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Veröffentlicht am 13.05.2021

Schwarzhumorig

Töchter
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Martha und Betty verbindet eine lange Freundschaft, deshalb lehnt Betty auch nicht ab, als Martha sie um einen besonderen Gefallen bittet. Martha's Vater Kurt ist todkrank und möchte zum Sterben in die ...

Martha und Betty verbindet eine lange Freundschaft, deshalb lehnt Betty auch nicht ab, als Martha sie um einen besonderen Gefallen bittet. Martha's Vater Kurt ist todkrank und möchte zum Sterben in die Schweiz gebracht werden. Da Martha nach einem traumatischen Unfall nicht mehr Auto fährt, soll ihre beste Freundin Betty als Fahrerin diese Reise begleiten. Im Grunde empfindet Martha die Bitte ihres Vaters als Zumutung, denn in ihrem Leben war er eigentlich immer nur abwesend. Jetzt zum Sterben meldet er sich wieder und appelliert an ihr Mitgefühl und ihre Liebe.


Ich muss gestehen, ich habe eine ganz andere Geschichte bekommen, als die, die ich erwartet hatte. Der Roadtrip mit dem röchelnden Vater auf der Rückbank seines klapprigen Golfs endet doch nicht so schnell im Sterbehilfeinstitut wie die beiden Frauen und auch ich gedacht haben. Stattdessen wird es eine Reise in die Vergangenheit, auch in die von Betty und eine intensive Aufarbeitung der eigenen Kindheit, mit Vätern, die ihre Töchter so oder so verlassen haben.


Während Martha ihr Kindheitstrauma kompensiert hat, indem sie permanent aber bisher erfolglos versucht hat noch schwanger zu werden ( mit 40 wird es langsam immer schwieriger), weil sie es unbedingt besser machen will, hat Betty einer eigenen Familie völlig abgeschworen. Als ruhelose Schriftstellerin jettet sie durch die Welt , vermietet ihre teure Berliner Wohnung derweil über Airbnb und kann nicht verwinden, dass ihr Ziehvater Ernesto sie und ihre Mutter von heute auf morgen verlassen hat. Die Ich-Erzählerin Betty ist so zynisch, dass es schon weh tut. Je hoffnungsloser die Situation ist desto öfter blitzt der schwarze Humor zwischen den Zeilen auf.


"Ich wollte hier nicht zur asozialen Alkoholikerin verkommen und wusste sehr genau, dass es von der sozialen zur asozialen Trinkerin nur ein Schritt war, und dieser Schritt war die Uhrzeit. Nicht grundlos war ich ein Nachtmensch, so hatte ich mehr Zeit für den Alkohol."


Leider hat das Buch zur Mitte hin ein paar Längen und der letzte Reiseabschnitt, der auf eine griechische Insel führt, war nach meinem Geschmack etwas zu abgedreht. Der Schreibstil, wie es im Klappentext, wie ich finde treffend beschrieben ist als Humor aus Notwehr, macht das Buch schon zu einem Lesegenuss, auch wenn mich der Plot nicht 100% überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 11.05.2021

Der Kreis schließt sich

NEBEL
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Man mag sie, oder man mag sie nicht, die eigenwillige Ermittlerin Hulda Hermannsdòttir aus der Island Thrillerreihe von Ragnar Jónasson. Ich mochte die etwas spröde wirkende Polizistin und kann sie jetzt ...

Man mag sie, oder man mag sie nicht, die eigenwillige Ermittlerin Hulda Hermannsdòttir aus der Island Thrillerreihe von Ragnar Jónasson. Ich mochte die etwas spröde wirkende Polizistin und kann sie jetzt in Band 3 mit dem nötigen Hintergrundwissen auch noch besser verstehen.

Den ungewöhnlichen Kniff die Geschichte von hinten nach vorne zu erzählen, fand ich interessant. Jetzt im letzten Teil wird Hulda's ganz private Tragödie offenbar. Und wieder lässt ihr die Polizeiarbeit keine Zeit das persönliche Unglück zu verarbeiten. In einem abgeschiedenen Bauernhaus hat es 2 Tote gegeben. Es muss kurz vor Weihnachten passiert sein, denn die Geschenke liegen noch unausgepackt unter dem Baum. Wie gewohnt verbeisst sich Hulda in den Fall und entdeckt Spuren, die fast übersehen wurden.

Der Autor schreibt atmosphärisch dicht und lässt wie schon in den Vorgängern tolle Landschaften vor meinem inneren Augen entstehen. Man spürt förmlich dieses einsame, wilde Land, die Einsamkeit und die Naturgewalten. Das ist auf jeden Fall eine große Stärke des Autors. Auch seine Figurenzeichnung ist authentisch und nuanciert. Auch wenn Thriller draufsteht, ist die Trilogie für mich eher eine Krimireihe, was mich aber nicht gestört hat. Das Genre nennt sich eigentlich Island Noir und das trifft es ganz genau. Ein düsteres, melancholisches Buch mit unglaublicher Natur und eigenwilligen Charakteren, wer das mag, wird mit dieser Islandreihe seine Freude haben.

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Veröffentlicht am 10.05.2021

Nachkriegsschweigen

Ada
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Ada“ ist das 2.Buch des Schauspielers Christian Berkel, der sein hochgelobtes, von mir noch nicht gelesenes Debüt mit „Der Apfelbaum“ hatte, in dem er seine eigene Familiengeschichte verarbeitet hat. „Ada“ ...

Ada“ ist das 2.Buch des Schauspielers Christian Berkel, der sein hochgelobtes, von mir noch nicht gelesenes Debüt mit „Der Apfelbaum“ hatte, in dem er seine eigene Familiengeschichte verarbeitet hat. „Ada“ knüpft an den 1. Band an. Die Ich -Erzählerin ist allerdings die fiktive ältere Schwester des Autors, wächst als Kind einer jüdischen Mutter vaterlos in Buenos Aires im Exil auf, bevor sie 1955 nach Deutschland zurückkehrt.

Das spießige Nachkriegsdeutschland lässt keine Fragen nach der Vergangenheit zu und so gerät Ada in eine Identitätskrise. Ihr wird ein Vater präsentiert, von dem sie nicht sicher ist, ob es wirklich ihr Vater ist. Sie wächst katholisch auf, weiß nicht einmal, dass ihre Mutter eigentlich Jüdin ist und wird durch die Geburt des kleinen Bruders endgültig in die Außenseiterrolle gedrängt. Diese schweigende Generation, die Deutschland in Schutt und Asche gelegt hat und dann nicht mehr darüber sprechen wollte, sondern nur noch vergessen, hinterlässt Spuren. Jahre später arbeitet Ada ihre Geschichte mit Hilfe eines Psychologen auf. Da hat sie eine bewegte Jugend hinter sich, hat die Hippiebewegung und die Studentenproteste miterlebt, sich den Drogen hingegeben und endlich auch ein Stück ihrer Geschichte wieder ausgegraben.

Ich hatte das Buch als Hörbuch vorliegen, dass vom Autor selbst vorgelesen wird. Zunächst war es für mich etwas irritierend, dass Christian Berkel seine weibliche Protagonistin nicht mit einer weiblichen Sprecherin besetzt hat, aber er liest wirklich hervorragend und man gewöhnt sich an den Erzählton.

Auch der Sprachstil hat mir sehr gut gefallen. Der Autor ist nicht nur ein toller Schauspieler, er kann auch wirklich schreiben. Es gab ein paar Längen, und leider konnte ich Ada nicht wirklich nahe kommen. Trotzdem hat mir das Buch im Großen und Ganzen ganz gut gefallen, und man konnte auch ohne Kenntnis des 1.Teils gut hineinfinden.



Bewertung 3,5 Sterne

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Veröffentlicht am 07.05.2021

Grobe Schnitzer

Den Mund voll ungesagter Dinge
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Ich-Erzählerin Sophie ist 17 Jahre alt, als ihr Vater, mit dem sie alleine lebt, ihren Umzug von Hamburg nach München beschließt. Er will endlich mit der neuen Liebe in seinem Leben, Lena, zusammenziehen, ...

Ich-Erzählerin Sophie ist 17 Jahre alt, als ihr Vater, mit dem sie alleine lebt, ihren Umzug von Hamburg nach München beschließt. Er will endlich mit der neuen Liebe in seinem Leben, Lena, zusammenziehen, und da muss Sophie mit, ob es ihr nun passt oder nicht. Sophie sträubt sich gegen ihre Zwangsumsiedlug ist zickig und will vor allem Lena hassen, auch wenn diese mehr als verständnisvoll und freundlich zu ihr ist. Zwei kleine Stiefbrüder und einen Familienhund Carlos gibt es in ihrem neuen Zuhause ebenfalls. Entgegen aller Befürchtungen lebt sich Sophie aber doch ganz gut ein, kommt in der Schule klar und freundet sich sogar mit dem Nachbarsmädchen Alex an. Aber dann knistert es unerwartet zwischen Sophie und Alex, als sie sich bei einem Partyspiel küssen sollen. Sophie ist berauscht und verwirrt und stürzt in einen Strudel neuer Gefühle.

Anne Freytag hat sich in diesem Coming-of-age Roman dem schwierigen Thema gleichgeschlechtlicher Liebe gewidmet. Diese komplizierte und verwirrende Selbstfindungsphase hat sie auch gut und nachfühlbar erzählt. Das zweite Thema, dass ein bisschen zu sehr in den Hintergrund rückt, ist die veränderte Familienkonstellation und der Umgang damit und natürlich nagt an Sophie auch immer noch der Verlust der eigenen Mutter, die die Familie kurz nach ihrer Geburt verlassen hat. Auch dieser Teil in Sophie's Geschichte kommt mir zu kurz.

Sophie selbst war mir ehrlich gesagt gar nicht besonders sympathisch, wobei ihre Zickerei und ihr Auflehnen gegen Autorität natürlich zum Erwachsenwerden dazu gehört. Ihre Ansicht, dass eine Party immer damit endet, dass alle betrunken sind und sie mit irgendeinem Jungen Geschlechtsverkehr hat, fand ich heftig, zumal sie erst 17 ist und dieses Buch für Jugendliche geschrieben ist. Überhaupt geht es nachdem sich zwischen Sophie und Alex eine Liebesgeschichte entwickelt hat hauptsächlich um das Körperliche. Seitenlang liest man, wie sich die beiden in Extase versetzen. Nur geredet wird wenig. Ein wichtiges Thema, dass leider total ausgeklammert wird, wäre Treue gewesen. Ganz schlimm fand ich das sexistische Männerbild, dass Jugendlichen hier vermittelt wird. Beide Mädchen haben vor der Bewusstwerdung ihrer Sexualität , Sex mit dem anderen Geschlecht und haben keine Lust beim Akt empfinden können. Das wird aber darauf geschoben, dass Jungs wenig einfühlsam sind und nur an die eigene Lustbefriedigung denken. Puh..., das fand ich schon bedenklich!

Mit der neuen Familie hat Sophie den Hauptgewinn gezogen, würde ich sagen. Lena, die "Stiefmutter" könnte gar nicht empathischer und liebenswerter sein, und die beiden kleinen Jungs sind einfach nur zuckersüß. Sie zeigen der neuen großen Schwester von Anfang an ihre Zuneigung und beschützen sogar ihre "private Fähre" (Originalton vom kleinen Leon) vor Überraschungsbesuchern.

Sophie's Vater stellt sich bei seinem Projekt "Umzug nach München" etwas ungeschickt an und setzt damit das gute Verhältnis zu Sophie aufs Spiel. Er überrumpelt sie mehr oder weniger mit seinen Plänen, statt das Thema auch vor Tag X mal anzuschneiden und seine fast erwachsene Tochter ein bisschen mehr miteinzubeziehen. Fast alle Möbel von Sophie bleiben in Hamburg und gegebene Versprechen werden wegen Arbeitsüberlastung nicht eingehalten. Da ist die wütende und enttäuschte Reaktion der Protagonistin nachvollziehbar.

Den Schreibstil von Anne Freytag mochte ich ganz gern. Auch mit den kurzen Kapiteln konnte ich mich gut anfreunden. Leider überwiegen die negativen Punkte, und ich kann das Buch für die Zielgruppe Jugendliche gar nicht empfehlen.

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Veröffentlicht am 02.05.2021

Seelenwärmer

Pandatage
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Danny Maloony ist restlos überfordert mit dem Leben. Viel zu früh ist er Vater geworden, und dann stirbt seine Frau Liz, mit der er alles immer irgendwie hat regeln können bei einem Autounfall. Sein Sohn ...

Danny Maloony ist restlos überfordert mit dem Leben. Viel zu früh ist er Vater geworden, und dann stirbt seine Frau Liz, mit der er alles immer irgendwie hat regeln können bei einem Autounfall. Sein Sohn Will redet seit diesem Tag kein einziges Wort mehr, und Danny verliert auch noch seinen Job auf der Baustelle. Seinem Vermieter ist er schon zwei Monatsmieten schuldig, und wie es aussieht, wird dieser nicht lange zappeln und für die Eintreibung der Mietschulden auch Gewalt anwenden. Danny sieht also keinen rosigen Zeiten entgegen und hat leider auch keinen richtigen Beruf erlernt oder Verwandte, die ihm aus der Patsche helfen könnten.

Seine Geschäftsidee scheint dann auch eher eine Verzweiflungstat zu sein, als ein gut durchdachter Buisinessplan. Die Kleinkünstlerszene im Hydepark lässt ihn denken, dass er mit einem Kostüm und etwas Herumgehopse schon zu Geld kommen könne. So erwirbt er ein Pandakostüm, dass nicht hübsch aber billig ist und versucht sein Glück. Leider kann er überhaupt nicht tanzen......

In "Pandatage" gelingt es dem Autor James Gould-Bourn , dass die Leser mitfühlen und zwar nicht nur mit dem überforderten Vater, sondern auch mit dem unglücklichen Sohn, der die engste Bezugperson verloren hat, die er hatte. Sein Vater war immer arbeiten. Er kennt ihn gar nicht so wirklich, hat das Kümmern fast immer seiner Frau Liz überlassen. Die ganze Situation, so tragisch sie ist, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Dazu eine gute Prise englischer Humor, skurile aber meist liebenswerte Charaktere und voilà, ist ein besonderes Wohlfühlbuch entstanden, dass Herz und Seele wärmt. Der Autor spielt bewusst mit Klischees und trotzdem ist das Ende nicht so vorhersehbar wie man zunächst denkt.

Dieser Debütroman ist voller Situationskomik und macht einfach Spaß. Mich hat er wunderbar unterhalten.


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