Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
offline

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.06.2021

Die Toten und die Lebenden

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
2

Der Polizeiagent Leopold von Herzfeldt bringt die moderne Ermittlungsarbeit von Graz mit nach Wien um die Jahrhundertwende. Seine Methoden mit allerlei Utensilien wie Schrittzähler, Kompass, Maßband und ...

Der Polizeiagent Leopold von Herzfeldt bringt die moderne Ermittlungsarbeit von Graz mit nach Wien um die Jahrhundertwende. Seine Methoden mit allerlei Utensilien wie Schrittzähler, Kompass, Maßband und dgl. muten die Wachleute seltsam an, auch eine neumodische Kamera nennt er sein Eigen.

Nachts auf dem Prater – eine zierliche junge Frau liegt da, am Hals eine einzige große Wunde, fast der ganze Kopf ist ab. Leo versucht, die wenigen verbliebenen Spuren zu finden, denn großteils wurden diese vom Diensthabenden rücksichtslos zertrampelt. Akribisch sucht Herzfeldt Tatort und Leiche ab und bald stellt er fest, dass diese auch noch gepfählt wurde. Bei der einen Toten bleibt es nicht. Leos Arbeit ist erfolgreich, was nicht jedem gefällt und bald wird er polizeiintern torpediert, landet auf dem Abstellgleis.

Schon das Cover ist düster, aber sehr passend. Es zeigt einen Ausschnitt vom Wiener Zentralfriedhof, der sozusagen das Herzstück unserer Geschichte ist und hier mittendrin begegnen wir Augustin Rothmayer. Er ist Totengräber, studiert und dokumentiert in seinem Almanach die Toten akribisch, wie deren Verwesungsgrad etwa. Vielen Kapiteln ist ein Auszug aus diesem schaurig-klugen Werk vorangestellt und auch wenn es einen ganz schön gruselt dabei, so beinhaltet diese Chronik doch wiederum das was man schon wissen möchte, um es dann ganz schnell zu verdrängen. Ein sehr schlauer Mann ist dieser Rothmayer, mit seiner bärbeißigen Art mein absoluter Lieblingscharakter. Es geht um Scheintote, Wiedergänger oder Untote, um Vampire und um all den Aberglauben drumherum geht es auch.

Oliver Pötzsch gelingt es scheinbar mühelos, den Leser abzuholen, um direkt anno dazumal hellwach in dieser Kriminalgeschichte zu sein. Herrlich, wenn der Kieberer den grünen Heinrich anfordert, Leopold angeraten wird, sich den Wienern auch in der Sprache anzupassen, da er ansonsten immer als Piefke dasteht, Außenseiter bleibt, nicht für voll genommen wird.

Neben Herzfeldt ist auch Julia Wolf, Lämmlein genannt, eine sehr vielschichtige Figur, die so manches Mal überrascht. Nicht gleich wird klar, auf welcher Seite sie nun wirklich steht. Mit Rothmayer sind es die drei Hauptcharaktere, jeder auf seine Art ein wenig verschroben, sehr eigen, wenn nicht gar eigenbrötlerisch, aber durchaus sympathisch.

Im Jahre 1893 ist dies geschehen oder es hätte so geschehen können. Dichtung und Wahrheit liegen nah beieinander und richtig dosiert ergeben sie ein kompaktes Ganzes wie diesen Historischen Roman, der mich sofort eingesogen, mich nicht mehr losgelassen hat. Der Autor versteht sein Handwerk und mit Leopold Herzfeldt hat er einen Inspektor ins Leben gerufen, der mir bestimmt noch sehr viel Lesespaß bereiten wird, eine Fortsetzung wird es wohl geben.

„Friedhöfe sind magische Orte…“ so beginnt das Nachwort, das sehr informativ und zugleich unterhaltsam ist wie der ganze Roman. Hier legt der Autor – ein Meister seines Fachs - die historischen Fakten nochmal dar. „Das Buch des Totengräbers“ ist ausgelesen, eine Kriminalgeschichte vom Feinsten. Gerne mehr davon.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.06.2021

Frida Kahlo - eine wundervolle Inszenierung

Das Leben ist ein Fest
1

Frida Kahlo machte ihr nicht immer einfaches Leben zu einem Fest - zu ihrem Fest. Bildgewaltig kommt diese Romanbiographie daher, aktiv und dynamisch, energisch und temperamentvoll – so wie die große ...

Frida Kahlo machte ihr nicht immer einfaches Leben zu einem Fest - zu ihrem Fest. Bildgewaltig kommt diese Romanbiographie daher, aktiv und dynamisch, energisch und temperamentvoll – so wie die große mexikanische Künstlerin war.

Nicht chronologisch, aber und vielleicht gerade deswegen sehr lebendig zeichnet Claire Berest das Leben der Frida Kahlo in Auszügen nach. Die Kapitel sind in Farben überschrieben mit Auszügen aus Fridas gemaltem Tagebuch, ein wahrer Farbenrausch genau wie ihre Bilder, ja ihre ganze exotische Erscheinung. Die Autorin brilliert nicht nur in ihrer Erzählweise, sie beschreibt passend zum Text einige ihrer Bilder sehr ausdrucksstark. Jedes einzelne hier inszenierte Werk hatte ich direkt vor Augen.

Als 18jährige durchbohrte bei einem Busunglück eine Stahlstange ihr Becken. Infolge dessen musste sie zeitweise ein Gipskorsett tragen, war ans Bett gefesselt. In dieser Zeit entstand ihr erstes Selbstporträt. Aus ihrem großen Schmerz entstand Großartiges. Sie hat sich nicht geschont, im Gegenteil. Sie lebte, liebte, trank und litt. Hatte ein viel zu kurzes, aber dennoch ein mit allen Sinnen gelebtes Leben.

Frida Kahlo – eine Wahnsinnsfrau. Sie hat sich nicht geschert um Konventionen, hat ihr Leben gelebt. Ihr verwundeter, allzu geschundener Körper machte nicht immer mit, so manchen Rückschlag musste sie ertragen. Frida war ein wahres Kunstwerk genau so wie ihre Werke, ihre Bilder, die es in namhafte Galerien schafften. Claire Berest hat mich mit ihrem rauschenden Fest so richtig neugierig gemacht auf ganz viele weitere sehr interessante Details aus dem schillernden Leben der Frida Kahlo.

Diego Rivera überschritt so manche Grenze. „Wenn ich eine Frau liebe, tue ich ihr weh…“ so redete er sich heraus. In ihm hat sie ihre große Liebe gefunden, er förderte und zerquetschte sie gleichermaßen. Sie konnten nicht lange miteinander, aber auch nicht ohne einander.

Ein wundervolles Buch prall angefüllt mit Leben, facettenreich dargeboten. Vielschichtig wie ihr ganzes viel zu kurzes Dasein lässt die Autorin ihre Leser so manchen Blick hinter die Kulissen werfen, Höhen und Tiefen durchleben. Mit diesem “… Fest“ bin ich Frida Kahlo ein Stück näher gekommen, habe mit ihr gefeiert und getrauert. Alles zu seiner Zeit.

Liegen war ihr immer eine Qual. „Keine Sorge, Liebe meines Lebens, jetzt brauchst du nie mehr zu liegen“ – mit Diegos letzter Liebeserklärung endet dieses exzellente Werk.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.06.2021

Lesegenuss vom Feinsten

Sturmvögel
1

„Eine kleine Frau, ganz groß“ – das würde die Autorin sagen, wenn sie in zwei Sätzen ihren Roman „Sturmvögel“ umreißen müsste. Ihr genügt sogar dieser eine kurze Satz, der ganz viel aussagt.

Emmys Leben ...

„Eine kleine Frau, ganz groß“ – das würde die Autorin sagen, wenn sie in zwei Sätzen ihren Roman „Sturmvögel“ umreißen müsste. Ihr genügt sogar dieser eine kurze Satz, der ganz viel aussagt.

Emmys Leben zählt mittlerweile 86 Sommer. Hineingeboren in eine arme Familie wächst sie auf einer kleinen Nordseeinsel auf. Geprägt von Arbeit ist ihre Kindheit und mit vierzehn dann endgültig zu Ende, sie kommt als Dienstmädchen in die große Stadt – nach Berlin.

Manuela Golz ist eine sehr bewegende Familiengeschichte gelungen, kurzweilig zu lesen und sprühend vor Leben. In Emmy schuf sie einen ganz besonderen Charakter, dem wir mit vier Jahren zum ersten Mal begegnen (1911). Das Schicksal meint es nicht immer gut mit ihr, sie hat sich aber stets tapfer vorwärts gekämpft, sich nie entmutigen lassen.

Ihre Kindheit hin zum Erwachsenenleben lernen wir immer besser kennen, die kleine Emmy habe ich ganz schnell ins Herz geschlossen. Und die 86jährige blickt auf ihr Leben zurück, will alles regeln, solange sie noch Zeit hat. Ihre drei erwachsenen Kinder Hilde, Otto und Tessa sowie Anni, ihre Ziehtochter kennt sie ganz genau, jeder hat so seine Eigenheiten. Und genau deshalb ist es ganz gut, dass Emmy nochmal das Zepter in die Hand nimmt. Auch wenn es mit ihrer Schulbildung nicht so weit her ist, macht ihr doch keiner was vor, sie lässt sich nie unterkriegen, ist eine ausgezeichnete Beobachterin und zuweilen sitzt ihr der Schalk gehörig im Nacken.

Mit viel Gespür, sehr feinsinnig und doch gewaltig dringt der Leser in deren Alltag vor. Der Wechsel vom Gestern ins Heute zieht sich durchs Buch, macht die ganze Geschichte dadurch noch spannender, das Gelesene wirkt sehr lebendig, gut fassbar und durchgehend lebensnah. Eine gewisse Leichtigkeit durchzieht das Geschehen und trotz der sehr harten Jahre ist doch viel Lebensfreude spürbar. Eine starke Frau, die beherzt und unerschrocken Rückgrat zeigt.

„Sturmvögel“ ist Lesegenuss pur. Einmal angefangen, ist es fast unmöglich, sich von Emmy und den ihren zu trennen. Ein wunderbares, sehr warmherziges Buch, das gelesen werden will.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.06.2021

Lässt mein Thriller-Herz höher schlagen

Dein böses Herz
3

„Dein böses Herz“ ist Paul Buderaths zweiter Thriller. Nachdem ich schon „Der Künstler“ regelrecht verschlungen habe, musste ich dieses mörderische Schockerlebnis einfach haben, lesen, inhalieren.

Sandra ...

„Dein böses Herz“ ist Paul Buderaths zweiter Thriller. Nachdem ich schon „Der Künstler“ regelrecht verschlungen habe, musste ich dieses mörderische Schockerlebnis einfach haben, lesen, inhalieren.

Sandra Rehbein, die alleinerziehende Kommissarin, habe ich gleich ins Herz geschlossen, sie kommt ganz natürlich rüber ohne irgendwelche Klischees. Keine knallharte Kommissarin, die die männlichen Kollegen reihenweise wegbeißt. Nein, sie hat Ecken und Kanten, lässt selbst Ronny, ihrem doch sehr selbstverliebten Mitarbeiter, seine Eigenheiten. Beruflich hat sie ihre Männer im Griff, ihr Privatleben schon auch, aber immer mit dem schlechten Gewissen, zu wenig Zeit für ihren Sohn zu haben.

Es geht gleich richtig zur Sache, eine grausam zugerichtete Leiche wird gefunden. Ein Einstiegsszenario, das mich zwar schockierte, gleichzeitig aber fesselte, so dass ich gebannt weiterlesen musste. Ohne langwierige Einleitung war ich mittendrin – genau richtig. Alle wichtigen Details lässt der Autor geschickt in die Story einfließen, wohl dosiert, dem Geschehen angepasst. Die Figuren werden immer präsenter, ich konnte mir von jeder einzelnen ein gutes Bild machen. Ein Blick in die Vergangenheit lässt Böses ahnen. Eine bewusste Irreführung?

"Dein böses Herz" hat mich gut unterhalten, ich hatte nicht das Bedürfnis, es zwischendurch wegzulegen. Mit Sandra Rehbein hat Paul Buderath eine Ermittlerin erschaffen, die bestimmt noch weitere sehr spezielle Morde aufklären könnte. Ich wäre dabei, ganz klar.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 31.05.2021

Gelungener Politthriller

Die Akte Adenauer
1

Philipp Gerber, frisch ernannter Kriminalhauptkommissar beim BKA, hat die Aufgabe, den Mord an seinem Vorgänger aufzuklären. Wie der Ermordete ist Gerber zugleich Agent der Amerikaner. Mit Eva Herden, ...

Philipp Gerber, frisch ernannter Kriminalhauptkommissar beim BKA, hat die Aufgabe, den Mord an seinem Vorgänger aufzuklären. Wie der Ermordete ist Gerber zugleich Agent der Amerikaner. Mit Eva Herden, Journalistin bei einem kommunistischen Nachrichtenmagazin, gerät er zwischen die Fronten. Gemeinsam kommen sie dem Treiben der rechtsgerichteten „Wölfe Deutschlands“ auf die Spur. Diese wollen einen führenden linken Politiker töten. Wer unterstützt diese Organisation, ist gar einer in ihren Reihen in diese Maschinerie involviert?

Ein fesselnder Politthriller, der die fünfziger Jahre gut nachzeichnet. Der Krieg ist zu Ende, das BKA entsteht und so manchem ist Adenauer mit seiner westlich gewandten Politik ein Dorn im Auge. Ich fühle mich direkt zurückversetzt, lese ein Stück Zeitgeschichte mit viel Zigarettenqualm und wenigen Autos auf den Straßen, bin angekommen in der Lebensart einige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg. Wie nebenbei bekomme ich geschichtliches Wissen vermittelt, aber gar nicht trocken und spröde. Nein – die ganze „Akte Adenauer“ liest sich rasant, sehr fesselnd, ist äußerst spannungsgeladen. Diese knapp 400 Seiten konnte ich nicht weglegen, musste immer weiterlesen. Die politischen Fakten werden geschickt mit fiktiven Elementen verwoben, kurzum - ein rundum gelungenes Ganzes.

Der packende Start in eine historische Thriller-Serie, die ich unbedingt weiter verfolgen muss. Top!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere