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Veröffentlicht am 18.02.2024

Bittersüße Träume

Die Fabrik der süßen Dinge – Helenes Träume
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Die Süßwaren-Saga geht weiter. „Helenes Träume“ ist der zweite Band dieser Reihe, schon „Helenes Hoffnung“, das erste Buch, habe ich verschlungen und wehmütig zugeklappt und nun endlich die Fortsetzung ...

Die Süßwaren-Saga geht weiter. „Helenes Träume“ ist der zweite Band dieser Reihe, schon „Helenes Hoffnung“, das erste Buch, habe ich verschlungen und wehmütig zugeklappt und nun endlich die Fortsetzung lesen können, die im Köln des Jahres 1933 angesiedelt ist. Helene ist mit Georg verheiratet und nun freuen sie sich auf die Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Anita. Nicht nur Eheprobleme machen Helene zu schaffen, auch sieht sie sich eines Plagiatsvorwurfs ausgesetzt.

Auch wenn sich Helene nach ihren Jahren in Hamburg wieder ganz in die familieneigene Firma einbringt, hat sie doch an allen Fronten zu kämpfen. Als Frau – und sei sie noch so begabt – hat sie nach wie vor einen schweren Stand. Gemeinsam mit ihrem Bruder Alfred leitet sie die Süßwarenmanufaktur, was Alfred jedoch nicht davon abhält, einsame Entscheidungen zu treffen. Helenes Ehemann ist ihr keine große Stütze, er fühlt sich in seiner Rolle als Außendienstler zunehmend wohl, ist mehr unterwegs denn zuhause. Nachdem der schon erwähnte Plagiatsvorwurf publik wird, wenden sich immer mehr Kunden von ihnen ab, die Weltwirtschaftskrise macht ihnen zu schaffen und nicht genug damit, auch spielen die erstarkten Nationalsozialisten eine entscheidende Rolle.

Vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus, deren Einfluss immer tiefer in die Firmenstrukturen hineinreicht, erzählt Claudia Romes von der fiktiven Kölner Familie von Ratschek und deren Süßwarenmanufaktur. Juden sind nicht erwünscht, die Geschäftsleitung hat dem Rechnung zu tragen, das Personal muss angepasst werden, auch wird eine Parteizugehörigkeit erwartet.

Ja, Helenes Träume scheinen weit weg zu sein, sie sind eher bittersüß, wenn nicht gar ausgeträumt. Habe ich sie im ersten Band als durchaus emanzipierte Frau wahrgenommen, so ist sie nun eher im Kreise ihrer konservativen Familie gefangen. Helene lebt mit Mann und Kind in der Familienvilla, gemeinsam mit ihrer doch sehr dominanten Mutter. Diese bremst sie mit ihrem veralteten Frauenbild gerne aus. Wenigstens Eva, Alfreds Frau, ist ihr eine willkommene Stütze und gute Freundin. Es gibt Rückschläge und doch ist Helene ihr Kampfgeist nicht ganz abhanden gekommen, wenngleich er ausgerechnet durch Georg einen schweren Schlag erleidet. Und nicht nur durch ihn, es passiert eine ganze Menge, das Buch konnte ich erst weglegen, als die letzten Seiten gelesen waren.

Auch wenn dieser zweite Band nun ausgelesen ist, so warte ich doch dringend auf einen hoffentlich nächsten Teil, denn so einiges bleibt ungesagt, wenngleich die hier aufgetretenen Unzulänglichkeiten und Probleme schon gelöst sind. Die Autorin hat mich mit ihrem einnehmenden Schreibstil bestens unterhalten, ihre Charaktere sind wie eh und je lebendig und facettenreich mit Ecken und Kanten – der eine mehr, der andere weniger. Sie sind liebenswert oder auch nicht, so manchen würde ich schon eher meiden wollen. In der „Fabrik der süßen Dinge“ ist nun Feierabend, es hat mich sehr gefreut, all die Köstlichkeiten genießen zu dürfen.

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Veröffentlicht am 17.02.2024

Tristesse

Krummes Holz
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Nach Jahren kehrt der mittlerweile 19jährige Jirka zurück auf den elterlichen Hof. Bald nach seiner Ankunft beobachtet er, wie aus einer Unterhaltung zwischen Malene, seiner Schwester und Leander, dem ...

Nach Jahren kehrt der mittlerweile 19jährige Jirka zurück auf den elterlichen Hof. Bald nach seiner Ankunft beobachtet er, wie aus einer Unterhaltung zwischen Malene, seiner Schwester und Leander, dem Sohn des ehemaligen Verwalters, Streit entbrennt. „Vielleicht ist das der Moment, in dem meine Schwester erfährt, dass Leander mich wenige Stunden zuvor auf der Straße aufgelesen hat.“ Denn keiner erwartet ihn, keiner heißt ihn willkommen. Im Gegenteil, ihm begegnen Kälte und Schweigen seitens seiner Schwester und seine demente Großmutter erkennt ihn nicht mehr. Lediglich Leander redet mit ihm. Hätte er nicht herkommen sollen?

Er liegt in seinem ehemaligen Zimmer auf einer schäbigen Matratze, starrt den brauen Wasserfleck an der Decke an und denkt an früher. Wie Georg, sein Vater, ihn nicht nur einmal im Hundezwinger eingesperrt und Vilém, der Verwalter, ihn immer wieder befreit hat. Er denkt auch an seine früh verstorbene Mutter. Es war eine lieblose Kindheit, eine trostlose Zeit und wie es aussieht, hat sich in dieser Familie nichts verändert.

Julja Linhof hat mit „Krummes Holz“ ihren Debütroman vorgelegt und wie sie selbst ausführt, muss aus einem krummen Holz nicht zwangsläufig ein krummes Leben werden. Die Kindheit prägt, das steht außer Frage und auch hier finden sich in den Figuren prägende Eigenheiten, die das weitere Leben beeinflussen, die tief im Inneren verborgen sind.

Nachdem ich mich an das Buch herangetastet und Seite um Seite gelesen habe, mochte sich kein Sog einstellen. Die Tristesse und Düsternis zieht sich durch Jirkas Geschichte, ich hab sie eher als eine episodische Aneinanderreihung empfunden, der Funke mochte nicht überspringen. Es ist wie ein Aufarbeiten der lieblosen Kindheit und ein sich jetzt Hineindrängen in das Leben der Schwester, die nichts von ihm wissen will, denn der Hof ist ihr Zuhause. Man könnte es durchaus als Familiendrama bezeichnen, das von der Gegenwart immer wieder in die Vergangenheit führt mit einem Ende, das sich schon früh ankündigt, das mich aber dennoch nicht gerade versöhnlich zurücklässt.

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Veröffentlicht am 16.02.2024

Ein Fall für Áróra

Blutrot
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„Blutrot“ – ein Island-Krimi - ist der zweite Band der Áróra-Reihe, jeder Band ist in sich abgeschlossen. Schon „Höllenkalt“, der erste Band, hat mich fasziniert. Hier ist die Halbisländerin Áróra von ...

„Blutrot“ – ein Island-Krimi - ist der zweite Band der Áróra-Reihe, jeder Band ist in sich abgeschlossen. Schon „Höllenkalt“, der erste Band, hat mich fasziniert. Hier ist die Halbisländerin Áróra von London nach Island gezogen, um ihre Schwester Ísafold zu suchen. Sie ist nach wie vor verschwunden und auch wenn die beiden nicht unbedingt einen engen Kontakt hatten, treibt es Áróra um, sie lässt nicht locker. Und nun ist wiederum ein Mensch verschwunden.

Von Flosis Frau Gudrun fehlt jede Spur, denn als er heimkommt, findet er am Küchentisch eine Nachricht, die keine Zweifel offen lässt, dass Gudrun entführt wurde. Sollte er nicht innerhalb kürzester Zeit das geforderte Lösegeld auftreiben, ist sie tot. Schaltet er die Polizei ein, ebenfalls. Er muss also einen größeren Geldbetrag auftreiben – ein Fall für Áróra, die als Ermittlerin im Bereich Wirtschaftskriminalität tätig ist. Sie kontaktiert Daniel, ein Freund und Polizist, der sich als solcher nach außen nicht zu erkennen gibt. Daniel unterstützt Áróra weiterhin auch bei der Suche nach ihrer Schwester, nun jedoch steht Gudruns Verschwinden an erster Stelle.

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Flosis Umfeld und auch seine Finanzen werden durchleuchtet, immer mehr Ungereimtheiten kommen ans Tageslicht. Sämtliche Möglichkeiten werden durchdacht und auch so einige verdächtige Personen kristallisieren sich heraus. Neben dem Entführungsfall könnte es um sehr viel mehr gehen - um Geldwäsche etwa, um Steuerhinterziehung und noch so einige kriminelle Machenschaften.

Auch dieser zweite Band fesselt von Anfang an. Der Fall geht in eine zunächst nicht absehbare Richtung, er ist vielschichtig und wendungsreich mit Charakteren, denen man nicht recht trauen mag, die jedoch – jeder für sich - authentisch angelegt sind. Ein wenig Privatleben schimmert auch durch, Áróra und Daniel verstehen sich gut und doch scheint es mit den beiden nicht recht voranzugehen. Um zum Entführungsfall zurückzukommen – er wird aufgeklärt. Letztendlich ist alles in sich schlüssig, auch wenn dies lange nicht sichtbar ist. Und nun heißt es warten auf „Schneeweiß“, den finalen dritten Band.

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Veröffentlicht am 16.02.2024

„Lil the Kill“ oder die Geschichte einer emanzipierten Frau

Lil
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Lillian Cutting ist eine erfolgreiche Frau, die schon als Siebenjährige von ihrem Vater gefördert wird. Er hat ihr Potenzial erkannt - so auch Chev, ihr späterer Ehemann. Nach seinem Tod führte sie, die ...

Lillian Cutting ist eine erfolgreiche Frau, die schon als Siebenjährige von ihrem Vater gefördert wird. Er hat ihr Potenzial erkannt - so auch Chev, ihr späterer Ehemann. Nach seinem Tod führte sie, die Eisenbahnmagnatin, das Finanzgenie, mit Geschick und Spürsinn für alles Geschäftliche das Unternehmen weiter.

Wir sind in New York und schreiben das Jahr 1880. Lillians Erfolg weckt Neider und nicht nur für ihre Konkurrenten ist sie ein rotes Tuch, auch ihr Sohn Robert kann es nicht fassen, dass nicht er als „natürlicher“ Nachfolger seines Vaters an der Firmenspitze steht. Denn dieser hat vorausschauend Lillians Position testamentarisch gesichert. Ein durchaus nachvollziehbarer Schritt, denn Robert ist eher einer, der sich und die Bank, in die ihn einst sein Vater eingekauft hat, nur durch die ständigen Finanzspritzen seines Vaters ganz oben halten kann. Und so ersinnt er mit seinem Freund Doktor Matthew Fairwell, der das Sanatorium Hops Island führt, einen teuflischen Plan. Hops Island ist im landläufigen Sinne eine Nervenheilanstalt, Lillian bezeichnet sie als Irrenkolonie und genau dahin lockt Robert seine Mutter.

Markus Gasser ist eine gar furiose Geschichte um eine emanzipierte Frau gelungen. Eigentlich sind es zwei Frauenfiguren, die unerschrocken ihren Weg gehen, damals ganz unüblich und von der feinen Gesellschaft so gar nicht toleriert. Eine Frau hatte in erster Linie Ehefrau und Mutter zu sein, sie hatte repräsentative Aufgaben, die „Erlauchten Vierhundert“ gaben den Ton an. Gasser versteht es aufs trefflichste, die Empfindlichkeiten der New Yorker Upper Class zu skizzieren. Die Unterdrückung der Frau, einhergehend mit der Emporhebung des Patriarchats, scheint die einzig wahre Gesellschaftsordnung zu sein. Und Fairwell seinerseits sieht sich als einen Chirurgen des Geistes, er gibt eine verstörende Beschreibung seines Frauenbildes wieder.

Alles beginnt mit Sarah, die mit Miss Brontë, ihrer Dobermann-Hündin, Lillians Geschichte erzählt. Ihr Dialog mutet zunächst ein wenig befremdlich an, was sich aber alsbald ins Gegenteil verkehrt. Lillian, kurz Lil genannt, ist Sarahs Großmutter - mit einem vierfachen „Ur“ vorneweg. Auslöser für diese spannende Erzählung ist ein Brief vom April 1880, der nie abgeschickt und jetzt beim Ausräumen der einstigen Nervenklinik gefunden wird. Und so kommt die Geschichte ins Rollen, die tragisch ist, aber nicht nur. Die die höhere Gesellschaft Manhattans nicht gut aussehen lässt, die jedoch nicht mit der Stärke einer unerschrockenen Frau rechnet. Ein außergewöhnlicher, ein lesenswerter Roman, der fesselt von der ersten bis zur letzten Seite.

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Veröffentlicht am 14.02.2024

„Was in jener Nacht geschah…“

Notizen zu einer Hinrichtung
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…und davor und danach - davon erzählt Danya Kukafka. Da sind wir schon mittendrin, aber beginnen wir von vorne, ab der Geburt des kleinen Jungen - Ansel Packer. Seine Mutter ist blutjung und unerfahren, ...

…und davor und danach - davon erzählt Danya Kukafka. Da sind wir schon mittendrin, aber beginnen wir von vorne, ab der Geburt des kleinen Jungen - Ansel Packer. Seine Mutter ist blutjung und unerfahren, sein Vater ein jähzorniger Mensch, man könnte ihn ohne Weiteres als gewalttätig bezeichnen. Bis zu seinem vierten Lebensjahr lebt der Junge in einem abgeschiedenen Hof. Er kennt sich gut aus im Wald und spürt nur allzu häufig des Vaters Zorn. Ein Geschwisterchen wird geboren, es ist noch namenlos, es ist ganz einfach Baby Packer. Als dann Vater wieder mal ausrastet, ersinnt Mutter eine Möglichkeit, die Kinder vor ihm zu schützen.

Es ist die Geschichte eines Serienmörders, der mich in seinen Bann zieht und mich zugleich abstößt und gleichzeitig und vor allem sind es jene Geschichten der Mutter, einer Schwester und einer Kommissarin. Aus mehreren Perspektiven legt die Autorin ein erschütterndes Zeugnis eines verirrten Geistes ab, der seine Hinrichtung erwartet, diese aber meint, doch noch umgehen zu können. Er ist angezählt, es sind noch zwölf Stunden bis zur Stunde Null. Dabei lässt er die vergangenen Jahre Revue passieren. Es ist ein eindringliches Zeugnis eines Lebens geworden, das – hätte es einen besseren Start gehabt – vielleicht ganz anders verlaufen wäre. Zumindest drängen sich diese Gedanken auf, während die Frauen, die in seinem Leben eine entscheidende Rolle spielen, immer deutlicher zum Vorschein kommen.

„Es gibt Gut, und es gibt Böse, diese Gegensätze existieren in jedem Menschen.“ Nur manchmal gerät so einiges in Schieflage.

Die „Notizen zu einer Hinrichtung“ sind ganz einfach grandios. Es ist so viel mehr, als der Klappentext verrät. Der Erzählstil ist meisterlich, er bietet alles, lässt tief blicken und drängt etappenweise vorwärts. Kein herkömmlicher Thriller, blutig und actionreich – nein, das hat dieses so eindringlich dargebotene Buch nicht nötig. Jede Berührung, jeden Gesichtsausdruck, jedes Gefühlschaos spürt man direkt, man kann sich dem nicht entziehen.

Auch das Cover spricht Bände. Es hat mich zunächst nicht so recht angesprochen und doch auf eigentümliche Weise angezogen. Und ja, auch der Fuchs gehört hier dazu, das Gesamtbild ist in sich stimmig wie das ganze Buch, das ich am Stück verschlungen habe.

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