Spannende Verbrechen in den "Roaring Twenties" im Norden von Deutschland
Das Kind der LügenDie Geschichte "Das Kind der Lügen" von Helga Glaesener entführt die Zuhörer/Leser anhand der virtuosen Stimme von Christiane Marx in das Hamburg von 1927. Doch statt Varieté, Parties oder Charleston landet ...
Die Geschichte "Das Kind der Lügen" von Helga Glaesener entführt die Zuhörer/Leser anhand der virtuosen Stimme von Christiane Marx in das Hamburg von 1927. Doch statt Varieté, Parties oder Charleston landet man auf der Schattenseite der "Goldenen 20er Jahre". Paula Haydorn, als ein kürzlich dazu gewonnenes Mitglied der weiblichen Kriminalpolizei, ermittelt zusammen mit ihren männlichen Kollegen in einem Vermisstenfall : Dorothee von Arnsberg, die sechsjährige Tochter von Signe von Arnsberg sowie ihr Kindermädchen Alma sind verschwunden.
Die Mutter Signe, die die Vermisstenmeldung bei der Polizei aufgeben will, wirkt auf die Kollegen unglaubwürdig und recht neurotisch. Dennoch kommt nach und nach eine Fahndung ins Rollen, bei der verschiedene Leute in das Visier der Polizei geraten: da ist die Mutter des verschwundenen Kindes (Signe von Arnsberg), der zwielichtige Chauffeur der Familie, der Geliebte von Alma, die Pflegeeltern von Frau von Arnsberg, ihr Bruder Anton und einige mehr. So viele Möglichkeiten, denen Paula, Caro, Gertrud, Martin Broder sowie etliche andere Hüter des Gesetzes nachgehen müssen. Sie ermitteln in dem Städtedreieck Hamburg-Cuxhaven-Bielefeld, auch Bad Oldesloe spielt eine Rolle. Zusätzlich entwickelt sich am Rande des Geschehens die Liebesgeschichte zwischen Paula Haydorn und Martin Broder.
Das Hörspiel/Buch zeichnet mit der Darstellung der Frauen bei der Hamburger Polizei ein Frauenbild, wie es leider auch heute noch teilweise gilt. Die Polizistinnen müssen damals wie heute eigentlich fast mehr leisten, um mindestens genauso anerkannt zu werden wie ihre männlichen Kollegen. Körperlicher Gewaltandrohung können sie sich auch schwer erwehren und die (gleichgeschlechtliche) Liebe muss auch am Arbeitsplatz besser geheim gehalten werden (Caro und Gertrud). Vergewaltigung und Missbrauch von speziell Kindern und Frauen wird seltener und nicht so hart geahndet, aber die Todesstrafe besteht in den 1920ern Jahren in Deutschland dennoch.
Auch die Mittel der Polizei sind damals beschränkt. Aber Fotos vom Tatort werden geschossen, Fingerabdrücke werden genommen, Verhöre aufgenommen und Verdächtige beschattet. Dies führt am Ende zur Auflösung der komplex verflochtenen Handlungsstränge, denen man das Mathematikstudium der Verfasserin anmerkt. Des weiteren thematisiert die Autorin auch die schmerzlichen Nachwehen des 1.Weltkriegs, der auf Körper und Seelen der Überlebenden lebenslange Narben hinterlassen hat. Menschen, die schon wenige Jahre später der nächsten "schwarzen Zeit" entgegen gehen werden.
Als Fazit bewerte ich dieses Buch/Hörspiel als absolut lesens-/hörenswert. Mit Sicherheit wird keine Langeweile aufkommen, wenn man dieses spannende Hörbuch/Buch in gemütlichen Stunden genießen will.