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Veröffentlicht am 16.09.2021

ein Bekenntnis und eine Lektion über Menschlichkeit und dem Bewusstsein

Erklärt Pereira
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Doktor Pereira ist Leiter der Kulturredaktion der neuen, kleinen und katholischen Lissaboner Abendzeitung Lisboa, die hauptsächlich Gesellschaftsnachrichten bringt und samstags eine Kulturseite. Doktor ...

Doktor Pereira ist Leiter der Kulturredaktion der neuen, kleinen und katholischen Lissaboner Abendzeitung Lisboa, die hauptsächlich Gesellschaftsnachrichten bringt und samstags eine Kulturseite. Doktor Pereira ist einziger Mitarbeiter der Abteilung und sein Büro befindet sich in einem kleinen 1-Zimmer-Apartment, abseits der Verlagsbüros.
Es ist der 25. Juli des Jahres 1938 in Lissabon und rein zufällig blättert Doktor Pereira in einer avantgardistischen Literaturzeitschrift, die auch einen Philosophieteil hat und liest einen Artikel über den Tod von Francesco Monteiro Rossi. So kommt ihm der Gedanke, dass die Kulturredaktion einen freien Mitarbeiter bräuchte, der eine ständige Kolumne betreute und zwar jene der Nachrufe.
Er trifft sich mit dem jungen Philosophen und lernt auch Marta kennen. Doktor Pereira und der junge Philosoph kommen ins Gespräch und Monteiro Rossi nimmt sein Angebot an und verspricht, gute Texte zu verfassen. Doch was kommt, ist unbrauchbar und kann nicht veröffentlicht werden.
Portugal befindet sich politisch im Umbruch. Diktator Salasar hat die Macht an sich gerissen, man unterstützt die Nationalisten in Spanien und ist dem Deutschen Reich wohlgesonnen.
Auf der Zugfahrt zu seinem Freund lernt Doktor Pereira eine jüdische Deutsche kennen wird durch sie bei einem Gespräch direkt mit der Realität konfrontiert, vor der er sich in seiner Kulturredaktion zu verstecken scheint.
"Sie sind Intellektueller, sagen Sie, was in Europa vor sich geht, machen Sie von Ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch, mit einem Wort, tun Sie was."
Doch noch kann sich Doktor Pereira der Wirklichkeit entziehen. Erst sein Aufenthalt in der Klinik für Thalassotherapie, in der er sich wegen seiner gesundheitlichen Probleme begibt, wird das Bewusstsein in ihm wecken.
"Und wenn die beiden jungen Leute Recht hätten? Dann hätten sie recht, sagte Doktor Cardoso gelassen, aber das wird die Geschichte entscheiden, nicht Sie, Doktor Pereira."
Er wird sich bewusst, dass es keinen Sinn macht, einen Kulturteil zu leiten, in dem er seine Meinung nicht zum Ausdruck bringen darf und dass er auf diese Weise gezwungen ist, seine 30jährige Journalistentätigkeit zu verleugnen.
Als an einem Spätsommertag zur Abendessenszeit 3 Männer in seine Wohnung eindringen um Monteiro Rossi, den er für einige Tage bei sich untergebracht hatte, die patriotischen Werte in Erinnerung zu rufen und dabei auch gegen ihn handgreiflich werden, wird Pereira reagieren.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Es ist ein sympathischer älterer, gesundheitlich angeschlagener Doktor Pereira, dem ich in diesem Roman begegne und ich mag ihn auf Anhieb. Er lebt isoliert vor dem wirklichen Leben und arbeitet in seiner abgeschiedenen Kulturredaktion, die ihn vor der Realität des Regimes beschützt. Er bemerkt das Klima der Gewalt und Einschüchterung zuerst gar nicht und wähnt sich mit seinen Übersetzungen französischer Schriftsteller des 19. Jahrhundert von aller Zensur befreit.
Doch dann beginnt Doktor Pereira an sich zu merken, dass ein innerer Wandel stattfindet. Er ignoriert das zwar am Anfang, er schiebt es auf seine Krankheit und ab diesen Moment denke ich ab und an: eine Heldengeschichte ist das nicht.
Es braucht ein Verbrechen, in das er unmittelbar hineingezogen wird, damit er die Kraft findet zu handeln. Ich habe den Eindruck, dass er bis dato wirklich nicht realisieren wollte, was in Portugal vorgeht. Seine Courage besteht darin, seine ganze Schreibkunst in den Nachruf von Monteiro Rossi einzubringen und somit in subtiler und geschickter Ironie eine Kritik gegen das Gewaltregime in Portugal in der Zeitung veröffentlichen zu lassen. Er ist kein Held, er flieht um sich und sein Leben zu retten. Mehr sieht er sich nicht imstande zu tun.

Fazit
Ein niveauvoll geschriebener Roman über den Widerstand gegen das Regime und ein Kampf für die Freiheit. Es ist unmöglich, in schwierigen Zeiten neutral durchs Leben zu schreiten. Irgendwann muss jeder reagieren und Doktor Pereira tut es erst am Ende, als es ein Opfer gibt, das er ins Herz geschlossen hat und dessen Tod er nicht verhindern konnte. Eine Lektion fürs Leben, eine Hommage an die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Rechtsstaatlichkeit und dass es nie zu spät ist, sich gegen etwas aufzulehnen, auch wenn dies der Verlust von vielem Persönlichem bedeutet. Der Roman ist ein Bekenntnis und eine Lektion über Menschlichkeit und dem Bewusstsein, dass sich jeder nach seinen Möglichkeiten für Freiheit einsetzen kann und muss.

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Veröffentlicht am 09.09.2021

Ich muss zwei Künstlerinnen bewerten: die Autorin und die Sprecherin

Die letzte Bibliothek der Welt
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Klappentext: Die schüchterne June Jones lebt in dem britischen Dorf Chalcot und ist mit Leib und Seele Bibliothekarin. Ihre besten Freunde sind die Menschen, denen sie Tag für Tag bei ihrer Arbeit begegnet: ...

Klappentext: Die schüchterne June Jones lebt in dem britischen Dorf Chalcot und ist mit Leib und Seele Bibliothekarin. Ihre besten Freunde sind die Menschen, denen sie Tag für Tag bei ihrer Arbeit begegnet: der alte Stanley, dem sie mit dem Computer hilft, Chantal, eine Schülerin, die zu Hause keine Ruhe zum Lernen hat, Leila, eine geflüchtete Frau, für die sie Kochbücher heraussucht. Außerhalb der Bibliothek bleibt June allerdings gern für sich – und in Gesellschaft ihrer Bücher. Junes wohlgeordnetes Leben gerät aus den Fugen, als die Gemeinde mit der Schließung der Bücherei droht. Und dann trifft sie auch noch Alex wieder, einen alten Schulfreund, für den sie bald ganz neue Gefühle entwickelt. Widerwillig erkennt June: Sie muss raus aus ihrer Komfortzone! Also engagiert sie sich in einer Gruppe, die für den Erhalt der Bibliothek kämpft, erst heimlich aus Angst vor ihrer Chefin, dann ganz offen und selbstbewusst. Alex, der Anwalt ist, unterstützt sie hierbei nach Kräften.
Während June alles tut, um ihre Welt aus Büchern zu retten, lernt sie viel über sich selbst – und darüber, wie wichtig Freundschaft, Gemeinschaft und nicht zuletzt die Liebe sind ...

Das Hörbuch ist eine Zusammenarbeit von zwei Künstlerinnen und so muss ich die Arbeit der Autorin und der Sprecherin voneinander getrennt betrachten.
Die britische Autorin lässt in ihrem Roman „Die letzte Bibliothek auf der Welt“ viel Inselfolklore einfließen. Ihre Protagonisten, deren Zahl es viele sind, verkörpern jeder auf seine Weise ein Genre des Briten/der Britin, wie wir ihn/sie aus erfolgreichen britischen TV-Produktionen her zur Genüge kennen. Sampson lässt zudem mehrere aktuelle und außerhalb Großbritannien nicht so bekannte Themen einfließen und überlädt für meinen Geschmack die eigentliche Handlung. Weniger wäre für mich hier mehr gewesen. Denn es geht um eine Bibliothek und den Stellewert, den diese Institution in einer Gesellschaft einnimmt. Schön facettiert die Autorin die unterschiedlichen Bedürfnisse und Anforderungen der Bibliotheksbesucher, die sich für die Erhaltung Ihrer Leihbücherei einsetzen.
Die Vertonung des Romans war deshalb alles andere als einfach. Es galt zum einen einer Vielzahl von Romanfiguren eine eigene Stimme zu verleihen und gleichzeitig das britische Gesellschaftsleben zu vermitteln. Diese Herausforderung hat Laura Maire sehr gut gemeistert. Sie bringt das Hörbuch, das in 100 kurzen Abschnitten unterteilt ist, zum Klingen und liest im richtigen Tempo. Ob zuhause oder im Auto, die Klangqualität ist hervorragend und es macht Spaß zuzuhören.
Meine persönlichen Hörerlebnisse
Laura Maire liest mir ihrer warmen, sanften Stimme und schafft es mühelos, jedem Charakter eine besondere Farbe zu geben. Das ist nicht einfach bei der Vielzahl von Personen, die in dem Buch vorkommen. Die Sprecherin liest gut vor, im perfekten Tempo und gleichzeitig anmutig. Wirkungsvollen Stellen werden gekonnt umgesetzt und der Handlung entsprechend das Tempo gewechselt. Den trockenen britischen Humor gibt sie gekonnt weiter, sodass ich des Öfteren schmunzeln durfte. Der Erzählfluss hat mich sehr positiv beeinflusst, ich konnte dem Geschehen gut folgen und die Geschichte auf mich einwirken lassen.
Fazit
Seinen wahren Zauber erfährt der Roman „Die letzte Bibliothek auf der Welt“ von Freya Sampson erst durch eine wunderbare Laura Maire, die das Buch ansprechend vertonte. Mit ihrer stimmlichen Variabilität kann Maire den vielen, sehr unterschiedlichen Charakteren, die in dem Roman vorkommen, Gestalt verleihen. Das war vermutlich auch die größte Herausforderung bei der Vertonung.
Die Geschichte an sich empfehle ich nur bedingt. Das Hörbuch aber hat mir gefallen und ich halte es für das bessere Buch-Erlebnis.
Autorin: 3 Sterne - Sprecherin: 4,5 Sterne

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Veröffentlicht am 04.09.2021

Ein Buch, das man getrost auslassen kann

Allmen und der Koi
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Die Allmen International Inquiries übernimmt einen kuriosen Fall. Es geht nicht um ein Kunststück, sondern um einen Koi, einen Tancha, schneeweiß und mit rotem Fleck, 1 Meter lang, 23 kg schwer und sehr ...

Die Allmen International Inquiries übernimmt einen kuriosen Fall. Es geht nicht um ein Kunststück, sondern um einen Koi, einen Tancha, schneeweiß und mit rotem Fleck, 1 Meter lang, 23 kg schwer und sehr viel Geld wert. Er ist aus dem Teich des legendären Musikermanager Persival Garrett in seinem Anwesen auf Ibiza gestohlen worden. Nun soll von Allmen ihn finden.
“Wo es viel Luxus gibt, gibt es auch viel Geld.“ Das war nun eine Aussage, die Allmen nicht vorbehaltlos bestätigen konnte.
Bei den Ermittlungen gerät nicht nur Freddy, ein guter Freund von von Allmen aus Schulzeiten, sondern auch der treue südamerikanische Butler in Gefahr.

Meine persönlichen Leseeindrücke
Schon schnell ist mir klar, dieses hier ist das schlechteste Buch der Buchreihe und obwohl kurzweilig und gekonnt geschrieben, kann es über viele Schwächen nicht hinwegtäuschen. Da ist zum einen ein Buchumfang von knapp mehr als 200 Seiten. Wenn man davon die unnötigen Beschreibungen und Floskeln über Wein und Essen weglässt, bleibt für die eigentliche Handlung wenig übrig. Es ist ein Buch, das man getrost auslassen kann. Wer die Bücher mit von Allmen bis jetzt gerne leiden konnte, mag dieses überspringen. Ich werde mir auf jedenfalls gut überlegen, ob ich das neue Buch, an dem Martin Suter arbeitet, lese. So zumindest bewahre ich eine angenehme Erinnerung an den Schweizer Dandy.

Fazit
Ein leider belangloses Buch mit dem einst so sympathischen Schweizer Kunstinvestigator. Von dem schrulligen, liebenswerten von Allmen ist im vorerst letzten Buch der Reihe nicht mehr viel übriggeblieben. Da nutzt es auch wenig, dass man wohlwollend mit Informationen über Luxus und Kois versorgt wird. Martin Suter widmet sein Können wohl anderen Projekten - schade.

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Veröffentlicht am 01.09.2021

Ein forderndes, anstrengendes Buch, das man lieben muss, um es zu verstehen.

Borgo Sud
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Aus Arminuta ist eine erwachsene Frau geworden, die an der Universität Grenoble unterrichtet. Unerwartet wird sie für ein dringendes Telefonat aus dem Hörsaal gerufen und muss daraufhin unverzüglich nach ...

Aus Arminuta ist eine erwachsene Frau geworden, die an der Universität Grenoble unterrichtet. Unerwartet wird sie für ein dringendes Telefonat aus dem Hörsaal gerufen und muss daraufhin unverzüglich nach Italien zurückkehren. Auf ihrer Reise nach Hause erinnert sie sich an die letzten Jahre ihrer Ehe, ihre Schwester, ihre Eltern.
Und so beginnt die Geschichte, erzählt von der großen Schwester, deren Namen auch in diesem Roman der Leser nicht erfahren wird. Sie blickt zurück auf ihre Jahre als Studentin und erinnert sich an ihre Begegnung mit Piero, Sprössling einer angesehenen Arztfamilie, den sie heiraten wird. Als sie ihn ihren Eltern vorstellt, steht das Urteil ihrer Mutter sofort fest:
„Er ist ein hübscher Kerl, aber keiner von unserem Schlag, das sieht man. Mir scheint, der ist zu viel für dich.“
Adriana, die kleine rebellische Schwester, hat sich zur selben Zeit mit Rafaele, einem Fischer von Borgo Sud eingelassen und von ihm ein Kind bekommen. Borgo Sud ist ein Ortsteil von Pescara. Dort wohnt nicht die gute Gesellschaft, sondern die Fischer und dort gelten eigene Regeln. In Borgo Sud ist niemand nett.
Eines Tages steht sie vor der Wohnung der Schwester, auf der Flucht und nach Hilfe suchend. Völlig überrumpelt von den Geschehnissen, versucht die Schwester, Adriana zu unterstützen. Doch das ist alles andere als einfach.
"Noch heute ist mir unerklärlich, dass sie bei allem, womit sie in Berührung gekommen ist, selber nie Drogen genommen hat. So ist Adriana, sie taucht in den Sumpf ein und geht unberührt daraus hervor."
Als Adriana bei einer Auseinandersetzung ihre Mutter schlägt, belegt sie diese mit einem Fluch. Ab diesem Moment wird Adrianas Leben von einem dunklen Schatten begleitet. Die große Schwester vermag Adriana nicht mehr zu schützen. Und auch für die große Schwester wird sich die Prophezeiung der Mutter bewahrheiten.

Meine persönlichen Leseeindrücke
„Borgo Sud“ ist die Fortsetzung des Romans „Arminuta“, dem großen Erfolg von Donatella di Pietrantonio. Man muss den ersten kennen, um den zweiten zu verstehen.
Was mir gleich auffällt: dieses Mal sind mehr Gefühle im Spiel. Die große und die kleine Schwester, so unterschiedlich sie auch sind, so sind sie doch durch das unsichtbare Band der Geschwisterliebe verbunden. Adrianas Opportunismus, ihre Direktheit und Kaltschnäuzigkeit treffen auf den verschlossenen, reservierten Charakter der großen Schwester.
"Adriana ist Opportunistin aus Instinkt, nicht aus Berechnung. Sie bedient sich derjenigen, die ihr nützlich sein können, bewahrt dabei aber eine Art Unschuld, eine kindliche Naivität. Sie impliziert, dass du in gleicher Weise über sie verfügen kannst."
Das Buch ist nicht ganz einfach zu lesen. Ständig wechseln Gegenwart und Vergangenheit, verwirrend teilweise, weil nichts linear erzählt wird, sondern immer nur diffuse Erinnerungsfetzen an die Oberfläche kommen. Das strengt an. Ich muss konzentriert bleiben, um beiden Schwestern zu folgen und in ihre Welt der Empfindungen einzutauchen, bis zum Ende ihres Schicksals, in das sie gefangen sind und aus dem es kein Entrinnen gibt.

Fazit
„Borgo Sud“ ist die Fortsetzung von „Arminuta“. Man muss den ersten Roman gelesen haben, um den zweiten zu verstehen. Während im ersten noch die Kargheit der Sprache im Vordergrund steht, öffnet sich in diesem eine Gefühlswelt, die so tief in Arminutas Innerstes vordringt, dass man unweigerlich mit ihr leidet, trauert, verzweifelt und schlussendlich nur noch hofft. Ein forderndes, anstrengendes Buch, das man lieben muss, um es zu verstehen.

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Veröffentlicht am 26.08.2021

Was psychologischer Terror mit seinem Opfer macht

Die Nachricht
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Ruth steht in der Öffentlichkeit. Sie moderiert im Fernsehen, schreibt Drehbücher und ist gut im Geschäft. Als ihr Mann unerwartet stirbt, erfährt sie, dass er eine Geliebte hatte und wohl eine Trennung ...

Ruth steht in der Öffentlichkeit. Sie moderiert im Fernsehen, schreibt Drehbücher und ist gut im Geschäft. Als ihr Mann unerwartet stirbt, erfährt sie, dass er eine Geliebte hatte und wohl eine Trennung von ihr in Betracht zog. In dieser Trauerzeit platzen Nachrichten von Unbekannten herein, die sie wüst beschimpfen und beleidigen und sie in ihre Privatsphäre schwer verletzen. Diese Nachrichten erreichen aber nicht nur sie.
Die Nachrichten kamen nun in Schüben an mich, an immer neue Freunde, Bekannte und Geschäftspartner, ich hatte mir irgendwann eine Standardantwort auf ihre verlegenen, mitunter entsetzten Nachfragen zurechtformuliert.
Ruth muss ihr Leben neu einrichten und lernt den Psychologen ihres Sohnes, der den Tod des Vaters nicht verarbeitet, näher kennen. Es spät erkennt sie, dass ihr diese On-Off – Beziehung nicht guttut und nicht nur sie, sondern auch ihre Familie, in Gefahr bringt.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Ich lerne relativ schnell die Protagonisten der Geschichte kennen und der Handlungsrahmen wird früh abgesteckt. Nach und nach füllt sich der Roman mit Informationen, zwischenmenschlichen Beziehungen und Einblicke in die Gefühlswelt von Ruth, die schutzlos einer gegen sie gerichtete Schmutzkampagne ausgeliefert ist und die sie weder erklären noch verstehen kann. Sie meint zuerst in Valerie, der Geliebten ihres Mannes, die Schuldige gefunden zu haben.
An all dem, was ich sah, hing eine große tiefschwarze Ahnung, eine besorgniserregende Gewissheit: Sie war es nicht.
Als sie schlussendlich den Verantwortlichen ausfindig macht, ist es schon fast zu spät. Ein erschreckendes Ende! Es geht hier überhaupt nicht um Mann vs. Frau, sondern für mich steht im Vordergrund, dass Ruth hilflos dem Bösen ausgesetzt wird und so kraftlos endet, dass sie sich nicht mehr wehren will. Alles soll nur noch aufhören. Dadurch erlaubt sie dem Bösen weiterzumachen. Jede*r kann das nächste Opfer sein. Und gleichzeitig kann ich vollkommen nachvollziehen, verstehen und begreifen, dass Selbstschutz vorgeht und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich anders handeln würde.
Fazit
„Die Nachricht“ von Doris Knecht analysiert was psychologischer Terror mit dem Leben der Opfer macht. Sie zeichnet ein Leben, das durch digitale Gewalt aus dem Gleichgewicht gerät und beschreibt einen Täter, der durch sein perfides Verhalten bewusst und gewollt sein Opfer demütigt, erniedrigt und gesellschaftlich schädigt.

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