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Veröffentlicht am 21.06.2021

Unterwegs mit dem VW-Bus

Happy Road
1

Mit Sarah und Mathias unterwegs im VW-Bus – „Happy Road. Dem Weg ist das Ziel egal“ – eine Reise jenseits der bekannten Touristenpfade.

Gleich bin ich mal eher auf Mathias Seite. Was ist schon dabei, ...

Mit Sarah und Mathias unterwegs im VW-Bus – „Happy Road. Dem Weg ist das Ziel egal“ – eine Reise jenseits der bekannten Touristenpfade.

Gleich bin ich mal eher auf Mathias Seite. Was ist schon dabei, die Sonnenbrille oder was auch immer an die dafür vorgesehene Stelle zu legen. Immer. Erleichert das Leben ungemein. Und schon bin ich mittendrin, mit Sarah und Mathias on the road. Zunächst dachte ich ja, das kann nie funktionieren. So beengt sind die zwei ganz schnell wieder daheim – sie in Berlin und er in seinen Bergen. Aber nicht doch! Die Ruhe der österreichischen Alpen hat sie gefunden und gleichzeitig einen, der sie in Unruhe versetzt. So schön!

Neben den kurzweiligen, mit viel Esprit erzählten Abenteuern quer durch Europa ist mir so manches Mal der Gedanke gekommen, wie es denn wäre, frei und unabhängig Land und Leute ganz unkonventionell kennenzulernen. Reisen ist das eine, ihre Art unterwegs zu sein hat nochmal eine ganz andere Qualität. Keine Heile-Welt-Romantik, sondern das Leben so, wie es nun mal ist mit all den menschlichen Unzulänglichkeiten.

Wenn Mathias „ozipft“ ist, ist er mir besonders nahe und seinen „Grant“ kann ich schon auch gut nachvollziehen. Aber keine Angst, diese urösterreichischen Begriffe werden zum einen gut erklärt und zum anderen liest sich das Ganze locker, unverkrampft, es passt einfach immer zur gerade durchlebten Geschichte.

Und dann diese sinnigen Sprüche, die jeder Episode vorangestellt sind – herrlich. Dazu Fotos, die schon ganz viel aussagen. Die nächste spannende Geschichte erlebe ich so direkt vor meinem inneren Auge. Dieses Reisebuch werde ich immer mal wieder zur Hand nehmen, mir nach Lust und Laune eine oder einige ihrer Erlebnisse genüsslich zu Gemüte führen.

„Umwege erweitern die Ortskenntnis“ (Kurt Tucholsky) – entliehen aus der beiliegenden Karte. Ihre kurzweiligen Reiseerlebnisse machen Lust, selber so manches Ziel anzusteuern. Ein liebevoll gestaltetes Buch, zuweilen zum schmunzeln, das mich gut unterhalten hat. Die etwas andere Reiselektüre – sehr gelungen.

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Veröffentlicht am 20.06.2021

Faszinierend

Das Damengambit
1

Bereits 1983 erschien „Das Damengambit“ von Walter Tevis. Nun aus dem Amerikanischen hervorragend übersetzt von Gerhard Meier halte ich das Diogenes-Buch in Händen und bin begeistert.

Als Elizabeth ...

Bereits 1983 erschien „Das Damengambit“ von Walter Tevis. Nun aus dem Amerikanischen hervorragend übersetzt von Gerhard Meier halte ich das Diogenes-Buch in Händen und bin begeistert.

Als Elizabeth Harmons Mutter bei einem Verkehrsunfall starb, musste sie in ein Waisenhaus, sie war acht Jahre alt. Mit grünen Pillen wurden die Kinder ruhig gestellt, jedoch fand Beth schnell heraus, dass es sich lohnt, diese heimlich zu sammeln, um dann gleich mehrere zu nehmen und so ein unübertreffliches Wohlbefinden zu verspüren. In Mr. Shaibel, dem Hausmeister, fand sie ihren ersten Schachlehrer. Bald wird sie von den Wheatleys adoptiert, sie ist eine sehr gute Schülerin und eine ausgezeichnete Schachspielerin, die Turniere gewinnt. Beths Leben ist bestimmt von diesem königlichen Spiel, sie liest alles, was sie hierzu in die Finger bekommt, prägt sich gespielte Partien ein.

Die immer wieder beschriebenen Schachszenen haben mich ganz besonders gefesselt. Vor der Lektüre hatte ich ein gewisses Unbehagen, ob ich denn dem Buch, der Story um Beth folgen könnte. Bald schon waren meine Zweifel wie weggeblasen und wichen zunehmendem Erstaunen mit welcher Leichtigkeit es Tevis gelingt, dieses so schwere, für mich undurchdringliche Spiel in Worte zu fassen.

Mit Mrs. Wheatley, ihrer Adoptivmutter, reist Beth zu Turnieren, die Preisgelder ermöglichen ihnen einen angenehmen Lebensstil. Neben der Profispielerin lerne ich auch die private Beth kennen - jung, aber in gewissen Dingen unerfahren. Ihre wahre Leidenschaft ist und bleibt dieses strategische Spiel, es lässt sie nicht mehr los.

Sie hat mich fasziniert, ich saß direkt neben Beth und hatte nie das Gefühl der Langeweile oder wollte Seiten überblättern. Virtuos nimmt der Autor den Leser mit in die Welt der ganz Großen des Schachspiels. Die Position der Schachfiguren, das Warten auf den Gegenzug liest sich spannend. Lange, sehr lang oder nur einen kurzen Augenblick, einen Wimpernschlag dauert ein einziger Zug. Schach ist so viel mehr als nur einen Gegner möglichst zu besiegen. Es erfordert, sehr komplexe Abläufe im Voraus zu durchdenken mit all den unzähligen Möglichkeiten. Eine Männerdomäne, in der sich eine Frau, noch dazu sehr jung, ihren Platz hart erarbeiten muss. Disziplin hat oberste Priorität. Entschieden folgt Beth ihrem Ziel, hat genug Ehrgeiz und Durchhaltevermögen.

Die Story um die Schachspielerin Elizabeth Harmon ist an Brillanz nicht zu übertreffen. Auch die private Beth, die es ja neben der Profispielerin auch noch gab, war sehr anschaulich, lebensnah und kurzweilig. Ihre Jahre im Waisenhaus mit den Beruhigungspillen, ihre Alkoholexzesse lesen sich aus heutiger Sicht ungeheuerlich.

Versunken in sich selbst, vollkommen entrückt und hoch konzentriert, fokussiert auf dieses eine Brett behalte ich Beth im Gedächtnis. In solchen Momenten existiert die Außenwelt für sie nicht. „Das Damengambit“ will gelesen werden – ein Juwel.

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Veröffentlicht am 20.06.2021

Wohin führt dieser Roadtrip?

Du böser, böser Junge
1

Wir begleiten Till und Ida Faber mit ihren Zwillingsmädchen auf ihrem Kalifornientrip. Vor einigen Jahren hat Astrid Korten diese Reise gemacht – „es war ein unglaubliches Abenteuer“ - wie sie uns zum ...

Wir begleiten Till und Ida Faber mit ihren Zwillingsmädchen auf ihrem Kalifornientrip. Vor einigen Jahren hat Astrid Korten diese Reise gemacht – „es war ein unglaubliches Abenteuer“ - wie sie uns zum Schluss verrät. Ist daraus der Gedanke zu „Du böser böser Junge“ entstanden?

Ida und Till lassen tief blicken, sie erzählen – jeder für sich – ihre intimsten Gedanken, offenbaren ihre Geheimnisse, ohne sie laut auszusprechen. Im Wechsel lesen wir von Ida und Till, von den Zwillingen mit und ohne FIF. Die Zwillinge wissen von ihren Eltern mehr, als diese sich auch nur im Entferntesten vorstellen können, nutzen dieses Wissen für ihre Zwecke. Ganz schön aufgeweckt sind diese zwei. Sie haben ihre ganz eigene Meinung von Ida und Till, den sie nur noch Loser nennen. Erinnern sich an damals, als er noch Daddy hieß. Ein Thriller, der vieles beinhaltet. Grotesk und absonderlich führt der Trip der Familie Faber nicht nur durch Kalifornien, auch ihr bisheriges Leben wird durchleuchtet.

Ihr Roadtrip durch das heiße Kalifornien wird begleitet von Musik, da kommt Urlaubsstimmung auf. Was aber auch dringend nötig ist, denn diese Tage sind mitunter ganz schön strapaziös, auch nervig, sie wurden lange im Voraus von Ida geplant. Es kommt mir des Öfteren so vor, als ob diese ganzen Attraktionen und ihre Aktivitäten nach einem strickten Zeitplan abgearbeitet werden müssten. Hier ist Stress vorprogrammiert. Aus diesem mehr oder weniger unbeschwerten Urlaub nimmt ein böser Gedanke immer mehr Raum ein, er reist mit ihnen und vor allem die beiden 12jährigen Mädchen sind vollauf begeistert, diese Idee, ihre Vorstellung ist mit Händen zu greifen. Kann sich ein – ich nenn es mal Hirngespinst – verselbständigen, plötzlich allgegenwärtig sein? Ist dies Illusion, ein Trugbild, gar Wahn oder doch vorhanden? Um letztendlich wie zu enden?

Wiederum ist Astrid Korten ein fulminanter Thriller gelungen, der beim Lesen viele Gefühle auslöst. Eine ganz eigene, zuweilen ganz schön abgefahrene und verdrehte Geschichte, so ganz anders als das Übliche. Zuweilen abenteuerlich, aber immer mitreißend und lebendig erzählt. Nicht nur einmal war mir mulmig zumute und gegen Ende steigerte sich die Spannung. Letztendlich war ich baff, auch wenn ich dieses finale Gefecht so oder so ähnlich unterschwellig erwartet habe.

Einmal angefangen, wollte ich unbedingt wissen, wie es denn weitergeht, wohin dieser „böse, böse Junge“ uns leitet. Eine sehr gelungene Geschichte, die unbedingt gelesen werden will.

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Veröffentlicht am 17.06.2021

Bittersüße Geheimnisse

Adria mortale - Bittersüßer Tod
1

„Komm ein bisschen mit nach Italien…“ Kaum eingelesen, stellt sich bei mir Urlaubsfeeling ein und mit Caterina Valente im Ohr reise ich zurück in diesen Sommer 1958. Das wunderschöne, sehr gelungene Cover ...

„Komm ein bisschen mit nach Italien…“ Kaum eingelesen, stellt sich bei mir Urlaubsfeeling ein und mit Caterina Valente im Ohr reise ich zurück in diesen Sommer 1958. Das wunderschöne, sehr gelungene Cover tut ein Übriges - ein Blick genügt und ich bin in den 50er Jahren gelandet. Bella Italia, ich bin unterwegs. Das möchte ich rufen und mich Sonja und Elke anschließen, mit ihnen direkt am Meer einige unbeschwerte Tage genießen. Dolce far niente, das süße Nichtstun genießen. Lebensfreude pur einfach - zumindest solange noch alles in schönster Ordnung ist. Und das ist es bald nicht mehr. Der äußerst charmante Lehrer Rossi wird tot aufgefunden und von da an ist es vorbei mit der Idylle. Mit Rossis Tod stimmt etwas nicht, da sind sich alle einig.

Pesaro del Monte piccolo Cattolica, so heißt der Ort, in dem es von nun an ziemlich turbulent zugeht. Direkt vor Augen habe ich den Aprikosenhain, aus dessen Früchten die köstlichsten Dolce entstehen. Auch die Befana, die hier jeder kennt und schätzt, besuche ich in ihrem Häuschen. Commissario Garibaldi ermittelt und alsbald stellt sich heraus, dass so einige ein Tatmotiv hätten. Unterstützt von der resoluten Federica Pellegrini, in deren Pension Kilian Rossi wohnte, nimmt die Geschichte ihren Lauf. Wem nützt diese Tat, wem schadet sie?

Wenn nicht dieser Tote wäre, wäre es ein richtiger Wohlfühlroman, im Hintergrund das kleine Dorf idyllisch direkt am Meer gelegen. Deutsche Urlaubsgäste und ihre Eigenheiten lassen mich so manches Mal schmunzeln, hier wird schon arg das sehr klischeehafte Gehabe „der Deutschen“ bedient. War das wirklich so? Während die einen der Wahrheit nachspüren, versuchen die anderen vieles zu vertuschen. Für was hat sich Rossi stark gemacht, wen unterstütze er und warum?

Für angenehme Lesestunden war ich in einem zauberhaften, wenn auch fiktiven Ort, konnte richtig gut abtauchen und die Dorfbewohner näher kennenlernen. Ein Kriminalroman mit südländischem Flair, der gut unterhält.

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Veröffentlicht am 15.06.2021

Es gibt kein Entkommen!

Der Nachlass
2

Theo, der seinen Lebensunterhalt am Pokertisch bestreitet, ist in großen Schwierigkeiten. Als ihn ein Anruf von Nowotny, einem Notar aus Berlin, erreicht, sieht er seine Pechsträhne als so gut wie beendet ...

Theo, der seinen Lebensunterhalt am Pokertisch bestreitet, ist in großen Schwierigkeiten. Als ihn ein Anruf von Nowotny, einem Notar aus Berlin, erreicht, sieht er seine Pechsträhne als so gut wie beendet an. Hedda, seine sehr vermögende Mutter liegt im Sterben und will ihre vier Kinder nochmal sehen. Alle kommen sie samt ihren Partnern und Kindern, auch Ruben Glass, Heddas Zwillingsbruder, ist hier in der feudalen Villa, idyllisch gelegen auf einer Insel inmitten des Berliner Stadtgebietes.

Sie stehen der Mutter in ihren letzten Stunden bei, wollen ihr nahe sein und natürlich erwarten sie ihr Erbe. Aber so einfach ist das nicht, Hedda hat dem Erben 27 Herausforderungen vorangestellt. In den drei vor ihnen liegenden Tagen wird der Notar den insgesamt zehn anwesenden Personen täglich 9 verschiedene Aufgaben mitteilen. Zunächst einfach, wenn nicht gar etwas albern und durchaus unterhaltsam, wird der Schwierigkeitsgrad permanent erhöht.

So nach und nach bekomme ich immer mehr Einblick in das Leben der einzelnen Familienmitglieder. Rückblicke ins Jahr 1963 wahren zunächst den schönen Schein. Ein Luxusleben, wer würde sich da nicht wohl fühlen! Auch Ereignisse von 1982 blitzen immer wieder auf, schön langsam kommt so manch gut gehütetes Geheimnis ans Licht. Fein nuanciert gibt der Autor Informationen preis über die Kindheit der Geschwister und der Eltern. Für das vollständige Verstehen der ganzen Familiengeschichte sind diese Versatzstücke aber noch lange nicht ausreichend, der große Knall kommt erst ganz zum Schluss.

Subtil, wohl austariert reiht sich immer wieder ein Stückchen mehr an Wissen um das Vergangene. Den „Nachlass“ habe ich angefangen zu lesen und war sofort gefangen. Diese raffinierte Art, dem Leser das Leben der Familie näherzubringen und doch ratlos davorzustehen, lässt einen keine Wahl als atemlos weiterzulesen, dranzubleiben. Um für den Moment all diese losen Fäden zu speichern, deren Enden dann zum finalen Ende endlich verknüpft werden können. All die gut gehüteten Geheimnisse wollen und müssen an die Oberfläche. Mit jeder Seite, jedem Kapitel meint man, der Vergangenheit näher zu kommen, dennoch bleibt vieles im Verborgenen. Denn dass irgendwas Gravierendes passiert sein musste, das schimmert durch.

Inmitten des mörderischen Spieles, das schon lange eher böse, ja teuflisch denn Spiel ist, entsteht eine beklemmende, hinterlistige und hässliche Atmosphäre. „Wollte Hedda ihnen ihre Geldgier, ihre Schamlosigkeit vor Augen führen?“ Meisterlich versteht es Jonas Winner, den Leser abzuholen, ihn gut zu unterhalten und ihm so manches Mal Gänsehautfeeling zu bescheren. „Wie weit wirst du gehen?“ Ist das Erbe, der Hass dies alles wert? Ein Thriller, der gelesen werden will. Unbedingt!

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