: an seine Großeltern, sie Armenierin, er Türke, die in den Jahren der Republik unter Atatürk zu Wohlstand kamen, um am Ende doch alles zu verlieren. Als er beginnt, seine Familiengeschichte aufzuschreiben, erfasst ihn ein Wunsch nach Rache. Und nach Vergebung.

Mein persönlichen Leseeindrücke
Ich habe dieses Buch ausgesucht, weil mich letztes Jahr Laura Cwiertnias Roman „Auf der Straße hießen wir anders“, in der sie die Geschichte ihrer armenischen Familie erzählt, sehr berührt hatte. Ich wollte mehr erfahren und die Leseprobe machte mich neugierig.
„Gleißendes Licht“ ist der Debütroman des bekannten Gitarristen und Komponisten Marc Sinan und beim Stöbern im Internet erfahre ich, dass er durchaus autobiografisch ist.
Normalerweise stören mich Erzählungen auf mehreren Zeitebenen nicht, ich mag es auch gern verwoben und kompliziert, das fordert mich beim Lesen. Hier aber ist das nicht optimal gelungen und die Geschichte zerfällt ins Unübersichtliche. Es fehlt mir eine Führung, die mich durch die ständig wechselnden Orte und Zeiten begleitet.
Die Erinnerungen an die Großeltern und die Aufzeichnung ihrer Geschichte ist sehr gelungen und ich fühle besonders mit der Großmutter, der das Schicksal hart zugesetzt hatte. Anders sieht es mit dem Icherzähler Kaan aus. Es zeigen sich relativ schnell ungewöhnliche Charakterzüge, die, als die Handlung in der Gegenwart spielt, klare psychotische Symptome annimmt. Ich bin verwirrt – ist das noch reeller Bezug zu Marc Sinans Person oder Fiktion? Was sich immer dahinter verbirgt, mich schreckt das ab, mit geistiger Krankheit habe ich meine Probleme.
Vielleicht hätte ich Kaans Zerrissenheit besser verstehen können, wenn die Handlung geordneter geschrieben stünde. Die Rache ist mit das stärkste und gefährlichste menschliche Gefühle und je kaltblütiger und berechnender sie ausgeführt wird, umso letaler ist ihr Resultat. Dass Kaan dieser schlussendlich nicht verfällt ist durchaus positiv, aber er kann sich von den Dämonen der alten armenischen Sage nicht befreien und bleibt für sich und seine Menschen eine gefährliche Mischung.

Fazit
Der Debütroman „Gleißendes Licht“ von Marc Sinan hätte Potential doch die chaotische Erzählweise und die psychotischen Episoden zerstören den Charme der sehr gelungenen Passagen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere