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Veröffentlicht am 21.06.2022

Grandios!

Winterschwestern
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Anja Whitson, die gebürtige Russin, ist eine kaltherzige Frau, besonders ihre beiden Töchter Meredith und Nina bekommen dies zu spüren. Ganz anders ihr liebevoller Vater, der ihnen vor seinem Tod das Versprechen ...

Anja Whitson, die gebürtige Russin, ist eine kaltherzige Frau, besonders ihre beiden Töchter Meredith und Nina bekommen dies zu spüren. Ganz anders ihr liebevoller Vater, der ihnen vor seinem Tod das Versprechen abnimmt, sich um die Mutter zu kümmern. Ein schier unmögliches Unterfangen, denn Nähe zulassen können weder die Mutter noch die Schwestern, die nicht mal wissen, wie alt ihre Mutter ist. Eigentlich wissen sie gar nichts von ihr.

Meredith ist die Bodenständige, sie ist für alle da, hat alles im Griff, managt die familieneigene Apfelplantage. Nina hingegen ist an den Brennpunkten der Welt zu finden. Immer unterwegs, der Fotoapparat ist ihr ständiger Begleiter.

Es ist ein sehr holpriger Start für die drei Frauen. Während Meredith sich um ihre Mutter kümmert, weiß es Nina aus der Ferne immer besser, ist nur selten wirklich da.

Kristin Hannah hat wiederum einen grandiosen Roman vorgelegt. Schon „Die vier Winde“ habe ich regelrecht verschlungen und auch hier, mit den „Winterschwestern“, ist es mir ähnlich ergangen. Einmal angefangen, konnte ich diese großartige Geschichte um eine Familie inmitten des Zweiten Weltkrieges nicht mehr weglegen. Ich habe alles um mich herum vergessen, bin immer tiefer eingetaucht in deren Leid, kam dem Geheimnis der Mutter lange nicht näher, sie hat ihr Schicksal in ihrem Herzen vergraben, sprechen konnte sie nicht darüber - was ich anfangs so gar nicht verstehen konnte. Welche Mutter verschließt sich ihren Kindern dermaßen?

Anja erzählt den Kindern von klein auf Märchen, immer und immer wieder. Und genau diese Märchen – so wünscht es sich der sterbende Vater – sollte sie den Schwestern erzählen. Nicht bruchstückhaft, so wie sie es seit je her getan hat. Nein, die ganze Geschichte sollten ihre Töchter erfahren. Auch ich lese zwischendurch diese Märchen. Zunächst waren sie nicht sonderlich aussagekräftig, aber je mehr ich davon wusste, je weiter Anja Vergangenes aufleben lies, desto intensiver wurden diese.

Ja, „Winterschwestern“ ist ein hochemotionaler Roman, der das Schicksal einer Familie im Krieg erzählt, von deren Überlebenskampf und ihrem unermesslichen Leid. Kristin Hannah findet die richtigen Worte – eine bewegende, eine aufwühlende, eine sehr lesenswerte Familiengeschichte.

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Veröffentlicht am 20.06.2022

Unterhaltsam, glaubhaft, lesenswert

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1)
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Gerade noch rechtzeitig haben Betty, Clara und Martha den schon etwas älteren Horst vor dem Ertrinken gerettet, sie sind „die drei tollen Lebensretterinnen vom Müggelsee“ - dieser heiße Julitag 1956 ist ...

Gerade noch rechtzeitig haben Betty, Clara und Martha den schon etwas älteren Horst vor dem Ertrinken gerettet, sie sind „die drei tollen Lebensretterinnen vom Müggelsee“ - dieser heiße Julitag 1956 ist der Beginn ihrer Freundschaft.

Die drei ganz und gar unterschiedlichen jungen Mädchen leben im Berliner Osten. Noch ist es möglich, im Westteil zu arbeiten oder auch heimlich Waren über die Grenze zu schmuggeln. Dennoch hat die Staatssicherheit ihre Ohren überall, keiner kann sich sicher sein, nicht ausspioniert zu werden. Es sind die Jahre vor dem Mauerbau, die damals 13jährigen Mädchen begleite ich bis zu Walter Ulbrichts großer Lüge „niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ und deren Folgen für sie und ihre Liebsten.

Sehr anschaulich vermittelt Julie Heiland die Lebensverhältnisse in der damaligen DDR. Der familiäre Hintergrund der drei Freundinnen zeigt deutlich auf, ob und wie man in diesem Staat seinen Traum verwirklichen konnte. Etwa die FDJ - formal war die Mitgliedschaft freiwillig, jedoch mussten all die, die sich dem widersetzten, mit Benachteiligungen rechnen. Studieren und ein berufliches Weiterkommen war somit schier unmöglich, die Freie Deutsche Jugend war nur dem Namen nach frei. Die Staatssicherheit, die Stasi, war allgegenwärtig, schon die Kleinsten wurden für Spitzeltätigkeiten missbraucht. So konnte man sich ein Volk der Denunzianten heranziehen, das Unrechtsbewusstsein wurde im Keim erstickt.

Vom Mädchen zur Frau – von 1956 bis hin zum Mauerbau 1961 begleite ich die Betty, Clara und Martha. Sie sind ganz normale Jugendliche mit ihren Zukunftsträumen, der ersten Liebe und den so gegensätzlichen Familienverhältnissen.

Der Titel und auch das Cover kommen unbeschwert daher, es stecken aber viele Schicksale dahinter. Die drei so unterschiedlichen Freundinnen verkörpern jede für sich einen Frauentyp von eher unselbständig und anhänglich bis absolut selbstbestimmt. Sie leben in einem Staat, der nur jene hochkommen lässt, die nichts hinterfragen, sich linientreu geben.

Ich war zwar nie mittendrin, hab aber den Mauerbau und die Schicksale dahinter vielfach gehört, gesehen, gelesen und werde es immer wieder tun. Nie werde und will ich verstehen, wie man die Freiheit jedes einzelnen derart beschneiden kann, sie eher als nützliches Individuum denn als selbst denkenden Menschen behandelt.

„Wellen des Schicksals“ – der erste Teil um die „Freundinnen vom Strandbad“ habe ich sehr gerne gelesen. Auf unterhaltsame Weise habe ich wie nebenbei einen tiefen Einblick in die Struktur der DDR erhalten. Die Charaktere sind allesamt glaubhaft dargestellt – ein wunderbarer Roman „über Freundschaft, die keine Grenze kennt“, der bald seine Fortsetzung mit den „Wogen der Freiheit“ findet.

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Veröffentlicht am 08.06.2022

Spannend, verwirrend – beste Unterhaltung

Das Letzte, was du hörst
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„Die Lüge der Vergangenheit ist die Wahrheit der Zukunft.“

Das Monster ist unter seinem Bett, der Junge weiß das ganz bestimmt. Aber wo kann er sich verstecken? Was ist „Damals“ passiert? Schon die ...

„Die Lüge der Vergangenheit ist die Wahrheit der Zukunft.“

Das Monster ist unter seinem Bett, der Junge weiß das ganz bestimmt. Aber wo kann er sich verstecken? Was ist „Damals“ passiert? Schon die ersten Zeilen lassen Schreckliches vermuten, viele Fragen tun sich auf.

„Hilf mir… ich bin am Baum…“ Dies liest Roya auf dem Display ihres Handys während der nächtlichen Fahrt. Ahnt, was das zu bedeuten hat. Sie muss zu Martina. Unbedingt.

Wir sind im Heute und dazwischen schleicht sich das Damals. Zunächst scheint alles strukturiert, wenn auch nicht durchschaubar. Zwei ganz und gar unterschiedliche Geschichten – oder doch nicht? Noch passt so gar nichts zusammen. Das Damals ist so mysteriös wie verstörend. Was geht hier vor? Wie passen diese grässlichen Szenen dazu?

Andreas Winkelmann hat mich schon wieder ganz tief ins Buch gezogen, hin zu diesem süchtig machenden Podcast, zu dieser samtigen Stimme. „Hörgefühlt“ ist ihr Lebenselexier, sie folgen Marc Maria Hagen, wollen nichts verpassen, auch seine Seminare sind heiß begehrt. Die neuen Medien, die sozialen Netzwerke mit all ihren Auswüchsen werden näher durchleuchtet, einer dieser Stars der Podcast-Szene ist dieser Marc Maria Hagen. Seine Fans lechzen nach seinen Ratschlägen, sind ihm regelrecht verfallen. Daneben geht es um sehr viel zerstörerische, hasserfüllte Gewalt.

Die Charaktere sind allesamt gut skizziert, allen voran Carola Barreis, die bärbeißige Kommissarin. Ihr messerscharfer Verstand geht einher mit ihrer direkten Art. Wer damit nicht umgehen kann, hat Pech gehabt. So manche Gestalt ist nicht gleich einzuordnen, sie alle sind facettenreich und lebensnah gezeichnet.

Ne Nachtschicht in punkto Lesen ist immer vorprogrammiert, sobald ich einen Winkelmann in Händen halte. Mit Lesen aufhören? Jetzt? Geht gar nicht! Auch wenn es ganz kurz ziemlich vorhersehbar scheint, es eher dahinplätschert, kann es noch nicht alles gewesen sein. Zu viele Seiten sind übrig. Nein, die Story nimmt nochmal so richtig Fahrt auf. Vorhersehbar war gar nichts, das weiß ich jetzt – ein wiederum sehr spannender, atemraubender Thriller. „Das Letzte, was du hörst“ – brillant dargeboten von Andreas Winkelmann.

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Veröffentlicht am 02.06.2022

Spannend, fesselnd –ein Verwirrspiel der Extraklasse

Die Verdammten
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Die Straße. Das Video. Die Radfahrerin in der Nacht – und dann der fürchterlich zugerichtete Frauenkörper… was war das denn! Ein Traum? Ist es Wirklichkeit? Schon die ersten Seiten lassen mir das Blut ...

Die Straße. Das Video. Die Radfahrerin in der Nacht – und dann der fürchterlich zugerichtete Frauenkörper… was war das denn! Ein Traum? Ist es Wirklichkeit? Schon die ersten Seiten lassen mir das Blut in den Adern gefrieren. Das Spiel beginnt und ich bin mittendrin, kann mich dem Sog, die dieser Psychothriller erzeugt, nicht entziehen.

Drei sehr unterschiedlichen Menschen begegne ich, tauche in ihr Leben ein, meine zu wissen, wie sie ticken. Die einen mag ich sofort, andere sind mir suspekt, ich traue ihnen so gar nicht. Im Wechsel begleite ich Sebastian, Cherry und Karo. Ihr Leben, ihre Wege, die sich irgendwann kreuzen. Es entstehen Sympathien, Antipathien, Unverständnis, sehr viele Zweifel und des Öfteren schlichtweg Empörung über Lügen, Intrigen, über das Überschreiten von Grenzen.

Sebastian – seine Ex-Frau macht ihm das Leben zur Hölle, die gemeinsamen Kinder hält sie tunlichst von ihm fern, sie wünscht ihm alles erdenklich Schlechte und genau so handelt sie. Kann und will er das so einfach wegstecken? Cherry steckt in einer schwierigen Beziehung, an der sie trotz allen Widrigkeiten festhalten will. Sie ist eine treue Seele – ist sie das? Und Karo – sie hat ihr Leben nicht so ganz im Griff. Warum wohl?

Die drei Akteure werden gut skizziert, das Bild von jedem einzelnen ist in meinem Kopf verankert. Ich bin voreingenommen, verurteile, gelange aber immer wieder an einen Punkt, an dem ich zweifle. Nur phasenweise glaube ich, den Durchblick zu haben. Bin ich der Autorin auf den Leim gegangen? Wieder mal, wie schon so oft? Astrid Korten ist eine Meisterin des Verwirrspiels und auch hier, bei und mit den „Verdammten“ zieht sie wieder alle Register. Geschickt führt sie ihre Leser auf falsche Fährten und erst ganz zum Schluss wird so einiges erklärbar. Warum nur habe ich die Anzeichen nicht gesehen, sie nicht deuten können?

Die Verdammten dieser Welt – es gibt sie, es sind gar nicht so wenige.

Ein erstklassiger Thriller ist ausgelesen, ein subtiles, ein nervenaufreibendes Spiel mit der Wahrnehmung ist zu Ende. Im Nachwort geht die Autorin näher auf Pseudologia phantasica (zwanghafte Lügen) ein. Astrid Korten beleuchten immer ernste Themen, sie recherchiert dazu gründlich, man merkt dies ihren Büchern an.

„Die Verdammten“ ist ein spannender, wendungsreicher Thriller mit Charakteren, die polarisieren, die keinen kalt lassen. Sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 29.05.2022

Eine Sizilienreise vom Feinsten

Der Puppenspieler von Palermo
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Es ist schon viel zu lange her, dass ich „Kaktusfeigen“ gelesen habe und endlich geht es weiter. Wird Linda ihre Zwillingsschwester finden? Schon immer spürt sie, dass ihre Schwester noch lebt und nun ...

Es ist schon viel zu lange her, dass ich „Kaktusfeigen“ gelesen habe und endlich geht es weiter. Wird Linda ihre Zwillingsschwester finden? Schon immer spürt sie, dass ihre Schwester noch lebt und nun will sie es wissen. Auch ihren Vater möchte sie endlich kennenlernen, den stolzen Sizilianer, von dem Mitzi, ihre esoterisch angehauchte Mutter, so gar nichts mehr wissen will. Linda ist so unerschrocken wie leichtsinnig, legt sie sich doch mit einem Mafia-Boss an. Hinterher hätte sie es natürlich anders anpacken müssen, sie bringt nicht nur sich selber, sondern ihr ganzes Umfeld in Gefahr.

Eine Sizilienreise vom Feinsten bietet Anna Castronovo wiederum. Auch sie hat eine sizilianische Familie, kennt die Gepflogenheiten der heißblütigen Italiener von Kindesbeinen an, ist sowohl den Münchenern als auch den Sizilianern sehr verbunden.

Ihre Charaktere sind allesamt fein gezeichnet, jede ist auf ihre Art authentisch. Mit Mitzi ist ihr eine gestandene Bayerin gelungen, sie nimmt kein Blatt vor den Mund, ist ein wenig derb und dann wieder zeigt sie eine ganz andere Seite, das Universum lässt schön grüßen. Linda ist eine junge Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, auch wenn ihre Gefühle grad Achterbahn fahren - schuld daran sind Silvo und Mario. Und endlich hat Linda ihren Vater gefunden, den Puppenspieler Gaetano - in Palermo ist er zuhause. Die anderen alle von ihrer sizilianischen Familie kennt sie schon ne Weile, in „Kaktusfeigen“ habe auch ich sie getroffen. Sie sind mir ans Herz gewachsen - die einen mehr, die anderen weniger.

Die fiktive Geschichte um den „Puppenspieler von Palermo“ hat einen ernsten Hintergrund. Im Anschluss an den Roman schreibt die Autorin über die Kinder der kalabrischen Ndrangheta. Ein Programm, das Kindern, Jugendlichen und auch Frauen hilft, aus dieser mächtigsten Mafiaorganisation auszusteigen. Und dieses für viele so hilfreiche Programm für die Kalabresen hat Anna Castronovo nach Sizilien verlegt und es sehr gekonnt in die Story des „Puppenspielers“ integriert.

Beim Lesen spüre ich die Sonne Siziliens, aber nicht nur sie wärmt mich. Dieser wundervolle Roman um eine sizilianisch-bayerische Familie ist so lebensnah, zuweilen grantig, dann mit viel Humor und sehr liebenswert vor der herrlichen Kulisse Siziliens geschrieben – leidenschaftlich, temperamentvoll, einfach fantastisch - ein Lesegenuss, den ich sehr gerne weiterempfehle.

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