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Veröffentlicht am 22.02.2021

Back to the 80ies

Hard Land
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Der neue Roman von Benedict Wells ist eine Zeitreise mitten in die 80erJahre, die Zeit meiner eigenen Jugend. Als Leser schlüpfen wir in die Haut von Sam Turner kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag und ...

Der neue Roman von Benedict Wells ist eine Zeitreise mitten in die 80erJahre, die Zeit meiner eigenen Jugend. Als Leser schlüpfen wir in die Haut von Sam Turner kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag und landen in dessen Heimatstadt Grady, einem Kaff in Missouri, USA.

Sam ist ein schüchterner Typ mit jeder Menge Ängsten, ein Außenseiter, der sich schwertut Freunde zu finden. Im Sommer 1985 nimmt er einen Ferienjob in dem kleinen Kino in Grady an, dass kurz vor der Schließung steht. Diese Entscheidung verändert sein Leben, denn er findet nicht nur Freunde, er verliebt sich auch zum ersten Mal, hat endlich das Gefühl dazu zu gehören und hat einfach eine tolle Zeit. Diese Unbeschwertheit endet abrupt, als seine Mutter stirbt. Sie litt schon lange an Krebs und die Befürchtung, dass sie es nicht schaffen würde belastete die Familie, wurde aber oft auch verdrängt.

Benedict Wells schreibt wirklich wunderbar gefühlvoll über das Erwachsenwerden, über die oft widersprüchlichen Gefühle eines Teenagers, der sich einerseits so unbesiegbar fühlt und andererseits auch manchmal wieder Kind sein möchte.
Die Freunde, die der Icherzähler findet sind wirklich toll. Gerade in einer Zeit, wo Sam der richtige Zugang zu seinem Vater fehlt und die große Schwester auch nicht greifbar ist, sind sie ihm eine große Stütze und ersetzten quasi seine Familie. Sie helfen ihm über sich selbst hinauszuwachsen und seine Ängste zu überwinden.
Das Gefühl der 80er kam bei mir auch an, die erwähnten Filme habe ich fast alle gesehen, die Musik ebenfalls gehört und was war auch ich stolz auf meinen Walkman. Nostalgie pur!
Ich heule sehr selten bei einem Buch. Dass ich es hier tat, spricht absolut für das Buch, dass für mich schon jetzt zu den Jahreshighlights gehört und ein unbedingt lesenswerter Roman für 2021 ist.

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Veröffentlicht am 13.02.2021

Bereichernd, berührend, beeindruckend

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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"Junge Frau am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" ist ein recht ungewöhnlicher Titel für einen Roman und hat mich neugierig gemacht. Das Buch hat mich in der Folge dann aber sehr positiv überrascht ...

"Junge Frau am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" ist ein recht ungewöhnlicher Titel für einen Roman und hat mich neugierig gemacht. Das Buch hat mich in der Folge dann aber sehr positiv überrascht , weil es wirklich ein Highlight geworden ist.

Erzählt wird die Geschichte der 27 jährigen Hannah Borowski , die sich auf Spurensuche ihrer eigenen Wurzeln begibt. Bei einem ihrer regelmäßigen Besuche im Pflegeheim ihrer Oma, fällt Hannah ein Brief einer israelischen Anwaltskanzlei in die Hände. Man trägt ihrer Großmutter an, die Kanzlei mit der Abwicklung eines Restitutionsverfahrens zu beauftragen, da sie die einzige lebende Erbin des 1942 von den Nazis deportierten und ermordeten Kunsthändlers Itzig Goldmann ist. Es sei zu vermuten, dass auch die umfangreiche Kunstsammlung von Goldmann unrechtmäßig konfiziert worden sei.

Hannah war nicht einmal bekannt, dass es in ihrer Familie Juden gab, und ihre Großmutter Evelyn ist alles andere als auskunftsfreudig. Es beginnt eine spannende Reise in die Familienvergangenheit, bei der Hannah nach und nach das Schicksal ihrer Urgroßeltern aufdeckt und immer mehr über ihre Großmutter und ihre eigene Mutter erfährt .Interessant, wie sich die Geschichte manchmal wiederholt, wie sich die Mutter-Tochter Beziehungen in dieser Familie ähneln. Der Roman umfasst eine Zeitspanne von fast 100 Jahren, beginnend mit Hannah's Urgroßmutter Senta, die in den 20er Jahren ungewollt schwanger wird und den Kindsvater notgedrungen heiratet. Als die Ehe zerbricht und Senta ihrer Freundin von Rostock nach Berlin folgen möchte, muss sie ihre Tochter Evelyn zurücklassen. Senta heiratet in Berlin den Juden Julius Goldmann und erlebt mit ihm und seinen Eltern das ganze Ausmaß an Schrecken der Nazidiktatur.

Dass Hannah in der Jetztzeit in ihrem Leben irgendwie feststeckt, mit ihrer Dissertation nicht vorankommt und eine eher unglückliche Liebesaffaire mit ihrem Doktorvater hat, hat vielleicht auch unbewusst damit zu tun, dass es so viele Lücken in ihrer Vergangenheit, in ihrer Familiengeschichte gibt. Die Aufarbeitung hilft ihr letztendlich sich weiterzuentwickeln.

Alena Schröder hat einen tollen Schreibstil, den ich sehr genossen habe. Ihre Figurenzeichnung fand ich sehr realitätsnah und überhaupt nicht eindimensional. Die Charaktere haben wie im wahren Leben viele Facetten, sind nicht nur gut oder böse. Dabei verzichtet die Autorin darauf das Verhalten ihrer Figuren zu bewerten oder gar zu verurteilen. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was dem Roman Tiefe und Vielschichtigkeit verleiht.

Auch das Ende dieser berührenden Familiengeschichte ist rund und stimmig, Ich habe die Lektüre sehr gemocht, bin wirklich durch die Seiten geflogen und kann den Roman nur jedem ans Herz legen, der tiefgründige Generationenromane mag.

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Veröffentlicht am 06.02.2021

Deutsch-Österreichische Ermittlungsarbeit

Grenzfall - Der Tod in ihren Augen
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"Grenzfall" von Anna Schneider ist eine neue Krimiserie , rund um das deutsch-österreichische Ermittlerteam Alexa Jahn und Bernhard Krammer. Dieser 1. Fall der Reihe spielt im Grenzgebiet des Karwendelgebirges.

Die ...

"Grenzfall" von Anna Schneider ist eine neue Krimiserie , rund um das deutsch-österreichische Ermittlerteam Alexa Jahn und Bernhard Krammer. Dieser 1. Fall der Reihe spielt im Grenzgebiet des Karwendelgebirges.

Die junge Kommissarin Alexa Jahn hat sich gerade zur Kriminalinspektion Weilheim versetzen lassen, als sie es an ihrem 1. Tag direkt mit einem spektakulären Todesfall zu tun bekommt und nach einem Unfall ihres Chefs auch gleich die Leitung der SOKO übernehmen soll. Man kann sich vorstellen, dass man sie als Neue im Team und als eine der wenigen Frauen, die hier arbeiten nicht gerade überschwänglich als neue Chefin akzeptiert. Der Fall weitet sich über die Grenze nach Österreich aus, so dass zusätzlich das LKA Tirol und der Ermittler Bernhard Krammer mit ins Boot genommen werden müssen.

Die erste große Ermittlung von Alexa gestaltet sich als sehr schwierig und die Autorin widmet sich in dem Einführungsband verständlicherweise in großen Strecken dem Zwischenmenschlichen. Auf diese Weise bekommt man ein gutes Bild von den Charakteren. Die ehrgeizige Alexa, die nicht nur sich selbst sondern auch ihrem verletzten Chef beweisen will, dass sie das Vertrauen verdient, dass man in sie gesetzt hat, ist nicht nur konfrontiert mit dem Kollegen Florian Huber, der sich offensichtlich übergangen fühlt sondern auch mit dem etwas amtsmüden Kommissar Bernhard Krammer, der mit seinen 60 Jahren viel Erfahrung mitbringt und seine eigenen Methoden hat. Detaillierte Polizeiermittlungen sind oft mühsam, und so hat man auch als Leser das Gefühl, dass es nur sehr schleppend vorangeht. Nach 2/3 des Buches hatte ich immer noch keinen Schimmer ,wer der Täter sein könnte und vor allem keine schlüssige Idee über sein Motiv. Wie erwartet ging es dann aber Schlag auf Schlag, und wie es in einem guten Krimi auch sein sollte, ist es Anna Schneider gelungen mich absolut zu überraschen, auch wenn das Motiv für mich ein wenig konstruiert und nicht ganz glaubhaft war.

Gut gefallen haben mir die Naturbeschreibungen und die Beschreibungen der Schauplätze, ein Gewitter in den Bergen, wo ich wirklich froh war im Trockenen zu sitzen. Eine tolle Idee war auch ein Kurzportrait der führenden Ermittler in der Innenseite des Einbandes sowie eine Karte der Grenzregion zur besseren Orientierung.

Als Fazit war "Grenzfall" für mich ein solider Krimi, den ich gerne gelesen habe, ein guter Einstiegsband einer neuen Krimiserie, die ich gerne weiterverfolgen werde. Ich vergebe 3,5 Sterne.

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Veröffentlicht am 31.01.2021

Das Leben in all seinen Facetten

Die Mitternachtsbibliothek
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Mit riesigen Erwartungen habe ich den neuen Roman von Matt Haig zur Hand genommen, denn bisher haben mir alle Bücher, die ich von ihm gelesen habe ausgesprochen gut gefallen.

Matt Haig schreibt sehr eingängig ...

Mit riesigen Erwartungen habe ich den neuen Roman von Matt Haig zur Hand genommen, denn bisher haben mir alle Bücher, die ich von ihm gelesen habe ausgesprochen gut gefallen.

Matt Haig schreibt sehr eingängig und fantasievoll, immer auch mit einer Prise britischem Humor und schafft es seinen Figuren soviel Gefühl einzuhauchen, dass man die Empfindungen seiner Protagonisten als Leser absolut nachfühlen kann. So ging es mir auch mit "Die Mitternachtsbibliothek". Hier geht es um Nora Seed, Mitte 30, die genug vom Leben hat. Sie glaubt in ihrem Leben alles verpfuscht zu haben, was nur möglich war, und ist fest davon überzeugt, dass sie besser sterben sollte. Es würde sie sowieso keiner vermissen. Diese depressiven Passagen sind so eindringlich geschrieben, dass sie mich ebenfalls runtergezogen haben. Man merkt, dass der Autor seine eigenen Erfahrungen mit Depressionen in diesen Roman mit einfließen lässt.

Als Nora ihrem Wunsch zu sterben schließlich nachgibt, landet sie in einer Zwischenwelt, die sich als Bibliothek darstellt, in der ihre frühere Schulbibliothekarin Mrs Elm das Regiment führt. Sie fordert Nora auf genau darüber nachzudenken, welche Entscheidungen sie in ihrem Leben bereut. Hätte sie in ihrem Leben anders entschieden, hätte sich ihr Leben zweifellos anders entwickelt. In der Mitternachtsbibliothek eröffnet sich für Nora die Chance alternative Leben auszuprobieren, um das Leben zu finden, dass sie wirklich führen möchte. Die Buchidee fand ich toll, und ich kann mir vorstellen wieviel Spaß Matt Haig beim Schreiben der folgenden Kapitel gehabt hat, denn hier konnte er sich in seiner Kreativität voll austoben, was wiederum den Leser erfreut. Trotzdem hat er es hier auch ein bisschen übertrieben. Es gab tatsächlich ein Kapitel, dass ich nur noch überflogen habe. Der Fortgang des Roman's, der optimistische Ausblick auf das Leben und die gelungene Auflösung der Geschichte haben mich aber wieder versöhnt, so dass ich das Buch sehr gerne weiterempfehle. Mir jedenfalls gefallen besonders auch die Ausflüge in die Philosophie in diesem Buch, die auch zum Reflektieren des eigenen Lebens einladen.

Vielleicht wird das Buch ja demnächst verfilmt, was ich mir auf jeden Fall auch gut vorstellen könnte.

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Veröffentlicht am 24.01.2021

Spannender 1. Teil der Westpreußen-Saga

Die Frauen von Gut Falkensee
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Inspiriert durch Erzählungen ihrer Großmütter und ihrer Großtante hat Luisa von Kamecke ihre Westpreußen Saga entworfen, wobei auch ihre Mutter mit ihren Erinnerungen immer wieder Ideen beigesteuert hat. ...

Inspiriert durch Erzählungen ihrer Großmütter und ihrer Großtante hat Luisa von Kamecke ihre Westpreußen Saga entworfen, wobei auch ihre Mutter mit ihren Erinnerungen immer wieder Ideen beigesteuert hat. Beginnend im Jahre 1904 erstreckt sich der Roman über 5 Jahre, in denen wir als Leser in das bewegte Leben der Familie von Bargelow auf Gut Falkensee eintauchen dürfen.

Wir lernen die Familie zu einem Zeitpunkt kennen, wo es um das wirtschaftliche Überleben des Familiensitzes geht. Frisches Kapital ist unbedingt von Nöten um einen Ruin noch abzuwenden, und da beide Töchter des Hauses, Charlotte und ihre jüngere Schwester Alice im heiratsfähigen Alter sind, liegt die Lösung der Probleme auf der Hand. Alice hat schon einen Mann gefunden, den sie heiraten möchte, Charlotte, die nach einem Auslandsjahr aus Paris zurückkehrt, erklärt sich zähneknirschend mit einer arrangierten Ehe zur Rettung von Gut Falkensee einverstanden, obwohl sie kurz vor der Hochzeit den Mann kennenlernt, der ihr Herz wirklich höher schlagen lässt, der aber als Ehemann nicht in Frage kommt.

Charlotte ist eine sehr fortschrittliche, selbstständige Person. So hat sie sich bei ihrem Kunststudium in Paris immer wieder in die für sie viel interessanteren Vorlesungen über Agrarwirtschaft geschlichen. Die Konventionen ihrer Zeit legen ihr sprichwörtlich ein Korsett an, in das sie so gar nicht passen will. Ihre Schwester Alice ist das komplette Gegenteil und wünscht sich nichts mehr als einem hochherrschaftlichen Haushalt vorzustehen und das Geld ihres Mannes auszugeben. Und dann gibt es da noch den kleinen Bruder Frederick, der zum Leidwesen der Familie sehr kränklich ist und liebevoll von dem Kindermädchen Hedi umsorgt wird. Ich wurde beim Leser immer wieder an Downton Abbey erinnert. Auch in Luisa von Kamecke's Geschichte verlagert sich der Blickpunkt immer mal wieder in den Dienstbotentrakt und man bekommt als Leser ein gutes Gefühl für die hierarchischen Strukturen der damaligen Gesellschaft. Am Anfang eines jeden Kapitels steht nicht nur ein Datum, sondern auch die Person, aus deren Sicht dieses Kapitel erzählt wird. So gibt die Autorin ihrer Geschichte eine Struktur, an der sich der Leser gut orientieren kann. Ihr eingängiger Sprachstil und die liebevoll gezeichneten Figuren machen diesen historischen Roman zu einer guten, unterhaltsamen Lektüre, in die ich regelrecht versinken konnte. Die Historie selbst, die Polen, ein Volk, denen man ihr Heimatland genommen hat, kommt mir allerdings etwas zu kurz.

Der Roman endet mit einem Cliffhanger, und so darf man gespannt sein wie es im 2. Teil dieser interessanten Familiensaga weitergeht.

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