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Veröffentlicht am 04.12.2018

Auf der Suche nach der Schwester

Die zweite Schwester
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Der Jahrestag von Mirandas Verschwinden jährt sich nun zum zehnten Mal. Für ihre Familie ist die Ungewissheit am schlimmsten. Mirandas Schwester Ella hat beschlossen, sich nicht mehr den Rest ihres Lebens ...

Der Jahrestag von Mirandas Verschwinden jährt sich nun zum zehnten Mal. Für ihre Familie ist die Ungewissheit am schlimmsten. Mirandas Schwester Ella hat beschlossen, sich nicht mehr den Rest ihres Lebens die quälende Frage stellen, was Miranda passiert ist, ob sie noch lebt, ob sie leiden musste. Sie möchte abschließen, auch wenn die Wahrheit vielleicht grausig sein wird. Doch wo beginnen? Schließlich hat die Polizei damals alle Hinweise ausgewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass es keine heiße Spur gibt.

Ella zieht zusammen mit ihren Eltern Luke, den Sohn ihrer Schwester groß. Er war noch ein Säugling, als seine Mutter verschwand. Wer sein Vater ist, weiß niemand. Luke ringt seiner Tante das Versprechen ab, die Wahrheit für ihn herauszufinden. Kurz darauf findet sie tatsächlich einen ersten Hinweis, als die Polizei Mirandas alte Sachen zurückbringt: ein Adressbuch. Die Spur scheint vielversprechend.

Obwohl Ted, ihr Kindheitsfreund und inzwischen Polizist, versucht, ihr die Ermittlungen auszureden, lässt Ella sich nicht davon abbringen. Sie weiß: wenn sie wirklich einen Schlussstrich ziehen will, kommt sie um einen Besuch bei Jason Thorne nicht herum. Er sitzt wegen Mordes lebenslang in einer psychatrischen Anstalt, und obwohl man ihm nichts nachweisen konnte, ist Ella überzeugt dass er auch ihre Schwester auf dem Gewissen hat.

„Es gibt keinerlei sichtbare Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Aber es liegt etwas Seltsames in der Luft, eine Art Witterung, wenngleich so schwach, dass sie auch Einbildung sein könnte.“ Pos. 127

Inzwischen häufen sich die merkwürdigen Zufälle und langsam kommt Ella zu dem Schluss, dass der Mörder noch auf freiem Fuß ist. Sie beschließt, sich nicht weiter auf die Polizei zu verlassen und selber herauszufinden, was ihrer Schwester vor zehn Jahren passiert ist. Da die Polizei eine Beteiligung von Jason Thorne an Mirandas Verschwinden weder dementiert noch bestätigt hat, besucht Ella ihn in der psychatrischen Einrichtung. Er scheint mehr über Ellas Schwester zu wissen, als er bisher preisgegeben hat. Und von da an kommt ein Stein ins Rollen, den niemand aufhalten kann.

Ella kämpft mit den Geistern ihrer Schwester. Weil ihr Tod nie bestätigt wurde, kann sie nicht loslassen. Sie führt Zwiegespräche mit Miranda, überlegt sich was ihre Schwester an ihrer Stelle getan hätte und versucht, einer nicht anwesenden Person zu gefallen. Ich habe im Laufe der Geschichte Mitgefühl für Ella entwickelt, andere finden ihr Verhalten sicher nervig. Doch sie balanciert auf einem schmalen Grat. Ich kann ihre Beweggründe verstehen und auch ihre Handlungen. Miranda erschien mir immer unsympathischer. Ich empfand sie als manipulativ und intrigant. Die beiden Schwestern verbindet ein enges Band, das nach dem Verschwinden von Miranda durch den kleinen Luke noch stärker geworden ist. Ella macht eine Heilige aus Miranda und übernimmt unbewusst die Denkstrukturen ihrer Mutter. Keiner darf die ältere Schwester kritisieren, an ihr zweifeln.

„Ich habe die letzten zehn Jahre mit einem riesigen Loch in meinem Herzen verbringen müssen, und dieses Loch hat exakt die Form meiner Schwester.“ Pos. 4264

Der Schwerpunkt liegt hier ganz klar auf Ella und ihrem Verhalten. Die Handlungen mancher Nebencharaktere haben mich ab und an die Stirn runzeln lassen. Ted zum Beispiel fand ich ab und an in hohem Maße unlogisch, obwohl er eigentlich ansonsten smart ist. Das Tempo war im Großen und Ganzen genau richtig, zwischendurch gab es leider einige Längen. Das ist auch dadurch bedingt, dass die Gespräche zwischen Ella und Miranda nicht klar abgegrenzt sind und so das Lesen etwas erschwert wird.


Ein Spannungsroman, den ich uneingeschränkt empfehlen kann, wenn man ruhige Thriller mag. Hier steht die Detektivarbeit von Ella im Vordergrund, das Zusammensetzen der Puzzleteilchen. Spannende Atmosphäre und viele Wendungen runden das Ganze ab.

Veröffentlicht am 04.12.2018

Mutterglück

Das falsche Kind
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Sasha hat die Geburt ihrer kleinen Tochter von Anfang bis Ende durchgeplant. Doch dann wacht sie nach einem Notkaiserschnitt auf und alles fühlt sich falsch an. Als Ärztin weiß sie jedoch, dass Mütter, ...

Sasha hat die Geburt ihrer kleinen Tochter von Anfang bis Ende durchgeplant. Doch dann wacht sie nach einem Notkaiserschnitt auf und alles fühlt sich falsch an. Als Ärztin weiß sie jedoch, dass Mütter, die das Baby nach der Geburt nicht sofort im Arm halten können, sich schwer tun, eine Bindung aufzubauen. Und als sie dann ihren Sohn kennenlernen darf, macht das alles nur noch schwerer. Denn bisher war immer nur die Rede von einem Mädchen. Das Baby sieht weder ihr noch ihrem Mann Mark ähnlich. Und Sasha fühlt keine Verbundenheit. Für sie ist klar: Ihr Baby wurde vertauscht. Doch niemand glaubt ihr.

Krankenschwester Ursula, die im gesamten Buch sehr unsympathisch wirkt und anscheinend den Beruf verfehlt hat, fühlt sich durch diese Anschuldigungen auf den Schlips getreten.

Mark, der Vater des Kindes, erkennt nicht nur Ähnlichkeiten mit seiner kompletten Verwandtschaft, sondern auch mit Sasha. Die Ängste seiner Frau tut er leichtfertig ab und nimmt es auch in Kauf, als diese in die psychiatrische Abteilung verlegt werden soll. Er stärkt seiner Frau nicht den Rücken, als sie es am dringendsten braucht.

Was wie ein Thriller anfing, wandelte sich im Laufe der Geschichte in ein Drama.

Der Plot wird aus Sashas und aus Marks Perspektive erzählt, abwechselnd in der Gegenwart und Vergangenheit. Dadurch erfährt man, wie tief der Kinderwunsch der beiden geht und wie sehr sich ihre Beziehung aus diesem Grund verändert hat.

Der Schreibstil ist erwartungsgemäß flüssig, das Buch ließ sich gut lesen. Die Autorin hat Sashas Alleinsein gut umgesetzt, sodass ein Großteil der Geschichte nicht in wörtlicher Rede geschrieben ist, sondern nur Sashas Gedanken widerspiegelt. Das führt allerdings auch dazu, dass sich die Geschichte stellenweise etwas zieht.

Leider bleiben die Charaktere oberflächlich, trotz des Blicks in die Vergangenheit. Sashas Ängste, die durch das fehlende Gefühl der Bindung ausgelöst werden, scheinen tiefer zu sitzen als gedacht. Sie ist anscheinend ein sehr ängstlicher Mensch. Schade, dass mir eben diese Emotionen nicht gut vermittelt wurden. Ich habe zwar begriffen, was die Autorin mir mitteilen möchte, jedoch blieb das bei einer reinen Kopfsache, die mein Herz nicht erreichte. Vor allem bei solch einem Thema ist es meiner Meinung nach wichtig, dass die Protagonisten über ausreichend charakterliche Tiefe verfügen, damit ich als Leserin mich in sie hineinversetzen und durch ihre Augen sehen kann.

Die einzige Frage, die man das Buch über verfolgt, ist, ob Sashas Sohn tatsächlich vertauscht wurde. Spannung in dem Sinne wurde ansonsten nicht aufgebaut. Die Handlung erstreckt sich über sechs Tage, die Kapitel sind kurz. Dadurch lässt sich das Buch zwar leicht lesen, bleibt aber nicht nachhaltig in Erinnerung.


Danke an Bastei Lübbe für dieses Leseexemplar.

Fazit: Die Geschichte hat mich gut unterhalten. Durch die fehlende Spannung hat es mich jedoch oft nicht gereizt, weiterzulesen. Ein Buch mit einer soliden Grundidee, die noch ausbaufähig ist.

Veröffentlicht am 20.11.2018

Die Geister, die ich rief

Mädchen aus dem Moor
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Kaths Leben scheint sich an den Rändern aufzulösen. Sie soll Selbstmord begangen haben, kann sich aber an nichts mehr erinnern. Doch eines weiß Kath: sie würde ihre Tochter Lyla niemals im Stich lassen. ...

Kaths Leben scheint sich an den Rändern aufzulösen. Sie soll Selbstmord begangen haben, kann sich aber an nichts mehr erinnern. Doch eines weiß Kath: sie würde ihre Tochter Lyla niemals im Stich lassen. Wie soll sie herausfinden, was passiert ist? Warum verhalten sich ihr Bruder und ihr Mann merkwürdig, sobald die Sprache auf „das Ereignis“ fällt? Kath bleibt nichts anderes übrig, als das Puzzle selbst zu lösen – und zu hoffen, dass sie sich nicht in Gefahr begibt.

Die Charaktere sind authentisch gezeichnet. Kath als besorgte Mutter, die ihre Tochter schützen möchte. Vor den Gefahren des Moors, vor den Menschen, die sie nicht verstehen. Ihr Mann Adam, schweigsam und nachdenklich. Je weiter Kath die Ereignisse entwirren kann, desto distanzierter verhält sich Adam. Doch warum? Langsam beschleicht sie das Gefühl, niemandem mehr vertrauen zu können. Auch Kaths Bruder Dan übt sich in Zurückhaltung, während seine Frau Tess die einzige Freundin zu sein scheint, die Kath hat. Jeder von ihnen hat sein Päckchen zu tragen, und die Fäden scheinen in der schicksalhaften Nacht, in der Kath den Unfall hatte, zusammenzulaufen. Besonders Tess merkt irgendwann, dass die Rekonstruktion der Ereignisse auch Auswirkungen auf ihre eigene Familie hat.

Der Schreibstil war packend und trotzdem angenehm. Es fiel mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen, nicht nur wegen der Story, sondern weil die Seiten unbemerkt geflogen sind. Durch die Beschreibungen des winterlichen und nebligen Dartmoors wird eine gruselige Atmosphäre aufgebaut, die Kaths Verwirrungen nochmal toll unterstützen. Hat sie sich einen Schatten eingebildet oder war das echt? Dass dieses Moor-Klischee nicht überstrapaziert wird, ist ein weiterer Pluspunkt.

Von S. K. Tremayne habe ich bereits die ersten beiden Bücher gelesen. Sie waren okay. Also bin ich gespannt, aber nicht mit allzu hohen Erwartungen an diese Story gegangen. Und sie hat mich mitgerissen. Im Gegensatz zu den vorherigen Büchern waren die Bedrohungen und Ängste der Protagonistin Kathy hier greifbar. Das hat die Story einen Ticken spannender gemacht. Dazu noch

Veröffentlicht am 13.11.2018

Verwirrspiel

30 Sekunden zu spät
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Nepomuk besucht seinen an Demenz erkrankten Opa im Altersheim. Als dieser ihn mal wieder nicht erkennt, beschließt Nepomuk, mit seiner Freundin Miranda nach Büsum zu reisen. Die Insel war den Großeltern ...

Nepomuk besucht seinen an Demenz erkrankten Opa im Altersheim. Als dieser ihn mal wieder nicht erkennt, beschließt Nepomuk, mit seiner Freundin Miranda nach Büsum zu reisen. Die Insel war den Großeltern sehr wichtig und Opa hat dort etwas hinterlassen, was Nepomuk finden möchte. Doch auf der Insel verschlimmern sich Nepomuks Kopfschmerzen, und Miranda scheint unter Verfolgungswahn zu leiden.

Den Aufbau des Buches fand ich sehr gelungen. Im ersten Teil liest man Nepomuks Tagebuch, im zweiten Mirandas Erinnerungen an die Reise. Man hat also zwei verschiedene Sichtweisen, die sich auch in vielem unterscheiden - sei es die Hinreise, die Bekanntschaften oder der Aufenthalt auf Büsum. Sogar das Finale erleben die beiden komplett anders. Worauf diese klaffenden Lücken vor allem in Nepomuks Erinnerung zurückzuführen sind, muss der Leser selbst herausfinden. Sind es vielleicht schon erste Anzeichen von Demenz, vererbt von seinem Opa? Ist er krank? Oder hat es etwas mit Mirandas Verfolgungswahn auf sich?

Beide sind aber der Meinung, alles hätte verhindert werden können, wenn die Fernbedienung aufgetaucht wäre (Nepomuk) oder wenn die Fernbedienung verschwunden wäre (Miranda). Dieser Butterfly-Effekt, der auf dem Cover so schön verbildlicht ist, kommt in dieser Geschichte zum Tragen.

Zu den Charakteren konnte ich leider keine Bindung aufbauen - Nepomuk ist mir zu sprunghaft, zu uneinsichtig und Miranda erscheint mir am Ende sogar etwas fies im Hinblick auf das Geschehene.
Dennoch hat mich das Buch gut unterhalten und die anderen Bücher von Kaja Bergmann werde ich mir nun auch einmal anschauen.

Veröffentlicht am 11.11.2018

Göttlich

Anansi Boys
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Fat Charlie Nancy hat nichts besonderes an sich, auch sein Leben ist eher durchschnittlich. Das ändert sich, als sein Bruder Spider in sein Leben tritt, denn an ihm ist alles besonders: sein Aussehen, ...

Fat Charlie Nancy hat nichts besonderes an sich, auch sein Leben ist eher durchschnittlich. Das ändert sich, als sein Bruder Spider in sein Leben tritt, denn an ihm ist alles besonders: sein Aussehen, sein Charakter und vor allem seine göttlichen Fähigkeiten. In nullkommanichts ändert sich Fat Charlies Leben komplett. Seine Verlobte datet nun seinen Bruder, der wiederum ist dafür verantwortlich, dass Fat Charlie zwar nicht gefeuert wird, aber das Ziel polizeilicher Ermittlungen abgibt. Er möchte nun bald nichts mehr, als seinen Bruder wieder loszuwerden, doch das stellt sich als fast unmöglich heraus.

Neil Gaiman schafft es mal wieder, eine göttliche Story zu kreieren, in der der Leser sich nicht langweilt. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Charaktere ist brillant. Fat Charlie als Durchschnittsmann, Spider als das Nonplusultra. Grahame Coates, Fat Charlies Boss, ist ein hinterhältiger und gewitzter Geschäftsmann. Rosie, die prüde Verlobte, und Daisy, die faszinierende und toughe Polizistin. Der Club der alten Damen ist ebenfalls schonungslos überzeichnet, aber einfach liebenswert.
Auch die Götter in ihrer Tiergestalt haben eine Menge witziger Eigenschaften, die einen zum Schmunzeln bringen.

Und der Schreibstil wie immer grandios. Gaiman arbeitet mit einer bildgewaltigen Sprache auf knapp vierhundert Seiten und keine davon ist langweilig. Es macht so viel Spass, diese Geschichte zu lesen, dass die Seiten nur so fliegen.