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Veröffentlicht am 19.01.2020

Geschichte hautnah

Der Attentäter
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Drei 19jährige Serben sind auf dem Übungsplatz, sie lernen schießen. So beginnt dieser Thriller, dieses historische Drama. Das Attentat auf den Thronfolger Österreich-Ungarns, Franz Ferdinand, am 28. Juni ...

Drei 19jährige Serben sind auf dem Übungsplatz, sie lernen schießen. So beginnt dieser Thriller, dieses historische Drama. Das Attentat auf den Thronfolger Österreich-Ungarns, Franz Ferdinand, am 28. Juni des Jahres 1914 in Sarajewo. Ein bekanntes Geschehen, welches – sollte die Erinnerung an das irgendwann gelernte nicht mehr da sein – man heutzutage schnell nachlesen kann. In meinen Augen ist hierüber ein Buch zu schreiben ein äußerst schwieriges Unterfangen. Nicht jedoch für den Autor dieses Werkes, Ulf Schiewe. Er versteht es, die geschichtlichen Tatsachen so darzustellen, dass man regelrecht gefangen ist und immer weiterlesen will, alles erfahren möchte.
Er beschreibt diese eine Woche im Juni 1914 aus verschiedenen Perspektiven:
- Zum einen aus der Welt der drei für die Tat vorgesehenen jungen Serben Gavrilo, Nedeljko und Trifko, welche alle an der Schwindsucht leiden und deren Hintermänner. Hier wird der Leser mitgenommen in die Vorbereitungen, erfährt so einiges über deren Idealismus und patriotische Haltung, ihre Zugehörigkeit zum Geheimbund Mlada Bosna und die Schwarze Hand.
- Dann die letzte Woche des Thronfolgers Franz Ferdinand und Sophie von Hohenberg, seinem Sopherl. Die beschriebene Zweisamkeit der beiden nehmen dem Geschehen für einige Augenblicke das allzu Dramatische. Er war ja als Choleriker gefürchtet, war sehr unwirsch im Umgang mit den Leuten, was auch hier gut beschrieben ist.
- Nicht zuletzt nimmt er den Geheimdienst unter die Lupe. Hier kommt auch der fiktive Major Rudolf Markovic in Spiel, mit ihm u. a. Svjetlana… Historisch belegt ist hingegen die unrühmliche Rolle des Oskar Potiorek, Feldzeugmeister und Landeschef Bosnien-Herzegowinas. Die sehr laxen Sicherheitsvorkehrungen machen aus heutiger Sicht fassungslos.

Beim Lesen habe ich mich öfters ertappt, mit den drei vorgesehenen Tätern zu leiden. Obwohl das tragische Ende unausweichlich ist, beginnt man zu hoffen, das Attentat würde nicht geschehen. Gleichzeitig fiebert man mit und will, dass sie nicht auffliegen, nicht geschnappt werden. Ganz schön verrückt, zumal man ja weiß, wo das alles letztendlich hinführt, hingeführt hat. Und genau hier besteht die große Kunst des Schreibens. Der Leser wird mitgenommen in diese Welten, taucht ganz ein in das Beschriebene, wird aufs beste unterhalten und bekommt noch dazu vorzüglichen Geschichtsunterricht. Immer mal wieder habe ich nachrecherchiert, mir die Fotos sowohl der Täter als auch des Thronfolgerpaares angeschaut, habe die Routen der Protagonisten verfolgt, ich war mittendrin im Geschehen.

Dieses Genre der historischen Thriller mag ich sehr gerne, greife immer mal wieder danach, habe somit Vergleichsmöglichkeiten. „Der Attentäter“ sticht sehr positiv heraus aus der Vielzahl der guten Bücher. Ein brillant geschriebener Roman, aus dem man sehr viel mitnimmt. Er versteht es aufs vortrefflichste, dem Leser ein Stück Zeitgeschichte unterhaltsam näherzubringen, wobei er sich an die bekannten Fakten hält und diese durch fiktive Personen und Gespräche, die so stattgefunden haben könnten, anreichert. Ein wichtiges Kapitel für uns Europäer bleibt so für immer im Gedächtnis haften - eine absolute Leseempfehlung von mir.

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