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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.09.2021

Die große Duft-Saga

Das Haus der Düfte
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Im Paris der beginnenden 1950er Jahre träumt die junge Anouk davon, aufregende Düfte zu entwickeln und es als Parfümerie zu Erfolg zu bringen, doch noch steckt sie in der Apotheke ihrer Mutter fest, die ...

Im Paris der beginnenden 1950er Jahre träumt die junge Anouk davon, aufregende Düfte zu entwickeln und es als Parfümerie zu Erfolg zu bringen, doch noch steckt sie in der Apotheke ihrer Mutter fest, die eine andere Karriere für sie vorgesehen hat. Die Begegnung mit dem galanten Stéphane ändert alles, denn der Geschäftsmann gehört zu einer der bekanntesten Duftdynastien Frankreichs. Durch ihn, den sie mit den Fähigkeiten ihrer Nase beeindruckt, gelangt Anouk in die Parfümstadt Grasse und beginnt, bei der Familie Girard ihren Traum zu leben. Doch auch die Girards haben eine Vergangenheit, und bald schon ziehen dunkle Wolken über dem sorglosen Leben auf ...

In zwei Zeitebenen (vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin zur Mitte der 50er Jahre) erzählt Pauline Lambert gekonnt eine klassische Familiensaga um Liebe, Macht und düstere Geheimnisse nach bewährtem Muster. Das wirkt zu keinem Zeitpunkt überraschend oder sonderlich innovativ, aber die Stärke von Lamberts Roman liegt auch nicht darin, das Rad neu zu erfinden. Stattdessen stattet sie ihren epischen Duft-Bilderbogen mit prallen und greifbaren Charakteren aus, die man gern durch die üblichen Höhen und Tiefen einer Glamour-Welt begleitet, so dass sich das "Haus der Düfte" schnell mit charmanter Leichtigkeit als klassische Wohlfühllektüre etabliert. Insbesondere Parfümliebhaber werden an den Erlebnissen der jungen Anouk ihre helle Freude haben, denn die Autorin spart nicht mit informativen Einsprengseln und Details zu den bekannten klassischen Düften jener Zeit, so dass es die geneigten Leser:innen nach dem Zuklappen des Buchs wohl unweigerlich in die nächste Parfümerie ziehen wird, um all den flüchtigen Gerüchen nachzuspüren, denen man im Laufe dieser epischen Saga begegnet. Feel good par excellence!

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Veröffentlicht am 21.09.2021

Ein amerikanisches Epos

Die vier Winde
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Elsa wächst in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts im Norden von Texas auf und ist das Aschenputtel ihrer Familie, der man nicht zutraut, jemals einen Mann zu finden oder eine Familie zu gründen. ...

Elsa wächst in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts im Norden von Texas auf und ist das Aschenputtel ihrer Familie, der man nicht zutraut, jemals einen Mann zu finden oder eine Familie zu gründen. Als sie sich in den jüngeren Italo-Amerikaner Raf verliebt, schwanger wird und ihre Familie sie verstößt, beginnt ein hartes Leben in einer neuen Familie für sie. Jahre später hat sie sich mit ihrem Schicksal arrangiert, doch die große Depression und die fürchterlichen Sandstürme des mittleren Westens haben das Land fest im Griff. Elsa und ihre Familie nehmen all ihren Mut zusammen, lassen ihre Verzweiflung hinter sich und ziehen westwärts. Eine gefährliche und abenteuerliche Reise beginnt ...

Kristin Hannah, unter den großen US-Gegenwartsautoren bereits eine der etablierten, hat mit "Die vier Winde" ihre eigene Version der "Great American Novel" realisiert. Atmosphärisch dicht und in ihrer ausladenden erzählerischen Vision irgendwo zwischen John Steinbeck und Colleen McCullough angesiedelt, schildert Hannah die epische Geschichte von der Realisierung des persönlichen amerikanischen Traums mit dem wissenden Blick einer Erzählerin, die schon alles gesehen hat. Im besten Sinne des Wortes ein klassischer Lebens- und Entwicklungsroman, fernab von den abenteuerlichen Histo-Schmökern für Frauen, die sonst so in den letzten Jahren den Markt überschwemmt haben. Hat das Zeug zum modernen Klassiker - unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Hart & unkonventionell

Die Tote mit der roten Strähne
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Polizistin Betty verschlägt es aus New York in ihre neue Dienststelle beim Drogendezernat in Dallas/Texas - und kaum hat sie dort angefangen, da geht auch schon ein Einsatz schief und ihr Leben läuft aus ...

Polizistin Betty verschlägt es aus New York in ihre neue Dienststelle beim Drogendezernat in Dallas/Texas - und kaum hat sie dort angefangen, da geht auch schon ein Einsatz schief und ihr Leben läuft aus dem Ruder. Nun ist ihr ein viel mächtigerer Feind als das Kartell auf den Fersen, und die rote Locke auf ihrem Bett ist eine erste ernste Warnung.

Kathleen Kent, bisher eher im gehobenen historischen Roman zu Hause, vollführt mit ihrem ersten Thriller eine knallharte Kehrtwendung. Dass sie eine erfahrene Autorin ist, beweist der Schreibstil ihres Frauenkrimis, der sich klar von ihren bisherigen Werken unterscheidet und dennoch uneingeschränkt authentisch wirkt. Dabei sticht vor allem ihre starke Protagonistin Betty Rhyzyk heraus, eine faszinierend andere Heldin, nicht nur wegen ihres flammendsten Haars. Als Frau in einer Männerdomäne und bekennende Lesbe muss sie mit den Wölfen heulen und sich jeden Respekt hart erarbeiten, was sich wirklich wohltuend abhebt von vielen anderen weiblichen Romanheldinnen, die oft genug Entscheidungen einzig und allein auf der emotionalen Ebene treffen.

Ein bisschen schießt Kent hier übers Ziel hinaus, denn die unverblümte Sprache und die sehr direkte Handlung sind sicher nicht jedermanns Sache, aber weniger sensible Naturen (die bei Thrillern eigentlich die Hauptzielgruppe bilden) werden an der an klassische Hollywood-Action angelehnten Rasanz (mit einem Hauch Schmiermilieu) ihre Freude haben.

Alles in allem ist "Die Tote mit der roten Strähne" ein gelungener und grimmiger Noir-Thriller, der ein paar Längen in der Erzählung und eine etwas einfachere Struktur im Plot mit einer faszinierenden Perspektive allemal wieder wettmacht. Augen auf, der zweite Teil ist bereits in Reichweite!

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Veröffentlicht am 30.08.2021

Die knuffige Wohlfühlwelt

Someone like you (Moonflower Bay 2)
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Nora Walsh flüchtet aus ihrer Beziehung in die Kleinstadt Moonflower Bay und übernimmt dort eine Arztpraxis. Was als vorübergehende Auszeit für zwei Jahre gedacht war, könnte sich jedoch schnell als Wink ...

Nora Walsh flüchtet aus ihrer Beziehung in die Kleinstadt Moonflower Bay und übernimmt dort eine Arztpraxis. Was als vorübergehende Auszeit für zwei Jahre gedacht war, könnte sich jedoch schnell als Wink des Schicksals entpuppen, denn gleich nach ihrer Ankunft trifft Nora auf den Traumtypen Jake, der an einem schweren Schicksalsschlag zu knabbern hat. Und da sind noch die restlichen Bewohner von Moonflower Bay, die sich nur allzu gern in allen Lebensfragen einmischen ...

Genau wie der zur Vorkenntnis nicht nötige erste Band der "Moonflower Bay"-Reihe (dessen Protagonisten hier als Nebenfiguren auftreten) ist auch "Someone like you" eine Wohlfühlpackung nach Rezept aus dem Romance-Lehrbuch. Das ist nicht zwangsläufig etwas Schlechtes, denn letzten Endes bekommt die geneigte Leserin hier genau das, was man von einer kurzweiligen Urlaubslektüre erwartet: eine niedliche Liebesbeziehung, ein hübsch romantisches Setting, skurrile Kleinstadt-Charaktere und ein paar Irrungen und Wirkungen als kleine Stolpersteine. Das Ganze ist professionell umgesetzt, liest sich auf dem Balkon genauso flüssig weg wie im Strandkorb und befriedigt die Lust auf den kleinen Kitsch-Snack zwischendurch auf jeden Fall. Innovationen oder irgendwelche bewussten Brechungen von Genrekonventionen sucht man natürlich vergebens, allerdings erwartet man die auch nicht. Stattdessen werden Fans, die inzwischen alle Folgen von Serien wie "Gilmore Girls" oder "Virgin River" durchgesuchtet haben, mit ähnlich Bewährten versorgt. Diese bewusst gewählte Nähe zu den genannten Wohlfühlwerken ist natürlich reine Berechnung, aber knuffig genug, um für kurze Zeit entspannt in eine heile Welt abzutauchen. Zweck erfüllt - gute drei Sterne sind hier allemal drin.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Dystopisch-aktuelles Drama

Heimatsterben
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Als ihre Großmutter im Sterben liegt, kehrt Hanna Ahrens aus New York zurück nach Deutschland und gerät dort schnell in einen politischen Strudel, bei dem ihre Familie - besonders ihr Schwager Felix als ...

Als ihre Großmutter im Sterben liegt, kehrt Hanna Ahrens aus New York zurück nach Deutschland und gerät dort schnell in einen politischen Strudel, bei dem ihre Familie - besonders ihr Schwager Felix als Kopf einer rechtsnationalen Volkspartei - in den Mittelpunkt radikaler politischer Änderungen im Land rückt.

Was man bei Sarah Höflichs faszinierendem Debütroman gleich zu Anfang hervorheben muss, ist die optische Aufmachung des Buchs. Lob an den dtv-Verlag, denn "Heimatsterben" glänzt mit einem prägnanten und doch noch subtilen Cover, einer gelungenen Farbgebung und kommt als ungewöhnlich handliches Hardcover daher, das sich haptisch sehr angenehm anfühlt. Damit ist dem Werk bei der Präsentation im Buchhandel vermutlich schon eine grundsätzliche Aufmerksamkeit sicher.

Davon abgesehen liest sich "Heimatsterben" trotz seiner düster-komplexen Thematik grandios flüssig, denn Sarah Höflich verpackt ihren dystopischen Politthriller in eine dramatische Familiensaga und verleiht ihren zahlreichen Charakteren einen tiefreichenden Hintergrund, der ihre Geschichte personalisiert und gleichzeitig erdet. Hierbei erweist sich der im Innencover liebevoll platzierte Stammbaum vor allem zu Beginn, wenn sich die Vergangenheit einiger Figuren in einem prall erzählten Rückblick auf die Jahre seit dem Kriegsende entfaltet, als hilfreiche Übersicht innerfamiliärer Verbindungen.

Der Roman selbst verläuft dann mit einer strukturell fast zu erwartenden Dynamik auf die jeweiligen Höhepunkte zu und zieht dabei die Spannungsschraube fester: Natürlich gipfelt der bedrohlich populistische Wahlkampf in einem Erfolg für Felix, natürlich gerät Hanna dabei in den Dunstkreis ihres eher ungeliebten Schwagers und natürlich steuert Deutschland auf dunkle Stunden zu. Das ist die logische Konsequenz, nicht nur aus der im Roman erzählten Geschichte selbst, sondern auch aus der Übersetzung und Verdichtung der derzeit tatsächlich aktuellen Zustände in der deutschen Gesellschaft, die mehr denn je einen Diskurs um unsere politische und moralische Zukunft erfordern. Insofern schildert "Heimatsterben" fast schon erschreckend realistisch ein Was-wäre-wenn-Szenario, das momentan, kurz vor den Wahlen im Herbst, brisanter nicht sein könnte. Ein durch und durch lesbarer, wichtiger und vor allem extrem spannender Near-Future-Roman, den man so schnell nicht aus der Hand legen wird - und ein fulminanter Start in den kommenden Bücherherbst. Unbedingt lesen!

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