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Veröffentlicht am 03.09.2017

Schokolade macht glücklich

Zartbitter ist das Glück
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Fünf Frauen, Sina, Maya, Ingrid, Lisbeth und Kat, die in Ihrer Jugend eng befreundet waren und vom Leben in alle Winde zerstreut wurde, finden weit jenseits der 50, nämlich Mitte 60, wieder einen gemeinsamen ...

Fünf Frauen, Sina, Maya, Ingrid, Lisbeth und Kat, die in Ihrer Jugend eng befreundet waren und vom Leben in alle Winde zerstreut wurde, finden weit jenseits der 50, nämlich Mitte 60, wieder einen gemeinsamen Weg. Und das weit weg der eigentlichen Heimat – ein echter Neuanfang. Das wird nach 40 Jahren, in denen man mehr oder weniger lockeren Kontakt hatte, nicht ganz so einfach, wie gewünscht. Fünf Lebensgeschichten wollen kennengelernt werden, Schwierigkeiten überwunden, um ein harmonisches Miteinander zu erreichen und einen gemeinsamen neuen Traum verwirklichen zu können. Ob das funktioniert, so weit von Daheim und der eigenen Jugend?

Anne Østbys Sprache ist wunderschön, dennoch ist unverkennbar, dass die Autorin aus Norwegen stammt. Die für skandinavische Bücher typische etwas düstere, melancholische Grundstimmung ist deutlich sichtbar. Einerseits passt dies zu unseren fünf Protagonistinnen, andererseits erschwert sie das Lesen doch spürbar. Wer einen fröhlichen „Alte-Frauen-Roman“ erwartet, liegt hier völlig falsch. Auch bekommt man kein „50 ist das neue 40“-Buch serviert. Dieses Buch widmet sich dem letzten Viertel des Lebens, mit Rückblicken und gewissermaßen auch Abrechnungen.

Verbunden werden die Lebensgeschichten durch Ateca, dem Hausmädchen, das in ihren Gebeten die westliche mit der einheimischen Sicht quasi verbindet und so dem Leser neue Perspektiven eröffnet. Es wird deutlich, wie anders ein Sachverhalt in einer anderen Kultur gehandhabt und erlebt wird. Das führt zur Frage, wie wichtig und vor allem gewichtig ein einzelnes Schicksal im Gesamtbild ist.

Einen Spannungsbogen im üblichen Sinne gibt es nicht, dennoch ist die Geschichte nicht langweilig. Immerhin geht es um fünf völlig unterschiedliche Leben und eine lebenslange Freundschaft. Dazu kommt die herrliche Gegend der Fidschi-Inseln, die für alle eine völlig neue Umgebung bedeutet und damit einen neuen Anfang – oder ein schönes Ende – bedeuten kann.

Das Buch ist rein optisch etwas ganz besonderes. Der Wunderraumverlag ist neu gegründet worden und möchte den Lesern durchweg solche Bücher präsentieren. Es ist ein wenig Nostalgie: weg vom inzwischen üblichen Taschenbuch, aber auch weg vom herkömmlichen gebundenen Buch – hin zu einer Ausgabe, die man automatisch anders hält und schätzt, als TB und HC. Wenn dann noch der Inhalt passt, ist das eine gelungene Sache!

Dieses Buch braucht den richtigen Leser (klar, welches Buch braucht den nicht?). Wer ein ruhiges, aber aussagestarkes Buch sucht, wird hier fündig. Von mir bekommt es vier von fünf Sternen.

Veröffentlicht am 03.09.2017

Den Spiegel vorhalten

Und du kommst auch drin vor
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Kim, 15 und Scheidungskind, hat mit Lesen nichts am Hut. Da muss die Klasse auf eine Lesung und Kim fällt aus allen Wolken: in dem Buch geht es eindeutig um sie! Sie muss das Buch haben, auch wenn sie ...

Kim, 15 und Scheidungskind, hat mit Lesen nichts am Hut. Da muss die Klasse auf eine Lesung und Kim fällt aus allen Wolken: in dem Buch geht es eindeutig um sie! Sie muss das Buch haben, auch wenn sie sonst niemanden kennt, der liest. Jasper, Kims Klassenkamerad, kommt in dem Buch gar nicht gut weg und Kim versucht mit Hilfe ihrer besten Freundin Petrowna, die Autorin dazu zu überreden, alles zu ändern. Doch die denkt gar nicht daran – wie sollte sie das auch tun? Die Bücher sind doch längst auf dem Markt. Also lassen sich die beiden etwas anderes einfallen …

Das Buch liest sich recht flott und locker, auch wenn schon beim Lesen klar wird, dass Kim ein sehr anstrengendes 15jähriges, pubertierendes Mädchen ist. Sie sieht nur sich und ihre „Probleme“, allen anderen geht es ja immer so viel besser als ihr und niemand denkt an sie, alle nur an sich selbst. Und überhaupt sind alle anderen ja immer und ohne Unterlass auf dem falschen Dampfer … Ja, Kim geht – zumindest Erwachsenen – beim Lesen gewaltig auf die Nerven.

Doch ich bin der Überzeugung, dass die Zielgruppe der 10-13Jährigen den kleinen Wink verstehen wird: nimm Dich selbst nicht wichtiger als andere, sieh genauer hin! Denn auch wenn Teenager gern egozentrisch sind, ist Kim die Königin unter den Egozentrikern! Entsprechend lässt Alina Bronsky Kim auch oberflächlich erzählen. Nur zwischen den Zeilen kann der Leser sehen, was um Kim herum wirklich geschieht, das sie selbst gar nicht wahrnimmt. So kommt es auch, dass sie gar nicht auf die Idee kommt, dass im Buch gar nicht sie gemeint ist, sondern sehr viele Kinder getrennte Eltern haben, in der Schule Probleme haben, die erste Liebe erleben usw. Selbst die Hinweise der anderen, Familienmitglieder wie auch Freunde und Klassenkameraden, nimmt sie in ihrer Eigenliebe gar nicht wahr.

Soziales Gefälle, Vorurteile, Migrationshintergrund, Pubertät, Trennung der Eltern, Eifersucht, beschränkte Sichtweisen – all das nimmt die Autorin in diesem Buch aufs Korn und versucht, den Kids zu zeigen, wie leicht man in diese Falle tappt. Dabei stopft sie, auch wenn das jetzt fast so klingen könnte, nicht zu viel in die 190 Seiten. Alles ist rund, passt ineinander und zusammen und ergibt ein stimmiges Gesamtbild.

Cover sind nicht wirklich wichtig, doch hier deutet es schon darauf hin, um was es geht: es ist wie ein trüber Spiegel, der dem Leser vor Augen gehalten wird. Man muss genau hinsehen, um sich selbst klar sehen zu können!

Ein Buch, das zu denken gibt, ohne allzu moralisch rüberzukommen. Gefällt mir gut! Von mir gibt es vier Sterne, da die Wendungen zwar schön und stimmig sind, die Kernaussage aber nicht deutlich genug herüberkommt.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium

Unsere verlorenen Herzen
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Der 17jährige Henry ist von seinen Gefühlen völlig überrascht, als Grace in seine Klasse kommt. Sie ist das Sinnbild von „kaputt“: schmuddelige, zu große Jungsklamotten, ungekämmt, mit Gehstock und eindeutig ...

Der 17jährige Henry ist von seinen Gefühlen völlig überrascht, als Grace in seine Klasse kommt. Sie ist das Sinnbild von „kaputt“: schmuddelige, zu große Jungsklamotten, ungekämmt, mit Gehstock und eindeutig unglücklich. Bisher war er noch nie verliebt. Seine Eltern sind das perfekte Paar und genau das möchte er für sich auch haben. Grace passt in diese Vorstellung so gar nicht, dennoch sucht er ihre Nähe. Die Arbeit an der Schülerzeitung kommt da absolut gelegen, denn er und Grace sollen sich den Redaktionsleiter-Posten teilen. Nach und nach kommt Henry hinter das Geheimnis von Grace …

Dieses Buch wird dem Genre Jugendbuch zugeordnet, hat aber auch Erwachsenen sehr viel zu sagen. Ob für sich selbst oder um den Nachwuchs (wieder) zu verstehen – es steckt voller wunderbar ausgedrückter und teils versteckter Weisheiten, die einfach bereichern. Ohne überfrachtet zu wirken, streift es eine Menge Themen. Der Leser wird nicht damit überhäuft oder überfordert, er kann so viel oder wenig darüber nachdenken, wie er möchte. Das klingt seltsam, dennoch macht es, wenn man das Buch gelesen hat, Sinn. Es lässt sich am ehesten mit „denk mal drüber nach“ erklären. Man kann, muss aber nicht. Die Kerngeschichte ist intensiv genug, dennoch berührt sie, wie das wahre Leben eben, auch noch unendlich viele andere Bereiche. Jeder beschäftigt sich damit so intensiv, wie er gerade kann und mag.

Die erste Liebe ist immer etwas ganz Besonderes. In Henrys Fall trifft das noch stärker zu. Er nimmt einen Kampf auf, der nur sehr schwer zu gewinnen ist. Noch dazu in einer Zeit, die für seine Zukunft sehr prägend ist und in der er Weichen stellen muss. Zum Glück hat er Freunde und Familie, die für ihn da sind und mit ihm durch dick und dünn gehen.

Krystal Sutherland hat ein Debüt abgeliefert, das einfach umhaut. Ich habe das Buch fast in einem Zug durchgelesen. Der Einstieg fällt unbeschreiblich leicht und ihre Sprache ist einfach wunderbar. Jugendlich genug, um den Leser keinen Augenblick vergessen zu lassen, dass ein Teenager seine Geschichte erzählt, aber nicht zu flapsig, damit auch young adults und die Elterngeneration das Buch geradezu inhalieren können. Schon allein, dass sie es schafft, einen männlichen Erzähler über diese besondere Liebe erzählen zu lassen, ist einfach bemerkenswert und großartig. Ein klein wenig erinnert dies an Erich Segals „Love Story“. Trotz aller ergreifenden Momente bleibt das Buch positiv und der Ich-Erzähler verliert nie einen gewissen Humor. Dabei wird nichts ins Lächerliche gezogen, sondern gezeigt, dass all das zum Leben gehört.

Die Autorin hat tatsächlich ein Debüt geschaffen, das sie selbst erst einmal übertreffen muss – keine leichte Aufgabe! Ich bin gespannt auf weitere Werke von ihr. Sie hat eindeutig ein riesiges Talent, denn beim Lesen hat man das Gefühl von Leichtigkeit (trotz des schwierigen Themas). Das Schreiben ist mühevolle Knochenarbeit. Ein Buch erscheinen zu lassen, als sei es einfach nur so aus der Feder geflossen, schaffen nur wenige so meisterlich.

Genau dieser Widerspruch der Leichtigkeit bei schwierigen Themen ist ganz große Kunst. Sutherland veralbert die Situation nicht, dennoch zeigt sie, dass es immer irgendwie weitergeht und genau das das Leben ausmacht. Wunderbar finde ich auch die locker eingestreuten Musik- und Filmtitel. Nicht alle sagte mir persönlich etwas, dennoch gefällt es mir sehr.

Dieser Roman zieht nicht runter, obwohl er ans Herz geht. Ergreifend, bewegend, wunderschön – von mir gibt es die vollen fünf Sterne!

Veröffentlicht am 29.08.2017

Dachte er

Teufelskälte (Ein Fall für Tommy Bergmann 2)
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Tommy Bergmanns erster Fall als Kommissar lässt ihn bis heute nicht los. Damals lag im Wald die verstümmelte Leiche der 15 Jährigen Christina. Ihr Mörder wurde erst nach einer langen Reihe weiterer Morde ...

Tommy Bergmanns erster Fall als Kommissar lässt ihn bis heute nicht los. Damals lag im Wald die verstümmelte Leiche der 15 Jährigen Christina. Ihr Mörder wurde erst nach einer langen Reihe weiterer Morde gefasst. Doch jetzt, fast 20 Jahre später (wir befinden uns im Jahre 2004), ist sich Bergmann nicht mehr sicher, ob er den richtigen Mann seiner gerechten Strafe zugeführt hat, denn eine weitere Leiche taucht auf und erinnert fatal an Christina. Läuft der wahre Täter vielleicht noch frei herum?

Skandinavische Krimis und Thriller sind immer etwas düster und zäh, doch Gard Sveen kann mich nicht mal mit Detlef Bierstedt als genialer Stimme fesseln. Es dreht sich zu viel im Kreis. Auf allem wird ewig herumgekaut, es von allen Seiten betrachtet, dann wieder ein Sprung in eine andere Zeit, zu einem anderen Fall, zu einem anderen Problem (und sei es Susanne Bech, Tommys Kollegin). Im Grunde ist in diesem Buch keine einzige Figur geistig wirklich komplett gesund. Mir ist das alles einfach zu sehr „drüber“.

Das verhindert zudem, dass ich zu irgendeinem Charakter einen Bezug aufbauen konnte. Alles war mir bis zum Ende extrem fern, niemand gewann meine Sympathie und irgendwo hab ich auch weitgehend das Interesse verloren. Irgendwann war es einfach zu viel mit „dachte er“. Ich hatte schon langsam Panik, wann diese beiden Worte wieder fallen. Obwohl es viele brutale Stellen gab, kam keine echte Spannung auf (nur jede Menge Ekel und Entsetzen). Zudem ist das Ganze durch die vielen Sprünge sehr verwirrend.

Das Ende verknüpft vermeintlich einige der Stränge miteinander, doch finde ich die Auflösung nicht wirklich befriedigend oder gelungen. Im Gegenteil, ich fühle mich ein wenig betrogen und auch wenn es sehr schockierend ist, gefällt es mir nicht wirklich. Noch dazu habe ich kein Bedürfnis, den Vorgänger zu lesen oder hören oder gar Interesse an weiteren Fällen mit Tommy Bergmann. So bleiben auch leider nur zwei Sterne übrig.

Veröffentlicht am 27.08.2017

Eine ganz besondere Familie

Sonntags in Trondheim
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In drei Erzählsträngen um die Neshovs Erlend, Margido und Torunn erfährt der Leser witziges, bewegendes, trauriges – kurz: das Leben eben – aus Trondheim. Die drei Charaktere könnten unterschiedlicher ...

In drei Erzählsträngen um die Neshovs Erlend, Margido und Torunn erfährt der Leser witziges, bewegendes, trauriges – kurz: das Leben eben – aus Trondheim. Die drei Charaktere könnten unterschiedlicher kaum sein und so wird das Lesen keinesfalls langweilig, obwohl es keinen echten Spannungsbogen und irgendwie sogar keine Handlung gibt. Doch so ist nun mal das Leben: es macht, was es will und führt uns auf Wege, die wir so nicht geplant hätten.

Ich habe die drei vorherigen Bücher nicht gelesen, habe aber auch nicht den Eindruck, dass dies groß geschadet hätte. Auch ohne Vorwissen sind die Neshovs eine tolle, außergewöhnliche und trotz allem liebenswürdige Familie. Jeder von ihnen muss in diesem Buch mit lebensveränderten Ereignissen umgehen und entwickelt sich entsprechend weiter. Das könnte eine gute Grundlage für weitere Bände geben, ergibt aber auch ebenso gut eine Art krönenden Abschluss. Auf alle Fälle ist das Buch in sich rund und in sich abgeschlossen.

Die Sätze variieren sehr schön von kurz und prägnant bis hin zu lang und sehr verschachtelt. Hier lassen sich die Stimmungen der Figuren sehr schön erkennen: verwirrt, einsam, traurig, überdreht, fröhlich, resigniert usw. Dieser Stil liest sich gut und zieht den Leser näher ins Geschehen. So geschieht vielleicht nicht wirklich viel, doch insgesamt hat sich dann am Ende doch recht viel getan. Man begleitet diese Familienmitglieder auf ihrer Reise zu sich selbst und das liest sich sehr schön. Es ist ein Buch, das nicht zu sehr anstrengt, aber auch nicht „nebenher“ gelesen werden kann.

Mein persönliches Highlight ist das Buch nicht, dennoch habe ich es sehr gern gelesen. Deshalb bekommt es von mir vier Sterne.