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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.02.2022

Tolles Buch für junge Leser ab 14 Jahren

Die gigantischen Dinge des Lebens
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Wilbur ist 14 Jahre alt und ist mit seinen beiden Müttern nach Toronto gezogen. Dort erwartet ihn ein ganz neues Umfeld, besonders die Schule und die neuen Mitschüler machen ihm zu schaffen.
Er ist leider ...

Wilbur ist 14 Jahre alt und ist mit seinen beiden Müttern nach Toronto gezogen. Dort erwartet ihn ein ganz neues Umfeld, besonders die Schule und die neuen Mitschüler machen ihm zu schaffen.
Er ist leider nicht gerade der megacoole Typ, den alle als Freund haben wollen. Um sich irgendwie durchzuschlagen, versucht er so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen. Sein 85jähriger Freund Sal, seine erste unglückliche Liebe zu Charlie und eine Typverwandlung ändern das.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Bevor ich mit meinen persönlichen Leseeindrücken starte, muss ich ein paar Wörter zu dem unglaublich gut gestalteten Buchcover schreiben. Der Dinosaurier mit Triangel und roter Baskenmütze ist im glänzenden Relief gedruckt, ebenso wie Titel und Autorin und vermittelt schon ein ganz tolles und aufregendes haptisches Gefühl. Das gedeckte Ocker als Grundfarbe zusammen mit dem Dinosaurierskelett und den beiden knallroten Bildflecken geben ein vortrefflich stimmendes Gesamtbild ab.
Und dann blättere ich auf und lese: Du bist grandios. Strahlend. Ein Prachtmensch!
Wow – das könnte ich auch mal wieder zu mir sagen, schießt es mir durch den Kopf und ich schmunzle! Hauptfigur dieses Jugendromans ist der sensible und warmherzige Wilbur, ein Romantiker und Poet, mit all seine Höhen und Tiefen. So liebevoll er sich um seinen Freund Sal kümmert so hilflos fühlt er sich gegen seinen Peiniger Tyler. Das ändert sich durch die französische Austauschschülerin Charlie. Durch seine Zuneigung zu ihr wird Wilbur wachrütteln. Diese Wandlung schreibt die Autorin in eine für junge Leser supertollen Sprache. Es entsteht so jene Dynamik, die es braucht, um sich mit der Hauptfigur zu identifizieren und am Ende an der Veränderung teilzuhaben.
Gut mit eingebaut sind einige relevante gesellschaftliche Themen, ohne dass sie den Roman überfrachten oder konstruiert wirken. So entsteht eine spannende Geschichte über das eigene Selbstwertgefühl, über den großen Wert von Freundschaft und über den Mut, sich selbst zu vertrauen.

Fazit
Das Buch ist bunt wie es nur das Leben sein kann. Lesbisch, schwul, alt, jung… es ist vieles dabei ohne pathetisch und kitschig zu wirken oder ins Klischeehafte abzudriften. Jeder ist wie er ist genau richtig. Eine Buchempfehlung nicht nur für junge Leser ab 14 Jahren sondern auch für Erwachsene.

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Veröffentlicht am 16.02.2022

Es ist ein sehr persönliches Buch über die Kindheit des Autors

Hast du uns endlich gefunden
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In seinem Debütroman „Hast du uns endlich gefunden“ erzählt Edgar Selge von seiner Kindheit. Er führt uns ein in seine Familie, stellt uns seine Eltern und seine 3 Brüder vor und lässt uns an seiner musikalischen ...

In seinem Debütroman „Hast du uns endlich gefunden“ erzählt Edgar Selge von seiner Kindheit. Er führt uns ein in seine Familie, stellt uns seine Eltern und seine 3 Brüder vor und lässt uns an seiner musikalischen Erziehung teilhaben.

Der Roman beginnt mit der Vorbereitung eines Hauskonzertes. Der Vater, ein passionierter und ganz passabler Klavierspieler, ist Direktor der Jugendstrafanstalt in Herford und lädt an die 80 Gefangene zu diesem Konzert ein, die er persönlich unter den 400 Inhaftierten aussucht. Zusammen mit einem Violinisten wird er nachmittags das Konzert vor den Gefangenen und abends vor Freunden geben.
Zu diesem sehr musikalische Vater, einst Oberstaatsanwalt im 3. Reich, hat Edgar ein sehr schwieriges Verhältnis und das gesamte Ausmaß wird erst im Laufe des Romans erkennbar.
"Wer so intensive Prügel bekommt wie ich von dir, Papa, der kann auch als Kind ein tieferes Verständnis vom Leben haben."

Meine persönlichen Leseeindrücke
Ich beginne dieses Buch und staune über die musikalisch, klassische Erziehung, die Edgar und seine Brüder erhalten. Alle Achtung, was der junge Mann da mit auf seinen Weg bekommt. Aber sehr bald bemerke ich die Kehrseite, die Härte und Brutalität, die in dieser Familie herrscht und es erstaunt mich, mit welcher Selbstverständlichkeit der Autor über die eigenen Kindererlebnisse erzählt.
"Ich weiß, es ist nicht gut, zu stehlen. Das braucht mir niemand erzählen. Es ist nicht gut, seinem Bruder eine Mark aus dem Geldbeutel zu klauen. Wer das nicht begreift, dem fehlt jedes moralische Grundverständnis. Mir ist jedenfalls vollkommen klar, dass man das nicht machen darf. Mich braucht auch niemand zu verprügeln oder zu ohrfeigen, um mir das beizubringen. Aber ich will diesen Film sehen. Und anders geht es nicht."
Es ist nicht das erste Buch, in dem ich über die Nazivergangenheit von Familienmitgliedern lese, aber dieses Buch bringt das Thema auf eine nächste Stufe. Diese Deutlichkeit ist doch sehr erstaunlich.
"Das Vaterland! Davon macht ihr euch gar keine Vorstellung, was das für und bedeutet hat!"
Sehr intensiv werden jene Szenen erzählt, die zu den Prügelattacken des Vaters geführt haben. Ich habe in manch einer Rezension von jungen Bloggern von einer „Triggerwarnung“ gelesen. Das zeigt, wie sich die Gesellschaft in den letzten 80 Jahren verändert hat. Die junge Generation hat tatsächlich keine Ahnung, wie das früher war. Was die Prügelei als Erziehungsmethode betrifft, ist das ein enormer Fortschritt

Fazit
„Hast du uns endlich gefunden“ von Edgar Selge ist ein sehr persönliches Buch über die Kindheit des Autors. Sein Erzählton ist atemlos, körperlich, risikoreich, voller Witz und Musikalität (Zitat auf der Rückseite des Buchumschlags).

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Veröffentlicht am 08.02.2022

Ein Buch nicht nur für junge Leser

Allein auf dem Meer
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Die Pandora, auf der Bill mit anderen gleichaltrigen und Kapitän Wilko einen Segelturn unternimmt, gerät in einen Sturm. Während sich alle anderen in das rettende Floß flüchten können, gelingt dies Bill ...

Die Pandora, auf der Bill mit anderen gleichaltrigen und Kapitän Wilko einen Segelturn unternimmt, gerät in einen Sturm. Während sich alle anderen in das rettende Floß flüchten können, gelingt dies Bill als einzigem nicht.
Schnell sammelt er ein paar Lebensmittel und Wasserflaschen, Notizblock und Stift und verlässt die sinkende Yacht auf dem kleinen modernen Beiboot.
Als sich der Sturm nach vielen Stunden legt, findet sich Bill mitten auf großer See wieder. Am Anfang ist die Hoffnung noch groß, gefunden zu werden, aber mit jedem Tag der vergeht, wird seine Verzweiflung größer.
Drei Tage vergehen und dann sieht er einen Punkt am Horizont. Er nähert sich und erkennt eine Tonne, in der ein Mädchen liegt. Mehr tot als lebendig bringt er sie in sein Boot und päppelt sie langsam auf. Aya ist ein Berbermädchen, dessen Schiff bei der Überfahrt ebenfalls in den Sturm gekommen ist.
So beginnt für beide ein außergewöhnlicher Kampf ums Überleben und Nachhause kommen.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Immer wenn ich ein Kinderbuch in den Händen halte, möchte ich mir vorstellen, wie ich es als junges Mädchen lese. Könnte mich die Geschichte begeistern? Ja!
Chris Vick schafft es mit seiner Erzählung sofort Spannung aufzubauen und mit seiner bildlichen Sprache den Leser zuerst mit auf die Pandora und dann anschließend auf die Abenteuerreise auf See mitzunehmen. Mit Bill und Aya hat er zwei Romanfiguren, mit denen sich Jugendliche, Mädchen wie Jungen, leicht identifizieren können. Er baut geschickt eine Verbindung auf emotionaler Ebene zu beiden auf und schildert den außergewöhnlichen Überlebenswillen so nah, dass man meinen könnte, direkt dabei zu sein.
Was ich gerne noch hervorheben möchte sind Ayas schöne Erzählungen aus „TausendundeineNacht“. Sie spenden Trost und Hoffnung und ermöglichen beiden eine kleine Verschnaufpause in den schlimmsten Momenten.

Fazit
"Allein auf dem Meer" von Chris Vick ist ein wunderbares Buch über ein Abenteuer, das zwei junge Menschen ihr ganzes Leben begleiten wird. Ich empfehle es für Jugendliche ab 15 Jahren und möchte anmerken, dass es auch für Erwachsene gut zu lesen ist.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Es ist ein lebendiges, aufwühlendes Buch, das mich nicht traurig stimmt, aber nachdenklich macht.

Dschinns
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Das Buch beginnt mit Hüseyin, der in Istanbul seine soeben gekaufte Wohnung einrichtet und nächste Woche seine Familie erwartet. Doch dazu wird es nicht kommen, denn er stirbt unerwartet. Überstürzt reist ...

Das Buch beginnt mit Hüseyin, der in Istanbul seine soeben gekaufte Wohnung einrichtet und nächste Woche seine Familie erwartet. Doch dazu wird es nicht kommen, denn er stirbt unerwartet. Überstürzt reist die Mutter mit den beiden jüngeren Kindern an; die beiden älteren kommen zur Beerdigung zu spät. Diese Reise wird für jedes Familienmitglied eine Gelegenheit, vom eigenen Leben zu erzählen. Emine, Hüseyins Frau, kommt im letzten Kapitel zu Wort. In ihrer Geschichte fließt die ganze Tragik zusammen.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Als ich mit dem Buch beginne, kommen mir Erinnerung an den Roman „Streuchlicht“ von Deniz Ohde zurück, den ich letztes Jahr gelesen, rezensiert, veröffentlicht und dann aus meinem Blog gestrichen habe. Das sind nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für diesen Roman. Doch recht schnell nimmt mich die Geschichte mit zur Familie Ylmaz und erzählt aus der Perspektive jedes einzelnen Familienmitglieds das eigene Leben.
Es ist ein lebendiges, aufwühlendes Buch, das mich nicht traurig stimmt, aber nachdenklich macht. Es geht um wichtige Themen wie Identität, Tradition, Integration, Weiterentwicklung und wie jedes Familienmitglied damit umgeht. Ab und an werde ich etwas überdrüssig mancher Klischees und manchmal nervt mich die Umgangssprache, die ich eigentlich in Romanen nicht so mag. Dennoch kann ich diesem Roman einiges abgewinnen und er kann mich als Zeitzeugnis am Ende überzeugen.

Fazit
Dschinns von Fatma ist ein Roman, der den Leser abholt und zur Familie Ylmaz mitnimmt. Es ist eine Erzählung von familiärer Tradition und familiärem Zwang, von Gesellschaft und Kultur des eigenen und des fremden Landes, in denen sich Eltern und Kinder zurechtfinden müssen. Und es ist ein desolates Resümee nicht nur über die Unfähigkeit sondern vor allem über die enorme Schwierigkeit jedes einzelnen, sich aus der elterlichen Kultur zu befreien und sich einer anderen Kultur zuzuwenden und darin zurechtzukommen.
Man muss dieses Buch bis zum Ende lesen und darf sich nicht an den in Umgangssprache geschriebenen Textstellen stören.

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Veröffentlicht am 27.01.2022

Man muss es mögen, dieses Buch, das Leo den letzten Sommer seines Lebens begleitet

Der letzte Sommer in der Stadt
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Leo Gazzarra kommt nach Rom, weil ihm eine Stelle als Journalist angeboten wird. Er verlässt Mailand und einen Vater, der im zweiten Weltkrieg als Soldat gedient hat.

"Denn noch heute kann mich der Gang ...

Leo Gazzarra kommt nach Rom, weil ihm eine Stelle als Journalist angeboten wird. Er verlässt Mailand und einen Vater, der im zweiten Weltkrieg als Soldat gedient hat.

"Denn noch heute kann mich der Gang meines Vater mehr als alles andere geradewegs in die Kindheit zurückversetzen, noch heute kann ich, sogar in der fernen Weite, die mich jetzt umgibt, wunderbar an seine Seite zurückkehren, wenn ich an seinen kräftigen, weichen und gegen Müdigkeit offenbar gefeiten Schritt zurückdenke, den Schritt der langen Verlegungsmärsche, den Schritt, der ihn sogar irgendwie zurück nach Hause hatte bringen können."

In Rom lebt er in den Tag hinein. Ein regelmäßiger Tagesablauf will ihm nicht gelingen. Dann lernt er Arianne kennen, eine junge, kindlich flatterhafte und psychisch instabile Frau. Trotz der Liebe, die er für sie empfindet, gelingt es ihm nicht, eine ernste Beziehung zu ihr aufzubauen. Und dann gibt es noch die Freundschaft zu Graziano, einem Säufer. Als Graziano stirbt, zerstört dieses Ereignis seinen letzten Lebenswillen.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Ich habe mir dieses Buch sehr gewünscht, obwohl ich gar nicht so recht wusste warum. Ich fühle mich diesem Roman zugetan und wenn ich diese Sympathie erklären sollte, bin ich dazu nicht imstande.
Es empfängt mich eine überaus elegante Sprache, die eine tragische Geschichte erzählt. Die Tragik versteckt sich subtil zwischen den Zeilen und ist vielleicht nicht für jeden ersichtlich. Doch mich trifft sie sehr und ich denke über das Gelesene nach, auch noch Tage, nachdem ich den Roman beendet habe. So entführten mich zum Beispiel die Stimmungsbilder in eine poetische Reise durch die ewige Stadt, die ich bereits mehrmals besuchen durfte. Das Buch liest sich wie eine Liebeserklärung, vielleicht an Rom oder an ein lebenswertes Leben. Und doch schafft es die Romanfigur nicht, sein Leben in Ordnung zu bringen, er bekommt nichts hin, für wen denn auch und wofür. Das Buch drückt ein Lebensgefühl aus, dessen Leo nicht gerecht werden kann. Er streift wann immer möglich die Segel und gibt schlussendlich auf.

Fazit
Man muss es mögen, dieses Buch, das Leo den letzten Sommer seines Lebens begleitet. Anders als in vielen Bewertungen und Veröffentlichungen zu diesem Buch erkenne ich einen Zusammenhang mit Rom und der Epoche der „Dolce Vita“ nur am Rande, als schmückendes Beiwerk. Es überkommt mich eine tiefe Zuneigung zur Romanfigur, die sich ihrer bedeutungslosen Tätigkeiten im Alltag bewusst ist, die keinen tieferen Sinn haben, als die Tristesse des Lebens in Schach zu halten (Zitat nach Lydia Sandgrens „Gesammelte Werke / Twitterpost Kaffeehaussitzer Januar 2022).

"Wie gesagt, ich bin auf niemanden sauer, ich hatte meine Karten, und ich habe gespielt. Keiner hat mich gezwungen. Bereuen tue ich nichts."

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