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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.07.2024

Geräuschlos gleiten sie durch die Nacht

Das geheime Leben der Eule
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Old Brown ist ein Waldkauz und irgendwann kreuzen sich die Wege von ihm und John Lewis-Stempel – von da an immer wieder und so werden sie »gute Bekannte« (S.11). Darüber hinaus ist das Buch gespickt mit ...

Old Brown ist ein Waldkauz und irgendwann kreuzen sich die Wege von ihm und John Lewis-Stempel – von da an immer wieder und so werden sie »gute Bekannte« (S.11). Darüber hinaus ist das Buch gespickt mit Eulenwissen, mit Poesie, mit Eulenarten, mit Sagen und Legenden und mit dem Zusammenleben zwischen Mensch und Vogel. Doch woher stammt eigentlich der Begriff Eule und warum bevorzugt sie die Nacht? Und wieso geht eine solche Faszination von diesen besonderen Vögeln aus? Das alles und noch mehr klärt der Autor im Buch »Das geheime Leben der Eule«.

🦉🦉🦉

Das Genre Nature Writing nimmt von Monat zu Monat mehr Platz in meinem Bücherregal ein. Denn die Zeiten, in Tierlexika blättern zu müssen, um nüchterne, wissenschaftliche Informationen zu erhalten, sind glücklicherweise vorbei. Auch wenn ich natürlich für ein schnelles Nachschlagen auch weiterhin die guten alten Bestimmungsbücher nutze. Doch das Besondere an Büchern wie dieses von John Lewis-Stempel ist, dass endlich die Emotionen Platz finden dürfen, die wir fühlen, wenn wir die Natur erleben. Und das ist dem Autor in diesem Fall wirklich sehr gut gelungen. Denn ich lerne beim Lesen nicht nur unglaublich viel über Eulen, sondern ich erlebe das Tierwissen regelrecht. Und alles was wir am eigenen Leib spüren, was uns Gänsehaut macht und was uns berührt, das können wir uns merken. Es ist erwiesen, dass Menschen auf diese Weise besser lernen – und dass das Gelernte langfristig in Erinnerung bleibt.

Es ist also kein Wunder, warum mir die Momente zwischen dem Autor und Old Brown im Buch am besten gefallen. So detailliert, so zärtlich und so echt, wie er die winzigen Augenblicke mit dem Waldkauz beschreibt, so lange werde ich an diese Zeilen denken, werde mich erinnern und dabei nichts als Wärme empfinden.

Darüber hinaus ist das Kapitel über die verschiedenen Eulenarten unfassbar gut gelungen. Der Autor vermittelt die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten, die Merkmale und Besonderheiten und die ganz eigenständige Persönlichkeit der Eulen, ganz ohne auch nur einen Hauch von Langatmigkeit entstehen zu lassen. Und obwohl es eigentlich um die britischen Eulenarten geht, sind diese mit den deutschen Eulenarten nahezu übereinstimmend. Außerdem sind zusätzliche Hinweise über weitere in Deutschland vorkommende Eulenarten ergänzt – das könnte jedoch auch in der deutschen Übersetzung hinzugefügt worden sein. In jedem Fall ist das für deutschsprachige Lesende natürlich von Vorteil.

Mein einziger Kritikpunkt – wenn man es so nennen kann – ist, dass das frühere Verhalten der Menschen gegenüber Eulen sehr viele Seiten in Anspruch nimmt. Keine Frage ist es wichtig und sinnvoll, darüber zu sprechen, vor allem um uns ein warnendes Beispiel zu sein, jedoch hätte mit ein etwas kleinerer Seitenumfang dazu ausgereicht. Viel lieber hätte ich noch so viel mehr über Lewis-Stempels Eulenbegegnungen erfahren, die für mich so ungemein beeindruckend waren.

Insgesamt kann ich das Buch für alle Freund*innen des Genres Nature Writing und für alle Eulenfans (von denen es erstaunlich viele gibt) sehr empfehlen! Mein neu erworbenes Eulenwissen werde ich gleich heute Abend testen und am Waldrand nach Eulen horchen!

Veröffentlicht am 23.07.2024

Was für ein geniales Buch!

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
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Ganz klar war dieses Buch für mich bereits jetzt ein Jahres-Highlight. Manchmal ist es gar nicht so leicht zu erklären und bei diesem Buch fällt es mir besonders schwer. Denn alles, was ich sagen könnte, ...

Ganz klar war dieses Buch für mich bereits jetzt ein Jahres-Highlight. Manchmal ist es gar nicht so leicht zu erklären und bei diesem Buch fällt es mir besonders schwer. Denn alles, was ich sagen könnte, fühlt sich an, als würde ich spoilern. Das möchte ich auf keinen Fall, denn jede*r sollte dieses Buch erleben, wie ich es erleben durfte.

Ich versuche es trotzdem: Das Buch handelt von einer Zugreise zwischen dem heutigen China und Russland und führt mitten durch das Ödland. Doch was das Ödland eigentlich ist, bleibt lange unklar. Lauern dort Gefahren? Was hat es damit auf sich, was durch die Fensterscheiben des Zugs zu sehen ist? Ist es Realität oder ist es Einbildung? Könnte man vom Anblick sogar krank werden?

Im Laufe der Kapitel erfahren wir die Antworten. Und diese sind aus welchselnden Perspektiven der Reisenden geschrieben. Manche von ihnen reisen erstmals durchs Ödland und manche reisten bereits unzählige Male. Genauso verschieden sind die Gründe der Reise. Wie wir beim Lesen nach und nach hinter die verschiedenen Fassaden blicken können, wie wir persönliche und tatsächliche Wahrheiten erfahren und wie wir die einzelnen Charaktere kennenlernen, ist meiner Meinung nach so gut gelungen wie in kaum einem anderen Buch.

Der Roman handelt außerdem von Macht und gezogenen Grenzen, die niemand überschreiten darf. Von dem Entscheiden, wie wir zu handeln und wie wir über eine Situation zu denken haben. Von dem Aneignen der Natur, von dem Besitz von etwas, das niemand besitzen kann. Diesen Aspekt des Romans fand ich unglaublich spannend und ebenso wichtig.

Doch ein riesiges Highlight waren für mich vor allem die Beschreibungen des Ödlands, was sowohl die Landschaft als auch die Lebewesen betrifft. Die Bilder, die sich dabei vor meinem inneren Augen abgespielt haben, waren phänomenal und absolut unvergesslich. Und ich bin sicher, dass ich das Buch irgendwann noch einmal lesen werde und vielleicht auch noch öfter, nur um das erneut nachzufühlen.

Das Beste war für mich jedoch der Schluss. Und dazu kann ich spoilerfrei nun überhaupt nichts sagen, doch das hat mir wirklich den Boden unter den Füßen weggezogen und ich habe den Gefühlen einfach freien Lauf gelassen.

Zuletzt möchte ich noch sagen, dass ich diesen Roman in einer Leserunde gelesen habe und ich weiß, dass die Meinungen durchaus auseinander gingen. Nicht alle waren so begeistert wie ich, wenn doch einige. Doch genau das liebe ich am Lesen. Jeder Mensch liest mit seinem eigenen Herzen und mein Herz wurde voll und ganz getroffen.

Veröffentlicht am 23.07.2024

Wer sind hier die Monster?

Kleine Monster
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Da ist sie, die große Ungewissheit. Pia soll darauf vertrauen, dass ihr Kind ein gutes Kind ist, obwohl es schweigt, obwohl es etwas zu verheimlichen scheint. Nach einem Vorfall werden Pia und ihr Mann ...

Da ist sie, die große Ungewissheit. Pia soll darauf vertrauen, dass ihr Kind ein gutes Kind ist, obwohl es schweigt, obwohl es etwas zu verheimlichen scheint. Nach einem Vorfall werden Pia und ihr Mann Jakob in die Schule bestellt. Dort werden sie konfrontiert mit einer ganz anderen Seite ihres Kindes. Nun liegt es an ihnen, die Wahrheit herauszufinden, mit dem Gesagten umzugehen, Luca zur Rede zu stellen oder ihm Raum zu geben, sich von selbst zu öffnen. Was ist richtig, was ist falsch? Luca ist doch ein gutes Kind?

🚪🚪🚪

Ungemein spannend beginnt der Einblick in Pias kleine Familie, doch was ich erst gar nicht erwartet hätte, die Geschichte nimmt zunehmend an Fahrt auf. Alles spitzt sich zu und Pias Anspannung schwappt immer mehr auf mich über. Zuerst hätte ich ihr vielleicht noch ein paar Ratschläge geben wollen, doch dann beginnt ein zweiter Handlungsstrang.

Wir reisen in die Vergangenheit, in Pias eigene Kindheit mit ihren beiden Schwestern. Und schnell ist klar, dass ein schreckliches Ereignis seinen Schatten auf die Kinderseelen legt - und dieser Schatten streckt seine unheimlichen Finger bis in die Gegenwart, bis in Pias Erwachsenenleben und bis in ihre eigene Erziehung.

Auf faszinierende Weise ist es Jessica Lind gelungen, die beiden Plots miteinander zu verknüpfen. Denn genau wie wir alle unsere eigene Kindheit mit in die Gegenwart nehmen, so glaubhaft und authentisch ist auch Pias Zerrissenheit in „Kleine Monster“. Sie kämpft mit dem Geschehenen, mit der Aufarbeitung ihres eigenen Traumas. Sie kämpft mit dem Wissen und mit den Schlüssen, die sie aus ihrer Kindheit gezogen hat.

Für mich war der Roman von der ersten bis zur letzten Seite aufregend und fesselnd. Immer wieder lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, wenn die kleinen Monster aus unschuldigen Augen blitzten oder wenn aus Müttern Monster wurden.

Große Leseeempfehlung von mir für ein hautnahes, greifbares und äußerst realistisches Wechselbad zwischen Familienglück und Alptraum!

Veröffentlicht am 15.07.2024

Das neue Leben an der Küste

Mitternachtsschwimmer
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Hast du schon mal ein Buch gelesen, das dich voller absoluter Befriedigung, ganz und gar mit dir selbst im Einklang, voller Glücksgefühle, Genuss und Frohsinn, mit ganz viel Wohlgefühl und Seelenfrieden ...

Hast du schon mal ein Buch gelesen, das dich voller absoluter Befriedigung, ganz und gar mit dir selbst im Einklang, voller Glücksgefühle, Genuss und Frohsinn, mit ganz viel Wohlgefühl und Seelenfrieden zurückließ? Wenn nicht, dann solltest du "Mitternachtsschwimmer" lesen. Denn mir ist es dabei genau so ergangen.

🦞🦭🦢

Evan nimmt sich nach dem Tod seiner Tochter eine Auszeit und bezieht dafür ein kleines Häuschen an der irischen Küste. Der winzige Ort Ballybrady wird zu seinem Zuhause auf Zeit, wobei er seiner eigenwilligen und unglaublich direkten Vermieterin Grace begegnet. Ihr Zuhause sind das Meer, die Natur und das bodenständige, einfache Leben. Evan und Grace teilen die schlimmen Ereignisse in der Vergangenheit – in allen anderen Bereichen scheinen sie auf den ersten Blick wie Feuer und Wasser. Und andauernd prallen diese Naturgewalt aufeinander.

🦞🦭🦢

Wie die Autorin die beiden Hauptfiguren beschreibt, wie wir sie aus wechselnder Perspektive kennenlernen dürfen und welche Einblicke wir in deren Seelenleben erhalten, ist grandios gelungen. Und trotz ihrer Verschiedenheit habe ich mich in beide verliebt, was mir beim Lesen ein ununterbrochenes Lächeln ins Gesicht zaubert und unfassbar viel Zufriedenheit in mir auslöst.

Ein weiteres Highlight ist Evans Sohn Luca, den wir bei seinem Erblühen in der Natur zuschauen dürfen, was sich so authentisch und magisch zugleich anfühlt und mich immer wieder sehr bewegt.

Wie alle drei Figuren mit ihren Sorgen und Ängsten umgehen, neue Wege finden, eine alte Haut abstreifen und in eine neue schlüpfen, ist in diesem Roman eine wundervolle Inspirationsquelle. Es macht die Lektüre für mich zum Wohlfühlbuch und sorgt für eine ganz große Wärme in meinem Herzen.

Zu guter Letzt sind es die Naturbeschreibungen, die Momente im und am Meer, die detaillierten Begegnungen mit den Meeresbewohnern und die raue Schönheit der Küste, die den Roman sprachlich und inhaltlich für mich perfekt machen. Ich bin so dankbar, dass ich dieses Meisterwerk lesen durfte.

Veröffentlicht am 13.07.2024

Vom Wandern und vom Ankommen

Fräulein Draußen
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Kathrin Heckmann ist Wander-Profi und berichtet auf ihrem Blog seit Jahren von ihren Wandertouren, gibt interessante Wandertipps und erzählt außerdem von ihren Rad- und Outdoorreisen.


So dreht sich ihr ...

Kathrin Heckmann ist Wander-Profi und berichtet auf ihrem Blog seit Jahren von ihren Wandertouren, gibt interessante Wandertipps und erzählt außerdem von ihren Rad- und Outdoorreisen.


So dreht sich ihr Buch auch um das Thema Wandern. In 13 Kapiteln wandert sie an völlig verschiedenen Orten der Erde und sammelt dabei viel mehr als Kilometer. Sie sammelt viele kleine Momente, die nachwirken, sie sammelt Erkenntnisse und ganz persönliche Lehren und sie erfüllt sich Träume. Neben Kathrin ist die Natur eine Hauptfigur des Buchs, sodass beim Lesen im wahrsten Sinne des Wortes die Wanderlust kitzelt.

🌿🥾🌿

Ich habe eine große Leidenschaft für Sachbücher zu Natur- und Outdoorthemen und muss zugreifen, wenn ich ein solches Buch finde, das mich anspricht. Weil ich Kathrins Blog seit vielen Jahren verfolge, war ich sehr neugierig auf ihr erstes Buch. Und das war dann so schnell ausgelesen, dass ich am liebsten gleich nochmal von vorne begonnen hätte. Auch wenn ich gar keine Weitwanderin bin, haben mich die so liebevoll beschriebenen Details der Natur voll und ganz überzeugt.

Vor allem die Begeisterung für die gefiederten Protagonisten kann ich so gut nachvollziehen. Es geht unter anderem um Begegnungen mit Eulen, Birkenzeisigen und um lachende Kookaburras - und jedes Mal ging mir das Herz auf. 💚

Insgesamt gefällt es mir sehr, dass ich beim Lesen mitreisen durfte zu fernen Zielen und einzigartigen Wanderrouten. Und eine der Botschaften des Buches hat es mir besonders angetan. Denn die eigenen Träume in Taten umzusetzen und an sich selbst zu glauben, ist auch für mich ein Ziel, an dem ich jeden Tag arbeiten möchte.

Große Leseempfehlungen für alle Naturfreund*innen da draußen, die die Wildnis lieben vor allem FÜHLEN möchten!

PS: Das Buch eignet sich übrigens ganz besonders zum Draußen-Lesen! 🌳