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Marakkaram

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.04.2019

schöne Geschichte, die leider etwas oberflächlich bleibt

Vom Himmel zum Meer
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>> Mit einem Seufzer blickte Agnes zum Herd, der mit seinen zwei Kochstellen eher kärglich war. Wie sie damit dreizehn Menschen bekochen sollte, war ihr noch schleierhaft. Aber bis heute Mittag würde ...

>> Mit einem Seufzer blickte Agnes zum Herd, der mit seinen zwei Kochstellen eher kärglich war. Wie sie damit dreizehn Menschen bekochen sollte, war ihr noch schleierhaft. Aber bis heute Mittag würde ihr schon etwas einfallen, irgendeine Idee war bisher schließlich immer aus ihrem Kopf gepurzelt. >>

Kochen und Backen, das sind die großen Leidenschaften von Agnes, die mit 5 Jahren in dem Waisenhaus von Pfarrer Wieland, in Straßburg ein neues Zuhause gefunden hat. Doch nun ist sie volljährig und tritt ihren Job als Gesellschafterin einer Pfarrerswitwe in Hamburg an. Tilly Bevenkamp arbeitet in einem Waisenhaus und so fällt Agnes der Abschied aus Straßburg nicht allzu schwer. Aber Tilly scheint sie gar nicht zu erwarten und ist nicht nur wenig begeistert von ihrem Auftauchen, sie ignoriert Agnes vollständig. Doch dann bricht die Cholera in der Stadt aus und sie flüchten mit einem Großteil der Kinder an die Ostsee, wo Tilly´s Elternhaus, eine kleine Kate an der Küste, steht.

Kochen, Backen, ein altes Herrenhaus an der Ostseeküste und das alles in der Zeit um 1892... Traumzutaten! Ich habe mich unheimlich auf den Roman von Lisa Marcks gefreut. Doch so ganz konnte er meine Erwartungen nicht erfüllen - es wurde vieles nur oberflächlich abgehandelt und hatte dadurch wenig Tiefgang.

Das Hauptthema, das sich durch das Buch zieht, ist "starke, unabhängige Frauen", das hat mir sehr gefallen, nur die Umsetzung fand ich oftmals weniger gelungen. Mir fehlte die tiefere Auseinandersetzung mit der Thematik. Tilly ist traumatisiert, Agnes baut sich als Strandverkäuferin eine Grundlage auf; quasi aus dem Nichts, in einer klitzekleinen alten Kate und 11 Kindern, die auch versorgt werden wollen. Das lief mir, wie alles weitere, viel zu smooth. Es war alles vorhanden, von Gewürzen bis hin zum Nähgarn, niemand litt je Hunger, es wurde sogar noch ständig gereist - selbst ein Waisenhaus incl. Kinder, was ich mir in der Zeit schwerlich vorstellen kann und dann noch just for fun....
Ja, es sind Kleinigkeiten, aber sie haben sich summiert und irgendwann hat es mich dann einfach gestört. Vieles war schlicht zu konstruiert.

Auch gab es wenige Gespräche zwischen Agnes und Tilly oder tiefergehende Gedankengänge von Agnes, so dass ich emotional die meiste Zeit gefühlt außen vor blieb.
D ie Nebencharaktere waren großartig, die teils verschrobene Dorfgemeinschaft, die durch dick und dünn geht, Agnes Verhandlungspartner auf dem Lübecker Markt... alles Charakterköpfe. Das sind die Hauptprotagonisten auch, nur fehlte mir da die Tiefe, die ein Nebenprota nicht unbedingt braucht.

Die Geschichte an sich gefällt und auch der Schreibstil von Lisa Marcks; sehr bildhaft und lebendig. Man hatte Agnes Backverführungen direkt in der Nase und es lief mir so manches Mal das Wasser im Mund zusammen. Schade, dass es keine Rezepte im Anhang gibt.

Fazit: Ein netter Roman über starke Frauen, die ihren Weg gehen - der aber durch seine Oberflächlichkeit recht durchschnittlich bleibt und mir deswegen auch wohl nicht sehr lange im Gedächtnis.

Veröffentlicht am 02.04.2019

emotionale Familiengeschichte und ein dunkles Geheimnis

Die Wildrosentöchter
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>> Die Erinnerung konnte ein perfider Feind sein, der einen von hinten überfiel, sich in die Stille des Schmerzes schlich und ihn verstärkte, wenn man am empfindlichsten war, dachte ich. >>

Ein Jahr ...

>> Die Erinnerung konnte ein perfider Feind sein, der einen von hinten überfiel, sich in die Stille des Schmerzes schlich und ihn verstärkte, wenn man am empfindlichsten war, dachte ich. >>

Ein Jahr ist es jetzt her, seit ihr Mann verstorben und sie und ihre kleine Tochter Aurelia zurückgelassen hat. Cassandra glaubt diesen Verlust nie überwinden zu können, denn Lorenzo war ihre große Liebe. Dennoch beginnt sie langsam nach vorn zu schauen, schon allein für Aurelia. Als Erstes versucht sie den uralten Weinstock und die Rose, die Lorenzo sehr viel bedeutet haben, wiederzubeleben. Und stösst dabei auf eine vergrabene Box mit alten Flucht-Unterlagen und einem Liebesbrief aus dem Jahr 1944. Aber wer war diese junge Frau und was ist damals geschehen....

Wow, Valentina Cebeni hat eine unheimlich emotionale Art ihre Geschichte zu erzählen, die irgendwie ganz tief unter die Haut kriecht, ohne das man es mitbekommt und dabei so völlig authentisch bleibt. Da mag gleich jeder kitschig denken, aber weit gefehlt, absolut kitschfrei.

Cassandra, Enea und Aurelia sind toll ausgearbeitete Charaktere. Sympathisch, sehr menschlich, mit Macken und mal schlechter Laune, schlichtweg aus dem Leben gegriffen und keine Stereotypen. Man hat Zugang zu ihnen, kann ihr Denken und ihre Handlungen nachvollziehen. Und man sieht, wie grade Cassandra und ihre Tochter sich weiterentwickeln und zwar in einem sehr realistischen Maße. Das hat mir gut gefallen. Auch die Nebenfiguren, hier nicht immer alle sympathisch, sind klasse und glaubwürdig

Der Roman bleibt komplett auf einer Zeitebene und ist in Ich-Form geschrieben. Es geht zwar auch um Anita und Hendriks Geschichte, doch die wird durch Cassandra (und Enea) aufgedeckt und erzählt.
Und das in einem Schreibstil, der nicht nur emotional, sondern auch unheimlich lebendig und bildhaft ist. Valentina Cebeni hat einen traumhaften Schauplatz gewählt und zieht den Leser buchstäblich hinein in die Toskana, auf das malerische Weingut und tief in die Gewölbe... Man kann die Frostfeuer riechen und die Verzweiflung spüren. Es geht um Geheimnisse der Vergangenheit, Liebe, Hass, Verlust, Vergebung und Neubeginn.

Fazit: Mich haben die Wildrosentöchter begeistert. Ein wunderschöner Familienroman, der einen in die Toskanischen Weinberge entführt.
Mein Lesehighlight und ganz klare Leseempfehlung!
"Das Blütenmädchen" von Valentina Cebeni liegt schon bereit und wartet nur darauf genauso verschlungen zu werden.

>> Es sind die kleinen Dinge, die Gewohnheiten, die einem absurderweise am Meisten fehlen. >>

Veröffentlicht am 31.03.2019

Ein Kater mit einer Mission

Eine Samtpfote zum Verlieben
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"Er landete auf etwas, das perfekt war, um es Jamie mitzubringen. Mit anregenden Düften gesättigt, verströmte es unter anderem den Geruch nach Einsamkeit. Jamie würde sofort wissen, dass es von einem ...

"Er landete auf etwas, das perfekt war, um es Jamie mitzubringen. Mit anregenden Düften gesättigt, verströmte es unter anderem den Geruch nach Einsamkeit. Jamie würde sofort wissen, dass es von einem Menschen stammte, der wie sie auf der Suche nach einem Gefährten war."

Ein Jahr Auszeit in einem gemütlichen Stadtteil von Los Angeles, ein Jahr ohne Männer, in dem Jamie für sich herausfinden will, was ihr Spaß macht und wie es beruflich für sie weitergehen soll.
Doch ihr Kater MacGyver hat da ganz andere Pläne. Er merkt, dass sein Frauchen, wie so viele Menschen heutzutage, einen Geruch von Einsamkeit verströmt und beschliesst ihr einen Gefährten zu suchen.
Dumm nur, dass Jamie keine Katzennase hat und mit seinen in nächtlichen Raubzügen erbeuteten Schätzen, so gar nichts anzufangen weiß....

Ein herrlich romantischer Wohlfühlroman über einen Kater und seine Mission die Menschen in seinem Umfeld zusammenzubringen und glücklich zu machen.

Letzteres ist Melinda Metz mit MacGyver und Co. bei mir vollends gelungen. Ich habe seine Streifzüge und Gedankengänge genossen. Die Autorin lässt ihre Geschichte zwar größtenteils von Jamie erzählen, aber der pfiffige Kater kommt auch immer wieder in kurzen eigenen Kapiteln zu Wort und das ist sehr amüsant - ohne drüber oder kitschig zu sein.

Die Charaktere sind sympathisch und sehr authentisch, Jamie und David sind wie aus dem Leben gegriffen und die Nachbarn herrlich kleinstadtmässig eigenbrötlerisch, neugierig und ein wenig skurril und auch hier erkennt man die Eigenschaften seiner Nächsten (vielleicht etwas überzogen) wieder.

Von diesem Charme lebt der Roman.
Melinda Metz beschreibt Menschen und auch die Umgebung sehr bildhaft und lebendig. Man hat das Gefühl Storybook Court genau zu kennen.
Die romantische Liebesgeschichte hat am Ende mehr Tiefe als erwartet und bleibt trotzdem immer federleicht und sehr unterhaltsam. Die richtig tiefen Emotionen bleiben dadurch zwar aus, aber es muss ja auch nicht immer Drama sein.

Fazit: Ein wunderschöner Roman für ein paar entspannte Lesestunden, der sich leicht liest und dessen Hauptakteur sich auch nicht Katzenliebhabern ins Herz schleichen wird.

Veröffentlicht am 29.03.2019

warmherziger Romann über Freundschaft und das Leben

Sommer bei Gesomina
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"Jona, das Leben geht weiter", sagte sie leise. "Man muss da einmal durch, aber nicht immer wieder, verstehst du?"

Man kennt sich, in der kleinen Berliner Straße, in der Gesomina jetzt seit vier Jahrzehnten ...

"Jona, das Leben geht weiter", sagte sie leise. "Man muss da einmal durch, aber nicht immer wieder, verstehst du?"

Man kennt sich, in der kleinen Berliner Straße, in der Gesomina jetzt seit vier Jahrzehnten wohnt, aber doch eher oberflächlich. Und wenn es nach Gesomina ginge, würde das auch so bleiben. Doch dann kommt Jona, ein Zwölfjähriger, der den Sommer lieber bei seinem ehemaligen Kindermädchen verbringt, als mit seiner vielbeschäftigten Mutter in die USA zu reisen.
Für Gesomina gar keine Frage, sie räumt ihr Schlafzimmer in der kleinen Wohnung, verwöhnt ihn mit italienischen Köstlichkeiten und beginnt ein wenig aus ihrer Kindheit in Mogadischu zu erzählen.
Und Jona; der bringt nicht nur Gesominas Leben durcheinander, alss er anfängt nach ihrem Sohn zu suchen, sondern mit seiner Art neuen Schwung in die komplette Nachbarschaft.

Nach Herrn Haiduk ("Herr Haiduks Laden der Wünsche") konnte ich es kaum erwarten Gesomina kennenzulernen und hatte dementsprechend hohe Erwartungen.

Florian Beckerhoff ist auch hier wieder ein tiefsinniger Großstadt-Wohlfühlroman gelungen, der von seinen tollen Charakteren und den kleinen, besonderen Augenblicken lebt.

Allem voran, Gesomina, die kleine resolute Frau aus Mogadischu, die ihr großes, vernarbtes Herz auf dem rechten Fleck trägt und Jona, der sich mit seiner unheimlich offenen, sympathischen und entspannten Art in alle Herzen schleicht.

Aber Florian Beckerhoff, wäre nicht Florian Beckerhoff, wenn nicht auch in seinen Nebenfiguren sehr viel Authentizität, Humor und Liebe zum Detail stecken würde. Er ist einfach ein Menschenkenner und guter Beobachter.
Jede Person hat ihre Geschichte und wo vorher Lethargie und fast schon Resignation herrschte, kommt langsam aber sicher Bewegung. Nicht die Lösung aller Probleme, aber ein Anfang die Dinge anzugehen. Das macht diesen verregneten Sommer in Berlin so herrlich authentisch.

Ich mag den unverkennbaren, federleichten und sehr warmherzigen Schreibstil einfach, mit dem der Autor seine Geschichten erzählt. Und auch "Sommer bei Gesomina" hat mich wieder gefangengenommen.

Veröffentlicht am 28.03.2019

Über die Menschlichkeit...

Der Wal und das Ende der Welt
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>>Als die Helfer am Strand von St. Piran eintrafen, bestand für kurze Zeit die Gefahr, dass die Veranstaltung sich in ein Volksfest verwandeln könnte. Wie durch ein Wunder setzte der Regen aus. Niemand ...

>>Als die Helfer am Strand von St. Piran eintrafen, bestand für kurze Zeit die Gefahr, dass die Veranstaltung sich in ein Volksfest verwandeln könnte. Wie durch ein Wunder setzte der Regen aus. Niemand hatte je zuvor einen Wal gesehen - zumindest nicht aus solcher Nähe -, und niemand wusste so recht, was man tun sollte, genaugenommen nicht einmal, was man versuchen sollte zu tun.>>

Alles beginnt damit, dass ein nackter junger Mann an den Strand des abgelegenen Fischerdorfes St. Piran gespült wird und kurz darauf ein Wal strandet. Mit vereinten Kräften schafft die eingeschworene Dorfgemeinschaft den Wal ins Meer zurück. Doch der angespülte Fremde hat eine Mission. Joe kommt aus der City, aus London, wo er einen Kollaps vorhergesehen hat. Ist die Welt noch zu retten?

Wow, was für ein spannendes und hochbrisantes Thema, dem John Ironmonger sich da annimmt. Nach der Leseprobe hatte ich große Erwartungen an das Buch, eine Geschichte, die man so schnell nicht wieder vergisst.

Die Story an sich ist großartig und macht Mut, dass die Menschheit doch nicht so schlecht ist, wie man immer denkt. Auf weniger Seiten hätte sie mich wahrscheinlich vollständig begeistert. Doch John Ironmonger verliert sich ein wenig in seinem Helden Joe und da wird es langatmig. Ich habe mich den kompletten Mittelteil über gefragt, wo wir jetzt hindriften und ob die Länge und Wiederholungen sein müssen.
Denn obwohl St. Piran ein wundervoll idyllischer Schauplatz ist und die Bewohner großartig, leicht skurril und dennoch sehr authentisch angelegt sind, hat mich das leider ein wenig ausgebremst.
Zum Glück hat der Autor einen schönen flüssigen und bildhaften Schreibstil, so dass die Längen zwar recht angenehm zu lesen waren, mich aber emotional verloren haben.

Das Ende ist Geschmackssache. Mir persönlich vielleicht ein wenig too much und zu viel des Pathos. Denn die Aussage, die John Ironmonger dem Leser vermitteln möchte, wäre auch im Kleinen sehr gut rübergekommen. Dennoch ein sehr schönes Ende, das Mut macht unsere Gesellschaft einmal wieder mit anderen Augen zu betrachten.

Fazit: Im Kern eine großartige Geschichte, die man so schnell nicht vergisst. Schade, dass sie sich manchmal ein wenig verliert und dadurch verwässert.