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Veröffentlicht am 20.08.2022

Fesselndes Thrillerdebüt

Das siebte Mädchen
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Chloe Davis hat ihre eigene Praxis, sie ist Psychologin und beileibe nicht frei von Zwängen. Nach außen hin führt sie das perfekte Leben, die Hochzeit mit Daniel steht an. Daniel - ihr Bruder warnt sie… ...

Chloe Davis hat ihre eigene Praxis, sie ist Psychologin und beileibe nicht frei von Zwängen. Nach außen hin führt sie das perfekte Leben, die Hochzeit mit Daniel steht an. Daniel - ihr Bruder warnt sie… „er kennt dich nicht, Chloe. Und du kennst ihn nicht.“ Das Band zwischen den Geschwistern ist stark, eine Tragödie hat sie zusammengeschweißt. Ihr Vater sitzt im Gefängnis, er wurde als sechsfacher Mörder verurteilt.

Stacy Willinghams Thrillerdebüt fesselt, die Charaktere sind lebensnah dargestellt, die Leser sind ganz nah an Chloe. Ihre Sicht auf ihr heutiges Dasein, auf ihre Patienten, auf ihren Verlobten ist in großen Teilen nachvollziehbar, auch wenn ihre Ängste und Zwänge etwas abgehoben scheinen. Sie driftet immer wieder in die Vergangenheit ab, es ist ein gekonntes Wechselspiel zwischen dem traumatischen Gestern und dem Heute, 20 Jahre später. Die damals verschwundenen Mädchen, von denen immer noch jede Spur fehlt, hat Chloe gekannt. Und jetzt geht es wieder los, zwei weitere Mädchen sind weg, gefundene Schmuckstücke ein Indiz dafür, dass es sich um einen Nachahmungstäter handeln muss.

Ihren Alltag, ihre Erinnerungen, die ganze Dramatik von damals gilt es aufzudröseln. War es wirklich so oder hatte gar sie selbst mehr damit zu tun? Wie sieht es mit ihrer näheren Umgebung aus? Ihre innere Zerrissenheit ist spürbar und je weiter ich lese, desto skeptischer betrachte ich auch sie. Mein Misstrauen ist beinahe grenzenlos, jeder der hier agierenden könnte die Mädchen auf dem Gewissen haben. Die Autorin macht das sehr geschickt, die streut Zweifel, zerstreut sie wieder.

Ein gut gemachter Thriller mit klar gezeichneten Figuren, dessen Auflösung man schon erahnen kann. So einiges deutet darauf hin und doch bleibt es bis zum Ende spannend.

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Veröffentlicht am 16.08.2022

Gelungener Auftakt

Bruch
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Felix Bruch, der titelgebende Held dieser Kriminalgeschichte, ist ein eigenbrötlerischer, bärbeißiger, sehr wortkarger Typ, der sehr an den Nerven seiner aus Hamburg hier nach Dresden versetzten Kollegin ...

Felix Bruch, der titelgebende Held dieser Kriminalgeschichte, ist ein eigenbrötlerischer, bärbeißiger, sehr wortkarger Typ, der sehr an den Nerven seiner aus Hamburg hier nach Dresden versetzten Kollegin Nicole Schauer zerrt.

Ein 12jähriges Mädchen ist verschwunden, es gibt keine Spur von ihr. Schon einmal ist hier ein Mädchen verschwunden, nach zwei Wochen ist sie zwar wieder aufgetaucht, aber sie schweigt bis heute.

Bruch und Schauer sind ein ungewöhnliches Ermittlerduo. Wobei sie sich schon bemüht, den verschlossenen Bruch zu knacken, aber sie hat keine Chance. Er ist und bleibt ein Einzelgänger, hat so seine eigenen Methoden. Denkt gar nicht daran, ihr seine Gedanken mitzuteilen. Die Ermittlungen verlaufen schleppend, keiner will etwas wissen. Ein verfallener Dreiseithof wird näher durchleuchtet – haben sie was übersehen? Der Fall an und für sich ist mysteriös, er scheint auf weite Strecken unlösbar und doch müssen sie alles dran setzen, das Mädchen zu finden. Können sie darauf hoffen, dass auch sie wieder auftaucht wie das andere Mädchen Jahre zuvor? Ein komplexer Fall mit eigenwilligen Charakteren, denen man ihr Verhalten abnimmt, je mehr man von ihnen und von ihrer Vorgeschichte weiß.

Das Hörbuch vom Argon Verlag habe ich mir von Stefan Kaminski vorlesen lassen. Er hat eine hervorragende Arbeit geleistet, seine Figuren waren allesamt gut auseinanderzuhalten. Man merkt, dass er viel Erfahrung als Schauspieler, Synchron- und Hörbuchsprecher hat, er wurde u. a. mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. Nur die Dresdner Mundart, den Obersächsischen Dialekt, der vermehrt hier einfließt, mag ich nicht so gerne hören, er klingt in meinen Ohren nicht so gut. Und doch habe ich ihn über weite Strecken gehört, wenn auch nicht unbedingt genossen. Entschädigt wurde ich mit Kaminskis so einnehmendem Vortrag, sowohl Bruch als auch Schauer waren als Personen sehr lebendig, ihre Schrulligkeit, ihre Eigenheiten direkt greifbar.

Bruch ist so ganz anders als viele seiner kriminalistischen Ermittlerkollegen, auch Schauer ist nicht ohne. Ganz nebenbei: Ihre Vornamen habe ich sowieso vergessen, was dem Fall aber keinen Abbruch tut. Sie sind Typen – beide. Und ich gehe davon aus, dass ich sie wieder treffen werde. Weil – ich mag diese etwas verschrobenen Charaktere. Die beiden werden sich zusammenraufen, auch wenn es dauern mag, dessen bin ich mir ganz sicher.

„Bruch: Ein dunkler Ort“ ist gelungen. Ich warte gespannt auf den nächsten Fall.

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Veröffentlicht am 15.08.2022

Bittersüß

Drei Tage im August
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Sawade wurde 1880 gegründet und ist Berlins älteste Pralinenmanufaktur. Das Traditionsunternehmen verdankt seinen Namen einer Liebe, im (Hör)Buch erfahren wir mehr.

Bald zwanzig Jahre arbeitet Elfie ...

Sawade wurde 1880 gegründet und ist Berlins älteste Pralinenmanufaktur. Das Traditionsunternehmen verdankt seinen Namen einer Liebe, im (Hör)Buch erfahren wir mehr.

Bald zwanzig Jahre arbeitet Elfie Wagner in Berlins Prachtstraße Unter den Linden, in Haus Nummer 19. In dieser doch sehr langen Zeit hat sie sich von einer Verkaufsassistentin zur leitenden Verkäuferin hin zur Vorsteherin, zur Prokuristin hochgearbeitet, kümmert sich um die Belange der Chocolaterie Sawade. „Im Nichtstun laueren die Gedanken…“ aber soweit lässt sie es erst gar nicht kommen. Sawade ist ihr Leben, das Pralinengeschäft führt sie, als ob es ihr eigenes wäre.

Dem ungekürzten Hörbuch von Aufbau Audio habe ich gelauscht, Vera Teltz hat es mich mit allen Sinnen genießen lassen. Es sind die „kleinen Leute“ und ihr Alltag, den mir die versierte Sprecherin näher bringt. Vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele 1936 und den immer mehr an Einfluss gewinnenden Nationalsozialisten sind es die Kleinigkeiten, das tägliche Miteinander, die lebendigen Dialoge, die diese drei Tage ausmachen. Unter den Linden wandeln Berliner Originale wie ein Leierkastenmann oder ein Blumenmädchen, auch Käthe Kollwitz, Max Liebermann und noch so etliche andere. Sie alle werden gut eingebunden in diese kleine, große Geschichte. Süß und verführerisch wie eine zart schmelzende Praline, bittersüß ob einer verbotenen Liebe.

„Drei Tage im August“ ist eine leise, hörens- bzw. lesenswerte, sehr einfühlsam erzählte Geschichte inmitten unruhigen Zeiten mit liebenswerten Figuren.

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Veröffentlicht am 12.08.2022

Ein jüdisches Leben – wunderbar erzählt

Isidor
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Die Autorin wandelt auf Isidors Spuren, sucht nach Antworten, versucht seine Lebenswege zu rekonstruieren. Ihr Großvater Walter hat ihnen Anekdoten über die Familie erzählt, über seine Zeit in Wien, über ...

Die Autorin wandelt auf Isidors Spuren, sucht nach Antworten, versucht seine Lebenswege zu rekonstruieren. Ihr Großvater Walter hat ihnen Anekdoten über die Familie erzählt, über seine Zeit in Wien, über die Flucht vor den Nazis und immer wieder kommt Isidor darin vor.

Als 16jähriger war Walter immer wieder sonntags bei Isidor, bestaunte seine vielen Bücher, all die exquisiten Erstausgaben, das handverlesene Mobilar, die Kunstschätze – Onkel Isidor war eine schillernde Persönlichkeit. In der vornehmen Canovagasse im I. Wiener Bezirk bewohnte er eine Etage im Palais des Freiherrn Eugéne de Rothschild. Jeden Sonntag traf sich hier halb Wien zum Mittagessen, wir schreiben das Jahr 1935.

Dr. Isidor Geller, seines Zeichens Kommerzialrat, Berater des österreichischen Staates, Opernfreund, Kunstsammler und noch vieles mehr, kam aus ärmlichen Verhältnissen, der Vater war ein jüdischer Gelehrter, der zwar seinen Glauben lebte, es aber der Mutter überließ, die Familie durchzubringen. Durch kluges agieren an der Börse erschuf sich der junge Isidor, der eigentlich Israel hieß, ein stattliches Vermögen, er war Multimillionär und bewegte sich in den einflussreichen obersten Kreisen Wiens. Auch seine Geschwister lassen die ärmlichen Verhältnissen hinter sich, alle legen sie ihre jüdischen Namen ab.

Der Antisemitismus war schon zu spüren, Isidor sah sich als assimilierten Juden, die religiösen Belange hatten für ihn wenig Bedeutung. Er hatte seinen Platz in der Wiener Gesellschaft, betrachtete sich als wenig angreifbar und dass die Nazis immer mehr an Macht gewinnen, hielt er schlicht für nicht möglich.

Es ist die Geschichte der jüdischen Familie Geller vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus und dem einhergehenden Schicksal der Juden, sehr lebendig und anschaulich erzählt. Man weiß um die Geschichte und hier gibt die Autorin dem auch heute noch Unfassbaren ein Gesicht in Form von Isidor, dem schillernden Lebemann. Ich habe mich Seite für Seite immer mehr festgelesen. Was amüsant begann, wurde immer mehr zur bitteren Realität, die leider nicht immer sofort als tödliche Gefahr wahrgenommen wurde.

„Isidor. Ein jüdisches Leben“ ist das sehr lesenswerte Debüt von Shelly Kupferberg, die sich der Geschichte ihres Großonkels immer mehr annäherte, wie sie im Interview, das auf den letzten Seiten zu finden ist, verrät. Auch die Anekdote um das Titelbild, mit dem ich zunächst so gar nichts anfangen konnte, ist zauberhaft - wie entrückt.

„Isidor“ ist ein herausragendes Buch, gut recherchiert, wunderbar erzählt. Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 10.08.2022

Netter Krimi für zwischendurch

Dunkle Gemäuer
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Nach „Kalte Lügen“ aus der Feder von Julia Bernard führt sie ihre Leser nun in „Dunkle Gemäuer“ - ein Baden-Krimi. Schon das Cover mutet ganz schön gespenstig an. Das Willstätter Horrorhaus - es ist Kulisse ...

Nach „Kalte Lügen“ aus der Feder von Julia Bernard führt sie ihre Leser nun in „Dunkle Gemäuer“ - ein Baden-Krimi. Schon das Cover mutet ganz schön gespenstig an. Das Willstätter Horrorhaus - es ist Kulisse für einen Film. Im früheren Siechenhaus geht immer noch Hildebrandt um, dessen sind sie sich sicher. Darum drehen sie ausschließlich tagsüber und behelfen sich mit lichtundurchlässigen Pappfensterläden, so machen sie den Tag zur finsteren Nacht. Als Mona, die Kamerafrau, verschwindet, wird Suzanne Griesbaum engagiert, ihres Zeichens Privatermittlerin, ihr zur Seite steht Henry Marbach.

Und da war die Sache mit dem Leuchten. Kurz bevor in dem Haus jemand stirbt, leuchtet ein geheimnisvolles grünes Licht. Das Hildebrandtslicht. Das Gerücht hält sich hartnäckig – was ist da dran? Auch ein Strichmännchen hat die Filmcrew entdeckt, dessen Kopf nach unten hängt, wie abgeknickt. In früheren Zeiten hat Hildebrandt hier gewütet, viele sind umgekommen, alle mit Genickbruch.

Im Keller dann wird Mona gefunden, sie ist tot – Genickbruch, was sonst! Ist sie die steile Treppe hinuntergestürzt? Nicht nur die Privatermittler sind an dieser mysteriösen Sache dran, auch die Polizei ermittelt. Verdächtige gibt es viele, allen voran Gerard, Monas Ehemann. Aber kann er wirklich mit dem Tod seiner heiß geliebten Frau zu tun haben? Ihre Schwester, der Hausmeister, ein Drehbuchautor, Schauspieler, auch Petrow, der Regisseur – sie alle sind verdächtig, jeder hat mindestens ein Motiv.

Keine zehn Pferde hätten mich in dieses Haus gebracht, auch wenn es mich beim Lesen so gar nicht gegruselt, Horror-Feeling sich dabei so gar nicht eingestellt hat. Spannend war das Buch trotzdem, bis fast zuletzt schlich sich in meine Gedanken immer wieder ein Verdächtiger ein, um dann doch wieder meine Zweifel zu haben. Jeder könnte es gewesen sein, keiner hat eine astreine Weste.

Der Baden-Krimi versprüht viel Charme, gerade wenn es um den Badener Dialekt geht, der wohl dosiert eingestreut wird. Auch wenn man diesen Dialekt nicht spricht, versteht man doch (fast) alles. Einen richtig bodenständigen Typen gibt es hier nicht, die Charaktere sind allesamt leicht überzeichnet dargestellt. Suzanne in ihrer unerschrockenen Art bringt sich so manches Mal in arge Bedrängnis. Auch Henry hat so seine Eigenheiten, die schon seltsam anmuten. Und doch habe ich über so manche Szene geschmunzelt. Ja, alle haben sie ihre Macken. Auch und vor allem Suzanne und ihr Dahinschmachten, sobald es um ihren Liam geht. Denn neben der Ermittlungsarbeit waren sie und ihr großer Schwarm Liam, ein Star der Death Metal-Szene, allgegenwärtig. Dieses pubertäre Gehabe war eindeutig zu viel, es hat der Story viel Potenzial geraubt. Weniger wäre hier wesentlich mehr gewesen!

Ansonsten ein netter Krimi für zwischendurch, der mich schon unterhalten hat, mit einem gut gemachten Cliffhanger.

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