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Marakkaram

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.08.2018

Danzig - eine Zeitreise

Wenn wir wieder leben
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Meine Mutter sagt, man muss sich um den Kehlkopf herum eine Grenzlinie ziehen: Augen und Ohren nehmen alles auf, das Gehirn verarbeitet alles, aber der Hals filtert und in die Brust rutscht nichts. Sie ...

Meine Mutter sagt, man muss sich um den Kehlkopf herum eine Grenzlinie ziehen: Augen und Ohren nehmen alles auf, das Gehirn verarbeitet alles, aber der Hals filtert und in die Brust rutscht nichts. Sie hat das in Frankreich gelernt, in ihrer Zeit im Widerstand.

60iger Jahre: Als Wanda an der Uni den resoluten Andras kennenlernt, bringt er sie dazu das Leben ihrer Mutter und deren Schwester zu hinterfragen. Auf welcher Seite haben sie während des Krieges gestanden?

20iger Jahre: Die lebenslustige, quirlige Gundi verbringt schon seit ihrer Kindheit jeden Sommer im Ostseebad Zappot bei Danzig und fühlt sich dort zuhause. Zusammen mit ihren Freunden Julius und Erik und ihrer Schwester Lori verfolgt sie nur einen großen Traum: mit ihrer Musik erfolgreich zu sein und einen großen Hit zu schreiben. Doch der Durchbruch gelingt ihnen erst mit einem "geliehenen" Lied und der Unterstützung der Nazis....

~ ~ ~ *

Eine berührende Geschichte, der es leider an starken, sympathischen Charakteren mangelt.

Der Roman fängt sehr bewegend an, Wanda erinnert sich wie Matti ihr als Kind das Lebensband geschenkt hat, denn beim Spielen hat ihr das Tot-sein unheimliche Angst gemacht. Dieses Band soll sie immer daran erinnern am Leben zu sein.

Als ich diesen Auszug las, war ich schon hin und weg.

Leider ging es nicht so weiter, denn die Geschichte um die junge Gundi und ihre Freunde im Danzig der 20iger Jahre, hat mich nicht erreicht. Mir war und blieb Gundi durchweg unsympathisch. Ein sehr schwacher, oberflächlicher Charakter. Selbstbezogen kreist alles immer nur um sie, die Gefühle anderer, incl. ihrer Schwester und ihres Ehemannes sind ihr vollkommen egal. Bis zum Ende hin wächst sie nicht an der Situation und macht keine wirkliche Entwicklung durch. Ich hätte Gundi lieber beim erkennen und wachsen zugeschaut, grade weil ihre Situation zunehmend pikanter wird. Das hätte grosses Potential gehabt.
Aber auch Julius, Erik und Lore blieben viel zu blass und oberflächlich, so dass ich im Endeffekt zu keiner Person einen Zugang bekam. Sehr schade, denn das Thema an sich war sehr spannend und interessant und trotzdem ich habe mich durch den Mittelteil gequält und daran konnte dann auch der fulminante und wirklich gelungene Schluss nur noch wenig ändern.

Dabei ist der Schreibstil von Charlotte Roth eigentlich sehr angenehm und mir gefiel vor allem der Danziger Dialekt.

Die Geschichte wirkt durchaus authentisch und wenn mich jetzt noch die Charaktere berührt hätten, hätte es ein absolutes Highlight sein können.

Veröffentlicht am 15.08.2018

ernstes Thema - locker verpackt

Solange wir uns haben
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Autsch. Total überfordert mit irgendwie allem, fasste Jessicas Leben erschreckend gut zusammen, aber ihrem Selbstwertgefühl half es nicht grade auf die Beine.

Die alleinerziehende Jessica ist 42 als ...

Autsch. Total überfordert mit irgendwie allem, fasste Jessicas Leben erschreckend gut zusammen, aber ihrem Selbstwertgefühl half es nicht grade auf die Beine.

Die alleinerziehende Jessica ist 42 als sie in ihrem Auto eine Panikattacke erlebt und es seitdem nicht mehr schafft den Wagen auch nur vom Hof zu fahren, geschweige denn Arbeiten zu gehen. Krankgeschrieben soll sie sich entspannen, erst einmal zur Ruhe kommen... doch das wird von ihrem Chef großzügig ignoriert und auch mit ihrer kratzbürstigen Teenager-Tochter Miriam ist das Leben grad nicht immer einfach.
Ironischerweise kommt Hilfe und Verständnis von ihrer Nachbarin, der verrückten Katzenfrau, wie sie sie seit Jahren hinter ihrem Rücken nennt.

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Die Themen Burn out und Panikattacken sind eigentlich selten leichte Kost, Andrea Ulmer wagt hier den Spagat und das sehr gelungen.

Ich konnte mich sofort mit Jessica identifizieren, wie wahrscheinlich die meisten Leser, denn es geht um Stress. Dauerstress, den wir in unserem schnelllebigen Leben schon gar nicht mehr als solchen wahrnehmen und auch darum, wie schwer es fällt, unser Leben und Gewohnheiten zu ändern. Andrea Ulmer legt aber nicht den Schwerpunkt auf die Therapie und Ursachenforschung, das wird tatsächlich eher aussen vor gelassen, sondern ihr geht es um die Rahmenbedingung: Freundschaft und Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind.

Die Hauptprotagonisten Jessica, Hildegard und Miriam wirken sehr authentisch und sympathisch. Man kann ihr Denken und Handeln nachvollziehen - nur zum Ende hin wollte die Autorin ein wenig zu viel und der Schluss geriet dadurch ein wenig oberflächlich.

"Solange wir uns haben" ist ein kluges Buch, mit einem humorvollen, flüssigen Schreibstil. Die relativ große Schrift und kurzen Kapitel regen zum weiterlesen an, so das ich es an einem Nachmittag verschlungen habe.

Mich der Roman richtig gut unterhalten. Er ist trotz ernster Themen sehr kurzweilig und zeigt, was im Leben wirklich wichtig ist: Freundschaft!

Veröffentlicht am 05.08.2018

Ein Drache auf überfrachteter Mission

Gork der Schreckliche
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Die Arroganz in ihrer Stimme ist so schneidend, dass ich mich frage, warum meine Gehörgänge nicht anfangen zu bluten.

Eigentlich könnte das Drachenleben so entspannt sein, wären da nicht diese Mini-Hörner, ...

Die Arroganz in ihrer Stimme ist so schneidend, dass ich mich frage, warum meine Gehörgänge nicht anfangen zu bluten.

Eigentlich könnte das Drachenleben so entspannt sein, wären da nicht diese Mini-Hörner, die Gork daran hindern, selbstbewusst seinen Drachen zu stehen. Naja, wenn man ehrlich ist, sein mitfühlendes großes Herz ist für einen seiner Art auch nicht grade förderlich. Und so ist es kein Wunder, dass sein Spitznahme "Weichei" und sein Wille-zur-Macht-Ranking bei "Kuschelbär" rangiert. Absolut tödlich und das, wo die Zeit der Eierlege ansteht und seine Angebetete bislang selbst die mächtigsten und stolzesten Drachen in die Flucht geschlagen hat.
Nichtsdestotrotz, Gork ist fest entschlossen sie zu seiner Königin zu machen....

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Eins muss man Gabe Hudson lassen, obwohl seine Ideen für mich so manches Mal übers Ziel hinausschossen, hat "Gork der Schreckliche" mich gut unterhalten.

Vor allem der Anfang und das Ende waren zum Niederknien. Göttlich, wie der junge Gork über Tolkien herzieht. Ja, man merkt es gleich, Humor wird in dieser Geschichte großgeschrieben und das durchgehend. Und dann wird, was anfangs überzeugt, irgendwann einfach nur anstrengend und auch nervig.
400 Seiten durchgängig in Umgangssprache erzählt und von einem Slapstick in den nächsten springend, wirkt zu gewollt. Vielleicht hätte eine Straffung dem Ganzen gut getan, denn manche der skurilen Ideen fand ich klasse, wie den Herzschrumpfer, nur hatten sie in der Masse kaum Platz sich zu entfalten, geschweige denn zu wirken.

Der Schreibstil ist, wie schon gesagt, pubertär und langweilt nach einer Weile mit mehr Wiederholungen als gut tun; Flügel sind immer ledrig, Füsse schwimmhäutig und wie oft "mein schuppiger grüner Arsch" erwähnt wird, mochte ich schon gar nicht mehr zählen.

Es fällt mir wirklich schwer, diesen Genre Mix aus Fantasy, SciFi und Humor zu bewerten. Mir war er viel zu überfrachtet und manchmal ist weniger einfach mehr, aber ich kann mir auch vorstellen, dass so manch einer absolut Spass an dieser skurilen Geschichte hat.

Fazit: Ein Roman der es mir nicht leicht gemacht hat. Großartiger Anfang ~ gelungenes Ende. Nur der Mittelteil schiesst oft ein wenig übers Ziel hinaus.

Veröffentlicht am 30.07.2018

Die ersten Helden der Chirurgie - Medizin-Geschichte spannend und interessant verpackt

Der Horror der frühen Medizin
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Alles war infrage gestellt, alles war unerklärt, alles war zweifelhaft, nur die große Anzahl der Toten war eine unzweifelhafte Wirklichkeit. (Ignaz Semmelweis)

Nicht nur grausig sondern auch grausam ...

Alles war infrage gestellt, alles war unerklärt, alles war zweifelhaft, nur die große Anzahl der Toten war eine unzweifelhafte Wirklichkeit. (Ignaz Semmelweis)

Nicht nur grausig sondern auch grausam und zumeist tödlich sind die Anfänge der Chirurgie. Amputationen bei vollem Bewusstsein, Behandlungen mit Quecksilber und Arsen... Die Unwissenheit der praktizierenden Ärzte ist größer als man sich heute vorzustellen vermag, aufgenommen wird zumeist nur der, der das Geld für seine Beerdigung gleich mitbringt.
Als Joseph Lister 1844 sein Studium beginnt, sterben fast alle Patienten an Infektionen. Warum und wie diese entstehen, darüber herrscht noch riesige Uneinigkeit. Doch Lister ist ein heller Kopf und mit seinem, oftmals so belächelten, Mikroskop beginnt er zu forschen....

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"Der Horror der frühen Medizin" hält, was das großartig morbid-schaurige Cover verspricht; eine spannende und vor allem interessante Lektüre.

In dieser lebendigen Biographie geht es nicht nur um trockene Zahlen-Daten-Fakten und Lebensstationen, sondern Lindsey Fitzharris weiß so manch eine Anekdoten mitzuerzählen und lockert auch mit Geschichten rund um das 19. Jahrhundert auf (Weltausstellung etc. ) So beginnt Listers erste eigene OP einer Darmperforation mit dem Ehestreit der Sullivans und endet mit der Gerichtsverhandlung. Mich hat anfangs leicht irritiert, dass es keine Fussnoten gibt, aber die finden sich säuberlich aufgelistet im Anhang.

Das ist schon eine gelungene Mischung, die die Autorin und Medizinhistorikerin da auf die Seiten gebannt hat. Und das macht das Buch für mich aus. Es gibt (für mich) zumindest im ersten Drittel, keinen roten Faden (manch anderer mag ihn vielleicht finden).
Erzählt wird in erster Linie vom Arbeiten und Forschen Joseph Listers, dem Handwerk der ersten Chirurgen (in aller Detailtiefe und Grausamkeit) und den hygienischen damaligen Zuständen, verbunden mit dem Kampf der Patienten ums postoperative Überleben (Beobachtet wurde z.B., dass in der Großstadt von 11 Amputationen 10 Patienten während der Wundheilung verstarben).
Aber auch andere Zeitgenossen kommen nicht zu kurz, so wird der ein oder andere Arzt und Kurpfuscher aus Listers Umfeld sowie deren jeweiligen Ansichten mal etwas genauer unter die Lupe genommen, nicht nur seine Lehrer, Mentoren und Vorbilder, wie der spätere Schwiegervater James Syme.

Was mir sehr gefällt, ist der Schreibstil, der auch für einen vollkommenen Laien einfach, klar und verständlich ist. Hier wird nicht mit fachchinesisch um sich geworfen und medizinische Begriffe, wie Sepsis etc. ganz nebenbei schlicht erklärt. Somit liest es sich flüssig weg. Ein besonderes Highlight sind die Zitate, mit denen die Autorin die Kapitel einleitet. Die musste ich oftmals erstmal sacken lassen. Nur schade, dass es so gar kein Bildmaterial oder Skizzen gibt. Das habe ich extrem vermisst.

Fazit: Wer eine klassische Biographie Joseph Listers erwartet, der wird das ein oder andere Mal vielleicht ein klein wenig enttäuscht sein, aber wer einfach nur etwas über die Anfänge der Medizin und Chirurgie erfahren und dabei Lister begleitet mag, schöpft hier aus dem Vollen. Einen süffigeren und spannenderen Überblick kann man kaum erhalten.

Veröffentlicht am 18.07.2018

Bleibt hinter den Erwartungen zurück

In der Tiefe
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Kath zog eine Grimasse. "Meinst du das ernst? Carmen, du bist so leicht zu beeinflussen."

Ihr Name war Zena, Toms große Liebe, die eines Nachmittags im Meer schwimmen ging und nicht mehr zurückkehrte. ...

Kath zog eine Grimasse. "Meinst du das ernst? Carmen, du bist so leicht zu beeinflussen."

Ihr Name war Zena, Toms große Liebe, die eines Nachmittags im Meer schwimmen ging und nicht mehr zurückkehrte. Jetzt ist Carmen die neue Frau an Toms Seite und mehr als glücklich mit ihrem Traummann. Doch durch einen Zufall findet sie heraus, dass er ihr von Anfang an etwas verschwiegen hat. Die Polizei hielt Zenas Tod für Mord und Tom für den Hauptverdächtigen.

Wie gut kennst du deinen Mann?

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"In der Tiefe" ist eher eine Familiengeschichte, die sich recht schnell wegliest und weit davon entfernt ist ein Psychothriller zu sein. Doch auch die Familiengeschichte kann nicht so recht überzeugen.

Dem Roman fehlt es an Raffinesse und vor allem an starken Charakteren. Das ist der ganz große Schwachpunkt. Wer so eine Story erzählen möchte, braucht Figuren mit Tiefe; Protas, die sie tragen. Das vermag hier leider niemand. Sie sind alle -selbst die Hauptfigur Carmen- recht oberflächlich gehalten und sie bleiben schlichtweg blass.
Dabei bietet es so viel Potential, es liegt wirklich zum greifen nahe.... Vor allem, weil ich vorher in der Vita gelesen habe, dass die Autorin heute als Redakteurin für das Magazin Psychologies arbeitet. Auch das hat mich Sicherheit gewisse Erwartungen geweckt. Sehr schade.

Der Schreibstil ist einfach, aber größtenteils recht angenehm und ich hatte es an einem Nachmittag durchgelesen, aber in Erinnerung wird der Roman mir nicht lange bleiben.