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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.04.2023

Privilegien

Dein Taxi ist da
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Damani verdient für sich und ihre Mutter mit Fahrdienstfahrten über eine App im altersschwachen Auto ihres verstorbenen Vaters den Unterhalt. Allerdings bekommt sie für immer mehr Arbeit immer weniger ...

Damani verdient für sich und ihre Mutter mit Fahrdienstfahrten über eine App im altersschwachen Auto ihres verstorbenen Vaters den Unterhalt. Allerdings bekommt sie für immer mehr Arbeit immer weniger Geld. Und sich um die kranke Mutter, die unbezahlten Rechnungen, schwierige Fahrgäste und das ganze Leben drumrum zu kümmern, wird immer schwieriger. Ihre eigenen Träume und Wünsche treten in den Hintergrund. Da tritt Jolene in Damanis Leben. Und das ist folgenreich.

Damani gibt so wenig wie möglich von sich preis. Nur wenig kommt nach und nach zutage. Sie ist sympathisch, doch merkt man schnell, dass da Dinge sind, die noch lange nicht verarbeitet sind und die sie mit sich herumschleppt, quasi am Rande eines steilen Abhangs. Dass sie in mehr als einer Hinsicht einer Minderheit angehört, weiblich ist und Taxi fährt macht es nicht gerade leichter. Die Story erzählt Damani aus ihrer Sicht und das gefällt mir sehr gut. Auch passt es, denn nur so kann man nachvollziehen, wie eines zum anderen kam und ihre Gefühle, Ängste, Sorgen und Nöte wirklich an sich heranlassen und verstehen.

Trotz aller Dramatik mangelt es dem Buch aber nicht an Humor. Das mag Galgenhumor sein, aber auch der ist oft nicht ohne Daseinsberechtigung. Gerade wenn sich Damani über die unzähligen Demonstrationen für und gegen so ziemlich alles in der namenlosen Stadt echauffiert, möchte man ganz breit grinsen. Und dabei ist das gar nicht wirklich lustig. Weder für Damani, noch für die Demonstranten und auch nicht für all jene Minderheiten und Missstände, die in diesem Buch aufgezeigt werden.

Damani ist 32 Jahre, wirkt aber sehr oft wie Anfang 20. Mir gefällt, dass Priya Guns ihre Bisexualität zwar herausstellt und natürlich auch zum Thema macht, aber nicht übertrieben wichtig nimmt. Die Ereignisse könnten ebenso ablaufen, wäre sie heterosexuell. Damani ist intelligent und gebildet, kommt aber immer schlechter über die Runden. Sie will sparen, um sich ihren eigenen Food-Truck leisten zu können, doch die Kosten des Lebens sind weit über den Einnahmen. Es wird immer enger.
Es ist erstaunlich, wie viele unterschiedliche Themen in dieser Story mühelos zusammenfinden, ineinander passen und so viel sagen, ohne dass sie wirklich ausführlich geschildert werden. Sie geben zu denken, sie hallen nach, sie wirken auch noch nach dem letzten Wort. Die Autorin sagt so viel mehr, als sie geschrieben hat. Die Themen anzuschneiden genügt dabei bereits. Alle zusammen ergeben dann kein Chaos, sondern eine umwerfend gute Geschichte. Das ist geniale Kunst und selten zu finden. Augen verschließen geht nach dieser Story nicht mehr und genau das finde ich gut. Guns zeichnet die Figuren sehr klar, ohne viele Worte dazu zu benötigen. Vor meinem geistigen Auge hatte ich von allen ein klares Bild.

Überhaupt weiß sie, ohne zu detailliert und ausschweifend werden zu müssen, Menschen, Dinge und Begebenheiten sowie die Umgebung wunderbar zu beschreiben. Viele ihrer Sätze sind wahre Poesie, wenn nicht gar Philosophie. Dabei kommt der Humor nie zu kurz, auch wenn immer wieder dramatische, traurige und gar nicht so lustige Dinge geschehen. All das zu beschreiben ist fast unmöglich. Man muss es einfach lesen oder hören – und das lohnt sich definitiv. Ich liebe diese Story, ich liebe Damani, ich liebe die Art, wie Maya Alban-Zapata das Buch eingesprochen hat und ich gebe aus tiefstem Herzen die vollen fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 18.04.2023

Wunderbar geschrieben

22 Bahnen
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Tilda hat sich längst damit abgefunden, dass ihre Mutter Alkoholikerin ist. Sie ist diejenige, die sich darum kümmert, dass der Anschein von Familie gewahrt wird. Sie ist es, die ihre kleine Schwester ...

Tilda hat sich längst damit abgefunden, dass ihre Mutter Alkoholikerin ist. Sie ist diejenige, die sich darum kümmert, dass der Anschein von Familie gewahrt wird. Sie ist es, die ihre kleine Schwester Ida liebevoll großzieht. Sie ist es, die arbeiten geht, neben dem Studium. Freunde sind keine mehr da – sie sind alle in die Großstädte gezogen, um zu studieren. Ihre eigenen Wünsche hat Tilda weit nach hinten gedrängt. Auch ihre Ängste und Sorgen hat sie tief vergraben. Doch dann bekommt sie eine Promotion in Berlin in Aussicht gestellt. Wie soll sie sich entscheiden? Oder hat sie überhaupt eine Wahl?

Tilda wirkt anfangs recht schräg, wie sie an der Supermarktkasse die Kunden erst ansieht, wenn sie die Artikel gescannt und geraten hat, zu wem sie gehören. Doch nach und nach erfährt man, was sie in ihrem jungen Leben bereits mitgemacht hat, wie allein und verloren sie ist, wie viel Verantwortung sie auf ihren schmalen Schultern trägt. Nur das Schwimmen hat sie neben ihrem Job und der Sorge um Mutter und kleiner Schwester. Diese geht nur bei schlechtem Wetter schwimmen, redet kaum, malt viel (und sehr gut). Man kann nicht umhin, Ida und Tilda schnell ins Herz zu schließen, die Mutter zu hassen und alle Menschen in ihrem Umfeld anschreien zu wollen, warum sie die Augen verschließen und nicht helfend eingreifen.

Man gerät schnell in den Sog von Tildas Geschichte, die sie in der Ich-Form erzählt, auf eine ganz spezielle, distanzierte Art. Genau das geht tief ins Herz und unter die Haut. Nach und nach versteht man Tilda immer besser und kann nicht umhin, sie für ihre Stärke zu bewundern und zu erkennen, warum sie so anders ist. Caroline Wahl hat einige weitere gewichtige Themen mit in diese Geschichte gewebt, ohne sie zu überladen und ohne vom Kern abzuschweifen. Dennoch bleibt vieles ungesagt. Gerade das gefällt mir sehr gut, denn zwischen den Zeilen lesen ist hier sehr wichtig.

Auch als die Dinge in Schräglage geraten, bleibt alles sehr realistisch. Die Autorin dramatisiert nicht, sondern lässt einfach geschehen. Tilda und Ida stützen sich so wunderbar gegenseitig, lassen dem anderen dennoch genug Freiraum und auch ein paar Schwächen. Sie sind für ihr Alter viel zu erwachsen, doch genau so werden Kinder eben, wenn sie unter solch extremen Bedingungen zu überleben versuchen.

Mir gefällt, dass die Autorin nicht auf die Tränendrüse drückt. Von mir aus hätte Tilda noch ewig weiter erzählen dürfen. Das Ende hätte ruhig noch viel weiter weg sein dürfen, doch gerade die Kürze sorgt dafür, dass man einen regelrechten Abschiedsschmerz spürt. Das Buch geht tief unter die Haut und nicht mehr aus dem Kopf. Das schaffen nicht viele!

Solche Bücher gibt es viel zu wenig! Ich hoffe, Caroline Wahl lässt es nicht bei diesem einen, wunderbaren Werk bleiben und liefert noch viele weitere nach. Dieses Buch ist mein bisheriges Jahreshighlight und ich bezweifle, dass es diesen Rang zeitnah verliert. Carolin Haupt hat einen großartigen Job gemacht und nicht unwesentlich Anteil an meiner Begeisterung. Ich gebe fünf Sterne!

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Die Sauerteig-Schule

Sauerteig - Schritt für Schritt zum Erfolg
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Sauerteig und ich – das ist eine neverending story! Aber wenn man fast siebzig Seiten ausführlicher Anleitung inklusive enorm guter Erklärung und sehr informativen Fotos und Grafiken bekommt, dann fühlt ...

Sauerteig und ich – das ist eine neverending story! Aber wenn man fast siebzig Seiten ausführlicher Anleitung inklusive enorm guter Erklärung und sehr informativen Fotos und Grafiken bekommt, dann fühlt man sich einfach sicherer und traut sich ein weiteres Mal an den eigenen Ansatz. Man darf ihn eben nur nicht vergessen und muss ihn hegen und pflegen, wie ein Haustier.

Dann kommen mehr als vierzig Rezepte mit Sauerteig – nicht nur Brote! Für mich neu waren süße Backwaren mit Sauerteig. Aber ich probiere so gerne neue Rezepte aus, dass ich mich da mit viel Enthusiasmus drauf gestürzt habe. Nicht alle überzeugen mich, aber sie sind definitiv eine echte und überraschende leckere Alternative bzw. teils sogar eine Art Upgrade! Die Brote sind auch nicht „von der Stange“ und zum Teil enorm ausgefallen. Besonders für Brunch oder Grillabende sind solche besonderen Brote aber geradezu perfekt.

Manche Zutaten sind nicht ganz so leicht zu bekommen. Es sind spezielle Mehlsorten, wie z.B. Hartweizengrießmehl, Manitoba-Mehl, Weizenmehl Typ 812, Roggenmehl 1370 usw. Ich habe in meinem Vorrat unterschiedliche Mehlsorten, aber diese dann doch nicht.

Zu jedem Rezept gibt es vorab eine kleine Einführung. Die Angaben zu Zeiten und Haltbarkeit sind auf den ersten Blick erkennbar, da sie farblich unterlegt sind. Es folgen die Zutatenliste und die Schritt-für-Schritt-Anleitung. Letztere ist jeweils unterteilt in den Vortag und den Backtag. Die Anweisungen sind kurz und klar verständlich. Jedes Rezept kommt mit Foto, manche sogar mit Fotostrecken. Auch finden sich öfter Tipps und weitere Hinweise.

Natürlich muss man sich nicht auf diese Rezepte beschränken. Mit dem selbstgemachten Sauerteig kann man jedes andere Sauerteigrezept machen. Mir gefällt aber die Kombination aus Sauerteig-Schule und der Auswahl der Rezepte sehr gut. Dass man nicht jedes Mehl überall bekommt, ist zwar ein bisschen schade, aber nicht Grund genug, um dem Buch einen Stern zu nehmen.

Dieses Buch bereichert meine Rezeptesammlung enorm und ist mir eine sehr gute Stütze beim Sauerteig. Es zeigt, wie vielfältig dieses kleine Wunder im Glas eingesetzt werden kann. Ich gebe also die vollen fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 13.04.2023

Zerbrochen

Der gelbe Vogel
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Naomi hat Schlimmes erlebt und auch nach ihrer Flucht aus dem Frankfurt des zweiten Weltkrieges nach New York wird sie ihr Trauma nicht los. Alan, der im selben Mietshaus wohnt, soll sich ein wenig um ...

Naomi hat Schlimmes erlebt und auch nach ihrer Flucht aus dem Frankfurt des zweiten Weltkrieges nach New York wird sie ihr Trauma nicht los. Alan, der im selben Mietshaus wohnt, soll sich ein wenig um die Zwölfjährige kümmern. Das gefällt ihm gar nicht, denn in seinem Alter ist es peinlich, sich mit Mädchen abzugeben. Noch dazu ist Naomi in seinen Augen doch nicht ganz normal. Andererseits – er weiß, dass sie gesehen hat, wie ihr Vater getötet worden ist und kann verstehen, dass das nicht ohne Folgen sein kann.

Das Buch ist bereits 1977 erschienen und in dieser Zeit muss ich es auch zum ersten Mal gelesen haben. Ich liebte damals die Taschenbuchreihe des dtv Verlages (dtv junior pocket), die Jugendbücher mit schwergewichtigen Themen herausbrachte. Gut 45 Jahre später finde ich die Geschichte noch immer bewegend und obwohl es sich um Geschehnisse aus der Zeit des zweiten Weltkrieges handelt, ist alles nach wie vor einfach nur top-aktuell.

Die Geschichte ist in der Ich-Form aus Sicht von Alan geschrieben. Er erzählt davon, wie er seine Kindheit empfindet und wie ungerecht er es fand, dass er sich um Naomi kümmern sollte, aber auch davon, dass er irgendwann sogar gern dieser Aufgabe nachging. Seine Gefühle sind ehrlich und rein, aber er ist eben ein Junge in dem Alter, in dem Mädchen doof sind und es zu Sticheleien kommt, wenn man sich da mit ihnen abgibt. Also hält er es geheim. Dass genau das im Grunde den Anstoß zu einem Drama gibt, hätte vermutlich nicht mal ein Erwachsener erahnen können.

Das einander Annähern ist sehr schön beschrieben, man kann sich sehr gut hineinversetzen und die Entwicklung nachvollziehen. Auch das Einstürzen des zarten Glashauses, die Folgen, die Machtlosigkeit, das Verlustgefühl, für mich alles nachvollziehbar. Und nach wie vor gültig, nicht angestaubt, nicht veraltet, immer noch gültig. Genau das macht Angst.

Jeremias Koschorz hat das Hörbuch mit ganz viel Gefühl für die Situationen eingesprochen und die Figuren lebendig werden lassen. Fünf Sterne!

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Veröffentlicht am 10.04.2023

Highlights aus der mediterranen Küche

Die mediterrane Küche – vielfältig, bunt und gesund
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Auch wenn ich tatsächlich eine ganze Menge „Promi-Kochbücher“ habe, freue ich mich doch immer über solche, die ohne diesen Booster auskommen. Hier ist das so – tolle, vielfältige Rezepte aus dem sonnigen ...

Auch wenn ich tatsächlich eine ganze Menge „Promi-Kochbücher“ habe, freue ich mich doch immer über solche, die ohne diesen Booster auskommen. Hier ist das so – tolle, vielfältige Rezepte aus dem sonnigen Süden, zusammengestellt von Reader’s Digest und ganz ohne A-Z-Prominenz. Herrlich!

Die Palette umspannt die Themenbereiche Suppen und Salate; Kleine Gerichte; Aufläufe und Gratins; Fisch und Fleisch; Vegetarische Gerichte; Desserts. Italien, Spanien, Griechenland, Türkei, vorderer Orient und Nordafrika werden hier per Rezept ins Haus geholt. Eine schöne Art, den kleinen Urlaub zwischendurch zu genießen. Und man kann bei einem Menü sogar die Länder-Küche bunt mischen.

Die Rezepte sind kunterbunt und abwechslungsreich. Die Zutaten sind nicht allzu exotisch und im Einzelhandel in der Regel problemlos zu bekommen, allerdings werden eher hochpreisige Zutaten benötigt (Lamm, Hummer usw.). Ein bisschen sollte man vielleicht auf die passende Zeit achten. In einem auffälligen Kasten sind die Zutaten aufgelistet und darüber sieht man auch gleich, für welche Mengen (Portionen) sie ausgelegt sind. Daneben findet sich die auf den Punkt gebrachte Schritt-für-Schritt-Anleitung und für jedes Gericht gibt es sowohl ein tolles Foto, als auch eine kleine Erklärung. Bei den Zeitangaben liege ich allerdings deutlich drüber, obwohl ich eine geübte Köchin bin.

Meiner Meinung nach eignet sich das Buch vor allem für all jene, die gern und viel kochen und deshalb problemlos auch mal ein Rezept auf die eigenen Bedürfnisse anpassen können. Für Kochanfänger sind viele der Gerichte meiner Ansicht nach zu aufwendig und teils auch schwierig umzusetzen. Es finden sich auch relativ schnelle, einfache Gerichte, doch die sind deutlich in der Unterzahl.

Kleine Kritik am Rande und auf hohem Niveau: Die eine oder andere Angabe ist ein bisschen irritierend. Bei vegetarischen Gerichten wird Geflügelfond/-Brühe verwendet, es wird beim „Orangenkuchen auf orientalische Art“ kein Unterschied zwischen geriebenen Mandeln und Mandelmehl gemacht (meiner Erfahrung nach muss man bei Verwendung von geriebenen Mandeln Fett und Flüssigkeit reduzieren). Bei meinem Lieblingsrezept „Cannelloni mit Huhn und Ricotta“ wurde vergessen anzugeben, dass die Milch mit der nelkengespickten Zwiebel bis kurz vor dem Kochen erhitzt werden muss und dann zugedeckt wieder abkühlen soll. Auch bin ich gerade bei diesem Rezept mit der Menge nicht ganz klargekommen (die Zutaten ergeben weniger Cannelloni). Das sorgt ein wenig für Verwirrung. Auch wurden ein paar Schlagworte im Register vergessen.

Dennoch bin ich großer Fan dieses Kochbuchs, das für die kleinen kulinarischen Urlaubsmomente zu Hause sorgt. Sicher wird eine zweite Auflage komplett überarbeitet an den Start gehen. Ich gebe für die vorliegende vier Sterne!

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