Hauptsächlich war mir Prof. Ingo Froböse, ein ausgewiesener und anerkannter Experte auf seinem Gebiet, durch seine zahlreichen Videos über Krafttraining und Rückenschule bekannt. Und angesichts der Tatsache, ...
Hauptsächlich war mir Prof. Ingo Froböse, ein ausgewiesener und anerkannter Experte auf seinem Gebiet, durch seine zahlreichen Videos über Krafttraining und Rückenschule bekannt. Und angesichts der Tatsache, dass wir nun mal alle nicht jünger werden und meistens an Gewicht eher zulegen, schien mir „Der Stoffwechsel-Kompass“ ein hervorragendes Buch zu sein, um mich auf meine 50-ger Jahre vorzubereiten.
Viel wird in dem Buch über Stoffwechsel, Ernährung und Verdauung sehr detailliert dargestellt, manchmal auch ein wenig zu fachspezifisch für den Laien, und die wesentlichsten Begriffe nochmals in einem hervorgehobenen Kasten zusammengefasst. Man lernt in der Tat sehr viel darüber, wie der Körper „arbeitet“, was gut und schlecht für ihn ist. Dennoch fehlt mir das eigentlich Neue, was das Buch liefern sollte – weniger fachspezifisch erklärt, kann man das Meiste auch bereits in Zeitschriften wie der Apothekenumschau oder ähnlichem entnehmen. Der größte Schwachpunkt des Buches scheint mir aber, dass der Untertitel "Was uns in der zweiten Lebenshälfte fit, schlank und wach hält" schlichtweg irreführend ist: Die meisten Informationen sind allgemeiner Natur und beziehen sich auf den menschlichen Körper ganz generell, nur ganz wenige Details gegen Ende des Buches sind auf den Menschen in seiner zweiten Lebenshälfte ausgerichtet. Hier wird eindeutig nicht gehalten, was versprochen wird. Was bleibt, ist ein interessantes Buch eines Fachmannes, welches sehr viel über den menschlichen Stoffwechsel, Ernährung und die menschliche Verdauung vermittelt - sehr lesenswert, aber sicherlich kein "must have".
Wer kennt die Situation nicht, wenn ein Spitzenpolitiker im Interview Deutschlands wohl bekanntester Investigativ-Journalistin, Moderatorin und „Anchorwoman“ auf hervorragend recherchierte und präzise ...
Wer kennt die Situation nicht, wenn ein Spitzenpolitiker im Interview Deutschlands wohl bekanntester Investigativ-Journalistin, Moderatorin und „Anchorwoman“ auf hervorragend recherchierte und präzise formulierte Fragen Rede und Antwort stehen muss. Oft kommen die Politiker bei ihr dabei dann gehörig ins Schwitzen, denn ein Nicht- oder ausweichendes Beantworten ihrer Fragen ist für die Journalistin ein absolutes No-Go – zu Recht. Die Rede ist natürlich von der ZDF-Journalistin Marietta Slomka.
Mit „Nachts im Kanzleramt“ - der Titel und das dazu stimmige Buchcover erinnern dabei natürlich an den Hollywood-Movie „Nachts im Museum“ - hat sie ein richtig interessantes Sachbuch für Jung und Alt geschrieben, in welchem alle wichtigen Punkte aus Politik und Wirtschaft, vorwiegend in Bezug auf unsere Demokratie in Deutschland, erläutert werden. In erster Linie richtet sich das Buch an Jugendliche, die noch nicht alle Details über Politik wissen, aber auch jeder der sich seit Jahrzehnten mit Politik befasst, lernt hier und da Neues hinzu oder kann sich mit großem Genuss bereits Bekanntes in Erinnerung rufen. Das Buch ist außerordentlich gut strukturiert, sprachlich leicht zu verstehen, hat eine sehr gut gewählte Detailtiefe und führt vor allem all jenen, die gerne an unserem Staat und „den Politikern“ im Allgemeinen herum kritisieren vor Augen, in welch toller Demokratie wir hier in Deutschland leben dürfen. Das Buch ist mehr oder weniger ein Grundkurs in Politik, in welchem alle wesentlichen Begriffe definiert und in den Gesamtkontext unserer Staatsform eingebettet werden. Dabei wird auch mit anderen Regierungsformen verglichen, sei es beispielsweise mit Anarchie, Diktatur oder faschistischen Systemen. Und selten, aber dennoch immer mal wieder wird eine von Frau Slomkas Anekdoten aus ihrer Journalistenkarriere humorvoll oder kritisch mit eingeflochten.
Mir ganz persönlich hat dieses Buch, welches in der Hörbuchvariante im Übrigen ganz hervorragend von Marietta Slomka selbst und Peter Lontzek gelesen wird, enorm gut gefallen und ich kann es nur jedem politisch Interessierten bzw. all jenen, die dies noch werden mögen, nur wärmstens empfehlen. Es ist ein Nachschlagewerk für politische Begriffe, darüber hinaus aber auch ein überaus gelungener Versuch zur politischen Bildung von Jugendlichen.
Auf längeren Autofahrten hat sich bei uns in der Familie das Hören von guten und interessanten Hörbüchern etabliert und es liegt für mich auf der Hand, was meine Kinder, die nun im besten Teenageralter und somit im idealen Alter für dieses (Hör)Buch sind, bei der nächsten Urlaubsfahrt sich anhören dürfen. Es wird vermutlich die letzte Fahrt sein, bei der ich die Thematik maßgeblich vorgeben kann – nach dem Hören von „Nachts im Kanzleramt“ werden meine Kinder ein so fundiertes und gesundes Verständnis von Demokratie besitzen, dass wir in Zukunft sicherlich darüber abstimmen werden, was nun gehört wird. - Aber das nehme ich für die im Buch großartig vermittelte politische Bildung sehr gerne in Kauf. Es lebe die Demokratie, mit bestem Dank an die Autorin.
Nach Kirsten Nähles Krimi-Debut „Zwölf Sünden“ und dem Nachfolger „Vertraute Qualen“ stellt nun „Frische Wunden“ den Abschluss der Kriminalroman-Trilogie um das Würzburger Ermittler-Duo Victoria Stahl ...
Nach Kirsten Nähles Krimi-Debut „Zwölf Sünden“ und dem Nachfolger „Vertraute Qualen“ stellt nun „Frische Wunden“ den Abschluss der Kriminalroman-Trilogie um das Würzburger Ermittler-Duo Victoria Stahl und Daniel Freund dar.
Wie bereits in den beiden Bänden zuvor ist man als Leser von Beginn an gleich mitten drin im Geschehen und muss dieses Mal hautnah miterleben, wie im Prolog eine junge Frau mit Baby auf dem Arm durch den Wald gehetzt und getötet wird. Der Prolog wird dabei in „Ich“-Form erzählt und hebt sich damit in puncto Atmosphäre und Erzählperspektive vom Rest des Buches ab. Im ersten Kapitel wird dann das Ermittler-Duo, wie bereits im Vorgängerband ergänzt durch die Anwärterin Kathrin Schuster und Oberkommissar Benedikt Strobel, zu eben diesem Tatort mitten im Wald gerufen. Obwohl das offensichtlich auffallend hübsche Opfer teure Kleidung trägt, ist sie im angrenzenden Nobel- und Villenviertel unbekannt, wie sich bei den ersten Befragungen herausstellt. Ungereimt bleibt zunächst einmal, wie die junge Frau dorthin gelangt war und die Bedeutung einer Babydecke, mit welcher die Tote zugedeckt war. Das von den Ermittlern und weiteren Personen verzweifelt gesuchte Baby bleibt erst einmal verschwunden. Darüber hinaus lernt der Leser Jonas kennen, der in einem Fitnessstudio arbeitet. Die Handlung spitzt sich dann soweit zu, dass der Leser befürchten muss, dass es sich bei der Toten wohl um Lara, die (Ex-)Freundin von Jonas handelt. Jonas stellt auf eigene Faust Nachforschungen an und gerät dadurch selbst unter Verdacht. Zu diesen Protagonisten gesellen sich dann auch noch eine vernünftig überschaubare Anzahl von Nebencharakteren, die im Verlauf des Buches mal mehr, mal weniger Einfluss auf die Handlung nehmen und von denen manche selbst zu Hauptverdächtigen werden. Privat ist Victoria mittlerweile wieder zu ihrem Mann Tom zurückgekehrt, ihre Tochter Marie befindet sich derzeit auf einem Auslandsaufenthalt in den USA und Daniel und seine Lebensgefährtin Susanne hatten eine Fehlgeburt erlitten. Und auch zwischen Kathrin und Daniel entwickeln sich nun deutlich mehr Gefühle als die beiden wohl geplant hatten. Hier wird also an vielen Stellen die Handlung dort fortgesetzt, wo sie ganz grob vor einem halben Jahr, damals in Band 2, geendet hatte. Alle drei Bände sind allerdings auch komplett unabhängig voneinander lesbar.
Die wieder einmal düstere Atmosphäre des Covers, welches einen leicht mit Schnee bedeckten Wald in gleißendem Gegenlicht zeigt, der Titel „Frische Wunden“ und die ständigen Perspektivenwechsel in den kurzen, mit den Namen der Protagonisten überschriebenen Kapiteln, welche die Autorin mit ihrem mitreißenden Schreibstil gekonnt einbaut, stellen einen hohen Spannungslevel über den gesamten Umfang des Buches hinweg sicher. In gewohnter Weise flüssig und nie langweilig erzählt, lässt Kirsten Nähle den interessanten Plot von „Frische Wunden“ sich zu einem begeisternden Pageturner entwickeln – zumal sie der gesamten Handlung wie auch den diesmal deutlich Ausdrucks- und Charakter-stärkeren Protagonisten im Gegensatz zum Vorgängerband mehr Zeit zur Entfaltung gewährt und deutlich mehr Tiefe verleiht. An keiner Stelle ist die Handlung auch nur im Entferntesten vorhersehbar und alle Handlungsstränge werden am Ende logisch und sinnvoll zusammengeführt. Ebenso wird mit der nicht erfüllten Kinderwunsch- und Leihmutterschaftsproblematik von der Autorin einmal mehr ein interessantes und hoch-aktuelles Thema aufgegriffen, zu welchem der Leser sich auf der Basis des Buches sein ganz eigenes Meinungsbild erstellen kann und zum individuellen Abwägen gelangt, was nun gesellschaftlich, moralisch und politisch sinnvoll ist oder sein könnte. Eine besonders emotionale Note bekommt der Roman dadurch, dass die Autorin die persönlichen Schicksale der Protagonisten, insbesondere der Ermittler Victoria, Daniel, Kathrin und Benedikt mit dem Kriminalfall geschickt verwebt.
Fazit: Kirsten Nähle liefert mit „Frische Wunden“ ein deutlich reiferes Werk ab als das noch mit dem unmittelbaren Vorgänger „Vertraute Qualen“ der Fall war. Die Handlung bleibt dieses Mal völlig widerspruchsfrei, zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar und spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Allen Lesern, die die Kriminalfälle und das Privatleben von Victoria und Daniel durch die Vorgängerbände begleitet haben, wird es eine Freude sein, nun den packenden Abschluss der Trilogie miterleben zu dürfen. Die Palette an Protagonisten ist vielfältig und jeder einzelne hat einen sehr viel ausgeprägteren Charakter und mehr Facetten als das noch in „Vertraute Qualen“ der Fall war. Des weiteren hat die durchweg schlüssige Handlung deutlich mehr Tiefgang. Nach „Frische Wunden“ wäre es durchaus schön, wenn sich Kirsten Nähle dazu entscheiden würde, die Trilogie irgendwann dann vielleicht mit einem Folgeband weiterzuführen. Vermutlich würden viele Leser gemeinsam mit mir gerne erfahren, vor welche Herausforderungen Victoria, Daniel, Kathrin und Benedikt beruflich wie auch privat noch gestellt werden.
Mit „Was ist Leben?: Die fünf Antworten der Biologie“ hat Paul Nurse ein wunderbares Buch über das Leben oder genauer gesagt darüber, was er darunter versteht, geschrieben. Und mal ganz ehrlich, wer sollte ...
Mit „Was ist Leben?: Die fünf Antworten der Biologie“ hat Paul Nurse ein wunderbares Buch über das Leben oder genauer gesagt darüber, was er darunter versteht, geschrieben. Und mal ganz ehrlich, wer sollte es denn besser wissen, als er, der sogar Nobelpreisträger auf diesem Gebiet ist.
Klappentext: Was ist Leben? Und was bedeutet die Antwort auf diese Frage für die Herausforderungen, denen sich die Menschheit heute gegenübersieht – Klimawandel, Pandemien und Artensterben? Paul Nurse erhielt den Nobelpreis dafür, gezeigt zu haben, wie lebende Zellen funktionieren. In seinem so klar wie elegant verfassten Buch synthetisiert er auf wenigen Seiten sämtliches Wissen darüber, was es heißt, am Leben zu sein. Schritt für Schritt erläutert Nurse die fünf revolutionären Ideen, die der Biologie zugrunde liegen – die Zelle, das Gen, Evolution durch natürliche Selektion, das Leben als Chemie und das Leben als Information.
Der Klappentext gibt dem Leser bereits einen hervorragenden Überblick, um was es im Einzelnen in diesem insgesamt eher kurz gehaltenen Buch geht, in erster Linie also um Zellen, Gene und Evolution. Insgesamt ist das Buch ganz nett geschrieben, an manchen Stellen gehen mir die vermittelten Kenntnisse als Wissenschaftler allerdings nicht tief genug, an anderen fühle ich mich wiederum als der Biologie Fach-fremdem Forscher auch ein wenig überfordert. Im Mittel scheint somit also alles wiederum sehr gut zu stimmen. Am meisten begeistern mich aber die kleinen Anekdoten, die Nurse einfach mal so am Rande erzählt, wie beispielsweise seine Erfahrungen seiner eigenen Studenten-, Doktoranden- oder Post-Doc-Zeit. Hier dürften bei jedem Naturwissenschaftler eigene Erfahrungen wieder erwachen und man ließt diese Abschnitte mit Begeisterung und mehr als einem Schmunzeln auf den Lippen: Aha, selbst solchen beeindruckenden Größen auf ihrem Gebiet erging es so! Besonders interessant finde ich zudem, dass man zum Herausarbeiten, was vielen Lebewesen in den Zelleigenschaften gemeinsam ist, so weit zurückgeht, dass sich als repräsentatives Beispiel die Hefe ergibt – sie taugt also zu weit mehr als nur fürs Bier oder den Kuchen. Und ganz offensichtlich hat das auch bestens funktioniert, wie die Arbeiten und Ergebnisse von Paul Nurse eindrucksvoll beweisen.
Insgesamt also ein sehr interessant, spaßig und lehrreich geschriebenes Buch, das für jeden, der sich dieser Thematik ein wenig fundierter widmen möchte, hilfreich und unterhaltsam sein dürfte. In der Hörbuchvariante wird das Buch im Übrigen sehr eindrucksvoll von Stefan Nass gesprochen.
Nach einem Oscar für das Drehbuch zu „The Imitation Game“, seinem grandiosen, mit dem Anthony Awards ausgezeichneten, Krimi-Debüt „Der Mann, der Sherlock Holmes tötete“ und dem überaus faszinierenden, ...
Nach einem Oscar für das Drehbuch zu „The Imitation Game“, seinem grandiosen, mit dem Anthony Awards ausgezeichneten, Krimi-Debüt „Der Mann, der Sherlock Holmes tötete“ und dem überaus faszinierenden, semi-historischen Roman „Die letzten Tage der Nacht“ widmet sich Graham Moores jüngstes Werk „Verweigerung“ nun dem Genre des Justizthrillers. Der Autor begibt sich hiermit auf das üblicherweise von John Grisham angestammte Gebiet und ganz natürlich stellen sich somit die beiden Fragen: Kann der Tausendsassa Graham Moore auch Justizthriller schreiben und wird „Verweigerung“ bei solch großartigen Romanen wie beispielsweise „Die Jury“, „Die Firma“, „Die Kammer“ oder „Der Regenmacher“ mithalten können? - Gedulden wir uns noch ein wenig, eine Antwort darauf folgt dann am Ende dieser Rezension.
Klären wir erst einmal, worum es in „Verweigerung“ überhaupt geht. Zum Einstieg nehmen wir an einem Gerichtsprozess teil, bei dem die junge Anwältin Maya Seale erfolgreich eine Klientin verteidigt, die von ihrem Mann übelst misshandelt wurde, ihn daraufhin getötet und ihm den Kopf abgetrennt hatte. Maya wird im weiteren Verlauf unsere Hauptprotagonistin bleiben, allerdings wird das Narrativ in erster Linie durch zwei weitere Gerichtsprozesse geprägt sein, über die auf zwei unterschiedlichen Zeit- und Handlungsebenen erzählt wird.
Zum einen wird in einer Rückblende um 10 Jahre von einem der spektakulärsten Gerichtsprozess des letzten Jahrzehnts berichtet. In diesem soll der afroamerikanische Aushilfslehrer Bobby Nock seine minderjährige Schülerin Jessica Silver, welche die Tochter eines der wohlhabendsten und einflussreichsten Männer in Los Angeles ist, getötet haben, um seine Affäre mit ihr zu vertuschen. Jessicas Leiche wurde jedoch nie gefunden. Maya war damals eine der zwölf Geschworenen gewesen, hatte zunächst als einzige auf unschuldig plädiert, nach und nach alle anderen Geschworenen auf ihre Seite gezogen und letztlich wurde Bobby aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Zum anderen wird, initiiert durch einen Fernsehsender, 10 Jahre nach dem Prozess nun ein Treffen dieser Geschworenen stattfinden, bei welchem der Fall nochmals aufgerollt und neu betrachtet werden soll - insbesondere nachdem der wie Bobby Nock ebenfalls Schwarze Rick Leonard, ein weiterer Geschworener im damaligen Prozess, auf diesem Treffen nach jahrelanger, hartnäckiger Recherche medienwirksam den ultimativen Beweis für Bobbys Schuld präsentieren möchte. Rick und Maya hatten während des damaligen Prozesses eine kurze, geheim geglaubte Affäre und möchten nochmals unter vier Augen miteinander sprechen. Das Gespräch gerät allerdings zum Streit, Rick wird ein wenig später tot in Mayas Hotelzimmer aufgefunden und Maya wird zur Hauptverdächtigen gegen die alle Indizien zu sprechen scheinen. Sie wird verhaftet, kommt gegen Kaution wieder frei und versucht unterdessen auf eigene Faust zu ermitteln, wird aber vor ihrem eigenen Prozess nicht davonlaufen können. Durch geschicktes Verknüpfen der beiden Zeitebenen, auf denen wir immer genauere Details über das Privat- und Berufsleben von Bobby, Jessica und ihrer Familie, Rick und Maya, aber auch jedes einzelnen der anderen, damaligen Geschworenen und deren jeweiliger Perspektive auf das Geschehen erfahren, entfaltet sich eine ungemein spannende Geschichte mit zahlreichen Wendungen, die in sich aber stets schlüssig bleibt und bei der am Ende alles mit allem verwoben zu sein scheint.
Vordergründig geht es in dem von André Mumot ins Deutsche übersetzen Roman also um die Schuldfrage in den beiden mutmaßlichen Mordfällen Jessica Silver sowie Rick Leonard und um die Beziehung zwischen Maya und Rick. Hintergründig durchleuchtet Graham Moore jedoch sehr detailliert das traditionsbehaftete, angelsächsische Rechtssystem in Amerika und deckt dessen Schwächen auf, wenn sich eine 12-köpfige Jury bestehend aus Laien, querbeet ausgewählt durch alle Bevölkerungsschichten, unter Zeit- und äußerem (Medien-)Druck auf eine mehr oder weniger willkürliche Entscheidung einigt - oftmals stark beeinflusst vom Talent und der sprachlichen Gewandtheit der Verteidigung oder der Staatsanwaltschaft. Mit seinem mitreißenden Schreibstil vermittelt Graham Moore zudem die gesamte Palette ethnischer, moralischer und politischer Aspekte, von denen ein solches Strafverfahren begleitet wird. Der Autor bringt dabei eine ganz gehörige Portion Gesellschafts- und Politikkritik mit hinein und eine der ganz zentralen Botschaften des Buches ist, dass nicht unbedingt „Nichts als die pure Wahrheit“ zu einem Freispruch führt, sondern die schlüssigste und am geschicktesten zurechtgezimmerte Geschichte die im Gerichtssaal präsentiert wird; "Ehrlich währt am längsten" mutiert dabei zum "Am geschicktesten Lügen währt am längsten". Ganz besonders macht die sprachliche, gewitzte und teils auch humorvolle Raffinesse des Autors und die Aufteilung des Geschehens auf Handlungsebenen, die wie schon in „Der Mann, der Sherlock Holmes tötete“ zeitlich auseinander liegen, das Buch zu einem ideenreichen Erlebnis und packenden Pageturner. Buchcover (das englische Original wartet gleich mit drei verschiedenen Varianten auf, die allesamt passender erscheinen als das deutsche) und -titel könnten meines Erachtens interessanter gestaltet und besser auf die Handlung abgestimmt sein, tun der Sache insgesamt aber keinerlei Abbruch.
Fazit: Mit „Verweigerung“ ist Graham Moore einmal mehr ein rundum atemberaubender Roman gelungen, der über seine gesamten 400 Seiten hinweg überzeugt und in jeglicher Hinsicht keine Vergleiche, auch nicht mit jenen, die dieses Genre seit Jahrzehnten dominieren, zu Scheuen braucht - in puncto Modernität und Aktualität überflügelt er jene sogar um Längen. Dem Autor ist hier ein überaus spannender, stets real wirkender Justizthriller geglückt, voll bepackt mit ethnischen und moralischen Aspekten, bei dem Emotionen, Humor und Kritik zu keinem Zeitpunkt zu kurz geraten. Jedem der im Buch auftretenden, charakterstarken und facettenreichen Figuren wird eine ganz eigene, lebendige Persönlichkeit eingehaucht und Raum zur Entfaltung zugestanden, die einzelnen Handlungsstränge werden großartig zusammengeführt und die am Ende noch offenen Fragen ebenso stimmig und glaubwürdig verpackt. Für mich ganz persönlich ein Meilenstein dieses Genres und bereits jetzt eines der ganz großen Lesehighlight dieses Jahres.