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Veröffentlicht am 25.06.2022

Die etwas andere Landpartie in vier Aufzügen

Landpartie
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Sasha Senderovsky besitzt nicht nur ein Landhaus außerhalb New Yorks, auch gehören Gästebungalows zu seinem Anwesen und die bieten sich geradezu an, die Pandemie bei gutem Essen und viel Alkoholika gemeinsam ...

Sasha Senderovsky besitzt nicht nur ein Landhaus außerhalb New Yorks, auch gehören Gästebungalows zu seinem Anwesen und die bieten sich geradezu an, die Pandemie bei gutem Essen und viel Alkoholika gemeinsam mit alten Freunden zu überstehen. Und es gefällt ihm, dem russischstämmigen Schriftsteller, der Anführer dieser ländlichen Menagerie zu sein.

„Acht Freunde. Vier Romanzen. Sechs Monate Isolation“ - die Landpartie ist in vollem Gange.

Ein Thema, das jeder kennt und selbst durchleben musste.

Wer es sich in dieser Situation leisten kann, sein Dasein auf dem Lande zu verbringen und die damit einhergehende freiere Lebensweise, ist schon privilegiert. Es sind ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, die hier aufeinandertreffen. Ihre Gespräche geben Einblick in ihr bisheriges Leben, es wird gnadenlos durchleuchtet und nicht nur dieses eine allumfassende Virus gibt den Takt an. Einhergehend mit der Isolation werden Emotionen freigesetzt, die unter normalen Umständen nie an die Oberfläche gelangen würden.

Das Virus und die Mythen, auch all die mittlerweile wohlbekannten Verschwörungstheorien kommen zur Sprache. Die Pandemie wird immer mehr zum zwischenmenschlichen Intermezzo. Fast wie im Rauschzustand vergessen sie alles um sich herum, die Moralvorstellungen werden zunehmend lockerer, es geht zur Sache. Und hört beinahe nicht mehr auf, je weiter ich lese – ein Zuviel des Guten. War ich anfangs noch neugierig – es war durchaus kurzweilig, ja amüsant, ihnen zuzuschauen - so musste ich mich später zwingen, dem Ganzen zu folgen.

Ironisch, entlarvend, gesellschaftskritisch - Gary Shteyngart hat mit seiner „Landpartie“ in mehreren Aufzügen einen Blick zurück getan. Ein in weiten Teilen lesenswerter Roman mit einem Ende, das es so nicht gebraucht hätte.

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Veröffentlicht am 21.06.2022

Grandios!

Winterschwestern
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Anja Whitson, die gebürtige Russin, ist eine kaltherzige Frau, besonders ihre beiden Töchter Meredith und Nina bekommen dies zu spüren. Ganz anders ihr liebevoller Vater, der ihnen vor seinem Tod das Versprechen ...

Anja Whitson, die gebürtige Russin, ist eine kaltherzige Frau, besonders ihre beiden Töchter Meredith und Nina bekommen dies zu spüren. Ganz anders ihr liebevoller Vater, der ihnen vor seinem Tod das Versprechen abnimmt, sich um die Mutter zu kümmern. Ein schier unmögliches Unterfangen, denn Nähe zulassen können weder die Mutter noch die Schwestern, die nicht mal wissen, wie alt ihre Mutter ist. Eigentlich wissen sie gar nichts von ihr.

Meredith ist die Bodenständige, sie ist für alle da, hat alles im Griff, managt die familieneigene Apfelplantage. Nina hingegen ist an den Brennpunkten der Welt zu finden. Immer unterwegs, der Fotoapparat ist ihr ständiger Begleiter.

Es ist ein sehr holpriger Start für die drei Frauen. Während Meredith sich um ihre Mutter kümmert, weiß es Nina aus der Ferne immer besser, ist nur selten wirklich da.

Kristin Hannah hat wiederum einen grandiosen Roman vorgelegt. Schon „Die vier Winde“ habe ich regelrecht verschlungen und auch hier, mit den „Winterschwestern“, ist es mir ähnlich ergangen. Einmal angefangen, konnte ich diese großartige Geschichte um eine Familie inmitten des Zweiten Weltkrieges nicht mehr weglegen. Ich habe alles um mich herum vergessen, bin immer tiefer eingetaucht in deren Leid, kam dem Geheimnis der Mutter lange nicht näher, sie hat ihr Schicksal in ihrem Herzen vergraben, sprechen konnte sie nicht darüber - was ich anfangs so gar nicht verstehen konnte. Welche Mutter verschließt sich ihren Kindern dermaßen?

Anja erzählt den Kindern von klein auf Märchen, immer und immer wieder. Und genau diese Märchen – so wünscht es sich der sterbende Vater – sollte sie den Schwestern erzählen. Nicht bruchstückhaft, so wie sie es seit je her getan hat. Nein, die ganze Geschichte sollten ihre Töchter erfahren. Auch ich lese zwischendurch diese Märchen. Zunächst waren sie nicht sonderlich aussagekräftig, aber je mehr ich davon wusste, je weiter Anja Vergangenes aufleben lies, desto intensiver wurden diese.

Ja, „Winterschwestern“ ist ein hochemotionaler Roman, der das Schicksal einer Familie im Krieg erzählt, von deren Überlebenskampf und ihrem unermesslichen Leid. Kristin Hannah findet die richtigen Worte – eine bewegende, eine aufwühlende, eine sehr lesenswerte Familiengeschichte.

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Veröffentlicht am 20.06.2022

Ein bittersüßer Kriminalroman

Süße Versuchung (Ein-Sardinien-Krimi 2)
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Der zweite Teil der Sardinien-Krimi-Reihe aus der Feder von Gesuino Némus liegt in deutscher Übersetzung vor. „Süße Versuchung“ ist ein Regionalkrimi mit etwas schrulligen Charakteren, die in ihrem kleinen ...

Der zweite Teil der Sardinien-Krimi-Reihe aus der Feder von Gesuino Némus liegt in deutscher Übersetzung vor. „Süße Versuchung“ ist ein Regionalkrimi mit etwas schrulligen Charakteren, die in ihrem kleinen Örtchen Telévras ihr Dasein fristen. Kein Tourist will sich hierher verirren, was der örtliche Heimatverein gerne ändern möchte.

Ein Unfall versetzt alle in Aufruhr, eine junge Frau war mit ihrem Auto von der Straße abgekommen und in eine Schlucht gestürzt. Der Busfahrer meldet den Unfall und bald darauf wird dieser erschossen aufgefunden. Keiner glaubt so recht an einen Selbstmord, auch wenn dies auf den ersten Blick so aussehen mag. Französin war die Verunfallte, ansonsten ist nichts bekannt über sie, also verbleibt sie erst mal im Kühlhaus. Hauptkommissar Marzio Boccinu ermittelt.

Den ersten Teil habe ich nicht gelesen, konnte aber problemlos mit Teil zwei losstarten. Charaktere, wie man sich die etwas abseits gelegenen Dorfbewohner vorstellt, sind aufs Trefflichste gezeichnet. Allesamt sind sie „Typen“, lassen sich nicht mehr verbiegen.

Schon die Beschreibung der Protagonisten ist es wert, diesen Krimi zu lesen. Wie etwa Michelangelo Ambéssi, der nur 153cm große, ehemalige Jockey, der alles über Pferde weiß oder Donamìnu Stracciu, Dichter seines Zeichens. Sie sind ebenso vertreten wie Titina Inganìa, die es dem Inspektor angetan hat.

Ein Mix aus kriminalistischen Elementen und Privatem ergeben zusammen eine „Süße Versuchung“ der etwas eigenwilligen Art. Bittersüß, wie schon der Titel und das Cover vermuten lassen. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, die sardische Stimmung tut ein Übriges. Die Auflösung ist überraschend, aber dennoch schlüssig. Ein lesenswerter Krimi mit viel Lokalkolorit.

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Veröffentlicht am 20.06.2022

Unterhaltsam, glaubhaft, lesenswert

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1)
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Gerade noch rechtzeitig haben Betty, Clara und Martha den schon etwas älteren Horst vor dem Ertrinken gerettet, sie sind „die drei tollen Lebensretterinnen vom Müggelsee“ - dieser heiße Julitag 1956 ist ...

Gerade noch rechtzeitig haben Betty, Clara und Martha den schon etwas älteren Horst vor dem Ertrinken gerettet, sie sind „die drei tollen Lebensretterinnen vom Müggelsee“ - dieser heiße Julitag 1956 ist der Beginn ihrer Freundschaft.

Die drei ganz und gar unterschiedlichen jungen Mädchen leben im Berliner Osten. Noch ist es möglich, im Westteil zu arbeiten oder auch heimlich Waren über die Grenze zu schmuggeln. Dennoch hat die Staatssicherheit ihre Ohren überall, keiner kann sich sicher sein, nicht ausspioniert zu werden. Es sind die Jahre vor dem Mauerbau, die damals 13jährigen Mädchen begleite ich bis zu Walter Ulbrichts großer Lüge „niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ und deren Folgen für sie und ihre Liebsten.

Sehr anschaulich vermittelt Julie Heiland die Lebensverhältnisse in der damaligen DDR. Der familiäre Hintergrund der drei Freundinnen zeigt deutlich auf, ob und wie man in diesem Staat seinen Traum verwirklichen konnte. Etwa die FDJ - formal war die Mitgliedschaft freiwillig, jedoch mussten all die, die sich dem widersetzten, mit Benachteiligungen rechnen. Studieren und ein berufliches Weiterkommen war somit schier unmöglich, die Freie Deutsche Jugend war nur dem Namen nach frei. Die Staatssicherheit, die Stasi, war allgegenwärtig, schon die Kleinsten wurden für Spitzeltätigkeiten missbraucht. So konnte man sich ein Volk der Denunzianten heranziehen, das Unrechtsbewusstsein wurde im Keim erstickt.

Vom Mädchen zur Frau – von 1956 bis hin zum Mauerbau 1961 begleite ich die Betty, Clara und Martha. Sie sind ganz normale Jugendliche mit ihren Zukunftsträumen, der ersten Liebe und den so gegensätzlichen Familienverhältnissen.

Der Titel und auch das Cover kommen unbeschwert daher, es stecken aber viele Schicksale dahinter. Die drei so unterschiedlichen Freundinnen verkörpern jede für sich einen Frauentyp von eher unselbständig und anhänglich bis absolut selbstbestimmt. Sie leben in einem Staat, der nur jene hochkommen lässt, die nichts hinterfragen, sich linientreu geben.

Ich war zwar nie mittendrin, hab aber den Mauerbau und die Schicksale dahinter vielfach gehört, gesehen, gelesen und werde es immer wieder tun. Nie werde und will ich verstehen, wie man die Freiheit jedes einzelnen derart beschneiden kann, sie eher als nützliches Individuum denn als selbst denkenden Menschen behandelt.

„Wellen des Schicksals“ – der erste Teil um die „Freundinnen vom Strandbad“ habe ich sehr gerne gelesen. Auf unterhaltsame Weise habe ich wie nebenbei einen tiefen Einblick in die Struktur der DDR erhalten. Die Charaktere sind allesamt glaubhaft dargestellt – ein wunderbarer Roman „über Freundschaft, die keine Grenze kennt“, der bald seine Fortsetzung mit den „Wogen der Freiheit“ findet.

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Veröffentlicht am 08.06.2022

Spannend, verwirrend – beste Unterhaltung

Das Letzte, was du hörst
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„Die Lüge der Vergangenheit ist die Wahrheit der Zukunft.“

Das Monster ist unter seinem Bett, der Junge weiß das ganz bestimmt. Aber wo kann er sich verstecken? Was ist „Damals“ passiert? Schon die ...

„Die Lüge der Vergangenheit ist die Wahrheit der Zukunft.“

Das Monster ist unter seinem Bett, der Junge weiß das ganz bestimmt. Aber wo kann er sich verstecken? Was ist „Damals“ passiert? Schon die ersten Zeilen lassen Schreckliches vermuten, viele Fragen tun sich auf.

„Hilf mir… ich bin am Baum…“ Dies liest Roya auf dem Display ihres Handys während der nächtlichen Fahrt. Ahnt, was das zu bedeuten hat. Sie muss zu Martina. Unbedingt.

Wir sind im Heute und dazwischen schleicht sich das Damals. Zunächst scheint alles strukturiert, wenn auch nicht durchschaubar. Zwei ganz und gar unterschiedliche Geschichten – oder doch nicht? Noch passt so gar nichts zusammen. Das Damals ist so mysteriös wie verstörend. Was geht hier vor? Wie passen diese grässlichen Szenen dazu?

Andreas Winkelmann hat mich schon wieder ganz tief ins Buch gezogen, hin zu diesem süchtig machenden Podcast, zu dieser samtigen Stimme. „Hörgefühlt“ ist ihr Lebenselexier, sie folgen Marc Maria Hagen, wollen nichts verpassen, auch seine Seminare sind heiß begehrt. Die neuen Medien, die sozialen Netzwerke mit all ihren Auswüchsen werden näher durchleuchtet, einer dieser Stars der Podcast-Szene ist dieser Marc Maria Hagen. Seine Fans lechzen nach seinen Ratschlägen, sind ihm regelrecht verfallen. Daneben geht es um sehr viel zerstörerische, hasserfüllte Gewalt.

Die Charaktere sind allesamt gut skizziert, allen voran Carola Barreis, die bärbeißige Kommissarin. Ihr messerscharfer Verstand geht einher mit ihrer direkten Art. Wer damit nicht umgehen kann, hat Pech gehabt. So manche Gestalt ist nicht gleich einzuordnen, sie alle sind facettenreich und lebensnah gezeichnet.

Ne Nachtschicht in punkto Lesen ist immer vorprogrammiert, sobald ich einen Winkelmann in Händen halte. Mit Lesen aufhören? Jetzt? Geht gar nicht! Auch wenn es ganz kurz ziemlich vorhersehbar scheint, es eher dahinplätschert, kann es noch nicht alles gewesen sein. Zu viele Seiten sind übrig. Nein, die Story nimmt nochmal so richtig Fahrt auf. Vorhersehbar war gar nichts, das weiß ich jetzt – ein wiederum sehr spannender, atemraubender Thriller. „Das Letzte, was du hörst“ – brillant dargeboten von Andreas Winkelmann.

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