Klassiker ist nicht gleich Klassiker
Lieber Daddy-Long-LegsIch wusste vorab, dass unter anderem Lena von Büchernest Blog sehr gespannt auf die deutsche Veröffentlichung von Lieber Daddy Long-Legs war. Und zugegeben, genau das hat mich so neugierig gemacht, weil ...
Ich wusste vorab, dass unter anderem Lena von Büchernest Blog sehr gespannt auf die deutsche Veröffentlichung von Lieber Daddy Long-Legs war. Und zugegeben, genau das hat mich so neugierig gemacht, weil sie nur des Lobes war. Als es dann endlich soweit war und das Buch im September 2017 erschien, hatte ich mir vielleicht einmal kurz den Klappentext durchgelesen (sagen wir vielmehr überflogen). Aus dem Grund hatte ich auch wenig Erwartungshaltung was die Handlung und deren Verlauf anging. Was jetzt im Nachhinein betrachtet wohl echt nicht verkehrt ist.
Denn eins muss man sich wohl beim Lesen von Lieber Daddy Long-Legs vor Augen halten: Das Buch wurde vor über 100 Jahren von der Autorin Jean Webster geschrieben. Das merkt man in der Art, im Verlauf und auch in der Ruhe, die die gesamte Geschichte ausstrahlt.
Das mag nicht jedem zusagen. Ich bin mir auch nicht mehr sicher, woher ich diesen Vergleich im Kopf habe, aber irgendwo meine ich mal gelesen zu haben, dass wenn man Jane Austen gerne liest, dieses Buch auch mögen würde. Was irgendwie nicht richtig stimmt, weil die Geschichte zwar den Zeitgeist erfasst, aber doch, meiner Meinung nach, wenig mit Austen gemein hat. Man muss ja nicht jeden Klassiker von weiblichen Autoren über einen Kamm scheren, oder?
Worum geht es aber in Lieber Daddy Long-Legs? Als Leser begleitet man die junge Judy auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Durch einen wohlwollenden Sponsor (Daddy Long-Legs) erhält sie die Möglichkeit zu studieren und erlebt dabei einige mehr oder weniger außergewöhnliche Sachen. Das Ganze wird ungewöhnlicherweise in Form von Briefen erzählt, die alle von Judy verfasst und an ihren Gönner geschickt werden. Eben genau das macht das gesamte Buch sehr ruhig. Allerdings weiß Jean Webster ihre Protagonistin stark und ihrer Zeit voraus darzustellen, was sehr erfrischend ist. Judy ist selbstständig, wissbegierig und alles andere als auf den Mund gefallen. Alles wird aus der Perspektive von Judy beschrieben, meist zeitversetzt, weil es natürlich Nacherzählungen aus dem Alltag sind und einen wirklichen Gegenpart, einen Dialog, findet man nicht vor.
Ich fand das ehrlich gesagt sehr schade. Ich hätte mir zumindest ein oder zwei Briefe seitens ihres Gönners gewünscht. Trotzdem hat das meiner Lust weiterzulesen oder die Geschichte in sich selbst zu genießen, keinen Abbruch getan. Denn immer wieder muss man Schmunzeln, genießt die Wortwahl und man spürt hervorragend, wie sich Judy von einem jungen Mädchen zu einer selbstsicheren Frau entwickelt. Vielleicht ist die Geschichte etwas vorhersehbar, vielleicht erscheint Judy auch stellenweise arg naiv und nicht ganz so selbstbestimmt. Aber das liegt wohl an dem bereits erwähnten Zeitgeist, der sich unverkennbar in der Geschichte präsent hält.
Fazit
Das Buch ist für einige nette Lesestunden geeignet, wenn man es sich ganz nostalgisch im Lesesessel mit einer Tasse Tee bei herbst-winterlichen Wetter gemütlich machen mag. Die Leichtigkeit und Lebensfreude sind ein wahrer Genuss beim Lesen. Großartig anspruchsvoll oder actionreich ist es dennoch nicht, weswegen man diese Art von Buch eben auch mögen muss.