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Veröffentlicht am 08.02.2021

Manipulative Machenschaften

Flieh, so weit du kannst
6

Nachdem Ava sich von Charlie, ihrem sehr eifersüchtigen, zuweilen gewalttätigen Freund endlich trennt, bietet ihr Chef David ihr an, ins Haus seiner verstorbenen Tochter Olivia zu ziehen. Trotz mulmigem ...

Nachdem Ava sich von Charlie, ihrem sehr eifersüchtigen, zuweilen gewalttätigen Freund endlich trennt, bietet ihr Chef David ihr an, ins Haus seiner verstorbenen Tochter Olivia zu ziehen. Trotz mulmigem Gefühl nimmt sie an, fühlt sich jedoch immer mehr beobachtet und bedroht. Derweilen kümmert sich David um sie, lädt sie ein, befördert sie und wird zunehmend fordernder. Jade indes hatte damit gerechnet, anstatt Ava als Teamleiterin aufzusteigen. Sie liefert hier schon jahrelang gute Arbeit und ist zudem qualifizierter. So zumindest sieht sie sich selber. Früher einmal, als Olivia noch lebte, waren alle drei Freundinnen. Lange vorbei.

Es geht gleich mal richtig gut los, das ganze Buch über war ich von dem sehr angenehm zu lesenden Schreibstil angetan. Aus verschiedenen Perspektiven erzählt Naomi Joy diese Geschichte. Ava ist perfekt, aalglatt, makellos und liefert mustergültige Arbeit ab. Jade dagegen lebt mehr in ihrer Scheinwelt, dem Irrsinn nahe - so kam es mir zuweilen vor. Es werden dem Leser da schon Typen vorgesetzt, die allesamt ne Macke haben. Mehr oder weniger. Krankhaft eifersüchtig und sehr klammernd, dann aber wieder äußerst großzügig, aber auch sehr hinterhältig und boshaft. Der Kontrollzwang ist nicht zu übersehen, von Selbstüberschätzung bis hin zur Selbstzerstörung ist alles dabei.

Immer wieder lese ich eingeflochten in die Handlung „Du kannst dich nicht ewig verstecken… ich weiß, was du getan hast. Ich kenne dein Geheimnis.“ Man ahnt, wer sich angesprochen fühlen müsste, aber so richtig kann man es nicht greifen. Die Story zieht sich, nach dem doch recht rasanten Start ist die Luft raus. Es passiert viel, es wiederholt sich so einiges, im letzten Drittel wird es dann nochmal richtig rasant.

Naomi Joy schreibt sehr mitreißend, ich habe mich trotz mancher Längen gut unterhalten gefühlt.

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Veröffentlicht am 08.02.2021

Größenwahn oder gar Wahnsinn?

DAVE - Österreichischer Buchpreis 2021
1

Mit „DAVE“ hat Raphaela Edelbauer einen bemerkenswerten Roman über Künstliche Intelligenz geschaffen.

Kann man eine Maschine mit all dem aus-und aufrüsten, was den Menschen ausmacht? Es braucht Typen ...

Mit „DAVE“ hat Raphaela Edelbauer einen bemerkenswerten Roman über Künstliche Intelligenz geschaffen.

Kann man eine Maschine mit all dem aus-und aufrüsten, was den Menschen ausmacht? Es braucht Typen wie Syz, die absolut an das Funktionieren der Künstlichen Intelligenz glauben. Die alles andere hintanstellen, um diese Technik voranzubringen, all die menschlichen Eigenschaften hinein programmieren wollen. In einer Blase arbeiten er und Gleichgesinnte wie die Besessenen an der Erfüllung ihres großen Traums: DAVE. Ausgestattet mir allem, was das menschliche Bewusstsein ausmacht.

Am Besten sollte man unvoreingenommen an dieses Buch herangehen. Sich Stück für Stück vorwagen in diese Blase, diese so ganz eigene Welt. Die Erde – es gab eine fürchterliche Katastrophe, ist unbewohnbar - so wird es ihnen von klein auf eingetrichtert. Sie alle arbeiten und leben in einer riesigen Kapsel, einem Schutzwall, denn nur hier kann die Menschheit überleben. Die ganz unten verrichten niedrige Tätigkeiten, je weiter es nach oben geht, desto angesehener sind sie, desto wichtiger wird ihre Arbeit.

Zahlreiche Programmierer und Wissenschaftler haben ein gemeinsames Ziel: DAVE als die Künstliche Intelligenz schlechthin zu entwickeln. Es braucht nur KI, der Mensch an sich ist Nutznießer seiner Fähigkeiten. Denn der kann nie so viel Wissen, so viele Emotionen, Intelligenz in sich vereinen, wie DAVE das schafft. So das ehrgeizige Ziel.

Die Sprache ist gewöhnungsbedürftig, wenn es etwa um Menschenmaterial geht. Auch stolperte ich zu Anfang über so manche Fachbegriffe. Schnell habe ich mich trotz allem eingelesen, musste zwar ab und zu diese Begriffe nachschlagen, was aber dem Lesegenuss keinen Abbruch tat. Im Gegenteil. So konnte ich nah an dieser doch recht irrwitzigen Geschichte bleiben. Eine Parallelwelt tut sich auf. Sehr surreale, ja utopisch anmutende, überspitzt dargestellte Szenen lassen mich schon nachdenklich werden. Was vermag KI wirklich? Sollte KI alles übernehmen? In alle Belange eingreifen? Der bessere "Mensch" sein? Die Maschine ist alles: Kann man das Wesen eines Menschen in all seinen Facetten so programmieren, dass – einmal geschehen – diese sich immerfort weiterentwickelt?

Das Buch ist zugeklappt, diese Geschichte aber hallt nach. Gefühle, wilde Spekulationen, ja schon auch Unverständnis ob der Handlungsweise. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, meiner Gefühle. Ich bin tief drin, folge Syz, kann seine Aktionen verstehen und dann wieder so gar nicht. Kann man KI mit Logik begreifen? Auch wenn es unlogisch anmutet, bringt Raphaela Edelbauer ihren DAVE unterhaltsam zu Papier.

KI ist ja nicht unbedingt mein Thema, aber hier gelingt es Raphaela Edelbauer, dass ich mich mit einer gewissen Leichtigkeit mit diesem doch recht speziellen Fachgebiet beschäftige. Auch passt es thematisch gut in unsere vernetzte Welt.

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Veröffentlicht am 05.02.2021

Die dänische Neuentdeckung

Leichenblume
1

Mit „Leichenblume“ hat Anne Mette Hancock den Auftakt einer Krimi-Reihe um die Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan und Kommissar Erik Schäfer vorgelegt – ausgezeichnet mit dem dänischen ...

Mit „Leichenblume“ hat Anne Mette Hancock den Auftakt einer Krimi-Reihe um die Investigativ-Journalistin Heloise Kaldan und Kommissar Erik Schäfer vorgelegt – ausgezeichnet mit dem dänischen Krimi-Preis.

Die erfolgreiche Journalistin Heloise Kaldan hat den falschen Quellen vertraut, ihr Job steht auf der Kippe. Ausgerechnet jetzt erhält sie von Anna Kiel einen mysteriösen Brief. Diese hat vor Jahren einen angesehenen Anwalt brutal ermordet. Dass sie es war, die Christoffer Mossing getötet hat, steht außer Frage. Hat sie sich doch nach der Tat minutenlang ganz bewusst vor die Überwachungskamera gestellt - blutüberströmt! Oder trügt der Schein? Nachdem Heloise einen zweiten Brief von Anna erhält, wird diese hellhörig. Zunächst geht sie den Spuren alleine nach, aber bald schon weiß sie, dass es ohne Kommissar Schäfer, der damals ermittelte, nicht geht.

Ein gelungener Einstieg, aber danach zieht sich die Story in die Länge. Die Spannung ist großteils weg, es passiert viel und doch hatte ich das Gefühl, die Story kommt nicht recht vom Fleck. Was sich dann doch sehr viel später wieder in Richtung rasanter Thriller ändert. Anfangs sieht es „nur“ nach einem brutalen Mord aus, jedoch entpuppt sich dieser Fall als sehr viel mehr. Heloise ist nah dran an dieser Sache, sie wird von außen hineingezogen, kann gar nicht anders, als hier immer tiefer zu graben. Irgendwer beobachtet sie. Wer ist Nick? „Sorg dafür, dass Heloise nach Paris kommt!“ Mit Heloise bin ich bald sehr vertraut, ist sie doch die Hauptfigur. Hier ist mehr die Journalistin denn der Kommissar am ermitteln. Sie ist diejenige, die von Anna kontaktiert wird. Warum ausgerechnet sie? Was hat Heloise damit zu tun?

Ganz schön undurchsichtig, auch wenn ich als Drahtzieher, als Auslöser das ganze Buch über einen Verdacht hatte. Wer hat Christoffer Mossing getötet und warum? War es wirklich Anna? Puzzlestück für Stück dringt Heloise immer weiter vor und gerät selber in große Schwierigkeiten. Dreh- und Angelpunkt ist Anna. Ist sie die Mörderin? Seit Jahren auf der Flucht – warum jetzt und warum ausgerechnet eine Journalistin, die sie immer wieder kontaktiert?

Ein in Teilen fesselnder Thriller um eine Jahre zurückliegende Tat. Die Wahrheit will endlich ans Licht. Unterhaltsam, gut zu lesen, jedoch ist ein Vergleich mit Jo Nesbo (noch) unangemessen. „Narbenherz“ soll folgen – ich bin gerne dabei.

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Veröffentlicht am 01.02.2021

Rom im Jahre 1870 - wunderschön geschrieben

Es war einmal in Italien
1

Mit "Es war einmal in Italien" präsentiert Luca di Fulvio sein neuestes Werk.

„Mach, dass ich der eine bin…“ So kreuzen sich ihre Wege an diesem 5. März 1870. Die der Contessa Silvia di Boccamara und ...

Mit "Es war einmal in Italien" präsentiert Luca di Fulvio sein neuestes Werk.

„Mach, dass ich der eine bin…“ So kreuzen sich ihre Wege an diesem 5. März 1870. Die der Contessa Silvia di Boccamara und des Waisenjungen 19/03, etwa 16 Jahre alt. Sie sucht genau ihn – Pietro - aus. „Jetzt bin ich kein Waisenkind mehr“ das war sein letzter Gedanke, bevor er ohnmächtig wurde.

Das Schicksal führt die beiden in den Kirchenstaat Rom, das in dieser Zeit mit Unterstützung der französischen Schutztruppen seine Eigenständigkeit gegen die Italiener verteidigt. Aber - die weltliche Herrschaft des Papstes Pius IX. endet am 20. September des Jahres 1870 endgültig. Währenddessen zieht der Zirkus Callari weiter, Marta auf dem Kutschbock. In Rom dann angekommen, schlagen sie ihre Zelte hinter dem Kolosseum auf. Die Begegnung mit Livio geht Marta nicht mehr aus dem Sinn „Freiheit für Rom“ – dafür glüht auch sie. Hier herrscht der Kirchenstaat. Wie man überlebt, das haben sie gelernt. Jeder auf seine Weise. In diesen Monaten dazwischen begleite ich Marta, Pietro und Nella.

Wie von Luca di Fulvio nicht anders erwartet, ist sein neuestes Werk ein sehr intensives Erleben seiner Charaktere. Gerne bin ich mit Marta, Pietro, Nella und all den anderen durch Rom geschlendert. So mancher Platz weckte Erinnerungen, lies mich mit offenen Augen durch all die Gassen und Plätze gehen. Schicksalsschläge, aber auch viele wunderbare Momente durchlebte ich beim Lesen. Ich hatte Herzklopfen, richtiggehend Herzschmerzen, mir kamen Tränen der Rührung, aber auch solche der Trauer und der Wut. Der Autor schaffte es mit seiner so einfühlsam erzählten Geschichte, mich komplett in diese Welt zu entführen. Ich konnte mich ihr nicht entziehen, wollte es aber auch gar nicht.

Eingebunden in den Kampf um Rom erzählt uns Luca di Fulvio ein Stück Lebensgeschichte seiner so unterschiedlichen Charaktere. Herkunft, Lebensweise und Lebensziele könnten unterschiedlicher nicht sein und trotzdem fügt sich deren Schicksal zusammen zu einer lebenswerten Einheit. Sie gehen durch die Hölle. Müssen lernen, sich zu behaupten, ums Überleben kämpfen. Aber genauso entdecken sie sehr viel Liebe und Geborgenheit. Ein Stück Zeitgeschichte, verwoben mit persönlichen Empfindlichkeiten. Gut und Böse – in jedem Menschen steckt das. Es ist an jedem einzelnen, von was er sich leiten lässt.

Eine Liebes-, eine Lebensgeschichte vor dem Hintergrund des noch nicht zu Italien gehörenden Kirchenstaates Rom. Das Rom des Papstes. All die Gefühle, die ein jeder in sich trägt, kommen facettenreich an die Oberfläche. Der eiskalte Mörder genauso wie der Schläger und der hinterhältige Dieb, haben sie vielleicht doch tief in sich drin eine sehr traurige, eine verletzliche Seite.

Für mich als bekennender Luca di Fulvio-Fan ein absolutes Muss.

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Veröffentlicht am 01.02.2021

Eine Kindheit zwischen zwei Welten

Das achte Kind
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Hier lesen wir eine Autofiktion, wie Alem Grabovac über „Das achte Kind“ berichtet. Autobiographisch, verwoben in fiktionalen Handlungsebenen.

Eine Kindheit im Gastarbeitermilieu der etwas anderen ...

Hier lesen wir eine Autofiktion, wie Alem Grabovac über „Das achte Kind“ berichtet. Autobiographisch, verwoben in fiktionalen Handlungsebenen.

Eine Kindheit im Gastarbeitermilieu der etwas anderen Art. Alem Grabovac erzählt die Geschichte seiner Mutter Smilja und auch seine. Smilja wächst unter ärmsten Verhältnissen im Hinterland Kroatiens auf. Ihr Vater ein Säufer, der regelmäßig nicht nur seine Frau, sondern auch seine Kinder verprügelt. Smilja und ihr Schokoladenschwur: Eines Tages wird auch sie so wie ihre hochnäsigen Schulkameradinnen diesen süßen Traum genießen können. Stück für Stück. Nur weg von daheim - halbwegs erwachsen, findet sie in Würzburg Emir und bald schon kündigt sich Alem an. Aber wie soll sie arbeiten und ein Baby hüten? Denn auf Emir ist kein Verlass, er ist mehr mit sich und dem süßen Leben beschäftigt, gerät in extreme Schwierigkeiten und muss schließlich fliehen. Dank einer Freundin findet sie für Alem einen Platz bei der Familie Behrens und schweren Herzens lässt sie ihn wochentags hier, holt ihn nur an den Wochenenden zu sich. Die Männer in Smiljas Leben sind eine einzige Katastrophe. Zunächst Emir, der irgendwann verschwindet und dann Dusan, bei dem sie wieder gehörig daneben gegriffen hat. Auch er säuft, bestiehlt und verprügelt nicht nur sie.

Zwei Welten prallen aufeinander. Der Alltag in Alems „deutscher Familie“, in der er neben den sieben eigenen Kindern das achte, aber nicht minder geliebte Kind ist und die Wochenenden mit seiner Mutter. Viel sieht Alem in jungen Jahren, erlebt die bittere Armut in Kroatien und fühlt sich immer mehr zu seinen Pflegeeltern und deren Lebensstil hingezogen. Hier erfährt er Geborgenheit in einer warmherzigen Familie, kommt mit Pac-Man in Kontakt, hört die neuesten Hits von Madonna genauso wie Duran Duran und all die damals weltbekannten Musikstars. Mit Freunden überspielt er seine Musik mit dem Doppelkassettenrecorder. Ein unbeschwertes Leben hier bei Robert, dem unbelehrbaren Nazi und Marianne, dem ruhenden Pol. Dank dieser Familie kann und wird er seinen eigenen Weg finden.

Als längst Erwachsener mit Frau und Kind erfährt Alem, dass Emir - sein Vater - nicht wie von Smilja immer behauptet, bei einem Arbeitsunfall um Leben kam sondern erst vor kurzem gestorben ist. So macht er sich auf, das Grab seines Vaters zu suchen und zu besuchen.

Eine Reise durch die Kindheit, geprägt von Liebe und Geborgenheit einerseits und durchlitten von Gewalt und Lieblosigkeit auf der anderen Seite. Alem Grabovac erzählt ohne zu werten, so kann ich mir als Leser unvoreingenommen meine eigene Meinung bilden. Er erzählt von all den schönen und all den schlimmen Geschehnissen, die seine Kindheit und Jugend nachhaltig prägten. Ein Buch der leisen Töne, sehr lesenswert.

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