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Veröffentlicht am 22.03.2022

Ein feinstimmiger Krimi, der sich im historischen Gewand präsentiert

Kaiserstuhl
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Henny ist die Tochter des bekannten Freiburger Weinhändlers Scherer. Durch den 2. Weltkrieg verliert sie ihren Vater, ihre große Liebe Yves und ihren Ehemann, aber gleichzeitig bringt er Kaspar und Paul ...

Henny ist die Tochter des bekannten Freiburger Weinhändlers Scherer. Durch den 2. Weltkrieg verliert sie ihren Vater, ihre große Liebe Yves und ihren Ehemann, aber gleichzeitig bringt er Kaspar und Paul in ihr Leben. Es sind seitdem 16 Jahren Frieden vergangen und Henny hat die Zeit genutzt, um sich zu einer erfolgreichen Weinhändlerin zu mausern. Als auf den Abschluss des deutsch-französischen Vertrages mit einem 37er Champagner der Hauses Vossinger angestoßen werden soll, wirbelt das Auftauchen dieser Flasche ihr Leben nochmals durcheinander.
Meiner persönlichen Leseeindrücke
Ich habe ein bisschen Mühe mit diesem Buch. Die vielen Romanfiguren, das Hin und Her zwischen den Zeitebenen und Schauplätzen und die dauernden Szenenwechsel verderben mir ein wenig das Lesen. Schade, dass das Buch durch eine unendlich lange und komplizierte Einleitung (ca. 150 Seiten lang) viel von seinem Charme verliert.
Dann endlich beginnt die Geschichte um das Geheimnis des 37er Champagners Vossinger Die geschichtlichen Hintergründe während und vor allem nach dem Weltkrieg sind gut recherchiert und stimmig in die Geschichte verwoben. Die Romanfiguren passen hervorragend zum Stil des Buches, sie wirken authentisch, ehrlich, reell. Dazu gesellt sich ein angenehmer Schreibstil, der mir sehr nach anfänglicher Schwierigkeit angenehme Lesestunden beschert.
Fazit
„Kaiserstuhl“ von Brigitte Glaser ist ein feinstimmiger Krimi, der sich im historischen Gewand präsentiert und nebenbei eine kleine Liebesgeschichte erzählt. Im Zuge der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem 2. Weltkrieg wird die Suche nach einer Champagnerflasche aus dem Hause Vossinger eine wunderbar Recherche über eine Generation, die mit Frankreich verbunden ist und den Krieg überwinden muss.

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Veröffentlicht am 18.03.2022

ein sehr gelungener Debütroman

Unser wirkliches Leben
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Anna studiert am Londoner Konservatorium Gesang. Da das Geld nicht reicht, arbeitet sie mehrmals wöchentlich abends in einer Hotelbar als Jazzsängerin und lernt dort Max kennen, einen Mann Ende dreißig. ...

Anna studiert am Londoner Konservatorium Gesang. Da das Geld nicht reicht, arbeitet sie mehrmals wöchentlich abends in einer Hotelbar als Jazzsängerin und lernt dort Max kennen, einen Mann Ende dreißig. Es beginnt eine interessante, wenn auch nicht unkomplizierte Beziehung, in der Max Anna begleitet, erwachsen zu werden. Doch Anna verzettelt sich in ihrem kindlichen, unreifen Verhalten und in ihrer Zerrissenheit. Sie überfordert sich und die Beziehung und erkennt erst spät, dass sie sich ändern muss, wenn ihre Liebe zu Max eine Chance haben soll.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Es sind mehrere Sachen, die ich an diesem harmonischen Buch mag.
Da ist die schlüssige Handlung, eine in sich geschlossene Erzählung ohne zeitliches hin und her über Anna und Max. Beide Romanhauptfiguren sind gut charakterisiert und nur wenige Menschen lenken von ihnen ab. Anna ist jung, in der Ausbildung als Opernsängerin und gerade dabei, erwachsen und erfolgreich zu werden. Max ist 14 Jahre älter als sie, hat einen guten, anstrengenden Job im Finanzwesen, lebt in Trennung und steht vor einer persönlichen Entscheidung, ob er sein Leben grundlegend ändern soll: weniger Karriere und Berufsstress und mehr Privatleben.
Das Thema zwischen der jungen Frau und dem Mann, der beruflich viel erreicht hat aber sich privat neu erfinden muss, ist realistisch beschrieben. Da Anna die Hauptromanfigur und Ich-Erzählerin ist, weiß ich über Max nur das, was sie uns über ihn zu verstehen gibt. Ich empfinde Max als einen Mann mit Format, der Anna hilft das zu werden, was sie möchte. Er ist eine enorme Stütze, indem er sie finanziell unabhängig macht, damit sie sich von einem Freundes- und Bekanntenkreis lösen kann, der für ihre Karriere nicht gut ist. Er regt sie an, sich ihren Wünschen und Möglichkeiten zu stellen und beeinflusst damit ihren Werdegang.
Sehr angenehm ist die Sprache. Das Buch ist fesselnd geschrieben und liest sich flüssig. Während des Lesens verfliegt die Zeit und ich kann einfach entspannen und mich von der Geschichte wegtragen lassen.

Fazit
„Unser wirkliches Leben“ ist beileibe nicht nur ein Liebesroman und bedeutet mir viel, seit ich ihn gelesen habe. Er ist ein sehr gelungener Debütroman über Beziehung, Freundschaft, Feminismus und den Versuch, mit Mitte zwanzig erwachsen zu werden.

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Veröffentlicht am 11.03.2022

„Wie kostbar Demokratie und Recht sind, zeigt sich, sobald sie zu verschwinden beginnen.“

Februar 33
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Es ist in dieser Zeit fast eine Pflichtlektüre

In seinem Buch „Februar 33 – Der Winter der Literatur“ schreibt Uwe Wittstock über die Ereignisse, die mit der Ernennung von Hitler als Reichskanzler Ende ...

Es ist in dieser Zeit fast eine Pflichtlektüre

In seinem Buch „Februar 33 – Der Winter der Literatur“ schreibt Uwe Wittstock über die Ereignisse, die mit der Ernennung von Hitler als Reichskanzler Ende Januar 1933 begannen und sich bis Mitte März 1933 in Deutschland ereigneten. Dabei legt er sein Augenmerk auf eine Handvoll bedeutender deutscher Schriftsteller und Künstler, die aufgrund ihrer jüdischen Abstammung in die Schusslinie der an die Macht kommenden Nationalsozialisten geraten.
Uwe Wittstock erzählt in seiner Chronik wie das glanzvolle literarische Leben der Weimarer Zeit in wenigen Wochen eines langen Winter einem unvorstellbaren Terror weichen muss und sich das Netz u.a. für Thomas und Heinrich Mann, Alfred Döblin, Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler, Riccarda Huch und viele andere immer fester zuzieht.

Meine persönlichen Leseeindrücke
„Februar 33 – Der Winter der Literatur“ ist keine leichte Lektüre. Gute Kenntnisse der deutschen Literaturlandschaft der Weimarer Republik und der politischen Geschehnisse in Deutschland vor der Machtübernahme von Hitler sind Voraussetzung, um sich in dem Buch zurechtzufinden. Basiswissen halte ich in diesem Zusammenhang für nicht ausreichend.
Es ist ein Sachbuch, das aufzeigt wie schnell und leicht Hitler die Macht übernehmen konnte und wie sich diese politische Veränderung, die schlussendlich in einer Diktatur endete, auf den deutschen Literaturbetrieb auswirkte. Es ist verstörend zu lesen, wie rasant Gewalt überhandnehmen konnte und international anerkannte Intellektuelle, die nicht in die Völkische Ideologie passten, um ihr Leben fürchten mussten und als einzige Schutzmöglichkeit zur Emigration gezwungen wurden. Es ist auch eine Abrechnung mit dem deutschen Volk und all den vielen aktiven Akteuren und Sympathisanten, die den Nationalsozialismus tatkräftig unterstützten und ohne die so eine Entwicklung überhaupt nicht möglich gewesen wäre.

Fazit
„Februar 33 – Der Winter der Literatur“ von Uwe Wittstock zu lesen, ist, besonders in Bezug auf die aktuelle Lage in Russland und der Ukraine, eigentlich Pflicht. Die Parallelen zu den Entwicklungen in Russland sind offensichtlich und es macht einem Angst zu sehen, dass solche Strategien auch nach einem Jahrhundert so wirksam zum Einsatz kommen und von Erfolg gekrönt scheinen.

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Veröffentlicht am 27.02.2022

Zu sehr aufs Wesentliche konzentriert"

Die dritte Hälfte eines Lebens
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In ihrem Debütroman „Die dritte Hälfte eines Lebens“ erzählt Anna Herzig über das Dorf Krimmwing und seine Bewohner, die sehr genau beobachten, sehr schnell urteilen und verurteilen und sehr gut im Wegsehen ...

In ihrem Debütroman „Die dritte Hälfte eines Lebens“ erzählt Anna Herzig über das Dorf Krimmwing und seine Bewohner, die sehr genau beobachten, sehr schnell urteilen und verurteilen und sehr gut im Wegsehen und Weghören sind. So haben es die schwer, die anders sind. Das sind der El-Kah-Ih, die Rosa mit ihrem ledigen Kind, dem Sepp, der Fridolin und die Lisl und drumherum das ganze Dorf.

Meine persönlichen Leseeindrücke
„Die dritte Hälfte meines Lesens“ ist ein sehr ungewöhnliches Büchlein. Da ist zum einen der sehr nüchterne Schreibstil, der nicht viel Zeit mit schöner Sprache verliert, sondern in knapper, konzentrierter Form eine Geschichte über ein imaginäres österreichisches Dorf und einige Einwohner erzählt. Anna Herzig spart an allen Ecken und Enden und packt einen Roman in kaum 130 kleine Seiten. Was mir bei Eva Menasses Roman „Dunkelblum“ zu viel war, ist mir hier zu wenig. Der 2. Teil des Büchleins ist durch die Komprimierung der Geschichte mit großer Aufmerksamkeit zu lesen, ansonsten läuft man Gefahr, dass man nichts versteht. Es ist hier wichtig sich nicht nur auf das Geschriebene zu konzentrieren, sondern auch das zwischen den Zeilen Stehende zu verstehen.

Fazit
Der Debütroman „Die dritte Hälfte meines Lesens“ ist eine etwas andere Kurzgeschichte. Die Thematik Schattenseiten eines Dorflebens scheint mir bei österreichischen Schriftstellerinnen (Dunkelblum – Blasmusikpop) beliebt zu sein, doch reicht für meinen Geschmack der Romanumfang nicht aus, um die Dynamik der Dorfstruktur von Krimmwing darzulegen. Ich empfehle deshalb Anna Herzigs Roman „Die dritte Hälfte meines Lesens“ nur bedingt.

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Veröffentlicht am 22.02.2022

Eine gelungene Neuinterpretation der Tell - Saga

Tell
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Bücher des Diogenes Verlages erkennt man sofort an den Buchcovern, und diese lassen oft auch auf den Inhalt des Buches schließen. Der Apfel, zusammen mit dem Buchtitel „Tell“, lässt eindeutig erkennen, ...

Bücher des Diogenes Verlages erkennt man sofort an den Buchcovern, und diese lassen oft auch auf den Inhalt des Buches schließen. Der Apfel, zusammen mit dem Buchtitel „Tell“, lässt eindeutig erkennen, um was es sich hier handelt. Von der Tell-Saga kenne ich nur die berühmte Szene mit dem Apfelschuss und ich freue mich jetzt die Gelegenheit zu bekommen, die gesamte Geschichte zu erfahren.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Insgesamt empfinde ich die Nacherzählung der Tell-Saga gelungen. Schmidt präsentiert Tell und seine Familie, die Habsburger Schreckensherrschaft, das harte Leben der Bergbauern. Er skizziert Wilhelm Tell als kleinen Mann mit langem Bart und zerzaustem, verfilztem Haar und mit Händen, die von harter Arbeit zeugen. Ich lerne einen Mann kennen, der furchtlos ist, und das bedeutet meist, dass er die Hölle auf Erden schon erlebt hat. Tell ist von seinem Naturell her ein Jäger, der sich in den Bergen bewegt wie eine Gämse und mit den Menschen nicht so zurechtkommt. Das Bauerndasein ist eine Last für ihn, aber es ist nicht das Einzige, woran er schwer zu tragen hat.

Fazit
Das Buch liest sich schnell und gut, mit sehr vielen kurzen Abschnitten. Dass die Tell-Saga durch die schnell aufeinanderfolgenden Sequenzen von unterschiedlichen Romanfiguren erzählt wird, finde ich passend zum Stil des Buches. Leider führte das dazu, dass ich mich während des Lesens oft als Getriebene fühlte. Persönlich hätte ich daher eine andere Form bevorzugt, die die Geschehnisse dieses kurzen Zeitraumes in einem ruhigeren, aber dennoch nicht weniger eindringlichen Stil, erzählt.

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