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Veröffentlicht am 21.05.2021

Identitätssuche

Viktor
1

Mit „Viktor“ schrieb Judith Fanto ein wundervolles Familienepos, das in den Niederlanden als bestes Debüt des Jahres ausgezeichnet wurde.

Geertje ist auf der Suche nach ihrer wahren Identität. In eine ...

Mit „Viktor“ schrieb Judith Fanto ein wundervolles Familienepos, das in den Niederlanden als bestes Debüt des Jahres ausgezeichnet wurde.

Geertje ist auf der Suche nach ihrer wahren Identität. In eine jüdische Familie hineingeboren, einem „Stamm der nichtjüdischen Juden“, spürt sie ihren Wurzeln nach, will als einzige in der Familie das Judentum ergründen und kommt Stück für Stück ihrem Ziel näher, wenn auch nicht immer mit dem gewünschten Erfolg. Rückschläge sind vorprogrammiert, aufgeben ist für sie keine Option.

In Wien begegnen wir Viktor, im Buch als Bruder Leichtfuß tituliert (so herrlich altmodisch). Er ist ein kluger Kopf, ein Meister im Geschäftemachen, dem die Herzen der Frauen nur so zufliegen. Als kleiner Junge gabelt er Bubi auf, der wochentags in einem Heim mehr schlecht als recht lebt. Er nimmt ihn einfach mit nach Hause, wo er liebevoll empfangen wird und schon bald dazugehört. Viktor hat ein gutes Herz, ist ein Tausendsassa, ein liebenswertes Schlitzohr, er zieht sein Ding durch, bleibt aber dennoch geradlinig, auch wenn es ihm zuweilen schadet. Sein Äußeres lässt nicht auf einen Juden schließen, was lange für ihn von Vorteil ist. Die Familie Rosenbaum lebt in Wien, ist dort etabliert. Ihr doch recht komfortabler Alltag ändert sich, als die Nationalsozialisten auch hier unerbittlich vordringen.

Das Kennenlernen fiel mir bei Viktor leicht, mit ihm ging ich sofort gerne durch Wien, er hatte das gewisse Etwas. Nahm das Leben nicht allzu ernst, aber man konnte sich durchaus auf ihn verlassen. War ich zunächst eher von Viktor und der Wiener Verwandtschaft angetan, tastete ich mich später an Geertje heran. Zu ihr musste ich erst einen Zugang finden. Die weit zurückliegende Vergangenheit schien sehr vielschichtiger, ungleich interessanter geschildert.

Diese beiden Epochen – das Heute und das Gestern – bewegen sich aufeinander zu. Judith im niederländischen Nimwegen, wir schreiben das Jahr 1994, geht zurück, erforscht die Vergangenheit, gräbt immer tiefer in ihrer Familiengeschichte, während Viktor 1914 in Wien nach vorne strebt. Von seinen unbeschwerten Jahren als junger Mann bis hin in die dunklen Zeiten des Nationalsozialismus, der auch in Wien angekommen ist, begleite ich ihn.

Judith Fanto erzählt die Geschichte ihrer Familie sehr bildhaft, mich haben sie alle berührt in ihrer Einzigartigkeit. Voller Wärme schildert sie deren Leben, hier spürte ich den ernsten Hintergrund während der immer gefährlicher werdenden Nazi-Jahre, ihre Beklemmung und Betroffenheit ob der sich ganz schnell wandelnden Gesellschaft.

Mit „Viktor“ bin ich gerne nach Wien Anfang des letzten Jahrhunderts gereist, die Autorin hat mir diesen Teil ihrer Geschichte mit ihrem feinfühligen Erzählstil sehr nahe gebracht. Geertje dagegen blieb mir etwas fremder. Auch mit ihr erlebte ich viele kurzweilige Lesestunden, ihre Geschichte konnte mich aber nicht so fesseln wie die von Viktor, dem Charmeur und Herzensbrecher. Das Gerüst bildet das Judentum während der NS-Herrschaft und das damit verbundene Leid, all der Tragik und Aussichtslosigkeit, die Flucht und das Leben danach. So nähern sich Vergangenheit und Gegenwart immer mehr einander an und ganz zum Schluss erfährt man dann doch, wie und ob Viktor und Geertje verbunden sind. Man wird staunen.

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Veröffentlicht am 15.05.2021

Echte Kriminalfälle, spannend erzählt

True Crime International / FINNLAND TRUE CRIME I Wahre Verbrechen – Echte Kriminalfälle
1

Im mittlerweile sechsten Band seiner True Crime-Serie hat Adrian Langenscheid Verbrechen aus Finnland zusammengetragen.

Ganz unterschiedliche Gräueltaten werden hier geschildert wie gleich im ersten ...

Im mittlerweile sechsten Band seiner True Crime-Serie hat Adrian Langenscheid Verbrechen aus Finnland zusammengetragen.

Ganz unterschiedliche Gräueltaten werden hier geschildert wie gleich im ersten Fall, in dem es um ein unschuldiges Kind und sein nahes Umfeld geht. Hier war ich so entsetzt, konnte nicht nachvollziehen, wie man zu so einer Tat fähig ist. Hinterhältig, verlogen und letztendlich eiskalt wird mit dem Leben eines Kindes gespielt. Die Frage nach dem WARUM liegt vordergründig schon auf der Hand, aber der Gedanke um das Tun und die Ausführung dessen hat doch nochmal eine ganz andere Schwere.

Es geht u. a. um unschuldige Kinder, der Alkohol spielt wie so oft eine nicht geringe Rolle, kann und darf aber nie als Entschuldigung herhalten. Familienzwistigkeiten werden genauso geschildert wie der Streit um Grund und Besitz. Geldprobleme in jeglicher Form machen einerseits erfinderisch, können aber verhängnisvoll enden. So manches Mal hatte ich den Eindruck, dass die sehr dunklen Gestalten nicht immer die hellsten Köpfe sind, ja geisteskrank daherkommen. Das meiste ist schwer auszuhalten, nicht nur, wenn es um Kindesmisshandlung geht. Auch Mord in einer extrem grausamen Form mit Leichenfledderei (alles Weitere werde ich hier nicht ausführen) oder die doch sehr laxe Rechtssprechung lassen mich fassungslos innehalten.

Jeder einzelne Fall hat seine ganz eigene Tragik, was jedoch keine noch so abstoßende Tat rechtfertigt. Zum Verständnis wird die Vorgeschichte, das Umfeld und wenn nötig das krude Gedankengut des oder der Täter beleuchtet. Allesamt wahr, auch wenn man ob dieser verwirrten Geister deren Mordlust, Triebhaftigkeit oder Geldgier ihre Abartigkeiten so gar nicht nachvollziehen kann. Lediglich der vorletzte Fall passt für mich nicht unbedingt hier herein, auch wenn er gut erzählt ist und ein Thema aufgreift (Rechtsradikalismus), über das wir leider heutzutage immer öfter hören müssen.

Diese vierzehn Gräueltaten sind leider wirklich passiert, dieses Mal in Finnland. True Crime nacherzählen, lesbar aufbereiten – das kann Adrian Langenscheid. Inzwischen sind seine Bücher für mich ein absolutes MUSS.

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Veröffentlicht am 12.05.2021

Unterwegs mit dem Walfänger

Die Walfängerin von Borkum
5

Wir sind auf der Nordseeinsel Borkum im Jahre 1653, einer bitterarmen Gegend. Mit dem Beginn des Walfanges brachten es die Seefahrer zu einem bescheidenen Wohlstand und so ist es nicht verwunderlich, dass ...

Wir sind auf der Nordseeinsel Borkum im Jahre 1653, einer bitterarmen Gegend. Mit dem Beginn des Walfanges brachten es die Seefahrer zu einem bescheidenen Wohlstand und so ist es nicht verwunderlich, dass die jungen Männer davon träumten, mit einem Walfänger in den hohen Norden direkt hinein ins Eismeer rund um Spitzbergen zu fahren, um mit reichlich Beute heimzukommen.

Auch Joris und sein Bruder Nils wollen alles daran setzen, hier mitzuhalten. Bis ein tragisches Unglück Nils seinem großen Traum ein Ende setzt. Joris dagegen lässt sich ausbilden und fährt als Commandeur der Gulden Leeuw auf Walfang. Zurück lässt er Fenja, die ihm versprochen ist.

Claudia Schirdewan lässt Bilder von Borkum lebendig werden, macht mich neugierig auf die Insel, die ich zu gerne besuchen möchte. Die Bilder von heute und damals lasse ich Revue passieren. Auch lässt mich der sehr beschwerliche Walfang nicht los. Beeindruckt hat mich ihre Schilderung davon mit den Schaluppen, der Knochenarbeit der Männer, von denen viele ihr Leben hoch droben im Eismeer lassen mussten. Den allgegenwärtigen Überlebenskampf hat sie gut und eindrücklich charakterisiert, ich war nah dran an den Romanfiguren. Habe den Alltag mit ihnen geteilt und kaum, dass ein Walfänger gesichtet wurde, mit den Daheimgebliebenen gehofft, ob denn ihre Liebsten zwar abgekämpft, aber wohlbehalten auf dem Schiff wären.

Dem Buch konnte ich viel abgewinnen, jedoch waren so einige unlogische Vorkommnisse so gravierend, dass ich mich kopfschüttelnd gefragt habe, warum die an und für sich gute Arbeit mit diesen handwerklichen Fehlern zunichte gemacht wird. Das Inselleben und der Walfang mit allem Drum und Dran waren anschaulich und durchaus glaubhaft dargelegt, das zwischenmenschliche Gebaren dagegen wurde zunehmend unglaubwürdig.

„Die Walfängerin…“ war unterhaltsam – ja, auch wenn weit und breit keine zu finden war. Sie war schnell gelesen, mit so mancher Figur habe ich gelitten, gebangt und mich gefreut. So manche Szene hätte ich nicht gebraucht – weniger wäre hier mehr gewesen. Die Guten und die Bösen und so mach ein Charakter, den ich besonders gemocht habe, haben mir kurzweilige Lesestunden beschert.

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Veröffentlicht am 12.05.2021

Missionierung in der Südsee

Dein ist das Reich
1

Eine längst vergangene Zeit, ein unrühmliches Kapitel deutscher Geschichte. Die Kolonialisierung, erzählt aus Sicht der Enkelin und ihrer Großmutter Nette. Die Eltern unserer Erzählerin sind in Neuguinea ...

Eine längst vergangene Zeit, ein unrühmliches Kapitel deutscher Geschichte. Die Kolonialisierung, erzählt aus Sicht der Enkelin und ihrer Großmutter Nette. Die Eltern unserer Erzählerin sind in Neuguinea geboren, beide Großeltern arbeiteten für die Mission.

Vom fränkischen Neuendettelsau in die Südsee führt der Weg, um die „wilden Heiden“ zu missionieren. In der alten Heimat noch lernen wir Linette und Johann, Marie und Heiner kennen. Wie sie sich für diesen göttlichen Auftrag vorbereitet und ganz besessen von der Richtigkeit ihres Tuns nach Kaiser-Wilhelms-Land aufmachen.

Dazwischen sind sehr plastisch beschrieben die Bilder aus dieser damaligen Zeit. Ich konnte mich direkt hineinversetzen in die einzelnen Abbildungen, dies ist der Autorin sehr gut gelungen. Es hätte mir aber auch gefallen, zumindest die ein oder andere Fotografie direkt zu sehen, es wäre das gewisse Etwas gewesen.

Die Missionierungen waren aus heutiger Sicht menschenverachtend, die damalige Auffassung, den christlichen Glauben den „Heiden“ aufzuzwingen, nicht mehr tolerierbar - keine Frage. Toleranz anderen Kulturen, Sitten und Gebräuchen gegenüber war gleich Null.

Das Buch hat Längen, das Durchhaltevermögen fordert. Da kam es mir so vor, als ob ich Punkt für Punkt abarbeiten müsste, einen Text lese – sehr steril, absolut nüchtern. Um dann wieder ganz gut zu veranschaulicht zu bekommen, wie das Leben inmitten der Einheimischen funktionierte. Ein nicht immer leicht zu lesender Familienroman, der die koloniale Vergangenheit kritisch durchleuchtet.

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Veröffentlicht am 11.05.2021

Verwicklungen um ein großes Erbe

Enriettas Vermächtnis
1

Eine Familiengeschichte, ein Testament, Emilio und Jana - zwei, die sich noch nie begegnet sind, die in Zürich in der Kanzlei von Leuthard, dem Testamentsvollstrecker, sitzen. Die sehr erfolgreiche Autorin ...

Eine Familiengeschichte, ein Testament, Emilio und Jana - zwei, die sich noch nie begegnet sind, die in Zürich in der Kanzlei von Leuthard, dem Testamentsvollstrecker, sitzen. Die sehr erfolgreiche Autorin Enrietta da Silva ist tot, sie hinterlässt ein beachtliches Vermögen.

Das Buch, die hervorragend erzählte Geschichte fesselt. Schnell war klar, dass Enrietta sie alle gut kannte, mit ihnen zu Lebzeiten sehr vertraut war. Nicht nur zu den beiden Erben, auch zu Leuthard pflegte sie ein freundschaftliches Verhältnis. Je mehr ich las, desto kritischer betrachtete ich all diese Akteure. Da kam so manch fiese Charaktereigenschaft ans Licht, die mich sehr an den Personen zweifeln ließ.

Die Reise beginnt in Zürich, macht Zwischenstation in Brasilien, der Heimat von Emilio und dessen Rivalen Armando der, wie sich bald herausstellt, der leibliche, aber ungeliebte Sohn Enriettas ist. Testamentarisch nicht bedacht, fordert dieser jedoch sein Erbteil ein. Ist Armando dieser schmierige Gangster, wie er von Emilio dargestellt wird? Warum wusste außer ihm nicht mal der Notar von seiner Existenz?

Da ist noch Jana, die Ziehtochter, die in der schönen Stadt Salzburg lebt. Auch sie begleite ich ein Stück, lerne sie besser kennen und frage mich des Öfteren, warum sie doch so manches Mal direkt blauäugig agiert, in meinen Augen zu leichtgläubig und unvorsichtig handelt. Ausnahmslos alle verhalten sich seltsam, als ob jeder einzelne etwas Wesentliches zu verbergen hätte. Keiner lässt hinter die Kulissen blicken. Etwas Mysteriöses hängt über diesem Erbe.

„Enriettas Vermächtnis“ ist sehr kurzweilig, es garantiert unterhaltsame Stunden. Ich mag, wenn alles verworren ist, spannend verpackt wird. Und es wurde geschickt genau so viel erzählt, dass ich neugierig immer weiterlesen wollte. Bis zum Ende hin. Da war plötzlich nichts mehr – eine gut erzählte Story, die sich zum Schluss komplett verirrt.

Trotz meiner Kritik zum nicht nachvollziehbaren Ende hat mir Enriettas Geschichte gefallen und so empfehle ich dieses Buch gerne weiter.

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