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Veröffentlicht am 29.02.2024

Jo van Gogh-Bonger

Die Entflammten
1

Wer kennt ihn nicht – Vincent van Gogh. Er und seine Werke sind weltberühmt, ein echter van Gogh ist für uns Normalsterbliche zwar nicht erschwinglich und doch findet man seine Motive auf allen nur erdenklichen ...

Wer kennt ihn nicht – Vincent van Gogh. Er und seine Werke sind weltberühmt, ein echter van Gogh ist für uns Normalsterbliche zwar nicht erschwinglich und doch findet man seine Motive auf allen nur erdenklichen Artikeln. Zu seinen Lebzeiten konnte er nicht von seiner Kunst leben, er war mittellos und ist geistig verwirrt gestorben. „Die Entflammten“ erzählt aber nicht seine Geschichte, zumindest nicht vordergründig, es ist die seiner Schwägerin. Jo van Gogh-Bonger war mit Vincents Bruder Theo verheiratet, nach seinem frühen Tod (Vincent war vor ihm gestorben) nahm sie sich seiner Bilder an. Sie hatte ein Händchen dafür, organisierte Ausstellungen und war damit sehr erfolgreich. Vincent van Goghs Werke sind heute sehr begehrt, seine Kunst wird global anerkannt.

Simone Meier erzählt von zwei Frauen – von Jo und von der Kunsthistorikerin Gina, die über hundert Jahre später auf das Leben und Wirken der Jo van Gogh-Bonger aufmerksam wird. Und so beginnt Gina, alles über Jo zusammenzutragen.

Jos Geschichte hat mich sofort gefesselt. Bald nach ihrer Heirat mit Theo wird ihr bewusst, dass sein älterer Bruder Vincent zu seinem Leben gehört, er finanziert nicht nur seine Farben, nein. Er sorgt dafür, dass Vincent sich seiner Malerei widmen kann, Theos Einkommen in der Galerie muss einfach für sie alle reichen. Nachdem Vincent tot ist, wird auch Theos Gesundheitszustand immer schlechter, er stirbt jung und hinterlässt Frau und Kind. Jo bleiben die Gemälde ihres Schwagers, diese Hinterlassenschaft verwandelt sie mit viel Geschick zu einer Erfolgsstory.

Auch lese ich von Gina, deren Vater einst einen Roman schrieb. Zwar viel beachtet, aber doch nicht der monetäre Erfolg, der ihm vorschwebte. Und doch versucht er sich seitdem an ein Nachfolgewerk, das ihm aber nicht gelingen mag. Er animiert jedoch seine Tochter, an der Geschichte der Jo van Gogh-Bonger dranzubleiben.

Im Wechsel erfahre ich von beiden Frauen, wobei Gina direkt erzählt und sie dann über Jo berichtet. Diese beiden Erzählstränge gehen gefühlt nahtlos ineinander über, was mir anfangs ein wenig Schwierigkeiten bereitet hat. Bald aber war ich im Lesefluss, wobei mir Jos Geschichte sehr zugesagt, die von Gina mich dagegen nicht recht abgeholt hat. Zwischendrin unterhalten sich die beiden Frauen miteinander. Diese Dialoge über die Jahre hinweg sind sehr reizvoll, es ist eine ganz besondere Finesse des Erzählens. Auch lässt die Autorin den Bau des Eiffelturms mit dem Drumherum der damaligen Zeit mit einfließen und natürlich gehören auch die Maler dieser Epoche dazu wie etwa Gauguin oder Degas.

„Die Entflammten“ proträtiert eine zupackende Frau, die mir bis dato unbekannt war, deren Leben und Wirken äußerst interessant und kurzweilig dargeboten wird. Ich hätte noch sehr viel mehr von Jo lesen mögen, Ginas Part dagegen hätte mir in Kurzform gereicht.

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Veröffentlicht am 28.02.2024

KI in alten Gemäuern

Die Burg
1

KI ist in aller Munde, sie bietet unendlich viele Möglichkeiten im Guten wie im Schlechten. Gerne lasse ich mir Zeitungsartikel vorlesen, denen man aber die stellenweise doch etwas holprige Sprache noch ...

KI ist in aller Munde, sie bietet unendlich viele Möglichkeiten im Guten wie im Schlechten. Gerne lasse ich mir Zeitungsartikel vorlesen, denen man aber die stellenweise doch etwas holprige Sprache noch anmerkt. Diesen Service nehme ich gerne an, was mich aber erschreckt, sind die täuschend echt gemachten Fake-Videos. Ich verfolge die Technik und natürlich hat mich „Die Burg“, der neue KI-Thriller von Ursula Poznanski, unheimlich gereizt. Das Hörbuch bietet sich direkt an, um nicht nur die Story zu verfolgen, sondern auch den ganz besonderen Horror hautnah mitzuerleben. Und diesen Horror, dieses Grauen, Frösteln, ja dieses Angstgefühl hat Rainer Strecker, der Sprecher, bestens vermittelt.

Die halbverfallene Burg, die sich der Milliardär Nevio gönnt, lässt er mit neuester Technik ausrüsten - ihm schwebt eine Escape-Welt vor, gesteuert durch Künstliche Intelligenz, die alles zu bieten hat, was das verwöhnte Spielerherz begehrt. Egal ob Vampirschloss oder Fantasywelt oder was auch immer, jede noch so abgehobene Location ist möglich. Nun steht der erste Testlauf an, dafür lädt Nevio ausgewählte Experten ein, unter ihnen auch Maxim, der selbst Escape-Rooms anbietet, einen Vergleich mit denen von Nevio halten seine Spielewelten jedoch in keinster Weise stand.

Das Spiel beginnt, die Teilnehmer sind begeistert und je weiter sie kommen, desto schwieriger wird es für sie. Irgendwann kommt der Punkt, an dem alles stockt. Die KI führt ein Eigenleben, sie scheint Freude an den zunehmenden Ängsten zu haben. Das Safeword ist falsch, von außen lässt sich die Technik nicht mehr steuern, um sie herum ist es teilweise zappenduster, auch läuft ihnen die Zeit davon. Das Szenario wird zunehmend beklemmend und unheimlich. Spätestens dann, wenn man realisiert, dass es keinen Weg nach draußen gibt, verdammt man seine Gier auf Neues, seine unbändige Spielsucht. Kismet nennt sich ihr Gegenspieler, der seine helle Freude an ihrem Grauen hat. Nüchtern betrachtet ist diese KI durchaus gelungen, unterscheidet sie sich doch lediglich durch fehlende Empathie von einem echten Menschen. Auch überlistet KI den Gamemaster, der im Notfall eingreifen sollte.

Ursula Poznanski hat ein sehr aktuelles Thema aufgegriffen. KI kann immer mehr, keiner weiß, wohin dies führen mag. Auf der Burg ist alles aus dem Ruder gelaufen, KI ist nicht mehr zu beherrschen – ein durchaus realistischer Ansatz, auch wenn diese Technik noch am Anfang dessen steht, was alles möglich wäre, es noch gar nicht sichtbar ist, inwieweit sich KI verselbständigt.

Die durchweg düstere Atmosphäre hilft meiner Vorstellungskraft, um in diese virtuelle Welt abzutauchen. Die Charaktere passen in ihrer für mich etwas abgehobenen, eher unsympathischen Art gut dazu, der flüssige Schreibstil tut ein Übriges. Nach dem spannenden Anfang war irgendwann dann die Luft raus, die Story hatte einige Längen, ein Dranbleiben wird dann schon mit einem für mich passenden Ende belohnt. Bis auf einige zu ausgedehnte Seqenzen war “Die Burg“ ein durchweg kurzweiliger, nervenaufreibender Horrortrip in die Welt der Künstlichen Intelligenz, mit der wir immer mehr konfrontiert werden.

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Veröffentlicht am 27.02.2024

Wissenswertes über die Klosterinsel Reichenau

Reichenau - Insel der Geheimnisse
1

Es gibt viel Interessantes zu erzählen über die Reichenau, der größten Insel im Bodensee. Vor nunmehr 1300 Jahren, im Jahre 724, gründet der Wandermönch Pirminius hier ein Kloster.

Anlässlich des Jubiläums ...

Es gibt viel Interessantes zu erzählen über die Reichenau, der größten Insel im Bodensee. Vor nunmehr 1300 Jahren, im Jahre 724, gründet der Wandermönch Pirminius hier ein Kloster.

Anlässlich des Jubiläums ist dieses Buch „Reichenau – Insel der Geheimnisse“ entstanden. Hierin schreiben die acht Autorinnen (in alphabetischer Reihenfolge) Caren Benedikt, Sabine Ebert, Heidrun Hurst, Tanja Kinkel, Iny Lorentz, Carmen Mayer, Heidi Rehn und Juliane Stadler Geschichten über die Insel und deren Bewohner. Dazu gehört auch die Gründungssage, als Pirminius die Insel Reichenau, die voller Schlangen, Kröten und Insekten war, für einen Kapellenbau wählte. Dort, wo er zuerst seinen Fuß auf die Insel setzte, bildete sich eine Quelle und sämtliches Ungeziefer verließ innerhalb von drei Tagen die Insel. So konnten er und seine Begleiter das Gebiet roden, die Insel bewohnbar machen und das Kloster gründen.

Aber nicht nur diese Sage wird in reizvolle Anekdoten verpackt, die Anthologie bietet viel Wissenswertes, unterhaltsam und informativ präsentiert. Allein das Cover ist eine Augenweide, genau so der Vor- und Nachsatz. Hier findet man einen Plan, eine kolorierte Federzeichnung von 1627 von der Reichenau.

Die einzelnen Erzählungen sind vorab in Stichpunkten chronologisch abgedruckt, beginnend im Jahre 724. Sie ziehen sich durch die Jahrhunderte, endend mit der letzten, „Exorzismus“ überschrieben Geschichte, anno 1428. Als dann das Kloster 1540 an den Bischof von Konstanz verkauft wird, endet die Unabhängigkeit der Reichsabtei.

Im Vorwort – Anno Domini 724 – stimmt Tanja Kinkel auf die nachfolgenden Geschichten ein. Es sind ganz unterschiedlich aufgemachte Erzählungen, jede einzelne davon hat ihren eigenen Reiz. Viel zu schnell sind sie gelesen, sie bieten ein buntes Kaleidoskop über die Jahrhunderte, über das Leben im Kloster und darüber hinaus. Sie handeln von König und Kaiser, von Mönchen und Äbten und von den einfachen Leuten.

Die Reichenau ist immer eine Reise wert, meine Reise zu den Anfängen dieser Insel und dem Leben und Wirken darin während der Jahrhunderte war ein kurzweiliges, aufschlussreiches und sehr informatives Lese-Vergnügen. Gerne bin ich den Autoinnen und ihren Geschichten gefolgt. Man kann sie einzeln oder auch alle nacheinander lesen, einmal oder mehrmals, längst vergangene Zeiten werden hier wieder lebendig.

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Veröffentlicht am 26.02.2024

Von Familie, von Freud und Leid

Hallo, du Schöne
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„Hallo, du Schöne“ – so begrüßt Charlie seine soeben geborene Enkelin und jetzt, nach so vielen Jahren, würde er es auch voller Liebe zu ihr sagen, zu Sylvie, seiner zweitältesten Tochter. Dazwischen sind ...

„Hallo, du Schöne“ – so begrüßt Charlie seine soeben geborene Enkelin und jetzt, nach so vielen Jahren, würde er es auch voller Liebe zu ihr sagen, zu Sylvie, seiner zweitältesten Tochter. Dazwischen sind Jahre voller Liebe, aber auch voller Schicksalsschläge, voller Freude und Leid, voller Schuld, Schuldgefühlen und Sprachlosigkeit und trotz allem voll tiefer Verbundenheit.

Die vier Padavano-Töchter wachsen in einem liebevollen Elternhaus auf. Julia, die Älteste, ist ehrgeizig. Was sie sich vornimmt, gelingt. Ihre Zukunft sieht sie mit William, der diesen Familienzusammenhalt nie erfahren hat. Beide heiraten und bald schon kündigt sich Nachwuchs an. Sylvie ist eher eine Träumerin, sie liebt Bücher über alles. Wären da noch die Zwillinge Cecelia und Emeline, die sich in vielem ergänzen. Die vier Mädchen sind eine unzertrennliche Einheit, sie werden stets von ihren Eltern unterstützt, sie geben sich gegenseitig Halt und man könnte meinen, dass nichts und niemand sie trennen kann. Die Fassade beginnt zu bröckeln, als Cecelia schwanger wird.

Ann Napolitano gewährt einen tiefen Blick hinter die Kulissen. Julia und William sind ein Traumpaar, man spürt direkt ihre Liebe und doch ist es William, der sich ihr fügt. Sie verlangt viel, vielleicht zu viel, sie sieht in ihm den kommenden Professor, er jedoch ist dem Basketball verhaftet. Hier ist er integriert, hier hat er das erste Mal einen unbedingten Zusammenhalt verspürt, der ihm in seinem lieblosen Elternhaus nie zuteil wurde. Die Geschwister werden älter, das Schicksal nimmt seinen Lauf. Jede der vier Schwestern geht ihren eigenen Weg, die Familienidylle wird nicht nur von der Mutter aufgebrochen, denn sie kann es nicht verwinden, dass Cecelia nach dem gleichen Muster verfährt, sie den in ihren Augen gleichen Fehler macht, der einst ihre Lebenspläne zunichte gemacht hat. Alle vier lerne ich näher kennen und auch wenn ich Julias Entscheidungen nicht immer gut heiße, so kann ich sie durchaus verstehen und je mehr ich von William weiß, desto öfter möchte ich ihn ganz einfach in den Arm nehmen. Die so unterschiedlichen Charaktere sind voller Leben, voller Zuneigung zueinander, zuweilen aber auch geprägt von Härte und Sprachlosigkeit.

„Hallo, du Schöne“ beginnt voller Zuversicht. Aber wie das Leben so spielt, ist beileibe nicht nur alles eitel Sonnenschein, das Schicksal hält so manches Ungemach bereit. Ann Napolitano hat mich sofort abgeholt, sie hat mich direkt hineinversetzt in deren Mitte, die Padavanos, jeder einzelne, waren mir sehr nah. Es ist ein Familiendrama, das schleichend seinen Anfang nimmt, das von drei Generationen erzählt. Von Glück und Eigensinn, von Depressionen und den damit einhergehenden finsteren Tagen, von bedingungsloser Liebe und Kameradschaft und von noch so vielem mehr. Ich hätte sie gerne noch ein Stück ihres Weges begleitet, es war eine wunderbare Zeitreise, es ist ein wundervolles, ein sehr empfehlenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 24.02.2024

Krankhafte Besessenheit

Mörderfinder – Stimme der Angst
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Der Fallanalytiker Max Bischoff ermittelt in seinem nunmehr vierten Fall. Bei der Beerdigung des von ihm sehr geschätzten Professors Bormann glaubt Max seinen Augen nicht zu trauen, sieht er doch das Ebenbild ...

Der Fallanalytiker Max Bischoff ermittelt in seinem nunmehr vierten Fall. Bei der Beerdigung des von ihm sehr geschätzten Professors Bormann glaubt Max seinen Augen nicht zu trauen, sieht er doch das Ebenbild seiner einstigen großen Liebe Jenny, die seit nunmehr fünf Jahren tot ist. Nicht nur er starrt diese Frau an, auch sie scheint ihn zu kennen. Dies lässt ihm keine Ruhe und so lädt er sie zum Kaffee ein, sie stellt sich ihm als Dominique Klauber vor.

Jenny ist damals auf grausame Weise ums Leben gekommen, diese Begegnung am Friedhof reißt alte Wunden auf und ist der Anfang einer ganzen Serie von Ungereimtheiten – sein ehemaliger Kollege und alter Freund Böhmer verschwindet ebenso wie Jana, eine junge Kommissarin, die Max auch privat sehr gerne sieht. Auch sorgt er sich um Dominique, deren Freund nicht nur eifersüchtig, sondern auch sehr gewalttätig ist.

Natürlich begegne ich auch hier Marvin Wagner, den grandiosen Psychologen, dem man seine Brillanz auf den ersten Blick nicht ansieht, denn er fällt schon allein optisch aus dem Rahmen. Auch mischt Eslam Keskin mit, die Leiterin des KK11 und noch einige andere – alle sind sie mir mittlerweile wohl vertraut. Max bittet Marvin um Mithilfe, da ihm die Zeit davonläuft und er auch wegen Kriminalrätin Keskin nicht recht vorwärts kommt. Sie torpediert ihn, bremst ihn aus und meint dann lapidar, dass er als Zivilperson nichts zu melden habe. „Man könnte sagen, wir stehen am Fuße von Mount Bullshit“ fasst Marvin all die Merkwürdigkeiten und all die unbeantworteten Fragen zusammen.

Neben der Ermittlungsarbeit lese ich auch von einer vermeintlichen Täterfigur. Die kurzen Abrisse sind in kursiver Schrift dargestellt und auch wenn ich Einblick in die Gedanken dieser unbekannten Figur erhalte, rätsle ich lange um deren Identität.

Max lässt sich auf ein Spiel ein, das für ihn zunehmend bedrohlich wird. Es sieht ganz so aus, als ob er die Marionette ist, deren Fäden andere in Händen halten. Krankhafte Besessenheit und manipulative Charaktere sind am Werk, auch blitzt hier KI durch, ein Stilmittel unserer Zeit.

Arno Strobels vierter Mörderfinder-Band hat schon allein auf den ersten Blick einen Wiedererkennungswert, das Cover passt sich hervorragend den Vorgängerbänden an. Er hat hier zwar nicht sein bestes Werk vorgelegt, trotzdem ist auch dieser Thriller ein spannendes, ein kurzweiliges Lesevergnügen, das ich am Stück konsumiert habe.

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