Die bewegende Geschichte einer Familie – großartig erzählt
Saubere ZeitenJakob sitzt im Wohnzimmer, er schaut sich die Familienfotos an. Ein Schnappschuss zeigt seinen Großvater am Strand, an der Hand sein kleiner Sohn, Jakobs Vater. Lange haben sie sich nicht gesehen, doch ...
Jakob sitzt im Wohnzimmer, er schaut sich die Familienfotos an. Ein Schnappschuss zeigt seinen Großvater am Strand, an der Hand sein kleiner Sohn, Jakobs Vater. Lange haben sie sich nicht gesehen, doch nun ist er hier, in Trier, seiner alten Heimat. Sein Vater liegt in der Klinik, es geht ihm nicht gut.
Jakob sieht sich in seinem Elternhaus um. In seinem ehemaligen Zimmer holt ihn die Vergangenheit ein, er entdeckt Tagebücher seines Großvaters und viele von seinem Vater besprochene Tonbänder. Diese führen ihn zurück in eine Zeit, als sein Großvater jung war. Vieles hat er erfunden, er war ein genialer Tüftler. Er, der ehemals kleine Drogist, hat ein Waschmittel auf den Markt gebracht, das der Familie zu Wohlstand verhalf. Wie es scheint, konnte er aber nicht mit Geld umgehen und so haben sie letztendlich alles wieder verloren.
„Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, dass mein Vater mit mir spricht.“ Konnten Vater und Sohn nicht offen miteinander kommunizieren? So viel Sprachlosigkeit war zwischen ihnen und nun hört Jakob die Geschichte von seiner Familie zwischen den Fahrten ins Krankenhaus und den Tonbändern, die ihn zurückführen ins Nazi-Deutschland und ihn später dann nach Brasilien fliegen lassen, nach Rio de Janeiro. Dort trifft er auf Bella, die vor langer Zeit hierher ausgewandert ist. Sie ist es, die ihm ein nicht ganz unwesentliches, lange gehütetes Geheimnis anvertraut.
Andreas Wunn verrät zum Schluss, dass zwar die Fakten rund um das Waschmittel, das sein Großvater erfunden und ihn zu kurzem Reichtum verholfen hat, die seiner Familie sind, alles andere jedoch ist fiktiv. Es ist eine von ihm gut erdachte Geschichte, die aber genau so gewesen sein könnte.
Nachdem ich das Buch zugeklappt habe, musste ich erst mal ganz tief durchatmen, habe mir das Cover nochmal näher betrachtet und die empfundene Sprachlosigkeit trotz der räumlichen Nähe zwischen Vater und Sohn erst so richtig gespürt. „Saubere Zeiten“ waren es im übertragenen Sinne beileibe nicht, niemand kann sich von Schuld reinwaschen.
Die generationenübergreifende Geschichte um die Familie Auber hat mich sofort gefesselt, dem so einnehmenden Schreibstil konnte und wollte ich mich gar nicht entziehen, hier stimmt alles. Die so unterschiedlichen Charaktere sind allesamt authentisch dargestellt, es sind Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen. Neben Großvaters immer größer werdendem Familienunternehmen mit all den familiären Facetten, auch denen um Jakobs Vater, hat Jakob auch von sich erzählt. Dabei hat er geschickt mit den Zeitebenen gespielt, die Übergänge sind fließend, sie gelingen mühelos, gleiten perfekt ineinander über. Ein großartiges Buch, eine beeindruckende Geschichte, die von mir eine absolute Leseempfehlung erhält.