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Veröffentlicht am 10.12.2020

Seele besänftigen durch Naturbeobachtung

Bird Therapy
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Der Autor Joe Harkness kämpft jahrelang mit seinen schweren Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen. Diese Darstellung seiner psychischen Leiden fand ich sehr berührend. Seine Krankheit führt nach vielen ...

Der Autor Joe Harkness kämpft jahrelang mit seinen schweren Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen. Diese Darstellung seiner psychischen Leiden fand ich sehr berührend. Seine Krankheit führt nach vielen Tiefs am Schluss zu einem völligen Zusammenbruch. Harkness muss starke Medikamente nehmen, die ihn aus der Dunkelheit holen, wird durch Psychotherapie und Achtsamkeitsübungen wieder auf die Beine gestellt. Doch wirklich stabilisiert und neue Lebenskraft gegeben hat ihn etwas ganz Anderes: Das Beobachten der Vögel. Die Schönheit und Einzigartigkeit der Tiere berührt ihn ganz tief, schließt ihn wieder an den Kreislauf des Lebens. Es ist eine Therapie, die zu echter Selbstakzeptanz und sogar Heilung führt.
Der Autor Joe Harkness berichtet über knapp 300 Seiten und in 13 Kapiteln von seinen eigenen Erfahrungen und gibt LeserInnen zugleich einen Leitfaden mit. Das Buch gibt dazu viele praktische Tipps.
Da auch ich Vögel sehr liebe und sie im Garten mit allerlei Futter- und Wasserstellen, Hecken und Beerenbäumen unterstütze, erschien mir dieses Buch nicht langatmig. Es ist ein ruhiges und beruhigendes Buch.
Bird Watching betreibe auch ich jeden Tag, natürlich nicht in der Intensität wie der Autor. Es ist eine Freude, die Tiere zu beobachten, etwa, wenn sie in der Wasserstelle genüsslich baden.
Die Beschreibungen der psychischen Leiden im Buch haben mir außerdem geholfen, diese belastenden Krankheiten besser zu verstehen. Ich halte das Buch für relevant, da es tatsächlich bis heute sehr schwierig ist, schwere Depressionen erfolgreich zu behandeln. Darum kann die Bird Therapy und Naturbeobachtung ein wichtiger helfender Ansatz sein, den der Betreffende zudem eigenständig durchführen kann.

Optisch ein sehr schönes gebundenes Buch mit gelber Cover und schwarzem Eindruck von einem fliegenden Menschen inmitten von Vögeln. Im Innenteil ist vor jedem Kapitel stehen sehr gelungene Vogelportraits. Sehr schön!

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Veröffentlicht am 02.11.2020

Japanische Kultur: Höflichkeit steht ganz oben

Der Maler der fließenden Welt
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Das Buch „Der Maler der fließenden Welt“ von Kazuo Ishiguro schildert die gesellschaftlichen Umbrüche in Japan vor, mitten und nach dem 2. Weltkrieg. Hauptperson ist der alternde Maler Masuji Ono, der ...

Das Buch „Der Maler der fließenden Welt“ von Kazuo Ishiguro schildert die gesellschaftlichen Umbrüche in Japan vor, mitten und nach dem 2. Weltkrieg. Hauptperson ist der alternde Maler Masuji Ono, der seine Kunst in den 30. und 40er Jahren im 20. Jahrhundert in den Dienst der japanischen Expansionspolitik gestellt und offiziell unterstützt hat. Nach dem verlorenen Krieg mit seinen katastrophalen Folgen für Japan ist der damalige Patriotismus verpönt und wird insbesondere von der jungen Generation zunehmender offener kritisiert. Doch die ausgeprägte Höflichkeit in der japanischen Gesellschaft verhindert offene Worte. Die jungen Menschen fühlen sich geopfert, im Krieg verheizt, während die Verantwortlichen sich oft schadlos gerettet haben. Auch Masuji Ono ist ohne negative Konsequenzen in die Nachkriegsjahre gewandert. Doch welche Schuld trägt er? Die Frage taucht auf, als seine zweite, schon etwas ältere Tochter heiraten will. Doch die geplante Heirat scheitert, wird von der Familie des Mannes aufgehoben, was beunruhigend und unverständlich ist. Ob es mit der politischen Vergangenheit des Vaters zusammenhängt, die zur Belastung für die ganze Familie geworden wird? In einem Gespräch mit dem vermeintlichen Schwiegersohn etwa kommt zur Sprache, dass sich ein ehemaliger Kriegstreiber das Leben genommen hat, um seine Familie zu entlasten. Soll das eine Botschaft oder gar eine versteckte Aufforderung zum Selbstmord für Masuji Ono sein, um den Weg für seine Tochter frei zu machen?
Es kommt zu einer meisterhaft erzählten Lebensbeichte über persönliche Schuld, Irrtum und Verblendung. Das Ende des Buches fand ich nicht ganz überzeugend, ohne dass ich etwas verraten will. Am Ende fragte ich mich: Habe ich mich geirrt? Was haben seine Töchter von ihrem Vater wirklich gefordert?
Das Buch lässt die Kultur Japans in der Nachkriegszeit mit vielen Bildern aufleben, das Zusammenleben der Generationen und den Umbruch der japanischen Gesellschaft, die um eine neue Lebensweise ringt.

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Veröffentlicht am 28.09.2020

Mit Wut im Bauch geschrieben

Schäfchen im Trockenen
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Resi, die Hauptakteurin, ist Schriftstellerin und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihr Büro befindet sich in der kleinen, viel zu engen Wohnung; ein Zwei-Quadratmeter-Verschlag neben der Küche.
Zusammen ...

Resi, die Hauptakteurin, ist Schriftstellerin und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihr Büro befindet sich in der kleinen, viel zu engen Wohnung; ein Zwei-Quadratmeter-Verschlag neben der Küche.
Zusammen mit ihren Schulfreunden ist Resi vor vielen Jahren mit einem Koffer voller Träume nach Berlin gezogen. Resi stammt aus einfachen Verhältnissen, ihre Freunde nicht – aber das spielt scheinbar lange Zeit gar keine Rolle. Geld, Kapital oder Immobilien, nein, das lehnen die selbst ernannten Linksliberalen zunächst ab. Resi glaubt diese Lebenslüge ihrer Clique.
Aber Zeiten ändern sich: Mit den Jahren stellt sich eine Midlife-Crisis ein. Wie will man leben? Ja, jetzt zeigt sich die gesellschaftliche und soziale Herkunft. Resi hat nichts im Rücken, ihr ehemaliger Freund stammt hingegen aus reichem Elternhaus und ihre Freundin hat wohl nicht ganz zufällig einen wohlhabenden Arzt als Ehemann auserkoren.
Den Prenzlauer Berg, einst heruntergekommenes, aber kreatives Viertel vor dem Mauerfall, haben mittlerweile gutverdienende Hipster entdeckt, die die Mieten in die Höhe treiben und für Menschen wie Resi unerreichbar machen.
Von den linken Träumen und den politischen Ansprüchen bleibt nur eine Lebenslüge. Gerne nehmen sie das Erbe und das Geld ihrer Familien entgegen Resi beschreibt dieses wohlstandverwahrloste Milieu in einem Roman schonungslos, der Aufsehen erregt. Ihre Kumpel erkennen sich und fühlen sich bloßgestellt. Resi wird für diese schonungslose Darstellung bestraft. Als Nestbeschmutzerin kündigt ihr einstiger Kumpel ihrer sechsköpfigen Familie eingeschnappt den Untermietvertrag. Zum Schluss bleibt Resi konsequenterweise nur der Umzug an den Stadtrand, Prenzlauer Berg ist für nicht mehr finanzierbar. Ihre Freunde hingegen haben ihre Schäfchen längst ins Trockene gebracht. Sie leben in komfortablen Baugruppen-Eigenheimen ihr selbstverliebtes Hipsterleben im Szeneviertel selbstgefällig weiter und lügen sich in die Tasche mit ihrer ach so liberalen Gesinnung im gemachten Nest.

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