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Marshall-Trueblood

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.10.2019

Wenige gute Ideen ergeben keinen guten Roman

Mobbing Dick
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Dick Meier, der noch bei den Eltern wohnt, schmeißt sein Jurastudium und startet seine Karriere bei einer Schweizerischen Bankanstalt. Als der Druck zu groß wird, flüchtet er in sein Alter Ego Mobbing ...

Dick Meier, der noch bei den Eltern wohnt, schmeißt sein Jurastudium und startet seine Karriere bei einer Schweizerischen Bankanstalt. Als der Druck zu groß wird, flüchtet er in sein Alter Ego Mobbing Dick, das immer mehr die Kontrolle übernimmt.

Tom Zürcher entwirft hier eine bitterböse Geschichte über das Bankwesen. Auch wenn der Roman in der Schweiz spielt, denke ich, man könnte das Ganze auf deutsche Banken übertragen. Hier wird mit Ellenbogen gearbeitet; Hauptsache nach oben kommen, unten wird die Arbeit gemacht und der ahnungslose Kunde bezahlt. Ich glaube, so weit entfernt von der Wahrheit ist die ganze Geschichte nicht, wenn man bedenkt, dass in der Realität 80jährigen noch eine Rentenversicherung verkauft wird. Aber auch Dicks Familie kommt nicht gut weg. Da wird genauso gelogen und hintergangen, egal ob es ums Geld geht, oder um die Tatsache, dass man einen dritten Mitbewohner braucht, als Dick aus dem trauten Heim ins Rotlichtmilieu zieht.

Die einfache Sprache und der Wortwitz haben mich etwa hundert Seiten gut unterhalten, aber dann stagniert der Roman. Die ewige Diskussion über Dicks Vornamen war für mich irgendwann nicht mehr witzig. Die Charaktere sind bewusst einfach gehalten und entwickeln sich auch nicht (allerdings gehts hier auch nicht um die Charaktere). Auch der Einfall mit dem Zahnarztstuhl, den ich unglaublich gut fand, ist schnell im Nichts verlaufen. Da kommt nichts neues mehr und die Geschichte dümpelt vor sich hin, bis Mobbing Dick mehr und mehr beginnt, das Geschehen zu bestimmen. Das endet dann in einem Finale, das brutal daherkommen will, mich aber überhaupt nicht überzeugt hat. Das Ende des Romans war dann keine große Überraschung mehr.

Ein paar gute Einfälle machen für mich keinen guten Roman und unter dem Strich hat Mobbing Dick mich nur lauwarm zurückgelassen.

Veröffentlicht am 23.09.2019

Nicht alles von Agatha Christie bleibt zeitlos

Mord auf dem Golfplatz
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Hercule Poirot wird nach Frankreich gerufen. Doch als er mit Captain Hastings eintrifft, liegt die Leiche schon auf dem Golfplatz. Poirot macht eine Reise in die Vergangenheit, um den Mörder zu entlarven.

Ich ...

Hercule Poirot wird nach Frankreich gerufen. Doch als er mit Captain Hastings eintrifft, liegt die Leiche schon auf dem Golfplatz. Poirot macht eine Reise in die Vergangenheit, um den Mörder zu entlarven.

Ich habe immer gedacht, die Krimis von Agatha Christie sind allesamt zeitlos in Motiven, in Ermordung, in der Anzahl und der Art der Verdächtigen. Bei diesem Re-Read muss ich meine Meinung aber ändern. In die rund 250 Seiten packt die Meisterin des Krimis, und das ist sie nach wie vor für mich, einfach zuviel. Dabei ist am Ende die Auflösung wie immer gut durchdacht, aber vorher bemüht die Autorin so viele Verwicklungen, so viel Hin und Her, so viele Zufälle, dass es für 250 Seiten mehr gereicht hätte; und an einigen Stellen merkt man dem Krimi sein Alter an, so will man z.B. untertauchen, um der Gerechtigkeit zu entfliehen...und das gleich zweimal erfolgreich. Dazu wird Poirot ein anderer Detektiv entgegengesetzt, der einfach scheitern muss; ziemlich lieblos gemacht. Die Liebesgeschichte um Hastings wirkt auch aufgesetzt, da merkt man, dass es der Autorin nur darum ging, Poirots nervigen Assistenten loszuwerden.

Nicht der beste Christie; solide in der Auflösung, aber mit viel zu viel Drumherum.

Veröffentlicht am 22.09.2019

Unaufgeregte Spannung

Drei
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"Bitte, liebe Leserinnen und Leser, versucht die Rezension so zu verfassen, dass das Geheimnis von Drei nicht enthüllt wird." Der Diogenes Verlag bittet um Geheimhaltung. Dadurch wird die Latte sehr hoch ...

"Bitte, liebe Leserinnen und Leser, versucht die Rezension so zu verfassen, dass das Geheimnis von Drei nicht enthüllt wird." Der Diogenes Verlag bittet um Geheimhaltung. Dadurch wird die Latte sehr hoch gelegt und die Spannung vor dem Lesen stieg bei mir enorm. Dror Mishani kann die Erwartungen erfüllen; nicht mehr, nicht weniger.
Drei Frauen in Israel. Alle drei sind auf der Suche. Alle drei finden den gleichen Mann. Auch wenn er ihnen nicht die ganze Wahrheit sagt, kann er ihnen etwas geben. Trotzdem bleibt er ein Mann, den sie besser nicht kennengelernt hätten.

Der Roman ist in dreigeteilt. Im ersten Teil habe ich Orna kennengelernt. Eine alleinerziehende Mutter, die die Scheidung noch nicht ganz verarbeitet hat. (Ganz ehrlich: Sie ging mir ein bisschen auf die Nerven!). Im zweiten Teil bin ich auf Emilia getroffen. Sie stammt aus Lettland und arbeitet als Pflegekraft für ältere Menschen. (Mit ihr hatte ich Mitleid!) Der dritte Teil machte mich mit Ella bekannt. Eine dreifache Mutter, die aus Frust ihre Masterarbeit schreibt. (Ich fand sie sympathisch, weil sie so tough war). Alle drei Frauen eint die Suche nach etwas, was ihr Leben anders machen kann. Mehr Aufregung, mehr Sicherheit, mehr Liebe. Dann begegnen sie einem Mann, der ihnen etwas geben kann. Leider ist er nicht ganz ehrlich und so verläuft das Leben der drei Frauen ganz anders als geplant.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. In einer unaufgeregten Sprache erzählt Dror Mishani von Begegnungen, von Lügen, von Schicksalen. Wie er sich in die Gefühlswelt von drei Frauen hineinversetzt, fand ich enorm gut gelungen. Vom Leben in Israel hätte ich gern noch mehr erfahren, aber das ist geschenkt. Leider führen ein paar offene Fragen zu einem Stern Abzug. Ich mache mir auch sehr gerne meine eigenen Gedanken, aber da fühlte ich mich doch ein wenig zuviel allein gelassen. Trotzdem habe ich den Roman sehr genossen. Ich möchte jetzt auch die Krimis des Autors kennenlernen.

Veröffentlicht am 16.09.2019

Märchenwelt

Bis ans Ende ihrer Tage
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Eine unverletzte Frau, die blutüberströmt zusammenbricht. Ein Mann, der von einem Speer durchbohrt wurde. Kommissar Thomas Nyland taucht ein in die Welt der russischen Volksmärchen, um einen wahnsinnigen ...

Eine unverletzte Frau, die blutüberströmt zusammenbricht. Ein Mann, der von einem Speer durchbohrt wurde. Kommissar Thomas Nyland taucht ein in die Welt der russischen Volksmärchen, um einen wahnsinnigen Mörder zu fassen.

Bis ans Ende ihrer Tage ist der erste Thriller von Jens Ostergaard. Sehr spannend, teilweise sehr blutig führt er mich durch russische Märchen über Drachen, entführte Prinzessinnen, wahnsinnige Hexen und tapfere Retter. Mir hat der Thriller sehr gut gefallen, obwohl ich mir mehr Verwicklungen gewünscht hätte. Das ging mir alles zu glatt, kein falscher Weg, den der Kommissar wieder zurückgehen muss, um den Täter zu fassen. So gerät der Thriller für mich zu kurz, aber für die nächsten Folgen der Reihe bleibt so Luft nach oben. Einen großen Pluspunkt bekommt der Autor, weil er dem ausweicht, was andere unweigerlich in den Thriller geschrieben hätten, um ihn länger zu machen: Eine Romanze zwischen dem Kommissar und der Spezialistin für russische Volksmärchen. Apropos Kommissar: Mit Thomas Nyland betritt ein Kommissar die Krimiwelt, der für mich die richtige Balance zwischen genial und menschlich findet.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, diese Reihe im Auge zu behalten.

Veröffentlicht am 15.09.2019

Der etwas andere Wellness-Trip

Neun Fremde
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In Tranquillum House treffen neun Personen ein. Neun sehr unterschiedliche Personen, die aus unterschiedlichen Gründen aktuelle Krisen hinter sich lassen wollen. Unter der Aufsicht von Hotelmanagerin Masha ...

In Tranquillum House treffen neun Personen ein. Neun sehr unterschiedliche Personen, die aus unterschiedlichen Gründen aktuelle Krisen hinter sich lassen wollen. Unter der Aufsicht von Hotelmanagerin Masha begeben sie sich auf einen zehntägigen Wellness-Trip. Aber etwas ist anders in Tranquillum House, und auf einmal ist nichts mehr so wie es scheint.

Im Grunde möchte ich gar nicht viel über den Inhalt schreiben, weil jedes Wort könnte zuviel über den Inhalt, die Entwicklungen in Neun Fremde verraten. Ich habe die Protagonisten sehr gerne auf ihrem Weg, auf ihrer Suche nach sich selber, nach einer besseren Zukunft begleitet. Da ist zunächst Frances, für mich die Hauptperson unter den Hauptpersonen. Eine Autorin von Liebesromanen, deren Karriere auf dem absteigenden Ast ist. Tony, der seine Sportlerkarriere schon längst hinter sich gelassen hat. Ben und Jessica, die im Lotto gewonnen und den Blick aufeinander verloren haben. Lars, Scheidungsanwalt, der vor dem Kinderwunsch seines Lebensgefährten geflohen ist. Carmel, die sich für viel zu dick hält und die Familie Marconi, die durch die Trauer zusammengehalten wird. Hotelmanagerin Masha und ihre beiden Assistenten Yao und Delilah wachen mit strenger Hand über die neun Gäste.

Ein Wellnessresort, das ich selber lieber nicht besuchen möchte, aber eins, über das ich sehr gerne gelesen habe. Tage, in denen keiner reden darf. Fastentage und Smoothies, die eine ungeahnte Zusammensetzung haben, haben keine einladende Wirkung auf mich gehabt. Aber wie unterschiedliche Menschen mit Konflikten, mit Grenzerfahrungen umgehen, war sehr unterhaltsam, manchmal sogar sehr witzig. Dabei lässt die Autorin durch ständige, sehr gut gemachte Perspektivwechsel, jeden Gast zu Wort kommen.

Aber es gibt auch zwei Abzüge. Den ersten für einige Längen im Mittelteil (da hätte eine Straffung der Spannung sehr gut getan), den zweiten für das doch sehr, sehr zuckersüße Ende. Nicht falsch verstehen, wir alle lieben Happy-Ends, aber das war mir ein bisschen zu dick aufgetragen.

Trotzdem war Neun Fremde für mich beste Unterhaltung, die ich sehr gerne weiterempfehle!