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Veröffentlicht am 06.12.2020

Ein Psychothriller, der aufwühlt

Seelen unter dem Eis
1

Tom Döbbe ist mit seiner Werbeagentur sehr erfolgreich, hat es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Nachdem er einen Lehrauftrag an der Universität annimmt, konfrontiert ihn seine schlechteste Studentin ...

Tom Döbbe ist mit seiner Werbeagentur sehr erfolgreich, hat es zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Nachdem er einen Lehrauftrag an der Universität annimmt, konfrontiert ihn seine schlechteste Studentin Amal mit ihren Arbeiten. Sie ist hartnäckig, lässt sich nicht abwimmeln. So nach und nach verfällt er der unscheinbaren jungen Frau, kann sich ihr nicht entziehen. Zumal seine Ehe an der Kinderlosigkeit krankt, nutzt Amal ihre Machtstellung immer mehr für sich.

Astrid Korten ist ein bedrückend grandioser Psychothriller gelungen, den ich – einmal angefangen – nicht mehr aus der Hand legen konnte. Tom sitzt im Todestrakt, wartet nur noch auf den Termin seiner Hinrichtung. Kann und darf es wirklich soweit kommen? Das fragte ich mich immer wieder, hoffte auf ein anderes Ende. Hier bekam ich ein wenig Einblick in den Hochsicherheitstrakt mit seinen Vorschriften, den Umgang der Mithäftlinge untereinander, den Part der Wärter, den für Außenstehende sehr beklemmenden Alltag der Insassen.

Über lange Strecken dachte ich sehr geradlinig, folgte der Story - aber wie so oft trügt der Schein. Habgier und Verrat, Lügen und Intrigen wechseln sich ab. Toms Vergangenheit, seine verhängnisvolle Affäre, Ehefrau und Freunde werden gut nachvollziehbar abgebildet. Im Wechsel mit dem Gefängnisalltag war mein Urteil schnell gefällt. Wer ist gut, wer ist böse? Gibt es Grautöne dazwischen?

Im Nachwort lässt die Autorin ihre Leserinnen und Leser ein wenig hinter die Kulissen schauen. Sie war im US-Staatsgefängnis in Huntsville, Texas, hat mit Gefangenen und Wachleuten gesprochen, über die Todesstrafe recherchiert. Sehr belastend, aber es ist dort Realität.

„Seelen unter dem Eis“ konnte ich nicht einfach weglegen. Alles drängte mich zum fertiglesen, um mich dann sehr aufgewühlt zurückzulassen. Ein Psychothriller, der erschüttert und sehr betroffen macht. Wer dieses Genre liebt, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Ein erstklassiger Korten!

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Veröffentlicht am 01.12.2020

Wahn oder Wahnsinn

Wachzustand
1

„Wachzustand leuchtet die blinden Flecken der Leistungsgesellschaft aus: Spannungsliteratur, die verblüfft, wachrüttelt und anregt, die eigene Wahrnehmung von Wirklichkeit und Sinn zu hinterfragen.“

Beklemmend ...

„Wachzustand leuchtet die blinden Flecken der Leistungsgesellschaft aus: Spannungsliteratur, die verblüfft, wachrüttelt und anregt, die eigene Wahrnehmung von Wirklichkeit und Sinn zu hinterfragen.“

Beklemmend geht es los. Er irrt im Flughafengelände herum, hat einen Millionen-Deal in der Tasche und gerät immer tiefer hinab. Mysteriös, nicht fassbar, unheimlich. Was will er? Wo will er hin? Da bin ich gleich mal irritiert und mittendrin. Cut: Unter Hypnose kommt Felix Bernau im Wald zu sich. Wo soll er hin? Er setzt sich in den nächsten Zug – Endstation Hamburg. Mit 30.000 € in der Tasche sucht er sich ein Zimmer, sucht er sich eine Psychologin. Auch hier ist alles surreal, nicht greifbar. Momentan nicht vorstellbar, wohin die Story sich entwickelt.

Elisabeth Kern, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie wird ermordet aufgefunden, Renate Popescu ermittelt. Sie hat so gut wie nichts in der Hand, muss sich alles mühsam erarbeiten und hat die Vermutung, dass hier ein Serienmörder am Werk war.
Total verwirrt konnte mir keinen Reim auf diesen rätselhaften Typen im Flughafen machen. Er taucht immer mal wieder auf, auch dieser seltsame Bernau, den ich so gar nicht fassen konnte. Sehr geschickt gemacht. Es dauert lange, bis man die Zusammenhänge sieht. Was mir ein wenig gefehlt hat, ist die Polizeiarbeit, sie kam definitiv zu kurz. Auch die Rückschlüsse auf einen Serienmörder konnte ich nicht nachvollziehen. Hier passte vieles nicht zusammen, war für mich nicht schlüssig.

Zum Teil zu langatmige Beschreibungen einer Situation, eines Sachverhaltes, hätten besser abgekürzt werden sollen. Dem Lesefluss hätte es gut getan, so manches zu komprimieren. Das allzu Ausführliche liest sich zuweilen wissenschaftlich, mit erhobenem Zeigefinger, zu langatmig.

Gut gemacht, gut gemeint, aber in Teilen überfrachtet. Es werden zu viele Nebenschauplätze aufgemacht, die – jeder für sich – durchaus Potenzial haben. Der oder die eigentlichen Fälle werden dadurch auf weiten Stecken zur Nebensache.

Mehr Psycho denn Thriller, Thriller eher am Rande. Liest sich jedoch in weiten Teilen trotzdem gut.

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Veröffentlicht am 01.12.2020

Ein leises Buch, großartig erzählt

Fast ein neues Leben
2

In „Fast ein neues Leben“ erzählt Anna Prizkau die Geschichte einer Familie aus Sicht der Tochter. Zwölf Kurzgeschichten, sehr intensiv und schnörkellos erzählt. Sie kommen aus dem alten Land, es liegt ...

In „Fast ein neues Leben“ erzählt Anna Prizkau die Geschichte einer Familie aus Sicht der Tochter. Zwölf Kurzgeschichten, sehr intensiv und schnörkellos erzählt. Sie kommen aus dem alten Land, es liegt irgendwo im Osten, mehr wird nicht gesagt, mehr braucht es nicht.

Es sind Begegnungen, die nachdenklich machen. Die Ich-Erzählerin will dazugehören, tut vieles dafür und so manches Mal ist sie dabei auch nicht ganz gerecht. Aber wer ist das schon? Es sind die kleinen Alltagsgeschichten, die mit Distanz auf das Geschehen blicken, ohne zu werten. In unterschiedlichen Situationen wird das Ankommen, das Dazugehören skizziert. Schon erstaunlich, wie wenig Worte es braucht, um alles zu sagen. Ohne erhobenen Zeigefinger. Jede einzelne Geschichte hat sehr viel Potenzial, macht nachdenklich und lässt Raum für eigene Gedanken und Gefühle.

Sachlich, sehr zurückgenommen erfahren wir von Manipulation, von untergeschobenen Dingen, die um des eigenen Vorteils willen nicht geklärt werden sollen. Es geht um fehlende Toleranz, um
Fremdenfeindlichkeit und Sprachlosigkeit. Um Lügen und Verrat, den nur allzu menschlichen Eigenschaften.

Ein Buch auch über die Beziehung einer Tochter zu ihren Eltern. Vieles weiß man vom anderen, spricht es aber nicht aus. Ein kleines, feines Buch über das Leben, für das man sich Zeit nehmen sollte. Geschichten, die zu Herzen gehen.

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Veröffentlicht am 26.11.2020

Essen und genießen zu den richtigen Zeiten

Die neue Nebenbei-Diät
1

Ein Thema unserer Zeit: Gesunde Ernährung und dauerhaft schlank sein und bleiben. Wer möchte das nicht? Schon beim ersten durchblättern blieb ich an vielen interessanten Themen hängen. Der optimale ...

Ein Thema unserer Zeit: Gesunde Ernährung und dauerhaft schlank sein und bleiben. Wer möchte das nicht? Schon beim ersten durchblättern blieb ich an vielen interessanten Themen hängen. Der optimale Rhythmus beim Essen ist das A und O, verbirgt sich doch dahinter das allseits bekannte Intervallfasten. Hört sich nach strengen Zeitvorgaben an, ist aber sehr individuell einsetzbar. Verzicht ist nicht nötig und führt zu Misserfolg.

Ganz nebenbei finde ich das Buchformat sehr benutzerfreundlich. Man kann immer mal wieder ein/zwei Seiten lesen und sich das gerade benötigte Thema schnell suchen. Kein Zwang, kein Verbot aber sich Glücksmomente verschaffen, mit Lust sich auch mal was Besonderes gönnen. Kein Kalorienzählen, Warenkunde, Sport – alles in kurzer, aber sehr informativer Form. Regelmäßig essen, aber nicht zwischendurch.

Ein Buch voller guter Ratschläge, schnell und einfach umzusetzen. Für alle, die einige Kilos verlieren möchten eignet es sich genau so wie für diejenigen, die sich gut und gesund ernähren, aber sich trotzdem nicht ständig mit dem Thema Essen beschäftigen wollen. Dank des sehr übersichtlichen Inhaltsverzeichnisses kann man unkompliziert das für sich Richtige finden. Ein alltagstauglicher Ratgeber.

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Veröffentlicht am 25.11.2020

Beklemmende Vorstellung

Sterbewohl
1

Dieser Kriminalroman, eine Mischung aus Krimi und Dystopie, lässt mich betroffen zurück. Betroffen auch deshalb, weil es so oder ähnlich in unserem Land geschah. Euthanasie war das Schreckgespenst ...

Dieser Kriminalroman, eine Mischung aus Krimi und Dystopie, lässt mich betroffen zurück. Betroffen auch deshalb, weil es so oder ähnlich in unserem Land geschah. Euthanasie war das Schreckgespenst im Dritten Reich. Schaue ich mich in der Welt um, gibt es diese Szenarien nur allzu häufig. „Sterbewohl“ will all jene aussortieren, die dem Staat nur noch auf der Tasche liegen, nichts mehr produktiv für die Allgemeinheit beizutragen haben. Zynisch und hochgradig kriminell handelt diese Scheindemokratie, zu der Deutschland verkommen ist.

Ich begleite Nadja, die Erzählerin, Anna, Max und Fred nach Fehmarn ins Hotel Paradies. Alle über 65 Jahre, bekommen sie eine Einladung zum Sterbeseminar mit der Aussicht auf zwei sehr luxuriöse Wochen. Sollten sie sich dazu entschließen, Sterbewohl nicht zu nehmen, ist ihre Abreise selbstverständlich garantiert. Marwa, eine Journalistenfreundin von Fred, gesellt sich zu ihnen.

Olivia Monti hat mich sehr nachdenklich werden lassen. Unsere Gesellschaft will möglichst für immer jung sein, jugendlich daherkommen. In vielen Familien ist kein Platz für die Alten und Gebrechlichen, sie werden abgeschoben und oftmals sehr alleine gelassen. Natürlich gibt es die anderen, die sich sehr wohl kümmern, sich sorgen und da sind. Was nützt all der Luxus, wenn ich am Ende weiß, dass ich – trotz bester Gesundheit – diesen Aufenthalt nicht überleben werde. Wenn ich weiß: Ich muss die Pille schlucken – es schnürt mir regelrecht die Kehle zu. Das beste Essen, der erlesenste Champagner oder welch edler Tropfen auch immer – da könnte ich nichts genießen.

Wann ist das Leben lebenswert und ab wann ist es das nicht mehr? Ein selbstbestimmter Tod im Rahmen einer Sterbehilfe kann für unheilbar Kranke ein Ausweg sein, den niemand verurteilen darf. Bis dahin ist es ein langer Weg, der vielleicht so manchem doch ein Zurück ins Leben ermöglicht. Hier aber wird sehr hämisch, ja menschenverachtend davon gesprochen „das große Los“ gezogen zu haben, wenn man ins Sterbeseminar „eingeladen“ wird.

Das Cover erinnert an eine Medikamentenschachtel, sehr giftig und daher vorsichtig zu dosieren. Der Inhalt hält, was diese Verpackung verspricht. Spannend wie ein Krimi, ja teuflisch und gehässig trieb mich die Autorin durch die Seiten. Erst nach dem letzten Satz konnte ich diese bittere Pille weglegen. Ein durchaus denkbares Szenario.

Dieser toxische, spannende Kriminalroman hat mich bis zum gelungenen Ende gut unterhalten.

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