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Veröffentlicht am 17.09.2022

Netter Italien-Krimi

Schatten der Vergangenheit
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Wie eine Komposition, einer Inszenierung gleich und doch mit einem gewissen Ernst beginnt das Spiel. Auf der einen Seite Casabona - der Gejagte, der Beschuldigte. Wer ist sein Gegner? Die Florenzer Kollegen ...

Wie eine Komposition, einer Inszenierung gleich und doch mit einem gewissen Ernst beginnt das Spiel. Auf der einen Seite Casabona - der Gejagte, der Beschuldigte. Wer ist sein Gegner? Die Florenzer Kollegen von der Kripo? Gar seine eigenen Leute? Zumindest mitmischen dürfen sie, so viel steht fest. Dazwischen die Camorra – wer ist hier Gegner, wer Feind und wer doch eher sein Mitspieler?

Der so wahre wie poetisch anmutende Prolog nimmt mich gleich gefangen, diese wenigen Zeilen sind die richtige Einstimmung auf Commissario Casabonas vielleicht persönlichsten Fall. Denn er selbst wird beschuldigt, Marco Romoli ermordet zu haben. Mehrere Indizien sprechen für diese These.

Commissario Mauro Crisanti aus Florenz kennt keine Gnade, er ist von Casabons Schuld überzeugt. Und nicht nur das, er selber sieht sich als genialen Ermittler. Er wird Casabona schon dingfest machen, alles hört auf sein Kommando.

Als den etwas anderen Krimi würde ich diese Jagd nach der Wahrheit bezeichnen. Die gut 230 Seiten sind flott gelesen, die Story ist unterhaltsam, die Kapitel kurz. Mit Casabona mache ich mich auf, den oder die wahre(n) Täter zu finden, natürlich bin ich auf seiner Seite. Und dann lese ich zwischendurch (in kursiver Schrift) von den anderen, von der Ermittlungsarbeit aus Polizeisicht, die sich nicht nur einmal ganz schön an der Nase herumführen lassen, was durchaus auch mal Anlass zum Schmunzeln gibt.

Das Buch ist allen Justizopfern gewidmet. Dies erzählt Antonio Fusco in seiner Nachbemerkung. Er wurde inspiriert durch den „Tortora-Fall“ - ein krasser Fall von Justizirrtum, dem der damals bekannte Moderator zum Opfer fiel. Der Autor kennt Italiens Justizsystem gut, es ist sein täglich Brot.

Schon das Cover hat mich für das Buch eingenommen, ich bin Italien-Fan durch und durch und mag das lebhafte Treiben in all den so authentisch anmutenden Gässchen und den Commissario Tommaso Casabona in seiner schon auch schlitzohrigen, aber doch ehrlichen und geradlinigen Art mag ich auch. Ja, auch dieser Krimi kommt nicht ohne die typischen Italien-Klischees aus. Sei es Mafia, die korrupte Justiz, der Macho-Mann – so manche Passagen habe ich mit einem Augenzwinkern gelesen.

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Veröffentlicht am 14.09.2022

Vielschichtige Story

Das neunte Gemälde
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Es geht um Beutekunst. „Das neunte Gemälde“ wird auf mehreren Zeitebenen erzählt. Den Wechsel zwischen dem Gestern und dem Heute hat mir Julian Mehne sehr bildhaft und spannend vorgelesen. So einige Personen ...

Es geht um Beutekunst. „Das neunte Gemälde“ wird auf mehreren Zeitebenen erzählt. Den Wechsel zwischen dem Gestern und dem Heute hat mir Julian Mehne sehr bildhaft und spannend vorgelesen. So einige Personen gilt es auseinanderzuhalten, auch die wechselnden Örtlichkeiten verlangen schon nach konzentriertem Zuhören, um dem Geschehen folgen zu können.

Durch einen mysteriösen Anruf wird Lennard Lomberg, seines Zeichens Kunstexperte, auf ein verschollenes Gemälde aufmerksam. Im Laufe der Recherchen blitzt immer wieder Picasso auf – das gesuchte Kunstwerk sollte von ihm stammen.

Sehr anschaulich wird der Weg dieses neunten Gemäldes nachgezeichnet. Dass so manch strammer Nazi in der jungen Bundesrepublik die Karriereleiter hochklettert, ist nichts Neues.

Um die Kunstwerke, die NS-verfolgungsbedingt entzogen wurden, in diesem speziellen Fall um das neunte Gemälde, rankt Andreas Storm seine Kriminalgeschichte vor historischem Hintergrund, der von Bonn in etliche europäische Städte führt. Lennard Lomberg ist nicht nur im Kunstmilieu unterwegs, er erfährt auch die unrühmliche Geschichte seiner Vorfahren.

Eine vielschichtige, fiktive Story, die sich so oder so ähnlich durchaus hätte zutragen können. Die anfangs nicht sehr nahbaren Charaktere werden zunehmend greifbarer. Ein Streifzug beginnend im besetzten Paris anno 1943 mit Rückblicken zu Picassos Zeiten über die unruhigen 1966er Jahre hin zum Heute – hier sind wir im Jahre 2016 angelangt. Ein Hörbuch vom Argon-Verlag, perfekt in Szene gesetzt von Julian Mehne. Der erste Fall für Lennard Lomberg, auf „Die Tirade von Madrid“ muss ich noch ein Weilchen warten.

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Jahre des Erwachsenwerdens

Jahre mit Martha
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Die „Jahre mit Martha“ waren so ganz anders, als ich sie mir vorgestellt habe. Es sind Jahre des Erwachsenwerdens mit Musikbegleitung. Die Geschichte von Jimmy, der eigentlich Zeljko heißt. Er ist fünfzehn, ...

Die „Jahre mit Martha“ waren so ganz anders, als ich sie mir vorgestellt habe. Es sind Jahre des Erwachsenwerdens mit Musikbegleitung. Die Geschichte von Jimmy, der eigentlich Zeljko heißt. Er ist fünfzehn, als alles beginnt und sie, die Professorin, ist um einiges älter. Ganz und gar unterschiedliche Welten sind es, die aufeinandertreffen, sich ergänzen, sich nie so ganz aus den Augen verlieren, die immer einen Weg zueinander finden. Diese Jahre mit Martha sind eher zweitrangig, es geht vielmehr um Jimmy in all seinen Facetten.

Die beiden Darsteller lernen sich kennen, sind neugierig aufeinander, sie haben sofort einen Draht zueinander. Sie fördert ihn, den sehr intelligenten Jimmy, zeigt ihm viele Möglichkeiten auf und doch lässt sie ihn seine eigenen Erfahrungen machen.

Der Migrationshintergrund ist Thema. Zeljkos Familie stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien, hier in Deutschland leben sie eher beengt zu fünft in einer Zweizimmerwohnung, die Eltern malochen, sie können den Kindern nicht viel bieten. Als der Fünfzehnjährige Martha kennenlernt, ändert sich für ihn alles. Sie unterstützt ihn, auch wenn zwischendurch immer wieder ihr und auch sein Begehren aufblitzt, ist es seine Geschichte.

Es ist eine Einwanderungsgeschichte, Jimmy stellt die zweite Generation dar. Sie sind schon selbstbewusster als ihre Eltern, gehören eher hier her als in die alte Heimat. Es bieten sich viele Chancen, so manche verstreichen ungenutzt. Ich sehe nicht nur das Migrantenkind, ich sehe einen jungen Mann, der seine Bestimmung sucht. Der vieles ausprobiert, vieles verwirft und letztendlich doch seinen ureigenen Weg findet.

Ich fand Gefallen daran, schwamm mit ihnen mit, ließ alles auf mich zufließen. Ein ruhiger Fluss, eine unaufgeregte Story. Und doch waren es anregende Jahre hin zur Selbstfindung. Schön erzählt.

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Veröffentlicht am 31.08.2022

Berührende Familiengeschichte

Die Rückkehr der Kraniche
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Drei Frauengenerationen – Mutter Wilhelmine, die beiden Schwestern Grete und Freya sowie Anne, Gretes Tochter – treffen in ihrem alten Haus aufeinander. Während Grete immer hier in der Elbmarsch lebte, ...

Drei Frauengenerationen – Mutter Wilhelmine, die beiden Schwestern Grete und Freya sowie Anne, Gretes Tochter – treffen in ihrem alten Haus aufeinander. Während Grete immer hier in der Elbmarsch lebte, war Freya schon bald weg, sie hat sich in Berlin ihr Leben eingerichtet. Auch Anne ist schon lange ausgezogen, Wilhelmines Schwächeanfall hat sie alle wieder hierher verschlagen.

Ganz und gar unterschiedliche Lebensentwürfe prallen regelrecht aufeinander. Freya steht vor einem Scherbenhaufen – ihr Freund hat sie verlassen, mit ihrer Firma steht es nicht zum Besten und nun steht sie vor ihrer Schwester, die mit ihrem Besuch so gar nicht gerechnet hat. Ist es wirklich der schlechte Gesundheitszustand der Mutter, der Freya in das Haus ihrer Kindheit hat kommen lassen? Und Grete, die als Vogelwirtin ein verlockendes Angebot erhält - wird sei es wagen, neue Wege zu beschreiten? Zu ihrer Tochter Anne gab es von jeher eine Distanz, die wie eine unsichtbare Wand zwischen den beiden stand und immer noch steht.

Die Mutter hat ihre Töchter alleine großgezogen, der Vater ist schon lange tot. Es war kein Zuckerschlecken, Wilhelmine ist darüber hart geworden, konnte ihre Liebe nie richtig zeigen. Hat sie diese Distanziertheit an die nächste Generation weitergegeben? Viel haben sie sich wohl nicht zu sagen, Grete hat ihre Erfüllung in der Natur gefunden, ihr Beruf ist Berufung für sie. Und Freya liebt ihr Großstadtleben.

Romy Fölck ist eine unaufgeregte Erzählung gelungen, die genau beobachtet. Die Charaktere sind authentisch, werden ungeschönt in all ihren Unzulänglichkeiten dargestellt. Eine Familie, wie es sie viele gibt. In alle Winde verstreut, man kennt sich und doch ist keiner dem anderen wirklich nahe, weiß um dessen Leben. Die Umstände erfordern es, dass man sich doch öffnet, auch wenn es weh tun mag. Auch die Landschaft ist in ihrer Ursprünglichkeit gut beschrieben, die Rückkehr der Kraniche auf Gretas Ostseeinsel hatte ich vor Augen…

…ihre Rufe waren direkt zu hören. Und dafür hat Tessa Mittelstaedt gesorgt, die das Hörbuch vom Argon Verlag gekonnt vorgetragen hat, die Stimmungen gut einzufangen wusste. Jeder der vier Frauen hat sie ihre individuelle Note gegeben, das Hören war durchweg angenehm.

Den Alltag leben Wilhelmine und Grete im Einklang mit der Natur, sind weitgehend Selbstversorger, für Träume und ein ausschweifendes Leben war nie Platz. Der andere wird stillschweigend toleriert, vieles bleibt ungesagt. So auch bei den Hansen-Frauen. Dass jede so ihre Geheimnisse hat, gärt unter der Oberfläche. Lange habe ich auf Wilhelmines Geschichte gewartet, auch Grete rückt endlich mit der Wahrheit heraus.

Eine Familiengeschichte, leise und doch kraftvoll erzählt. Eingebettet in eine Landschaft voll sprödem Charme - ein Blick auf das gelungene Cover verstärkt diesen Eindruck.

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Veröffentlicht am 29.08.2022

Spannend

Die Vergessene
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Andrea Oliver ist jetzt US-Marshal, ihr erster Einsatz führt sie nach Longbill Beach. Gut 24 Stunden nach ihrer Diplomverleihung bearbeitet sie nun zwei verschiedene Fälle: Mit Debuty Leonard Bible bildet ...

Andrea Oliver ist jetzt US-Marshal, ihr erster Einsatz führt sie nach Longbill Beach. Gut 24 Stunden nach ihrer Diplomverleihung bearbeitet sie nun zwei verschiedene Fälle: Mit Debuty Leonard Bible bildet sie ein Team, sie sind für die Sicherheit einer Richterin verantwortlich, nachdem diese Morddrohungen erhalten hat. Außerdem will sie unbedingt dafür sorgen, dass ihr Vater hinter Gitter bleibt. Sie ist davon überzeugt, dass er ein längst vergessenes Mädchen ermordet hat, den Beweis für seine Schuld will sie erbringen.

Das Cover passt sich dem Gelesenen an, nach vier Jahrzehnten ist „Die Vergessene“ eher schemenhaft, ihr Licht ist noch nicht ganz erloschen und so ganz vergessen ist sie nicht denn jeder, der damals mit ihr zu tun hatte, erinnert sich noch gut an sie und vor allem an jenen Abend, als das Unheil seinen Lauf nahm.

Auf zwei Zeitebenen wird abwechselnd erzählt, beide Erzählstränge waren für sich genommen spannend. Es beginnt vierzig Jahre vorher, Emily will nun doch auf den Abschlussball, ihre langjährige Clique ist auch da. Der Abend verläuft jedoch ganz anders, als sie es sich vorgestellt hat. Das Gestern wechselt sich ab…

… mit dem Heute, mit Oliver und ihrem neuen Job. Sie ist zwar Anfängerin und doch erkennt Bible ihr Potential. Er ist ein alter Hase und hat eine ganz eigene Art, ihr den Job näher zu bringen. Seine Marshal-Regeln etwa, für die er sehr sinnige Metapher wählt, wie seine Regel Nummer fünf, in der er ihr rät, sich auf eine Sache zu konzentrieren: „Du kannst nicht zwei Pferde mit einem A…. reiten.“ Die beiden mögen sich von Anfang an, sie sind ein super Team.

Durch die ersten 100, 150 Seiten musste ich mich zwar nicht quälen, aber doch überwinden, weiterzulesen. So nach und nach lernte ich sie alle besser kennen, nicht nur die beiden Marshalls, ein wenig auch ihr Umfeld in der genau richtigen Dosis. Die Charaktere waren gut gezeichnet, jeder hatte seine Eigenheiten, sodass ich sie mir gut vorstellen konnte und doch kam mir keiner der Personen nahe, sie alle hatten eine beinahe unnahbare Aura um sich, die ich nicht immer zu durchdringen vermochte.

Die beiden Erzählstränge haben auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun, aber im Laufe der Ermittlungen nähern sie sich an, es kommt tief Verborgenes ans Licht, das für so manchen sehr unangenehme Folgen nach sich zieht. „Manchmal denken sie sich Lügen aus, um den Verdacht auf jemanden anderen zu lenken.“ Dieser Satz passt sich so manchem hier Agierenden perfekt an.

Karin Slaughter hat mir trotz des holprigen Einstiegs spannende Lesestunden beschert, es hat sich gelohnt, dran zu bleiben.

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