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Marakkaram

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.09.2018

Doch kein klassischer "Whodunit"

Das Geheimnis der Grays
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Die Uhr schlug vier. Ich schlief ein. Es war der erste Weihnachtstag, mein Plan stand fest, und ich war voller Hoffnung.

Wie in jedem Jahr, trifft sich die komplette Framilie Gray im abgelegenen Landhaus ...

Die Uhr schlug vier. Ich schlief ein. Es war der erste Weihnachtstag, mein Plan stand fest, und ich war voller Hoffnung.

Wie in jedem Jahr, trifft sich die komplette Framilie Gray im abgelegenen Landhaus des ungeliebten Vaters Adrian. An Heiligabend haben sich noch alle wie gewohnt versammelt, doch am nächsten Morgen ist der alte Gray tot. Eins ist klar, einer aus der Familie muss der Täter sein, aber gibt es überhaupt jemanden, der kein Motiv hatte....

~ ~ ~ *

Dies ist bereits der dritte Band der von Klett-Cotta neu aufgelegten, alten, englischen Krimiperlen.

Erwartet habe ich ja einen schönen klassischen Whodunit-Schmöker a la Agatha Christie. Und obwohl Anne Meredith den Vergleich mit der Queen of Crime nicht zu scheuen braucht, war ich dann doch überrascht, was hinter "Das Geheimnis der Grays" steckt. im Original heisst der erstmals 1933 erschienene Roman "Porträt of a Murderer", was es meiner Meinung nach exakt trifft. Denn hier begibt sich nicht der Leser auf Mördersuche, sondern er schaut der Familie dabei zu, ob sie ihn unter sich findet. Uns hat er sich bereits im zweiten Teil offenbart.

Doch das macht es nicht minder spannend. Es geht hier in erster Linie um das Zwischenmenschliche, das Familiengeflecht und die Psyche eines Mörders; es geht um Macht, Ehrgeiz, Spekulationen, Geldgier, Selbstverwirklichung und Anerkennung.

Anne Meredith hat ihre Figuren sehr klassisch und ohne charakterliche Überraschungen angelegt. Trotzdem stellt sich so manches Mal die Frage, wie gewisse Personen sich entscheiden werden. Welche Entscheidung hätte ich selber getroffen?

Und obwohl mir persönlich der Mörder von Anfang an unsympathisch war, hat die Autorin das Ziel den Menschen zu zeigen, indem sie den Leser an seiner Gedankenwelt teilhaben lässt.

Herausgekommen ist ein kurzweiliger Schmöker für die Herbst- und Winterzeit, der geschickt zu unterhalten weiss. Schön, dass der Klett-Cotta Verlag diese alten Krimiperlen noch einmal aufleben lässt.

Veröffentlicht am 14.09.2018

Die Abschlussklasse von 1957

Die Welt war so groß
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Das College war ein Lebensabschnitt, da ging man hin, um was zu lernen, einen Mann zu finden, und dann kehrte man zum Ernst des Lebens zurück.

Erst Zimmernachbarinnen ~ dann Freundinnen
Emily, Daphne, ...

Das College war ein Lebensabschnitt, da ging man hin, um was zu lernen, einen Mann zu finden, und dann kehrte man zum Ernst des Lebens zurück.

Erst Zimmernachbarinnen ~ dann Freundinnen
Emily, Daphne, Annabel und Chris lernen sich gleich in den ersten Tagen auf dem College kennen und obwohl sie unterschiedlicher nicht sein können, werden sie schnell Freundinnen. Doch damals war die Welt für Frauen noch sehr eng. Wer gegen die rigiden Moralvorstellungen verstieß, wurde mit Verachtung und Ausgrenzung bestraft. Auch aus dem Wunsch Ärztin zu werden, machte man ganz schnell ein Sozialkundestudium, mit dem man ja später Teilzeit in der Fürsorge arbeiten könne.
Beim Klassentreffen 20 Jahre später, stellt sich jede die Frage: Habe ich die richtige Entscheidung getroffen? Haben es die Anderen besser gemacht? Es hätte immer auch andere Möglichkeiten gegeben.....

~ ~ ~*

Der Roman, der 2005 verstorbenen Autorin Rona Jaffe, stammt aus dem Jahr 1979 und wurde bereits 1981 unter dem Titel "Die Schulfreundinnen. Ein Klassentreffen nach zwanzig Jahren" veröffentlicht. "Die Welt war so groß" ist allerdings nicht nur ein ansprechenderer, sondern auch sehr viel passenderer Titel, denn das Klassentreffen nimmt nur einen sehr geringen Part am Ende ein.

Rona Jaffe fängt aus meiner Sicht, die Moralvorstellungen der damaligen Zeit und das strenge Korsett der Frau perfekt ein. Dafür hat sie auch ihre Charaktere geschickt gewählt. Mit der Mischung aus liebenswürdig und jüdisch, lebenslustig und draufgängerisch, zurückhaltend und zynisch, bildhübsch und krank, deckt sie bei den Mädels ein genauso breites Spektrum ab, wie bei den Jungs. Und das wirkt weder gewollt noch überfrachtet, sondern ganz natürlich.

Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht von Emily, Daphne, Annabel und Chris - sehr flüssig, interessant, aber sprachlich etwas distanziert. Man erfährt viel über ihre Gefühle, Sehnsüchte, Träume und Enttäuschungen, doch so richtig nahe gekommen bin ich keiner.

Dennoch hat mich ihre Geschichte gefesselt - es war wie eine doppelte Zeitreise, in die 50/60iger des Buches und in das Entstehungsjahr, den späten 70igern.

Veröffentlicht am 04.09.2018

Deutsch-Deutsche Familiengeschichte

Kranichland
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Einen Fehler durch eine Lüge zu verdecken, heisst, einen Flecken durch ein Loch zu ersetzen.

Als Johannes Groen nach dem Krieg aus Schlesien fliehen muss, findet er in Rostock eine neue Heimat und in ...

Einen Fehler durch eine Lüge zu verdecken, heisst, einen Flecken durch ein Loch zu ersetzen.

Als Johannes Groen nach dem Krieg aus Schlesien fliehen muss, findet er in Rostock eine neue Heimat und in Elisabeth die Liebe seines Lebens. Gemeinsam ziehen sie nach Ost-Berlin und bekommen 2 Töchter. Doch Johannes arbeitet fieberhaft am Aufbau des Sozialismus mit und merkt dabei gar nicht, wie ihm seine Familie entgleitet. Elisabeth betrügt ihn und seine Jüngste rebelliert offen gegen die DDR. Als sie mit ihrem Freund in den Westen abhauen will, muss Johannes eine folgenschwere Entscheidung treffen, deren Auswirkungen die Familie noch Jahrzehnte verfolgen....

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Ein Roman, der erst auf den zweiten Blick (und Empfehlung) mein Interesse geweckt hat - der mich dafür aber umso positiver überrascht hat. Ich weiss auch gar nicht mehr, warum ich eine ziemlich trockene, sehr politisch ausgerichtete Geschichte erwartet hatte. Selbstverständlich spielt Politik eine wichtige Rolle, aber in erster Linie ist es eine Familiengeschichte. Und die ist großartig erzählt.

Es geht um Liebe, Selbstbetrug, Verzweiflung und Verrat - das Leben in der DDR, die Stasi und die Entscheidungen, die jeder Mensch in jeder Sekunde seines Lebens trifft.

Ich muss zugeben, selten war deutsche Geschichte spannender und interessanter eingebettet als in "Kranichland". Ich habe nebenbei und mit Lesegenuss sehr viel über die damalige Zeit erfahren.

Die Charaktere von Anja Baumheier sind so unheimlich authentisch, dass man das Gefühl hat, exakt so könnte es sich zugetragen haben. Und was mir dabei auch sehr gefallen hat, es gibt in dieser Familienkonstellation kein Gut und wirklich Böse, denn die Autorin schildert so lebendig und menschlich, dass man das Handeln nachvollziehen kann, auch wenn man selber vielleicht einiges anders gemacht hätte.

Ein mehr als gelungenes Debut!

Veröffentlicht am 03.09.2018

Starker Südstaatenroman

Alligatoren
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Ich schließe Mary heute nicht in unserem Zimmer ein. Ich erinnere sie daran, dass sie still sein muss, was albern ist, weil die Stille ja schon in ihr wohnt, aber ich sag`s trotzdem noch mal, weil wir ...

Ich schließe Mary heute nicht in unserem Zimmer ein. Ich erinnere sie daran, dass sie still sein muss, was albern ist, weil die Stille ja schon in ihr wohnt, aber ich sag`s trotzdem noch mal, weil wir das mit Kindern nun mal so machen.

South Carolina 1924

Gertrude, Annie und Oretta, drei starke Frauen mit völlig unterschiedlichem Background, deren Schicksal jedoch eng miteinander verwoben ist.

Gertrude ist eine junge Frau mit 4 Kindern und einem gewaltätigen, saufenden Ehemann. Nach der Baumwollkäferplage steht sie vor dem Nichts und weiß nicht, wie sie ihre Mädchen durchbringen soll.

Annie führt ein wohlbehütetes Leben als Frau des reichsten und damit auch einflussreichsten Farmer der Gegend. Zusammen mit ihrem Sohn betreibt sie eine kleine Näherei in der Frauen der Umgebung Arbeit finden. Doch dann deckt sie ein Geheimnis auf, das ihre Welt vollständig aus den Angeln hebt.

Das Bindeglied bildet Oretta, die farbige Haushälterin mit ihrem unerschütterlichen Glauben, ihrer Bodenständigkeit und Lebenserfahrung.

Deb Spera legt mit ihrem Debut "Alligatoren" einen starken und atmosphärisch unheimlich dichten Südstaatenroman hin, dessen Sog man sich einfach nicht entziehen kann.

Sprachlich absolut ausgefeilt und trotzdem der Thematik angepasst, recht schlicht, fühlte ich mich an "Die Farbe Lila" und "Grüne Tomaten" erinnert. So ein Südstaatenniveau habe ich schon lange nicht mehr gelesen und ich habe jede Zeile genossen.

Auch der Erzählstil hat mir von Anfang an gefallen. Abwechselnd lässt sie die Frauen zu Wort kommen, dabei hat jede ihre unverwechselbare Art zu reden und zu denken.

Deb Speras Schreibstil; ausdrucksstark und eindringlich, beschwört nicht nur lebendige Bilder herauf, er transportiert auch schonungslos Geräusche (wie die tausender Baumwollkäfer), Gerüche und starke Emotionen. Die Autorin fängt diese alte Südstaatenatmosphäre grandios ein. Man wird unwillkürlich hineingesogen in die Zeit der Baumwollplantagen, der Wirtschaftskrise und des Rassismus, man spürt den zehrenden Hunger, die Maden im Körper und hört die Baumwollkäfer zu Tausenden fressen.

Die Charaktere wirken sehr authentisch und menschlich, mit Schwächen aber auch großer innerer Stärke.
Meist ist es ja so, dass einen ein Charakter und seine Geschichte mehr anspricht - hier waren für mich alle gleich stark.

Fazit: Ein großartiger Roman, den man so schnell nicht wieder vergisst. "Alligatoren" ist ein absolutes Lesehighlight und eine ganz klare Empfehlung von mir. Lesen! Lesen! Lesen! Es lohnt sich.

Veröffentlicht am 27.08.2018

Dorfgemeinschaft mit Suchtpotential und Wohlfühlcharme

Redwood Love – Es beginnt mit einem Blick
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Cade beugte sich vor, um ihr ins Ohr zu flüstern. "So haben sie auch Jessica für den Job eingefangen. Ich würde fliehen. Lauf schnell weg. Ganz weit weg." (...) Langsam drehte sich Avery zu Cade um. "Ich ...

Cade beugte sich vor, um ihr ins Ohr zu flüstern. "So haben sie auch Jessica für den Job eingefangen. Ich würde fliehen. Lauf schnell weg. Ganz weit weg." (...) Langsam drehte sich Avery zu Cade um. "Ich bin ihnen direkt in die Falle gelaufen." Er schüttelte den Kopf. "Nach achtundzwanzig Jahren sollte ich eigentlich fähig sein, ihre Machenschaften zu durchschauen. Guck mich nicht so an. Sie sind hinterhältig. Verschlagen. Du warst doch auch dabei."

Neuanfang in Redwood.
Naja, so ganz sicher, ob es das Richtige für sie und ihre autistische Tochter Hailey ist, ist Avery sich anfangs nicht - sehr viel Natur und wenig Menschen. Aber ihre Ehe ist katastrophal gescheitert und ihre Mom besitzt dort ein paar Ferienhäuser, wo könnte sie also besser erstmal zur Ruhe kommen.

Aber das malerische Städtchen hat nicht nur die Stille der Natur zu bieten, sondern auch einen unheimlich attraktiven Tierarzt; Cade O`Grady. Das Avery sich geschworen hat, keinen Mann mehr in ihr Leben zu lassen, stört hier niemanden, sie geben Amors Pfeil ja nur einen kleinen Schubs....

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Ich liebe "Redwood Love"! Titel und Cover sind Programm ~ ein traumhaft romantischer Wohlfühlroman, im Stil von Sarah Morgan, der mich schon ab der ersten Seite hatte.

Redwood Love hat halt alles, was ein guter Liebesroman braucht: tolle Charaktere, sympathisch, unheimlich authentisch und witzig, ein großartiges Setting, Familienbande und Freundschaft.

Kelly Morans Schreibstil ist flüssig, sehr angenehm und typisch für einen Liebesroman dieser Art. Auch, dass die Geschichte nicht vor Sex-Szenen strotzt, hat mir unheimlich gut gefallen, denn dafür knistert es umso mehr.

Avery, Cade und seine Brüder sind trotz des heimeligen Settings schon sehr authentisch und mehr als bodenständig, so dass man ihre Handlungen und Emotionen absolut nachvollziehen kann. Und auch die kleine Hailey wächst einem sofort ans Herz. Und dann gibt es ja auch noch die Einwohner von Redwood insbesondere das Drachentrio, bestehend aus Mutter und Tanten O`Grady, die immer wieder für eine unterhaltsame Idee gut sind. Auch hier, nicht überdreht, sondern eher die Art, über die man gerne schmunzelt, solange sie dich nicht selbst betrifft.

Ja, Redwood Love ist eins dieser Bücher voller Wärme, Zärtlichkeit und Gefühl. Mit einer Kleinstadtidyll-Atmosphäre die einen beim Lesen gefühlt umarmt und man möchte am liebsten sofort die Koffer packen und hinziehen.

Ich jedenfalls hatte nicht die geringste Chance mich seinem Charme zu entziehen und finde es großartig, dass der Rowohl-Verlag alle 3 Teile relativ zeitnah hintereinander rausbringt. Ich glaube, eine lange Wartezeit hätte ich nicht ausgehalten. Ich freue mich unheimlich auf Flynn O`Grade.