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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.08.2022

Faszinierendes Debüt!

Snowflake
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Debbie wächst auf einem Bauernhof in Irland auf, zwischen einem liebevollen, aber alkoholabhängigen Onkel und einer psychisch kranken Mutter. Mit 18 bekommt sie einen Studienplatz am TrinityCollege in ...

Debbie wächst auf einem Bauernhof in Irland auf, zwischen einem liebevollen, aber alkoholabhängigen Onkel und einer psychisch kranken Mutter. Mit 18 bekommt sie einen Studienplatz am TrinityCollege in Dublin, kann sich aber auf den notwendigen Abnabelungsprozess nicht wirklich einlassen. Sie pendelt zwischen dem Bauernhof und Dublin, zwischen ihrer Familie und ihrer Zukunft.
Dieses Buch ist zwar gut zu lesen, aber manches Mal schwer zu verdauen. Der Zusammenbruch der Mutter, der Selbstmordversuch des Onkels, Debbies unkontrollierte, alkoholgeschwängerte One-Night-Stands – das sind Szenen, die mir nachhängen. Ich bin selber mit 19 vom Dorf zum Studium in die Großstadt gezogen und weiß, dass das einiges an Umstellung und Anpassung abverlangt.
Debbie ist eine einsame junge Frau, die fast krankhaft schüchtern ist und sich regelmäßig auf Toiletten vor der Welt versteckt, aber am College lernt sie langsam, Beziehungen nicht nur in ihrem Kopf zu führen, sondern sich auf die Welt und die Menschen einzulassen. Ich habe sie sehr gern auf ihrem Weg begleitet und was ich aus diesem Roman mitnehme, ist die Erkenntnis, dass Menschen (auch mit psychischen Problemen) viel stärker sind, als die Welt und sie selbst glauben!

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Veröffentlicht am 31.07.2022

Intensiv und aufwühlend!

Der Geruch von Wut
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Nachdem Alex bei einem Autounfall seinen Vater verliert und selber wochenlang im Koma liegt, will er in seiner Wut und Trauer den Unfallverursacher finden und sich rächen. Um Hilfe bei der Suche zu bekommen, ...

Nachdem Alex bei einem Autounfall seinen Vater verliert und selber wochenlang im Koma liegt, will er in seiner Wut und Trauer den Unfallverursacher finden und sich rächen. Um Hilfe bei der Suche zu bekommen, schließt er sich den „Black Boys“ an, einer faschistischen Jugendgruppe, die sich Gewalt und Terror gegen Migranten verschrieben hat. Als Alex einsieht, dass er seine Trauer nicht mit Gewalt gegen andere betäuben kann, wird er beim Versuch auszusteigen, selber schwer verletzt.
Eine sehr intensive, aufwühlende Geschichte, Alex‘ Wut und Trauer, aber auch seine Liebe zu seiner ebenfalls traumatisierten Mutter sind sehr greifbar beschrieben. Kurze Kapitel, präzise, schonungslose Beschreibungen, kein erhobener, moralischer Zeigefinger – das zeichnet dieses Buch aus. Am Ende steht die Einsicht, dass man manchmal falsche Entscheidungen trifft und mit den Konsequenzen leben muss, aber eben trotzdem weiterleben kann. Und zum Glück hat dieses Buch kein rosarotes Happy-End, sonder ein überraschendes, unerwartetes Ende, das dem Buch den letzten Schliff gibt. Für mich eine volle Empfehlung wert!

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Veröffentlicht am 27.07.2022

Guter Krimi mit schrägem Humor

Richter morden besser
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Richter Buckmann macht schon lange Dienst nach Vorschrift – Bürokratie und das lasche Justizsystem haben seinen Idealismus schon vor langer Zeit zerstört. Doch dann stirbt ein Obdachloser an einer Überdosis, ...

Richter Buckmann macht schon lange Dienst nach Vorschrift – Bürokratie und das lasche Justizsystem haben seinen Idealismus schon vor langer Zeit zerstört. Doch dann stirbt ein Obdachloser an einer Überdosis, mit dem Buckmann eine persönliche Verbindung hatte. Er beginnt, sich in den Fall einzumischen und legt sich mit einem gewalttätigen Drogenboss an, die Situation eskaliert, aber Buckmann weiß: Richter morden grundsätzlich nicht…
Wer ein Buch sucht mit etwas schrägem Humor, bei dem man beim Lesen manchmal richtig fies grinsen muss, der ist hier genau richtig! Siggi Buckmann ist ein Schlitzohr, das unter jeder Menge Zynismus seine Werte wiederentdeckt und eine ziemlich individuelle Lösung für sein Problem findet… Sehr amüsant zu lesen, auch spannend, aber ebenso erschreckend, wenn man bedenkt, dass Thorsten Schleif selber Richter ist - das Justizsystem, das er beschreibt, wirkt mehr als marode! Wobei ich die moralische Frage, die hinter dem Buch steckt, schon interessant finde: Gibt es eine Rechtfertigung für Mord? Wie „schlecht“ muss ein Mensch sein, damit man ihn umbringen „darf“?
Der Schluss des Buchs lässt jedenfalls vermuten, dass es noch einen zweiten Band geben wird, auf den ich mich jetzt schon freue. Und für „Richter morden besser“ gilt: volle Empfehlung!

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Veröffentlicht am 12.07.2022

Lebensbeichte einer starken und unabhängigen Frau

Die karierten Mädchen
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Klara, 91 und blind, spürt, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt, ihrer Familie von ihrer Vergangenheit zu erzählen. Indem sie Kassetten bespricht, erlebt sie noch einmal, wie sie als junge Frau in den ...

Klara, 91 und blind, spürt, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt, ihrer Familie von ihrer Vergangenheit zu erzählen. Indem sie Kassetten bespricht, erlebt sie noch einmal, wie sie als junge Frau in den 1930ern die Leitung eines Kinderheims übernimmt. Um die Finanzierung des Heims zu sichern, muss sie gemeinsame Sache mit den Nationalsozialisten machen, zumal sie heimlich eine jüdische Waise als Ziehkind aufgenommen hat. Im Inneren jedoch verabscheut sie die menschenverachtenden, frauenfeindlichen Ansichten des Hitlerregimes.

Alexa Hennig von Lange verarbeitet in diesem Buch das Schicksal ihrer eigenen Großmutter, die wie Klara in hohem Alter ihre Erinnerungen auf Kassetten aufgenommen hat. Das und der packende Erzählstil machen dieses Buch für mich zu einem sehr lebendigen, wahrhaftigen Bericht über das Leben während der NS-Zeit. Ich konnte mich problemlos in den Zwiespalt hineindenken, in dem viele Menschen damals lebten: Einerseits der Drang nach Freiheit und Menschlichkeit, andererseits die Notwendigkeit den Lebensunterhalt zu sichern und sich und seine Familie zu schützen.
Besonders bewegend fand ich die Beschreibung der Reichspogromnacht, die Klara und ihr Verlobter Gustav in Goslar miterleben, das Leid der Juden, aber auch die Scham der Menschen, die zusehen, aber nicht eingreifen können.
Es ist der erste Teil der Lebensbeichte einer sehr starken und unabhängigen Frau, ich freue mich schon auf die nächsten Bände!

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Veröffentlicht am 09.07.2022

Feinfühliges Buch über eine Frau auf der Suche

Freizeit
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Nach zwei Jahren und einer Trennung kehrt Franziska aus Frankreich zurück nach Deutschland. Von außen betrachtet geht es ihr gut, sie hat einen interessanten Beruf, ein paar gute Freunde, verdient genug ...

Nach zwei Jahren und einer Trennung kehrt Franziska aus Frankreich zurück nach Deutschland. Von außen betrachtet geht es ihr gut, sie hat einen interessanten Beruf, ein paar gute Freunde, verdient genug Geld, um sich keine Sorgen machen zu müssen. Aber ihr fehlt etwas, sie scheint nicht mehr richtig in dieses Leben zu passen. Franziska verliert sich in der SocialMediaWelt, füttert ihren InstagramAccount, folgt täglich einem Vlog (Blog in Form eines Videos, danke Google! ) auf Youtube, trifft ihre Freunde in hippen Cafés, schreibt an einem Roman. In Rückblicken erfahren wir mehr über ihr Leben, Beziehung, Freundschaften, Partys, aber immer wirkt sie eher wie eine Beobachterin und hält die Menschen auf Distanz.
Titel und Cover des Buches sind leider etwas irreführend, dies ist kein lockerer Sommerroman mit Freibad und Urlaubsliebe. Zum Glück, denn Kaspari hat ein sehr feinfühliges Buch über eine junge Frau auf der Suche geschrieben. Mich hat an Franziska fasziniert, dass sie einerseits in ihrer eher oberflächlichen SocialMediaWelt lebt, aber sich andererseits nicht blenden lässt von authentisch wirkenden Instafeeds, engagierten politischen Diskussionen oder „nachhaltigen LifestyleChoices“, sie sieht die Menschen dahinter, ihre Unsicherheit, Verletzlichkeit, auch die kleinen und großen Lügen, mit denen sie ihren wahren Gefühle verbergen. Sie hat ein reiches Gefühlsleben, aber redet selten über ihre Gefühle und bleibt im falschen Moment stumm, was sie schnell kalt und unnahbar wirken lässt.
Ein Buch, bei dem man, genau wie bei Franziska, unter die Oberfläche sehen muss, ein Blick auf eine Generation, der hinter der Selbstdarstellung die Orientierung zu fehlen scheint. Für mich ehrlich gesagt ein Blick in eine andere Welt, ich gehe nicht so selbstverständlich mit Insta, Google und Youtube um wie Franziska, aber gerade deshalb faszinierend!

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