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Veröffentlicht am 23.06.2021

Freundschaftsbande

Heldinnen werden wir dennoch sein
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Der Freitod von Frankie schockiert die Frauen Susie, Helma, Ute und Ellie, die alle Mitte 50 sind und in der Schulzeit einmal eng befreundet waren. Und auch Lisa, Frankie's Patenkind und Tochter der verstorbenen ...

Der Freitod von Frankie schockiert die Frauen Susie, Helma, Ute und Ellie, die alle Mitte 50 sind und in der Schulzeit einmal eng befreundet waren. Und auch Lisa, Frankie's Patenkind und Tochter der verstorbenen fünften Freundin Marie ist untröstlich.

Was macht Fraundschaft aus und was erschüttert sie oder lässt sie vielleicht zerbrechen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich dieser feinfühlige Regionalroman, der im niederrheinischen Kaarst angesiedelt ist und bei mir wohlige Heimatgefühle erzeugt hat.

Um die Leser nicht mit den vielen Charakteren, die wir gleich zu Anfang kennenlernen zu verwirren, werden die wichtigsten Personen schon in der Innenseite des Buchdeckels kurz vorgestellt, was sehr hilfreich ist und nicht spoilert. Die kleine Karte von Kaarst mit den wichtigsten Schauplätzen gefiel mir ebenfalls richtig gut.

Die Kapitel tragen jeweils die Namen der Frau als Überschrift , aus deren Sicht in der Folge erzählt wird. Es wird sowohl Bezug genommen auf das Leben der Frau heute, und es schließt sich jeweils ein Rückblick an, in die Jugendzeit, die die Frauen gemeinsam in den 70er und 80er Jahren zusammen erlebt haben, die Zeit in der sie Freundinnen wurden mit Frankie als Hahn im Korb in ihrer Mitte. Das Frankie anders war als die anderen Jungs in ihrem Umfeld war den Mädchen wohl klar, dass er homosexuell war, haben sie nicht alle direkt verstanden. Auch in Frankie's Gefühlswelt darf man als Leser immer mal wieder eintauchen.

Frankie ist der beste Freund, den man sich denken kann, umso schlimmer ist es mitzuerleben, wie er aufgrund seiner Andersartigkeit täglich schikaniert wird. Die Freundinnen sind in ihrem Wesen sehr unterschiedlich, ob ernst und strebsam oder naiv und um Aufmerksamkeit bemüht. Sie sind typische Jugendliche mit Ecken und Kanten, die herzlich und lieb sind aber auch enttäuschen. Sie alle machen eine Entwicklung durch und wachsen an ihren Fehlern. Es ist nie zu spät noch die Kurve zu kriegen und so tröstlich wenn Freunde verzeihen können. Ich fand die Charaktere im Großen und Ganzen, authentisch, auch wenn die Autorin mal ein Klischee gestreift hat, hat mich das nicht so gestört.

Der Roman lässt sich flott lesen und hat mich gut unterhalten.Die Geschichte hatte nicht sehr viel Überraschendes für mich Ich ahnte schon oft, was passieren würde. Trotzdem war es eine lohnende, vielschichtige Lektüre, die mich angeregt hat, über lebenslange Freundschaften nachzudenken. Interessant wie nachhaltig einen Erlebnisse aus der Jugend prägen, aber das ist wirklich so.


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Veröffentlicht am 18.06.2021

Sauerstoff

Miracle Creek
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Im ländlichen Miracle Creek kommt es zu einem tragischen Vorfall, bei dem ein kleiner Junge und eine Mutter von vier Kindern verstirbt und mehrere Personen schwer verletzt werden. Nach einem Jahr wird ...

Im ländlichen Miracle Creek kommt es zu einem tragischen Vorfall, bei dem ein kleiner Junge und eine Mutter von vier Kindern verstirbt und mehrere Personen schwer verletzt werden. Nach einem Jahr wird der Fall gerichtlich aufgearbeitet und die Mutter des kleinen Jungen sitzt auf der Anklagebank, weil man ihr Mord vorwirft. In einer Scheune hatte ein koreanisches Einwandererpaar eine HBO Therapie angeboten, wobei den Patienten in einer Druckkabine aus gesundheitlichen Gründen reiner Sauerstoff zugeführt wurde. Insbesondere bei autistischen Kindern sollte diese Therapie das Krankheitsbild verbessern , aber auch bei anderen gesundheitlichen Problemen,so hieß es, führe HBO zur Besserung des Wohlbefindens. Durch die Explosion eines Sauerstofftanks ausgelöst durch ein Feuer wurde die Druckkabine zur tödlichen Falle.

Was zunächst wie ein typischer Gerichtsthriller anmutet, entpuppt sich als vielschichtiger Roman, der sich neben dem Kriminalfall mit einer Fülle an Themen befasst. Es geht um Einwanderer, hier explizit asiatische Einwanderer in Amerika, die nicht besonders hoch angesehen sind, um Rassismus, um das Rollenbild von Asiaten, um Kinder mit besonderen Bedürfnissen, um Mütter und um Überforderung, um unerfüllten Kinderwunsch und und und..!

Dreh und Angelpunkt ist natürlich das tragische Ereignis, und das wird von allen Seiten beleuchtet, indem es jede Menge Perspektivwechsel gibt. Die Sprache ist klar, der Erzählstil ruhig. Einfach jeder scheint etwas verbergen zu wollen und so scheint nach und nach auch jeder verdächtig zu sein.

Pak und Young tun sich schwer in der neuen Heimat. Amerika ist ganz anders als sie sich das vorgestellt haben. Ihre Tocher Mehheeyah in den USA zu Mary umbenannt lernt zwar zügig Englisch fühlt sich aber dennoch entwurzelt. Die Mütter Elisabeth, Theresa und Kit verbindet ein gemeinsames Schicksal. Sie alle haben Kinder mit besonderen Bedürfnissen und stossen täglich an die Grenzem ihrer Belastbarkeit.

"Miracle Creek" war eine spannende und fazinierende Geschichte, die mich wirklich begeistern konnte. Sie lädt nicht nur zum Miträtseln ein, sondern spart auch nicht mit Gesellschaftskritik , geht in die Tiefe und wird mir ganz sicher in guter Erinnerung beiben.

Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 08.06.2021

Packende Biografie - Afrika erleben

Unter dem Flammenbaum
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Nicola Vollkommer wandert 1960 als Kind mit ihrer Familie nach Nigeria aus, wo der Vater für einen Konzern als Finanzberater tätig ist. Die Autorin schildert ihre Eindrücke bildhaft und spannend. Für ...

Nicola Vollkommer wandert 1960 als Kind mit ihrer Familie nach Nigeria aus, wo der Vater für einen Konzern als Finanzberater tätig ist. Die Autorin schildert ihre Eindrücke bildhaft und spannend. Für sie und ihre etwas ältere Schwester Tanya und später auch für das dritte Kind Andrea, muss es paradiesisch gewesen sein, in dieser Freiheit aufwachsen zu können. Sogar als die Idylle Risse bekommt und 1966 ein Bürgerkrieg in ihrer unmittelbaren Umgebung ausbricht, verlässt die Familie das Land nicht mit fliegenden Fahnen, sondern bleibt und versucht zu helfen. Die Familie verbindet ein tiefer Glaube, der der Familie in Krisenzeiten hilft.

Ich kann die Eltern von Nicola für ihre Lebenseinstellung und ihr helfendes und zupackendes Engagement nur bewundern. Unter Einsatz seines eigenen Lebens hat Nicola's Vater einigen verfolgten Ibos noch zur Flucht verholfen oder die Verletzten ins Krankenhaus gefahren. Kein Wunder, dass ihre Mädchen sich bei solchen Vorbildern ebenfalls zu tollen Menschen entwickelt haben.

Die Biografie "Unter dem Flammenbaum" ist spannend und unterhaltsam geschrieben. Viele Anekdoten des Lebens, aber auch die Verarbeitung von Trauer insbesondere nach dem Tod der Mutter und ihre Gefühle von Heimatlosigkeit beim Verlassen von Nigeria, hat Nicola Vollkommer zusammengesammelt und in ihre Geschichte verwoben.

Das Buch ist in einem christlichen Verlag erschienen und hat natürlich auch das Thema Glauben und Gott thematisiert.

Für mich war es keine Sekunde langweilig diese außergewöhnliche Lebensgeschichte außerhalb meines eigenen Erfahrungshorizontes zu lesen.


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Veröffentlicht am 05.06.2021

Wunderbar

Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte
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Linus Baker ist ein Beamter, wie er im Buche steht. Er rühmt sich die Vorschriften, die ihm seine Behörde auferlegt aufs Genaueste zu befolgen, ist objektiv und immer korrekt. Der Mittvierziger ist eine ...

Linus Baker ist ein Beamter, wie er im Buche steht. Er rühmt sich die Vorschriften, die ihm seine Behörde auferlegt aufs Genaueste zu befolgen, ist objektiv und immer korrekt. Der Mittvierziger ist eine Art Sozialarbeiter und soll in den Waisenhäusern des Landes, die magisch begabte Kinder beherbergen, überprüfen, ob alle behördlichen Auflagen eingehalten werden und es den Kindern gut geht. Weil er ein so korrekter Beamter ist, bekommt er eines Tages einen geheimen Außenauftrag. Er soll das Kinderheim von Mr. Parnassus aufsuchen, dass weit abgelegen auf einer Insel liegt und Kinder beherbergt, die als besonders gefährlich gelten. Die Akten, die man Linus vorab zukommen lässt sind spärlich, aber ein Kind soll z:B der Sohn des Teufels sein, und so macht sich Linus voller Unbehagen auf zu seiner Überprüfung, die für einige Wochen angesetzt ist.

Es dauerte ein paar Kapitel, bis ich in der Geschichte angekommen war. Dann aber hatte sie mich gepackt und für jede Menge gute Laune gesorgt. Die Kinder mit ihren unterschiedlichen magischen Begabungen waren einfach zauberhaft und die Vorurteile ,mit denen ihnen begegnet wurde empörend. Man weiß als Leser ziemlich schnell worauf die Geschichte am Ende hinauslaufen soll, das Setting und Figuren sind aber so liebevoll gezeichnet, dass man sich mit dem Buch einfach so wohlfühlt, dass die Vorhersehbarkeit nicht gestört hat. Die Botschaften des Autors werden allerdings sehr eindringlich an die Leserschaft gebracht. Diese Holzhammermethode hätte es eigentlich nicht gebraucht.

Es handelt sich um eine ruhige Geschichte, in der die Magie eher im Hintergrund steht, um die Message des Autors zu verstärken. Es geht um Freundschaft und Familie und um Toleranz. Superspannende Actionszenen gibt es überhaupt nicht. Da ist der Roman eher philosophisch angehaucht. Es soll sich um ein Erwachsenenfantasiebuch handeln. Im englischen Sprachraum läuft es meines Wissens aber unter Jugendfantasie, was ich passender finde.

Mir hat das Buch, in dem es dann auch noch eine Liebesgeschichte gab, gut gefallen. Es war ein richtiges Wohlfühlbuch, bei dem mir die Protagonisten, insbesondere die Minderjährigen allesamt ans Herz gewachsen sind und ich sie deshalb nach 477 Seiten Lesespaß nur ungern verabschiedet habe. Die bildhafte und humorvolle Schreibweise, das Spiel des Autors mit Klischees,die Überzeichnung besonders der Bösewichte, haben die Fantasie angeregt und die Seele gewärmt. Es tat einfach gut, in diesem märchenhaften Buch das Böse in seine Schranken zu verweisen und mit einem schönen Happy End und einem Gefühl der Hoffnung die Buchdeckel zuzuklappen.

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Veröffentlicht am 01.06.2021

Ungewöhnlich

Drei
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Der Roman spielt in Israel und erzählt in 3 Abschnitten von sehr unterschiedlichen Frauen, die eine Gemeinsamkeit haben, ihre Begegnung mit dem Rechtsanwalt Gil.

Aus der Perspektive des allwissenden Erzählers ...

Der Roman spielt in Israel und erzählt in 3 Abschnitten von sehr unterschiedlichen Frauen, die eine Gemeinsamkeit haben, ihre Begegnung mit dem Rechtsanwalt Gil.

Aus der Perspektive des allwissenden Erzählers lernen wir zunächst Orna kennen, die frisch geschieden, nun als alleinerziehende Mutter die alleinige Verantwortung für ihren sehr sensiblen 9jährigen Sohn Eran tragen muss, und die verzweifelt versucht wieder in ein normales Leben zurückzufinden.

Die zweite Frau heißt Emilia und ist eine lettische Einwanderin, die als Altenpflegerin arbeitet und in ein seelisches Loch fällt, als der alte Mann, den sie pflegt verstirbt und sie gezwungen ist in einem Altenheim zu arbeiten, wo man sie eher duldet als schätzt.

Ella, im letzen Abschnitt des Buches, ist mit einem eifersüchtigen Berufssoldaten verheiratet, hat 3 Kinder und versucht sich mit 37 Jahren noch verspätet an ihrer Masterarbeit.

Dror Mishani entwirft in seinem Roman ein Psychogramm dieser Frauen, lotet feinfühlig ihre Gefühlslagen aus und entlarvt ihre Einsamkeit. Von Gil, dem die Frauen auf unterschiedliche Weise begegnen, erfährt man wenig. Seine Gefühle und Beweggründe bleiben im Dunkeln.

Ein toller literarischer Schreibstil lässt vermuten, man hat es mit einem klug gestrickten Gegenwartsroman zu tun, doch dann hat der Autor mich sehr überrascht, weil sich das Buch plötzlich wie ein Krimi anfühlte.

Die ein bisschen monotone, sehr nüchterne Vertonung durch den Sprecher Franz Dinda hat mich anfänglich irritiert, passte im Nachhinein aber hervorragend zur Geschichte. Ich fand das Buch ungewöhnlich, erfrischend anders, mit einem sehr interessanten Schauplatz und bin restlos begeistert.

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