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Veröffentlicht am 08.08.2020

Waschbär-Mania

Die Verwandelten
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Die Rahmenhandlung von Thomas Brussig's neuem Roman "Die Verwandelten", erschienen im Wallstein Verlag ist schnell erzählt.

Den zwei pubertiernden Jugendlichen Fibi und Aram fällt viel Quatsch ein in ...

Die Rahmenhandlung von Thomas Brussig's neuem Roman "Die Verwandelten", erschienen im Wallstein Verlag ist schnell erzählt.

Den zwei pubertiernden Jugendlichen Fibi und Aram fällt viel Quatsch ein in ihrer Freizeit. Sie machen Mutproben, filmen schräge Lifehacks, um im Internet möglichst viele Klicks zu bekommen und finden dort dann auch eine Anleitung, wie man sich angeblich in Waschbären verwandeln könnte. Das wird natürlich ausprobiert. Dafür müssen sie mehrere Sorten Beeren essen und anschließend in die Waschstraße.... ha, ha Beeren +Waschen =Waschbär, Schenkelklopfer!

Und siehe da es funktioniert, und dann beginnt erst der eigentliche Roman. Was hat diese Verwandlung, die so manchen Gymnasiasten an "Die Verwandlung" von Kafka denken lässt, wo sich ein Mensch in einen Käfer verwandelt hat, für Auswirkungen. Wie beichte ich es meinen Eltern?

Erstaunlicherweise nehmen es alle Beteiligten einschließlich der Waschbären recht gelassen. Für die hat es ja auch den Reiz des Neuen, erst einmal. Der Geruchssinn ist ein ganz anderer, klettern funktioniert rabiat gut u.s.w. Die Eltern denken da schon weiter, nachdem sie den ersten Schock überwunden haben. Gibt es eine Möglichkeit der Rückverwandlung? Welche Probleme treten im Alltag auf. Wie ist die rechtliche Situation? Gibt es noch Kindergeld?

Ein Anwalt empfiehlt sich an die Medien zu wenden. Man könnte aus der Situation zumindest finanziell einen Nutzen ziehen. Fortan entwickeln sich die Schicksale der beiden Verwandelten in völlig unterschiedliche Richtungen. Fibi, die das Glück hat auch sprechen zu können, winkt eine Fernsehkarriere. Der Knebelvertrag vom Dschungelcamp wird für sie passgenau umgestrickt, und dann wird aus ihrem Zuhause eine Big Brother Behausung. Der fussballbegeisterte Aram, der sich vor seinem Waschbärendasein noch eine Karriere als Kicker erhoffte, ist sprachlos. Lediglich mit Fibi kann er verbal kommunizieren. Mit Fibi kommt es unwiderruflich zum Streit und fürs Fernsehen taugt er nicht. Er ist die tragische Figur der Geschichte, wird aber vom Autor eher vernachlässigt, was schade ist.

Was will uns er Autor mit seinem Roman sagen? Nun, ich weiß es nicht wirklich. Die Geschichte weist natürlich gesellschaftskritische wie auch medienkritische Elemente auf, ist mir für eine Satire aber nicht bissig genug. Ist es ein Jugendbuch? Nein, auch wenn das niedliche Cover und die liebevoll gestaltete Innenseite des Covers, sowie die Grundidee der Geschichte es vermuten lassen. Ich denke es ist eine Geschichte für Jedermann vom Jugendlichen bis zum Senior. Hat das Buch Spaß gemacht? Definitv! Ich bewundere den Autor für die Vielzahl seiner kreativen Ideen. Viele Situationen waren wirklich sehr komisch.

Außerdem gefiel mir der Umgang mit Sprache. Thomas Brussig kann toll mit Worten umgehen. Auch die Jugendsprache, die er Fibi und Aram verpasst hat, war herrlich. Da bemühte sich einer cooler zu sein als der andere.

Leider lässt das Buch zur Mitte hin stark nach. Einige Passagen habe ich gar nicht verstanden und das Ende ist abrupt und traurig, und ich fand es passte nicht zum Rest des Buches. Schade!

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Veröffentlicht am 05.08.2020

Reisen bedeutet Freiheit . Die 20er und 30erJahre an der Riviera

Riviera - Der Traum vom Meer
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"Der Traum vom Meer" ist der 1. Band der Riviera Reihe von Julia Kröhn, die den Leser in die 20er und 30er Jahre entführt. Die junge Salome ist 8 Jahre alt, wohnt in Frankfurt und hat das Meer noch nie ...

"Der Traum vom Meer" ist der 1. Band der Riviera Reihe von Julia Kröhn, die den Leser in die 20er und 30er Jahre entführt. Die junge Salome ist 8 Jahre alt, wohnt in Frankfurt und hat das Meer noch nie gesehen. Das soll sich aber bald ändern, denn ihr Vater Arthur ist Inhaber eines Reisebüros und betritt Neuland mit Pauschalreisen nach Italien. Es ist spannend zu lesen, wie diese Geschäftsidee entgegen vieler Vorurteile, die man zu dieser Zeit noch bezüglich Sonnenbaden, im Meer schwimmen und den Fremden, die man beim Reisen trifft, erfolgreich umgesetzt wird.

Die Italien Reisen im Sommer, die es bis dato noch gar nicht gab, werden der Renner und Salome findet in der Tochter des Hotelbesitzers Renzo, der mit ihrem Vater kooperiert eine echte Freundin. Erst als die Mädchen dem Kindesalter entwachsen sind und sich in den selben jungen Mann verlieben, bekommt ihre Freundschaft Risse. Um das Reisegeschäft am Laufen zu halten, sind immer wieder Umstrukturierungen notwendig aber als die Nazis in Deutschland nach der Macht greifen, scheint es vorbei zu sein mit den Auslandsreisen.

Der Roman hat mich gut unterhalten und immer wieder mit Kuriositäten der damaligen Zeit überrascht. So hat die Firma Bayer z.B. noch bis 1936 Heroin in ihren Hustensaft gemischt und diesen quasi als Wundermittel verkauft. Diese und ähnliche Geschichten haben immer wieder für ein Aha-Erlebnis gesorgt und mein Leserherz erfreut.

Die Protagonisten des Romans sind eigenwillig. Man findet nur wenige Sympathieträger. Die Frauen sind die stärkeren Charaktere, obwohl ihnen zu der damaligen Zeit in der Politik und im Alltag eher die Statistenrolle zugedacht war.

Das Ende des Romans zielt perfekt auf den Folgeband hin, auf den ich schon sehr neugierig bin.

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Veröffentlicht am 31.07.2020

Ibsen Bach ist wieder da

Die Dornen des Bösen
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Mit "Die Dornen des Bösen" gibt es ein packendes, todbringendes Wiedersehen mit dem genialen Profiler Ibsen Bach. Astrid Korten überzeugt erneut mit einem rasanten Thriller, der eine Blutspur durch 527 ...

Mit "Die Dornen des Bösen" gibt es ein packendes, todbringendes Wiedersehen mit dem genialen Profiler Ibsen Bach. Astrid Korten überzeugt erneut mit einem rasanten Thriller, der eine Blutspur durch 527 Seiten zieht.

Zunächst gibt es wieder so viele Puzzleteile, dass man sehr konzentriert lesen muss, um den Überblick nicht zu verlieren. Es gibt scheinbar wahllos Morde und Selbstmorde, die sich um den gesamten Erdball ziehen. Dann erfährt der Leser, dass die brilliante, investigative Bloggerin Leonela Sorokin, Tochter von General Sorokin, die schon in Band 1 eine Sympathiefigur war, ermordet wurde. Ibsen Bach, der jedoch überzeugt ist, dass sie noch lebt, nimmt den Auftrag an, sie zu suchen. Offensichtlich ist Leonela mit ihren Recherchen in ein Wespennest getreten, was zur Folge hat, dass nicht nur sie in höchster Gefahr schwebt, sondern bald auch Ibsen, seine Ermittlungspartnerin Pola Kamorow (auch schon bekannt aus Teil 1) und Freunde.

Der gesundheitlich angeschlagene Ibsen verschiebt sogar die Operation seines Hirntumors für die gefährlichen Ermittlungen. Immer noch sind ihm von seiner eigenen Vergangenheit nur Bruchstücke bekannt. Diese Lücken füllen sich im Laufe seiner Recherchen und halten für den Leser so manche Überraschung bereit. Man darf bei Astrid Korten allerdings nicht zartbesaited sein. Es geht brutal zu, und sie beschreibt die menschlichen Abgründe so, dass man eventuell nicht mehr gut schlafen kann. Erschreckend ist auch der Realitätsbezug. Sie hat hervorragend recherchiert und die Schreckensszenarien, die in diesem Thriller in Richtung Biowaffen gehen, sind leider durchaus auch heute schon im Rahmen des Möglichen.

Die Protagonisten Ibsen Bach, Leonela Sorokin und Pola Kamorow sind echte Sympathieträger und jeder auf seine Art besonders. Außerdem war der alternde Killer Isaac Rosen eine sehr amüsante Nebenfigur.

Es war wieder eine Thrillerlektüre vom Feinsten, bei der mir auch der Sprachstil wieder sehr gefallen hat. Das Ende lässt einen dritten Band erwarten, was alle Fan's (mich eingeschlossen) freuen dürfte. Es ist empfehlenswert zunächst die "Akte Rosenrot" zu lesen, auch wenn es nicht zwingend notwendig ist. Das Lesevergnügen wird mit Sicherheit erhöht.

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Veröffentlicht am 27.07.2020

Ein Buch, dass betroffen macht

Das Meer in meinem Zimmer
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Für Jolanda Jellerich der Ich-Erzählerin in dem Buch "Das Meer in meinem Zimmer" von Jana Scheerer, fühlt sich das Leben auf der Insel keineswegs an,wie das Leben der Glückseligen, wie es das Schild am ...

Für Jolanda Jellerich der Ich-Erzählerin in dem Buch "Das Meer in meinem Zimmer" von Jana Scheerer, fühlt sich das Leben auf der Insel keineswegs an,wie das Leben der Glückseligen, wie es das Schild am Fähranleger verspricht. Das liegt nicht nur daran, dass ihr Vater gerade gestorben ist und sie traurig über den Verlust eines geliebten Menschen wäre. In den vielen folgenden Rückblenden wird sehr schnell klar, dass die Familie alles andere als glücklich war. Der Vater, Pax hatte große psychische Probleme, war gewalttätig und unberechenbar, selbstmordgefährdet. Obwohl Constanze, ihre Mutter, selbst Psychologin ist, kommt sie mit der Situation nicht zurecht. Sie zieht sich ständig aus der Verantwortung, und überlässt Jolanda das Feld. Das passiert als die kleine Schwester geboren wird, als Pax an Leukämie erkrankt und als er schließlich stirbt.

Das Buch beginnt damit, dass Constanze ihre Tochter Jolanda bittet ins Krankenhaus zu fahren, um nachzufragen, ob ihr Vater wirklich gestorben ist. Sie meint den Anruf falsch verstanden zu haben. Mit kurzen prägnanten Sätzen beschreibt die Autorin das Gefühlschaos, dass in Jolanda tobt. Die Mutter glaubt ihr nicht, ignoriert die Nachricht und macht einfach weiter wie bisher. Jolanda's "Nulltagsfeier" steht an. Das Abitur ist geschafft, aber sie kann doch nicht feiern gehen, sich als Zwerg verkleiden, wenn ihr Vater gerade gestorben ist. Doch die Mutter klebt ihr noch den Bart an und wünscht ihr viel Spaß.

Viele kleine Szenen aus der Vergangenheit, machen wirklich betroffen. Da schwänzt Jolanda die Schule, weil sie eine diffuse Angst hat, dass der Vater ins Watt läuft und nicht mehr zurückkehrt. Pax ist Künstler und Kunstlehrer, allerdings aufgrund seiner psychischen Erkrankung arbeitslos und besessen davon das Wrack eines untergegangenen Schiffes zu entdecken. Auch die Verantwortung für die kleine Schwester lastet schon kurz nach deren Geburt auf Jolanda, da die Mutter schnell wieder arbeiten geht und Pax natürlich überfordert ist und statt wie ein Erwachsener zu handeln mit dem Baby um die Wette schreit, bis Jolanda die Situation entschärft. Es ist einfach herzzerreißend so etwas zu lesen. Dabei schreibt Jana Scheerer durchaus mit Humor, doch dieser bleibt einem oft im Halse stecken.

Gut gefallen hat mir, dass die Autorin das Meer, das Watt, den Schlick wie Metaphern verwendet, um so die Gefühlswelt ihrer Figuren zu erklären.

Am Ende sagt Constanze : " Hauptsache der Deich hält." Aber Jolanda denkt:" Vielleicht ist es besser, wie eine Hallig zu leben: Einen Bereich festzulegen, der überschwemmt werden kann von Zeit zu Zeit. Solange man eine Warft hat, auf die man sich zurückziehen kann, geht das."

Dieses berührende Buch hatte für mich ein versöhnliches Ende und wird sicher noch eine Weile nachhallen.

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Veröffentlicht am 24.07.2020

Der Herr ist freundlich

After the Fire - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2021
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Das Jugendbuch "After the fire" von Will Hill war ein echtes Überraschungshighlight und hat mich total überzeugt.

Der Klappentext hat nicht wirklich viel über den Inhalt verraten, deshalb war meine Erwartung ...

Das Jugendbuch "After the fire" von Will Hill war ein echtes Überraschungshighlight und hat mich total überzeugt.

Der Klappentext hat nicht wirklich viel über den Inhalt verraten, deshalb war meine Erwartung ziemlich neutral.

Nachdem die 17jährige Moonbeam nur knapp ein verheerendes Feuer überlebt hat, und soweit genesen ist ,dass man sie vernehmen kann, wird ihr der Kinderpsychologe Dr. Robert Hernandez vorgestellt sowie der FBI Agent Carlyle, um ihre verstörenden Erlebnisse und ihr Leben in der Sekte der Legion Gottes aufzuarbeiten.

Das Buch ist vollständig aus der Sicht von Moonbeam geschrieben und die Kapitel teilen sich auf in Erlebnisse vor und nach dem Feuer. Es war erschütternd zu sehen, dass die Gehirnwäsche, die die Sektenmitglieder durch ihren Propheten Father John erlebt haben, sogar nach dessen Tod noch funktionierte. Nur einige Kinder hatten das Inferno überlebt und die waren zum Teil in der Basis der Gotteslegionäre geboren worden und mussten nun behutsam lernen, dass alles was man ihnen beigebracht hatte eine Lüge war. Moonbeam als Älteste der Gruppe, hatte schon länger Zweifel, hörte aber trotzdem in ihrem Kopf noch ständig die Stimme von Father John, wie er sie anbrüllte, durch ihre Therapiegespräche zur Ketzerin zu werden, wenn sie sich mit den Dienern der Schlange, wie er alle Personen und insbesondere Behörden außerhalb der Basis bezeichnete, einließ.

Sehr einfühlsam wird beschrieben, wie die Menschen in die Sekte kamen, wie ihr Alltag aussah und warum das ganze System bis zu seinem bitteren Ende funktionierte.Die in der Sekte verwendete Grußformel "Der Herr ist freundlich" wirkt im Laufe der Geschichte nur noch höhnisch. Die Schilderungen sind sehr spannend und emotional und lassen den Leser oft fassungslos zurück. Mit Moonbeam hat der Autor eine sehr besondere Protagonistin geschaffen, die sehr authentisch wirkt, ein freundliches, hilfsbereites Wesen hat und der man am Ende von Herzen ein Happy End wünscht.

Einmal angefangen kann man das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Auch als Diskussionsgrundlage zwischen Eltern und ihren Kindern ist dieses tolle Jugendbuch absolut geeignet. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen.

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