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Veröffentlicht am 23.08.2021

Die abenteuerliche Reise einer jungen Frau im 18. JH

Wo das Licht herkommt
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Philippine ist nur ein Mädchen und das bedeutet im 18. Jahrhundert, dass ihr Weg vorgezeichnet ist: Heiraten, Kinder kriegen und hier möglichst rasch einen Stammhalter gebären, Mädchen sind nicht so gefragt. ...

Philippine ist nur ein Mädchen und das bedeutet im 18. Jahrhundert, dass ihr Weg vorgezeichnet ist: Heiraten, Kinder kriegen und hier möglichst rasch einen Stammhalter gebären, Mädchen sind nicht so gefragt. Sie ist wissbegierig, will auf die Universität um zu lernen, zu studieren und zu forschen. Die Engstirnigkeit der Dörfler mitsamt ihrer Familie lässt dies niemals zu, also macht sich Philippine auf nach Wien, um da als Philipp ihren Traum zu verwirklichen. Sie erreicht viel, über Rom und Coimbra, wo sie sich über Medizin und Kartografie Wissen aneignet, schippert sie nach China. Zwischendurch lernt sie den jungen Adam kennen, der ihr Herz höher schlagen lässt.

Ein Cover zum Dahinschmelzen schön, zudem in edler Aufmachung, sehr ansprechend wie das ganze Buch. Der eindrucksvolle Schreibstil unterstreicht diese Schönheit, so anmutig und doch extravagant. Man merkt dem Roman an, je weiter man vordringt, dass Clementine Skorpil Sinologie und Geschichte studiert hat. Sie weiß genau, wovon sie schreibt und verpackt ihr Wissen geschickt in Philipps und/oder Philippines Werdegang. Sie, unsere Protagonistin, schreibt Briefe, die sie nicht abschickt, aber in dem Moment des Schreibens diese ihr doch ungemein über trübe Zeiten hinweg helfen. Um Identität geht es in diesem Roman, um Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Findungsreich und zuweilen abenteuerlich kann dies sogar einer Frau damals gelingen.

Mo Lei von Moosleitner, wie Philippine mit Nachnamen heißt, soll sie sich nennen, sie aber weiß schon lange, dass sie Fei Lipu sein wird. Fei ist sie, die fliegen kann oder Herr Fei, der eine Flugmaschine bauen will. Auch wenn mir diese Welt im fernen China fremd ist, so war dies der krönende Abschluss eines so andersartigen, geheimnisvollen und interessanten Buches. Eine wundersame Reise vor beinahe 250 Jahren ins tiefste Innere. So geheimnisumwittert wie dieses riesige Land, dieses China, das wir Europäer wohl nie so ganz verstehen werden.

Ein konzentriertes Lesen fordert dieses Buch schon, so nebenbei mal schmökern - da bringt man sich um den Genuss und das wäre schade. Eine mutige junge Frau sucht und geht ihren Weg und ich bin gerne mit ihr ein entscheidendes Stück mitgegangen. „Wo das Licht herkommt“ von Clementine Skorpil heißt abtauchen in eine andersartige, fremde Welt und dann lesen, einfach lesen.

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Veröffentlicht am 21.08.2021

Der etwas andere Kriminalroman

Der Tod und das dunkle Meer
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Eine historische Fiktion, ein Kriminalroman mit phantastischen Zügen: „Der Tod und das dunkle Meer“ - großartig in Szene gesetzt von Stuart Turton.

Im 17. Jahrhundert ist die Saardam auf dem Weg von Batavia ...

Eine historische Fiktion, ein Kriminalroman mit phantastischen Zügen: „Der Tod und das dunkle Meer“ - großartig in Szene gesetzt von Stuart Turton.

Im 17. Jahrhundert ist die Saardam auf dem Weg von Batavia (das heutige Jakarta) zurück nach Amsterdam. Mit an Bord ist der Generalgouverneur Jan Haan und im Begriff, als einer der „Heeren XVII“ der Ostindien-Kompanie nachzurücken.

Von Anfang an steht das Schiff unter keinem guten Stern, es geschieht Unerklärliches. Ist es dem Untergang geweiht? Sollte es lieber gleich umkehren? Der „Alte Tom“ und das immer wiederkehrende, seltsame Symbol treiben ihr Unwesen. Ein Dämon schleicht sich ein – er wird immer größer und mächtiger. Sammy Pipps und Arent Hayes, der Spatz und der Bär, wollen diesen Teufel bezwingen, was gar nicht so einfach ist, fristet Sammy in Ketten sein dunkles Dasein auf diesem Schiff. Da Arent ihn unbedingt für seine Recherchen braucht, finden sie Mittel und Wege, Sammys Gefangenschaft wenigstens nachts zu unterbrechen.

Und dann ist eines schönen Tages eine wertvolle Fracht, von der nur wenige wissen - die Phantasterei - verschwunden. Eigentlich nicht möglich, war sie doch gut gesichert.

Diese dunkle Geschichte ist schon sehr blutrünstig, trotzdem brilliert sie, fesselt. Eine Mischung aus geheimnisvollem Thriller, Aberglaube und Verschwörung, Machtgehabe sehr viel Düsternis. Viele zwielichtige Gestalten und finstere Ecken auf dem Schiff lassen zuweilen eine kohlrabenschwarze Atmosphäre entstehen, die schon auch mittelalterlich anmutet. Was ja auch zeitlich durchaus hinkommt, wir schreiben exakt das Jahr 1634.

Stuart Turtons Schreibstil hat mich sofort gefangen, bis zum sehr überraschenden und ungewöhnlichen, nicht vorhersehbaren Schluss nicht mehr losgelassen. Ein Genre-Mix, der Lust auf mehr macht - sehr unterhaltsam und lesenswert.

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Veröffentlicht am 20.08.2021

Familienschicksal, das einen nicht mehr loslässt

Das letzte Bild
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Gretchen hat Ursels Puppe die Haare abgeschnitten und nun droht Strafe. Da läuft sie lieber zu Geeske, die schimpft sie bestimmt nicht aus. Was das kleine Mädchen nicht weiß ist, dass sie ihre Familie ...

Gretchen hat Ursels Puppe die Haare abgeschnitten und nun droht Strafe. Da läuft sie lieber zu Geeske, die schimpft sie bestimmt nicht aus. Was das kleine Mädchen nicht weiß ist, dass sie ihre Familie nie mehr sehen wird.

Das Phantombild in der Zeitung, das die Germanistin und Schriftstellerin Eva gebannt anstarrt – ist das ihre Mutter? Gerade hat sie eine Biographie über eine Frau fertiggestellt, deren Leben mit den Schrecken des dritten Reiches verbunden ist. Dieses Zeitungsbild lässt ihr keine Ruhe, von ihrer Mutter erfährt sie dazu nichts, sie schweigt. Also beschließt Eva nach Norwegen reisen, um die Spur dieser Frau zurückverfolgen.

Ganz nah bin ich bei Eva, sie dringt immer tiefer ein in die Vergangenheit, legt Verborgenes offen. Die dramatische Wahrheit dringt an die Oberfläche und trotz mancher Ungereimtheiten gibt sie nicht auf. Die Autorin versteht es, Fiktion und Wahrheit meisterhaft zu verzahnen, so dass ein stimmiges Ganzes entsteht. Ein zweiter Erzählstrang nimmt den Leser mit ins Jahr 1970, auch hier gilt es, die Familie, die in den Kriegswirren auseinandergerissen wurde, wiederzufinden. Je weiter ich lese, desto mehr nähern sich das Gestern und das Heute an.

Anja Jonuleit hat mich mit ihren Büchern jedes Mal aufs Neue berührt, so auch mit diesem. Sie greift immer wieder sehr dunkle, bedrückende Themen auf und bereitet diese mit viel Sachkenntnis gut lesbar auf. Hier geht es um ein Familienschicksal, eingebettet in die weit verzweigten Einrichtungen der Lebensborn-Heime, die auch in Norwegen unheilvoll wirkten. Gekonnt bringt sie die fiktive Geschichte mit dem damaligen wirklichen Fall der Isdal-Frau, deren Identität bis heute ungeklärt ist, zusammen. Über diese Frau lesen wir im Anhang interessante und sehr informative Infos, die nochmal an das zuvor Gelesene erinnern.

„Das letzte Bild“ – Anja Jonuleit hat dieses gewohnt brillant recherchiert, exzellent erzählt, zudem ist es sehr unterhaltsam und spannend. Kurzum: Sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 18.08.2021

Der schöne Schein trügt

Eine perfekte Ehe
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Ein R-Gespräch für Lizzie Kitsakis aus Rikers Island, der berüchtigten Gefängnisinsel inmitten des East River in New York: Zach, ein früherer Studienkollege wird ein tätlicher Angriff auf einen Polizisten ...

Ein R-Gespräch für Lizzie Kitsakis aus Rikers Island, der berüchtigten Gefängnisinsel inmitten des East River in New York: Zach, ein früherer Studienkollege wird ein tätlicher Angriff auf einen Polizisten zur Last gelegt. Es stellt sich heraus, dass Amanda, Zachs Ehefrau, tot am Fuße der Treppe gefunden wurde. Überall Blut – er steht unter Mordverdacht, wird deswegen angeklagt werden. Lizzie kann lediglich ein paar Monate Erfahrung in Wirtschaftsdelikten vorweisen, sie will Zach nicht vertreten, er jedoch besteht darauf. Er will nur sie.

Sechs Tage vor Amandas gewaltsamem Tod lässt diese ganz tief blicken, lässt ihr Leben Revue passieren, dabei kommt ihr Vater nicht gut weg. Daddy tut Dinge, die die blutjunge Amanda nicht will, sich derer jedoch nicht erwehren kann. Und auch heute noch ist da ein Anrufer, der nichts sagt, schwer atmet. Er stalkt sie nach wie vor, lässt sie niemals in Ruhe. Gleichzeitig erfahren wir, wie Zach und sie zusammenkommen, sie haben einen Sohn, der gerade im Ferienlager ist. Geschäftlich sehr erfolgreich kann das Paar sich alles leisten, ihre Freunde haben ein ähnliches Umfeld. Die alljährliche sehr freizügige Party steht an, Zach ist bald wieder weg, auch Amanda bleibt nicht lange. In Rückblicken ab Tag sechs bis zum Todesfall erfahren wir viel von Amandas Seelenleben, ihren Freunden, Ihrer Ehe.

Derweil trägt Lizzie Fakten zusammen, unermüdlich. Sie gräbt immer tiefer, entdeckt ein Lügengebilde nach dem anderen. Es mag jedoch kein zusammenhängendes Bild entstehen, es sind dies alles Bruchstücke, aber sie ergeben kein Ganzes. Auch privat steht bei ihr nicht alles zum Besten, sie kämpft regelrecht an allen Fronten.

Von Anfang an spannend und geheimnisvoll bekommt der Leser immer mehr Details, dringt vor in das Leben der Reichen und Schönen, erlebt so manch mustergültige Ehe, das allzu perfekte Leben derer, die alles haben, denen das Glück hold ist. Ist alles ein schöner Schein? Was Wirklichkeit, was der Phantasie entsprungen? Wer sagt die Wahrheit? Keiner ist so recht durchschaubar.

Die Autorin versteht es, ihre Leser gekonnt in die Irre zu führen. Keinem ist zu trauen, aber auch keinem traut man einen Mord zu. Und doch muss es einer gewesen sein, der Schuld auf sich geladen hat. Ein packender Thriller, der lange nichts preisgibt. Ich mag es sehr, wenn ich im Dunkeln tappe, es viele Täter geben könnte, aber der eine doch nicht zu fassen ist. Spannend bis zum Schluss, der jedoch viel zu überstürzt rüberkam.

Das ganze Buch über war eine subtile Spannung da, die teilweise surreale Züge hatte. Da wollte für mich das wie schnell abgefertigte Ende nicht recht dazu passen. Schade, aber trotzdem: „Eine perfekte Ehe“ hat mich gut unterhalten, es war und ist ein rasanter Thriller, den ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 16.08.2021

Eine außergewöhnliche Freundschaft in gefährlichen Zeiten

Flucht nach Patagonien
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Eugenia Errázuriz und Jean-Michel Frank sind die Hauptdarsteller bei dieser „Flucht nach Patagonien“. Eugenia, eine einflussreiche Kunstmäzenin, die bekannte Persönlichkeiten von Coco Chanel bis Pablo ...

Eugenia Errázuriz und Jean-Michel Frank sind die Hauptdarsteller bei dieser „Flucht nach Patagonien“. Eugenia, eine einflussreiche Kunstmäzenin, die bekannte Persönlichkeiten von Coco Chanel bis Pablo Picasso förderte, floh vor den immer stärker werdenden Nationalsozialisten aus Paris nach Chile auf ihren Familienbesitz in Patagonien. Ihr Reisebegleiter war der junge Jean-Michel Frank, dessen Lieblingsnichte Anne Frank war. Er war ein bedeutender Innenarchitekt und Möbeldesigner, dessen Auftraggeber bekannte Modeschöpfer wie etwa Elsa Schiaparelli waren, sie ließen ihre Studios von Frank gestalten. Alberto und Diego Giacometti entwarfen für ihn dekorative Objekte, Frank bevorzugte klare Linien, kombiniert mit luxuriösen und neuartigen Materialien. Sowohl seine Homosexualität als auch seine jüdische Abstammung machten ein Leben im damaligen Paris für ihn unmöglich.

Auf dem Schiff beginnt die Reise zweier interessanter Persönlichkeiten, die rückblickend das unkonventionelle Künstlermilieu in Paris beschreibt. Zwischendurch erhaschen wir einen Blick in die Prinsengracht nach Amsterdam zu Anne Franks Familie, verfolgen Jean-Michels Fluchthilfe für all seine jüdischen Mitbürger.

Im Epilog werden nochmals bekannte Fakten durchleuchtet. Alle Protagonisten und Schauplätze sind authentisch, die zu lesenden Ereignisse und Gespräche natürlich fiktiv, aber wer weiß… Daraus hat Jana Revedin ein rundes Ganzes geschaffen, sehr informativ und ausdrucksstark. Im Rahmen dieser Flucht von Paris über Buenos Aires nach Patagonien begegnen wir so einigen historischen Persönlichkeiten wie etwa dem jungen Walt Disney oder Amelia Earhard, die mit ihrer Lockheed Electra auf Weltumrundung war und seitdem als verschollen galt, auch Eleanor Roosevelt hat ihren Auftritt.

Ein Wort zum gelungenen Cover: Auf dem Schiff treffen wir auf unsere Protagonisten, hier beginnt ihre Reise, ihre Flucht. Die Frau auf der Reling – perfekt in Szene gesetzt.

Dieser biographische Roman hat mich in eine Welt eintauchen lassen, die zum einen faszinierend und zugleich schrecklich war. Zwei Persönlichkeiten, mit denen ich ein unrühmliches Stück Zeitgeschichte hautnah erleben konnte. Eine außergewöhnliche Freundschaft, von Jana Revedin gut lesbar dargeboten.

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