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Veröffentlicht am 02.12.2019

Auch Schwachsinn will gelesen sein

Frittenmafia
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Frittenbudeninhaber werden ermordet. Ihre Köpfe stecken noch im heißen Frittenfett, als sie gefunden werden. Commissaire de la criminelle Frederic Le Maire ermittelt mit seiner Partnerin, der Pathologin ...

Frittenbudeninhaber werden ermordet. Ihre Köpfe stecken noch im heißen Frittenfett, als sie gefunden werden. Commissaire de la criminelle Frederic Le Maire ermittelt mit seiner Partnerin, der Pathologin Dr. Angelika Laefers.

Ich hatte mich so gefreut, einen Krimi zu finden, der direkt vor meiner Haustür spielt. Ich hätte schon misstrauisch werden müssen, als mir klar wurde, dass der Autor aus dem Allgäu stammt. Wie konnte ich da erwarten, dass jemand aus Süddeutschland einen Krimi schreiben kann, der rund um Aachen spielt? Denn das kann er nicht! Mein Gesamteindruck ist, dass der Autor eine Mischung aus Kluftinger und Xavier Kieffer schreiben wollte; dabei ist er auf gesamter Linie gescheitert!

Der Kriminalfall? Die Grundidee ist nicht mal schlecht, allerdings verzettelt sich der Autor auf den 476 Seiten. Der eigentliche Fall rückt in den Hintergrund, dafür wird der Krimi ab der Hälfte immer unrealistischer. Das Hauptproblem liegt für mich aber in der Figur des Le Maire. Ich muss den Ermittler nicht lieben, aber sympathisch sollte er mir doch sein. Leider ist er alles andere als das. Oberlehrerhaft erklärt er gefühlt alle zehn Seiten den Unterschied zwischen einer belgischen Friture und einer deutschen Pommesbude. Das soll wohl witzig sein, ist aber nur nervig. Apropos oberlehrerhaft: Was kann ich vom Personal in einem Krimi erwarten, wenn sein Schöpfer schon im Vorwort absolut belehrend ein Glossar und eine Hommage an die belgische Frittenkultur verfasst? Der Rest des Personals kann im übrigen auch nicht überzeugen, von der liebestollen Sekretärin bis zum einfältigen Polizisten, da reiht sich Klischee an Klischee.

Wenn ich im Krimi das Wort Merde streiche und dazu die Sätze, die beschreiben, dass der Kommissar entweder rauchen geht, sich eine Zigarette dreht, oder sich irgendjemand darüber ärgert, dass der Akku seines Handys schon wieder leer ist, dann hätte der Roman rund 100 Seiten weniger. Wenn ich dann noch hingehe und die Abschnitte weglasse, in denen der Autor (wieder oberlehrerhaft!) beschreibt, wie gründlich er recherchiert hat, dann komme ich auf nochmal 50 Seiten weniger. Vielleicht wäre der Krimi dann mit rund 300 Seiten auch kurzweiliger gewesen.

Was mich auch noch geärgert hat (im Grunde hat mir nichts gefallen!): Das Lektorat hat auch geschlampt! Die Rechtschreibefehler sind geschenkt, aber der Lesefluss wird ständig dadurch gestört, dass ich über die Ausdrücke La Calamine und Liege gestolpert bin. Warum sind da nicht die deutschen Namen Kelmis und Lüttich benutzt worden? Natürlich eine Kleinigkeit, aber wenn vieles nicht stimmt, dann fallen halt auch Kleinigkeiten auf.

Ich bin froh, dass ich mit diesem Schwachsinn durch bin, durchgehalten habe ich nur, weil der Krimi vor meiner Haustür spielt und ich immer noch die Hoffnung hatte, dass doch noch etwas Sinnvolles passiert...leider nicht!

Veröffentlicht am 29.11.2019

Eine neue Krimiregion

Die Stille des Todes
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Vitoria im Baskenland. In der Kathedrale wird ein totes Paar gefunden. Vor zwanzig Jahren gab es die gleiche Mordserie, aber der Täter wurde verurteilt und steht jetzt kurz vor einem Hafturlaub. Gibt es ...

Vitoria im Baskenland. In der Kathedrale wird ein totes Paar gefunden. Vor zwanzig Jahren gab es die gleiche Mordserie, aber der Täter wurde verurteilt und steht jetzt kurz vor einem Hafturlaub. Gibt es einen Nachahmer oder sitzt ein Unschuldiger im Gefängnis? Unai Lopez de Ayala, genannt Kraken und Estibaliz Ruiz de Gauna ermitteln in ihrem ersten Fall.

Eva Maria Gaenz hat mich mit ihrem Krimi (auf dem Cover steht zwar Thriller, aber das ist für mich die falsche Bezeichnung!) in eine Region mitgenommen, die mir bisher unbekannt war. Vielleicht ist das Baskenland auch einfach (noch) nicht an Krimis überlaufen wie z.B. Frankreich. Das hat mir jedenfalls sehr gut gefallen, auch wenn der Krimi anfangs ein wenig behäbig daherkommt, da bleibt deutlich Platz nach oben. Zwei Handlungsebenen, einer spielt in der Gegenwart, einer im Baskenland 1969/1970, laufen erst parallel und später aufeinander zu, ohne dass ich zu früh ahnen konnte, wozu ich hier gebeten werde. Dabei bringt mir die Autorin auch die Schönheit ihres Landes näher, ohne belehrend oder aufdringlich zu sein. Gut gemacht!

Die Stille des Todes hat mir auch wegen seiner Atmosphäre gefallen. Die hat mich an mehreren Stellen an Carlos Ruiz Zafon erinnert. Leser, die seine Romane mögen, werden auch einen Zugang zu diesem Krimi finden. Der zweite Hauptdarsteller neben der Stadt Vitoria ist das Personal im Roman. Die beiden Ermittler Kraken und Esti sind ein Paar, das ich im Auge behalten werde. Geschenkt, dass beide, besonders aber Kraken, ihre traurigen Geschichten haben. Auch ihr Privatleben nimmt einen recht großen Teil im Krimi ein. Krakens Bruder, aber vor allem sein Großvater sind weit mehr als Nebendarsteller. Der Krimimalfall ist gut durchdacht, logisch und ab dem zweiten Drittel spannend aufgebaut, auch wenn die Autorin das Genre um einen Serienmörder nicht neu erfindet.

Zum Glück gibts den zweiten Fall für den Kraken schon jetzt auf Deutsch!

Veröffentlicht am 28.11.2019

Gewohnte Qualität mit (zu) reißerischem Finale

Muttertag (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 9)
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Auf dem Gelände einer stillgelegten Fabrik werden im Hundezwinger menschliche Knochenreste gefunden. Im Wohnhaus liegt ein Toter, der mit seiner Frau jahrelang Pflegekinder aufgenommen hat. Eine junge ...

Auf dem Gelände einer stillgelegten Fabrik werden im Hundezwinger menschliche Knochenreste gefunden. Im Wohnhaus liegt ein Toter, der mit seiner Frau jahrelang Pflegekinder aufgenommen hat. Eine junge Frau sucht ihre leibliche Mutter. Pia Sander und Oliver von Bodenstein kommen einem Serienmörder auf die Spur, der immer am Muttertag gemordet hat.

Das ist jetzt schon der neunte Fall für Pia und Oliver. Seit ihrem ersten Fall begleite ich das Personal von Nele Neuhaus und ich bin ein Fan der Serie, auch wenn es einen sehr schwachen Fall zwischendurch gab. Hier liefert die Autorin aber gewohnte Qualität ab. Die Krimihandlung ist durchgehend sehr gut durchdacht und bei einer Krimiserie wie dieser fühlt es sich auch meist wie Nachhausekommen an. Das Personal habe ich über die Jahre auf jeden Fall ins Herz geschlossen. Immer wieder höre und lese ich, dass die Krimis von Nele Neuhaus zu lang geraten, aber ich mag die vielen Details in ihren Krimis, ihre ausführlichen Charakterisierungen, auch die Vielzahl an Personen (angemerkt: Das Personenverzeichnis am Anfang war vielleicht gut gemeint, aber nicht gut gemacht; ich fand es auch unnötig!). Die beiden Erzählstränge finde ich sehr gut gemacht, auch weil ich lange keine Ahnung hatte, worauf das hinausläuft.

Der Spannungsbogen ist über 550 Seiten konstant hoch gehalten, aber das Finale ist mir doch ein, zwei, drei und mehr Spuren zu reißerisch gestaltet, zumal das Ende auch danach zu abrupt daherkommt. Aber sonst gibts nix zu meckern.

Ich freue mich schon jetzt auf einen neuen Fall mit Pia und Oliver.

Veröffentlicht am 23.11.2019

Ein später Sieg

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL
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Als Manuel Ortigosa vom Unfalltod seines Mannes Alvaro erfährt, ist er erschüttert. Fassungslos wird er, als sich herausstellt, dass sein Mann ein Doppelleben geführt hat. Zusammen mit dessen Jugendfreund ...

Als Manuel Ortigosa vom Unfalltod seines Mannes Alvaro erfährt, ist er erschüttert. Fassungslos wird er, als sich herausstellt, dass sein Mann ein Doppelleben geführt hat. Zusammen mit dessen Jugendfreund Lucas und dem sehr eigenwilligen Polizisten Nogueira begibt er sich in Galicien auf Spurensuche in die Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die bereits Opfer gefordert hat, und die Folgen bis in die Gegenwart hat.

Im Sport würde man wohl von einem späten Sieg sprechen. Der Roman hat mich erreicht und beeindruckt, aber bis dahin war es ein langer Weg. Nach rund hundert Seiten habe ich ihn zur Seite gelegt und etwas anderes gelesen. Nach weiteren hundert Seiten war ich kurz vor dem Aufgeben. Aber dann hat mich der Roman doch gepackt. Die Autorin hat einen Schreibstil, den man nicht oft findet. Ganz langsam führt sie den Leser ins Geschehen, erzählt von Vergangenheit, Gegenwart und legt sehr viel Wert auf die Charakterisierungen ihres Personals. Dabei gerät sie leider auch manches Mal ins Plaudern und ich musste mich an diesen Stil gewöhnen. Daran gewöhnen, dass auch Galicien ein Teil des Romans ist. Lange Beschreibungen lassen den Kriminalfall in den Hintergrund treten.

Aber nach rund 200 Seiten war ich mitten im Geschehen. Vielleicht habe ich mich auch erst da auf die Geschichte einlassen können. Eine Geschichte, die sehr klug konstruiert ist. Eine Geschichte über den Adel, über Klosterschulen, über Menschen, denen der äußere Schein wichtiger ist als der Glück der eigenen Familie, ja sogar wichtiger als das eigene Glück. Im letzten Drittel entwickelt sich dann auch noch ein spannender Kriminalfall. Trotzdem steht er den ganzen Roman über zurück. Zurück hinter einer Familiengeschichte, die grausam und doch unterhaltsam ist.

Wer an reiner Krimihandlung interessiert ist, sollte den Roman ignorieren. Wenn man sich aber auf einen Krimi im Gewand einer Familiensaga einlassen will, kann man an Alles was ich Dir geben will nicht vorbeigehen. Großes Kino mit langer Anlaufzeit.

Veröffentlicht am 20.11.2019

Regionalkrimi, wie er besser kaum sein kann

Totenweg
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Frida kehrt in ihr Heimatdorf zurück, nachdem ihr Vater niedergeschlagen worden ist und seitdem im Koma liegt. Zurück in der Elbmarsch wird die junge Polizistin von ihrer Vergangenheit eingeholt. Vor fast ...

Frida kehrt in ihr Heimatdorf zurück, nachdem ihr Vater niedergeschlagen worden ist und seitdem im Koma liegt. Zurück in der Elbmarsch wird die junge Polizistin von ihrer Vergangenheit eingeholt. Vor fast zwanzig Jahren wurde ihre Freundin hier ermordet und Frida glaubt, ihren Mörder zu kennen, obwohl sie nie ein Wort gesagt hat. Zusammen mit Kriminalhauptkommissar Bjarne Haverkorn, der immer noch auf der Suche nach dem Mörder von damals ist, begibt sie sich auf die Suche nach Antworten.

Totenweg ragt für mich aus der Masse der Regionalkrimis, die den Büchermarkt überschwemmen, heraus. Sehr klug konstruiert, keine Schwarz-Weiß-Malerei, an keiner Stelle langweilig und auch schlüssig aufgelöst, obwohl der Täter ab der Hälfte zu erahnen ist, weil die Anzahl der Verdächtigen überschaubar ist. Aber bei diesem Spannungsbogen sei das der Autorin verziehen, auch weil sie nicht den Fehler begeht, am Ende irgendeinen Unbekannten als Schuldigen aus dem Hut zu zaubern. Wie sie über fast 400 Seiten die Spannung hält, ohne den Faden zu verlieren, finde ich beachtlich, denn bei den mehreren Erzählsträngen hätte die Gefahr bestanden.

Ein Krimi, der weder blutig noch brutal daherkommt und der dazu viel Wert auf die Charaktere und ihre Entwicklung legt. Ich bin gespannt, wie es mit den Ermittlern weitergeht. Frida und Bjarne sind ein Ermittlerduo, das ich im Auge behalten werde.